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OGH vom 18.07.2018, 5Ob37/18d

OGH vom 18.07.2018, 5Ob37/18d

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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin L*****, vertreten durch die Nitsch Pajor Zöllner Rechtsanwälte OG in Mödling, gegen die Antragsgegnerin Dr. E*****, vertreten durch die DDr. Fürst Rechtsanwalts-GmbH in Mödling, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG iVm § 12a MRG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom , GZ 19 R 68/17m-61, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 52 Abs 2 MRG iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antrag der Antragstellerin auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. In diesem Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Mietzinsanhebung nach § 12a Abs 2 MRG bestritt die Antragsgegnerin (als Vermieterin) die Wirksamkeit des Eintritts der Antragstellerin in das Hauptmietverhältnis. Mangels Unternehmensveräußerung lägen die Voraussetzungen für einen Mietrechtsübergang nach § 12a MRG nicht vor. Das Erhöhungsbegehren habe sie – zur Vermeidung eines Anspruchsverlusts – aufschiebend bedingt für den Fall gestellt, dass tatsächlich ein Mietrechtsübergang stattgefunden habe. Das Rekursgericht verneinte die Relevanz der Frage, ob die Voraussetzungen des § 12a MRG für den Eintritt der Antragstellerin in das Mietverhältnis vorgelegen hätten oder nicht, weil die Antragsgegnerin auf Basis des festgestellten Sachverhalts den von der Antragstellerin behaupteten Mietrechtsübergang letztlich anerkannt habe.

2. Das konstitutive Anerkenntnis ist eine Willenserklärung, die dadurch zustande kommt, dass der Gläubiger seinen Anspruch ernstlich behauptet und der Schuldner die Zweifel am Bestehen des behaupteten Rechts dadurch beseitigt, dass er das Recht zugibt. Es setzt somit die Absicht des Anerkennenden voraus, unabhängig von dem bestehenden Schuldgrund eine neue selbständige Verpflichtung zu schaffen. Das konstitutive Anerkenntnis gehört damit zu den Feststellungsverträgen. Es ruft das anerkannte Rechtsverhältnis auch für den Fall, dass es nicht bestanden haben sollte, ins Leben und hat somit rechtsgestaltende Wirkung (7 Ob 105/01v mwN; RIS-Justiz RS0110121; RS0032541).

3. Ein konstitutives Anerkenntnis kann auch schlüssig durch solche Handlungen erklärt werden, die unter Berücksichtigung aller Umstände keinen Grund, daran zu zweifeln, übrig lassen (1 Ob 221/08v mwN; 1 Ob 27/01d; RIS-Justiz RS0014279 [T7]). Ob ein Verhalten – aus der maßgeblichen Sicht des redlichen Erklärungsempfängers (RISJustiz RS0014158 [T10]) – als schlüssiges Anerkenntnis verstanden werden durfte, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (allgemein zur konkludenten Willenserklärung und ihrem Inhalt: RIS-Justiz RS0109021 [T5, T 6]; RS0081754 [T5, T 6]; RS0042936, RS0044358; RS0044298; RS0043253 [T2]).

4. Eine solche Einzelfallentscheidung ist vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn eine auffallende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt. Das ist hier aber nicht der Fall. Das Rekursgericht qualifizierte die Vorschreibung und Annahme des unter Berufung auf das Anhebungsrecht nach § 12a MRG erhöhten Hauptmietzinses als Anerkenntnis des von der Antragstellerin behaupteten Eintritts in das Mietverhältnis. Die Antragsgegnerin habe ihr Erhöhungsbegehren unbedingt erhoben. Allein die Bezeichnung der Antragstellerin als „angebliche“ Erwerberin des Unternehmens bringe keine Bedingung zum Ausdruck. Damit, dass ihr Erhöhungsbegehren unbedingt gewesen sei und sie den Eintritt der Antragstellerin in das Mietverhältnis akzeptiert gehabt habe, stimme überein, dass sie zunächst dazu auch bereit gewesen sei, jedoch aufgrund des Antrags (auf Überprüfung der Zulässigkeit der Mietzinsanhebung) aus ihrer Sicht eine Prüfung des Unternehmensübergangs erforderlich geworden sei. Diese Beurteilung ist – auch unter Zugrundelegung des bei schlüssigen Willenserklärungen generell gebotenen strengen Maßstabs (RIS-Justiz RS0014146; RS0014150; RS0013947) – jedenfalls vertretbar. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Antragsgegnerin den Übergang der Mietereigenschaft zunächst bestritten haben mag und die Vertragspartner der behaupteten Unternehmensveräußerung angeblich jegliche Hilfestellung bei der Aufklärung der tatsächlichen Rechtsbeziehungen vermissen ließen. Ein Anerkenntnis setzt schließlich voraus, dass das anerkannte Recht vom Anerkennenden zunächst ernsthaft bestritten oder bezweifelt wurde (2 Ob 240/13b; RISJustiz RS0110121).

5. Durch ein konstitutives Anerkenntnis wird eine bisherige (zwischen den Parteien des Schuldverhältnisses bestehende) Unsicherheit endgültig beseitigt; es bleibt auch gültig, wenn später eindeutig nachweisbar ist, was im Zeitpunkt des Anerkenntnisses noch strittig oder unsicher war. Das Anerkenntnis entfaltet somit wie ein Vergleich eine Bereinigungswirkung (7 Ob 105/01v; RISJustiz RS0110121). Den sich mit den Voraussetzungen für das Vorliegen einer Unternehmensveräußerung nach § 12a Abs 1 MRG befassenden Ausführungen der Antragsgegnerin kommt keine für die Entscheidung relevante Bedeutung zu. Den erörterten Rechtsfragen fehlt es daher an der für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erforderlichen Präjudizialität (RISJustiz RS0088931 [T2]). Der Revisionsrekurs war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.

6. Die vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof erstattete Revisionsrekursbeantwortung der Antragstellerin diente nicht der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Dafür gebührt kein Kostenersatz (RIS-Justiz RS0124792).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2018:0050OB00037.18D.0718.000

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