OGH vom 18.03.2009, 7Ob16/09t
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** KG, *****, vertreten durch Dr. Remigius Etti, Rechtsanwalt in Brunn am Gebirge, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei V***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Dr. Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B*****-Aktiengesellschaft *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Leitner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 64.957,18 EUR (sA), über die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 56/08x-18, mit dem das Zwischenurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 15 Cg 74/07k-13, infolge Berufung der Beklagten bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1.) Die Bezeichnung der Nebenintervenientin wird von L***** GmbH auf V***** GmbH von Amts wegen berichtigt.
2.) Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 2.036,70 EUR (darin enthalten 339,45 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Zu 1.): Die Änderung der Bezeichnung der Nebenintervenientin gründet sich auf § 235 Abs 5 ZPO und das offene Firmenbuch (FN 235080g).
Zu 2.): Die Klägerin betreibt mehrere Pelzgeschäfte, die bei der G***** AG (Vorversicherer) unter anderem gegen Einbruchsdiebstahl versichert waren. Wegen mehrerer Schadensfälle wurde der Versicherungsvertrag vom Vorversicherer gekündigt. Dessen Mitarbeiterin Doris F***** erbot sich, der Klägerin einen anderen Versicherer zu vermitteln. Sie nahm mit dem Geschäftsführer der Nebenintervenientin Kontakt auf und teilte diesem mit, dass die Klägerin wegen Einbruchsdiebstählen vom Vorversicherer gekündigt worden sei. Über Ersuchen des Geschäftsführers übermittelte sie der Nebenintervenientin eine entsprechende Schadensaufstellung. In der Folge schlossen die Streitteile eine das Risiko des Einbruchsdiebstahls umfassende Bündelversicherung ab.
Am wurde in ein Geschäftslokal der Klägerin neuerlich eingebrochen und Pelze gestohlen. Weil die Klägerin der Beklagten die betreffenden Fragen im Versicherungsantrag unbeantwortet gelassen und die Vorschadensfälle verschwiegen habe, erklärte die Beklagte mit Schreiben vom den Rücktritt vom Versicherungsvertrag und leistete der Klägerin eine Prämienrückzahlung von 1.672,62 EUR.
Unter Berücksichtigung dieser Rückzahlung begehrte die Klägerin von der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag den Ersatz ihres restlichen, von ihr mit 64.957,18 EUR bezifferten Schadens. Da der Nebenintervenientin die Vorschäden mitgeteilt worden seien, seien sie gegenüber der Beklagten nicht verschwiegen worden.
Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es stellte auch noch den wesentlichen Inhalt eines von der Nebenintervenientin mit der Beklagten am abgeschlossenen „Provisionsbriefs" fest und ergänzte diese Feststellung im Rahmen der rechtlichen Beurteilung dahin, dass die Nebenintervenientin von der Beklagten mit der ständigen Vermittlung von Versicherungsverträgen betraut worden sei. Die Nebenintervenientin sei daher als Versicherungsagentin der Beklagten anzusehen und deshalb bevollmächtigt gewesen, das Versicherungsverhältnis betreffende Erklärungen von Versicherungsnehmern für die Beklagte entgegenzunehmen. Die der Nebenintervenientin gemachte Mitteilung von Vorschäden sei daher der Beklagten zuzurechnen. Die Klägerin sei demnach ihrer Anzeigeverpflichtung im Sinn des § 16 VersVG nachgekommen.
Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Das Erstgericht habe die allein noch strittige Frage, ob der Nebenintervenientin die Stellung eines Versicherungsagenten im Sinn der §§ 43 f VersVG zukomme und ihr daher das Wissen der Nebenintervenientin zuzurechnen sei, zutreffend beantwortet. Da die ständige, generelle Betrauung der Nebenintervenientin mit der Vermittlung von Versicherungsverträgen für die Beklagte feststehe, liege entgegen deren Ansicht nicht bloß eine (Rahmen-)Provisionsvereinbarung vor. Die hier zu beurteilende Courtage-Vereinbarung gleiche jener, die der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 30/91 als für die Annahme einer Versicherungsagenteneigenschaft ausreichend erachtet habe.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Zwar habe es in Übereinstimmung mit oberstgerichtlicher Rechtsprechung entschieden. Im Hinblick auf Lehrmeinungen sei aber zweifelhaft, ob die Grundsätze der Entscheidung 7 Ob 30/91 aufrechterhalten werden könnten.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem, gemäß § 508a Abs 1 ZPO den Obersten Gerichtshof nicht bindenden, Ausspruch des Berufungsgerichts ist die von der Beklagten gegen das Urteil der zweiten Instanz erhobene Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Die von der Revisionswerberin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor. Sie wird darin erblickt, dass das Erstgericht keine Feststellung getroffen habe, wonach die Nebenintervenientin ständig mit der Vertretung der Beklagten betraut gewesen sei. Da das Berufungsgericht eine solche Feststellung durch Verwertung von Zeugenaussagen - ohne selbst eine Beweisaufnahme vorgenommen zu haben - getroffen habe, liege ein Verstoß gegen § 488 Abs 4 ZPO vor.
Diese Ausführungen setzen sich über den hier bereits erwähnten Umstand hinweg, dass das Erstgericht die betreffende Feststellung im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung nachgeholt hat. Dies wurde von der Beklagten ohnehin erkannt, hat sie doch in der Berufung eine entsprechende Beweisrüge erhoben, die das Berufungsgericht allerdings verworfen hat. Dessen Ausführung, die betreffende Feststellung gründe sich nicht nur auf den Provisionsbrief, sondern auch auf die Aussagen dreier namentlich genannter Zeugen, bezieht sich auf einen entsprechenden Hinweis im Rahmen der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.
Die sich damit zu Recht auf diese Feststellung stützende Rechtsmeinung, die Nebenintervenientin sei als Versicherungsagent der Beklagten im Sinn der §§ 43 f VersVG anzusehen, entspricht keineswegs allein der Entscheidung 7 Ob 30/91, sondern steht mit einer Reihe weiterer einhelliger oberstgerichtlicher Entscheidungen zur Abgrenzung von Makler und Agent im Einklang (vgl etwa die in der Revisionsbeantwortung genannten Entscheidungen 7 Ob 134/99b, 7 Ob 314/99y, 7 Ob 13/04v und 7 Ob 319/04v). Schon in der Entscheidung 7 Ob 43/04f wurde darauf hingewiesen, dass zur Bestimmung des § 43 VersVG demnach eine klare und einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt. Danach ist derjenige, der - wie hier die Nebenintervenientin - nicht bloß eine Rahmenprovisionsvereinbarung abgeschlossen hat (vgl 7 Ob 319/04v und 7 Ob 314/99y mwN), sondern vom Versicherer ständig betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder zu schließen und der damit zum Versicherer ein Naheverhältis hat, als Versicherungsagent im Sinn des § 43 VersVG anzusehen (RIS-Justiz RS0114041), wobei die §§ 43 ff VersVG auch auf Gelegenheitsvermittler anzuwenden sind (RIS-Justiz RS0080376). Die vom Berufungsgericht zitierten Lehrmeinungen (ins Schauer, Versicherungsvertragsrecht3, 98 und Fromherz, MaklerG § 36 Rz 12; ders, aaO, § 26 Rz 14 mwN) widersprechen dieser Rechtsansicht nicht, sondern stimmen vielmehr damit überein.
Da sich eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität demnach nicht stellt, ist die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Die Rechtsausführungen des Obersten Gerichtshofs konnten sich gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Darlegung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ihrer Prozessgegnerin hingewiesen hat, hat ihr diese die Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.