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OGH vom 12.02.2002, 5Ob291/01g

OGH vom 12.02.2002, 5Ob291/01g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Flossmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Herbert R*****, vertreten durch Dr. Markus Groh, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Wohnungseigentümergemeinschaft des Hauses *****, vertreten durch Hausverwaltung Barbara W*****, diese vertreten durch Gabler & Gibel, Rechtsanwaltspartnerschaft in Wien, wegen S 82.018,80 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 38 R 146/01d-13, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom , GZ 3 C 841/00g-9, aufgehoben wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger hat von einem Wohnungseigentümer Geschäftsräumlichkeiten im Haus ***** gemietet und behauptet, am sei das Krönungsgesimse des im Eigentum (richtig: der Verwaltung) der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft stehenden Hauses abgestürzt und habe die Markise seines Geschäftslokals sowie die gesamte Wandmalerei im Geschäft infolge massiver Staub- und Schmutzentwicklung beschädigt. Trotz Aufforderung sei ihm kein Ersatz geleistet worden, weshalb er die Beklagte gemäß § 1319 ABGB in Anspruch nehme.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach, bestritt ihre Passivlegitimation und begehrte Abweisung des Klagebegehrens. Zutreffend sei, dass am das Krönungsgesimse abgestürzt sei, die Ursächlichkeit für die Schäden an Wänden und Markise des Bestandobjekts des Klägers hiefür werde jedoch bestritten. Der Beklagten sei auch kein Verschulden zuzurechnen, weil die Ursache, die zum Absturz des Gesimses geführt habe, nicht vorhersehbar und erkennbar gewesen sei. Die Beklagte habe sämtliche ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen.

Dies bestritt die klagende Partei und verwies auf eingetretene Vorschäden.

Das Erstgericht wies ohne Durchführung eines Beweisverfahrens aus rechtlichen Erwägungen das Klagebegehren ab. Die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft besitze zwar gemäß § 13c WEG (Quasi-)Rechtspersönlichkeit in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft, worunter allerdings nur Maßnahmen der Geschäftsführung zu verstehen seien. Außerhalb dieses Geschäftskreises könne sie weder Rechte erwerben noch Verbindlichkeiten eingehen. Auch eine Haftung für Schadenersatzansprüche, die auf deliktisches Handeln zurückzuführen seien, träfe die Wohnungseigentümergemeinschaft nicht. Einer dagegen erhobenen Berufung gab das Berufungsgericht Folge, hob das angefochtene Urteil auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Entgegen der Rechtsansicht des Erstgerichtes sei die Passivlegitimation einer Wohnungseigentümergemeinschaft für Schadenersatzansprüche Dritter aus Deliktsfällen in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft zu bejahen. Eine Wohnungseigentümergemeinschaft sei zwar nicht selbst handlungsfähig und somit auch nicht deliktsfähig, doch sei ihr ein deliktisches Verhalten ihrer Repräsentanten zuzurechnen. Eine schuldhafte Nicht- oder Schlechterfüllung der mit der ordentlichen Verwaltung der Liegenschaft verbundenen Obliegenheiten bewirke also eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WoBl 2000/59 mit Glosse von Call). Es komme daher darauf an, ob der Schaden als Folge einer schuldhaften Unterlassung von Verwaltungsobliegenheiten eingetreten sei, die von "Leuten" der Wohnungseigentümergemeinschaft in Erfüllung von Obliegenheiten der ordentlichen Verwaltung verursacht und daher von der Wohnungseigentümergemeinschaft zu vertreten seien (5 Ob 28/01f; MietSlg 51.544). Im fortgesetzten Verfahren werde daher das Erstgericht zu klären haben, ob mit der (schuldhaften?) Unterlassung von Verwaltungsobliegenheiten, die beispielsweise in einer Unterlassung der Absperrung und Absicherung der Unfallstelle nach dem Feuerwehreinsatz vom gelegen sein könnte, eine Maßnahme unterlassen wurde, die in den Aufgabenkreis der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 13c WEG falle. Nur dort, wo dies nicht der Fall sei, scheide eine Haftung der Beklagten aus.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof gegen seine aufhebende Entscheidung für zulässig, weil zwar zur Wegehalterhaftung der Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 1319a ABGB, nicht aber zu einer Haftung nach § 1319 ABGB der Wohnungseigentümergemeinschaft höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Aufhebungsbeschluss richtet sich der Rekurs der beklagten Partei, der aus den vom Berufungsgericht bezeichneten Gründen zulässig ist.

Die klagende Partei beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Folgend der Lehre (Löcker, Wohnungseigentümergemeinschaft, 78, 287; Call zu WoBl 1998/202; Prader in AnwBl 1998, 424; Niedermeier in WoBl 1997, 237; Mayerhofer in Immolex 1998, 17) bejaht die höchstgerichtliche Rechtsprechung die Deliktshaftung der Wohnungseigentümergemeinschaft in Angelegenheiten der Verwaltung der gemeinschaftlichen Wohnungseigentumsliegenschaft nach § 13c Abs 1 WEG für Schäden aus Handlungen oder Unterlassungen ihres einzigen Organs, nämlich des Wohnungseigentumsverwalters als ihres Repräsentanten (WoBl 2000/59 mit Zustimmung Call; RdW 2000, 344). Zuletzt wurde in 5 Ob 28/01f noch klarstellend ausgesprochen, dass eine über die deliktische Haftung hinausgehende Schadenersatzpflicht der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber ihren Mitgliedern bzw deren Mietern aus einer schuldhaften Vertragsverletzung nicht in Betracht komme, da keine Vertragsbeziehung bestehe. Deshalb komme auch eine Einbeziehung von Mietern in vertragliche Schutzwirkungen nicht in Betracht. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hafte also nur deliktisch für die Verletzung der ihr im Rahmen der Verwaltung obliegenden Pflichten. Gegenstand der bisherigen Rechtsprechung war überwiegend eine Haftung nach § 1319a ABGB.

