OGH vom 24.05.2016, 1Ob77/16d
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J***** J*****, vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor und Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei S***** K*****, vertreten durch Mag. Astrid Roblyek, Rechtsanwältin in Klagenfurt, wegen Feststellung eines Grenzverlaufs (Streitwert 48.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 3 R 189/15m 73, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 27 Cg 41/13b 69, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Revisionsschrift führt die eingangs angekündigten Revisionsgründe der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des [Berufungs ]Verfahrens sowie der Aktenwidrigkeit über weite Strecken gemeinsam aus. Eine Zuordnung der einzelnen Themenkomplexe zu bestimmten Revisionsgründen nimmt die Revisionswerberin erst am Ende ihrer Erörterungen in der „Zusammenfassung“ vor. Die nachstehenden Ausführungen folgen dieser Zuordnung. Soweit sich die Ausführungen in der Sache mit Fragen der Beweiswürdigung, insbesondere der Erörterung einzelner Beweismittel, befassen, ist die Revisionswerberin darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof keine Tatsacheninstanz ist; der Rechtsmittelgrund der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung ist im Katalog des § 503 ZPO nicht enthalten (RIS Justiz RS0069246).
2. Die behauptete Unschlüssigkeit „des Klagebegehrens“ ordnet die Revisionswerberin dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens zu. Unter der Schlüssigkeit der Klage versteht man allerdings die Möglichkeit der rechtlichen Ableitung des angestrebten Urteilsspruchs aus dem vorgetragenen Sachverhalt (vgl dazu nur Rechberger/Klicka in Rechberger 4 Vor §§ 226 ZPO Rz 13 mwN). Da diese Prüfung auf der Basis des materiellen Rechts zu erfolgen hat, könnte die von einem Gericht übersehene mangelnde Schlüssigkeit der Klage nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung, nicht aber eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens begründen.
3. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn (entscheidungserhebliche) Feststellungen mit dem Akteninhalt in Widerspruch stehen (vgl nur RIS Justiz RS0043347). Der Revisionsvorwurf, das Berufungsgericht habe bestimmte Feststellungsbescheide von Bezirksverwaltungsbehörden nicht beachtet bzw vermeintliche Anerkenntnisse „nicht richtig rechtlich gewertet“, ist nicht geeignet, eine Aktenwidrigkeit darzulegen.
4. Zum letztlich geltend gemachten Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ist darauf hinzuweisen, dass eine im Berufungsverfahren unterbliebene (oder nicht gehörig ausgeführte) Rechtsrüge im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden kann ( Kodek in Rechberger 4 § 503 ZPO Rz 23 mwN; RIS Justiz RS0043573). Entsprechendes gilt auch, wenn sich die Rechtsrüge in der Berufung auf bestimmte selbständige Streitpunkte beschränkt hat (RIS Justiz RS0043352 [T26, T 27, T 33, T 34]; RS0043338 [T10, T 11, T 13, T 20, T 27]).
Im vorliegenden Fall setzte sich die Beklagte in ihrer Rechtsrüge ausschließlich mit der Frage der Ersitzung auseinander. Das Erstgericht hatte in seiner rechtlichen Beurteilung einerseits – ausgehend von der auf Tatsachenebene (vgl 6 Ob 230/98m = RIS Justiz RS0049559 [T4]) getroffenen Feststellung, dass der vom Kläger behauptete Grenzverlauf den wahren Gegebenheiten entspricht – dem von diesem zu führenden Beweis über die ursprünglichen Grenzen als erbracht angesehen und andererseits eine Ersitzung der strittigen Grundfläche durch die Beklagte bzw deren Rechtsvorgänger verneint. Hat sich die Beklagte in der Rechtsrüge ihrer Berufung nun ausschließlich mit der Ersitzungsfrage – noch dazu unverständlicherweise mit einer Ersitzung durch den Kläger und seine Rechtsvorgänger – beschäftigt, die Stattgebung des Klagebegehrens auf der Basis des festgestellten Sachverhalts aber sonst rechtlich nicht in Zweifel gezogen, kann sie dies in der Revision nicht mehr nachholen.
5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00077.16D.0524.000
Fundstelle(n):
QAAAD-64957