Die Rekurswerberin meint nun, dass bei einem auf § 1319 ABGB gestützten Anspruch eine Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht in Betracht komme, weil das Gesetz diesfalls den "Besitzer" des Gebäudes zum Ersatz verpflichtet, was den Hauseigentümer, im konkreten Fall sämtliche Mit- und Wohnungseigentümer bedeute. § 1319 ABGB kenne auch keine "Leutehaftung". Die Haftung für einen Hausverwalter als Gehilfen käme, wenn überhaupt dann nur nach § 1315 ABGB in Betracht.

§ 1319 ABGB erfordere eine Verfügungsgewalt über das Gebäude, welche nicht der Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern bloß allen Wohnungseigentümern zustehe.

Für letzteren Fall wendet sich die Rekurswerberin noch gegen die Zulässigkeit einer Richtigstellung der Parteibezeichnung während des Verfahrens.

Dem ist Folgendes zu entgegnen:

Wird durch Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes oder eines anderen auf einem Grundstück aufgeführten Werks jemand verletzt oder sonst ein Schaden verursacht, ist nach § 1319 ABGB der Besitzer des Gebäudes oder Werks zum Ersatz verpflichtet, wenn das Ereignis die Folge der mangelhaften Beschaffenheit des Werkes ist und er nicht beweist, dass er alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt angewendet habe. Unter "Besitzer" im Sinn des § 1319 ABGB wird der "Halter" des Gebäudes oder Werkes verstanden, also derjenige, der die Sache auf eigene Rechnung führt, der die Verfügungsgewalt über sie hat oder derjenige, der in der Lage war, durch die erforderlichen Vorkehrungen die Gefahr rechtzeitig abzuwenden und hiezu auch durch eine Beziehung zu dem Gebäude oder Werk verpflichtet war (4 Ob 104/97s mwN). Maßgeblich sind also die nach der Lage der Umstände gegebenen Anforderungen an den zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten verbundenen Besitzer, also die Person, der die Verfügungsgewalt zur Gefahrenbeherrschung zustand (Koziol, Haftpflichtrecht II 398; Reischauer in Rummel2 Rz 12 zu § 1319 ABGB; SZ 40/136; RIS-Justiz RS0029991; 0010100). Nach moderner Terminologie ist also unter "Besitzer" im Sinn des § 1319 ABGB der "Halter" zu verstehen, wie ihn § 1320 ABGB erstmals erwähnte, der wiederum Vorbild zur Lösung vergleichbarer Haftungsprobleme geworden ist. Es kommt nicht auf das rechtliche, sondern auf das tatsächliche und wirtschaftliche Verhältnis an, in dem der Besitzer bzw Halter zur Sache steht. Maßgeblich ist die Sachbeziehung, die den Besitzer in die Lage versetzt und nach der Verkehrsanschauung auch dazu verpflichtet, Gefahren rechtzeitig vorzubeugen (5 Ob 77/97b).

Der von den Miteigentümern einer Liegenschaft bestimmte gemeinsame Verwalter ist befugt und verpflichtet, alle Maßnahmen, die zur Erhaltung und Verwaltung des gemeinsamen Gutes dienen, zu besorgen (vgl Würth in Rummel2 Rz 4 zu § 17 WEG). Insofern ist er direkter Stellvertreter aller Wohnungseigentümer (immolex 1998/74). Wie Verwaltungshandlungen selbst ist auch die Unterlassung von Verwaltungshandlungen der Wohnungseigentümer- gemeinschaft zuzurechnen. Der Hausverwalter ist jedenfalls Machthaber der Gemeinschaft, weshalb diese mit ihrem Vermögen (subsidiär die Miteigentümer) für Delikte ihres Verwalters haften. Nicht nur die Wegsicherungspflicht und die sich daraus ergebende Haftung nach § 1319a ABGB, sondern auch die Verpflichtung zur Erhaltung des Gebäudes und die Abwendung der Gefahren im Sinn des § 1319 ABGB sind Verwaltungsangelegenheiten, für deren Unterlassung die Wohnungseigentümergemeinschaft deliktisch zu haften hat. Eine Beschränkung auf Fälle des § 1315 ABGB, also darauf, dass sich die Wohnungseigentümergemeinschaft eines untüchtigen Besorgungsgehilfen bedient hätte, kommt nach dieser Konstruktion nicht in Betracht (vgl Löcker, aaO 288 f).

Es hat daher bei der vom Berufungsgericht angeordneten Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Erstgericht zu verbleiben. Der Kostenausspruch gründet sich auf § 52 ZPO.