OGH vom 29.03.2011, 5Ob37/11v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. Susanne M*****, 2. Thomas M*****, beide vertreten durch DDr. Katharina Müller, Rechtsanwältin in Wien, wegen Eintragungen in der EZ 476 KG ***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , AZ 46 R 511/10b, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Es trifft zu, dass eine Berichtigung nach § 21 Abs 3 GUG, wenn dadurch bücherliche Rechte dritter Personen berührt werden, die aufgrund eines Rechtsgeschäfts nach der Umstellung des Grundbuchs eingetragen wurden, nur dann zulässig ist, wenn der Antrag auf Berichtigung innerhalb von sechs Monaten nach Eröffnung des umgestellten Grundbuchs beim Grundbuchsgericht eingelangt oder die amtswegige Berichtigung innerhalb dieser Frist vollzogen wird (vgl RIS Justiz RS0060901). Dadurch ist für die Revisionsrekurswerber aber nichts zu gewinnen. Der am zu TZ 5811/01 vollzogene Beschluss, womit die Bezeichnung des Wohnungseigentumsobjekts „W3, Garage 1b“ durch Hinzufügung des Wortes „Garten“ berichtigt wurde, nachdem bei der Grundbuchsumstellung im Jahr 1981 die Zubehörbezeichnung „Garten“ übersehen worden war, ist nämlich (unstrittig) in Rechtskraft erwachsen.
2. Wortlaut und Zweck des GUG verbieten die Annahme, dass die Versäumung der in § 21 Abs 3 GUG bestimmten Frist für einen Antrag auf Berichtigung durch Aufnahme einer bei der Ersterfassung nicht mehr gespeicherten Eintragung in das umgestellte Grundbuch das Erlöschen des davon betroffenen bücherlichen Rechts bewirkte. In Wahrheit hat der Fristablauf nur Auswirkungen auf das materielle Publizitätsprinzip. Der danach aufgrund eines Rechtsgeschäfts erwerbende Gutgläubige ist in seinem Vertrauen auf die Vollständigkeit des Buchstandes im umgestellten Grundbuch geschützt (vgl 4 Ob 506/91 = SZ 64/17 = EvBl 1991/88 = JBl 1991, 518 = ecolex 1991, 680 [ Hoyer ]; 5 Ob 149/03b).
Erfolgte die Einverleibung des Wohnungseigentums seinerzeit auch hinsichtlich des Zubehörs wirksam, können sich die Antragsteller nicht darauf berufen, die Eigentümerin der Wohnung W3 habe im Zeitpunkt ihres Erwerbs (nach der Umstellung des Grundbuchs und vor der Berichtigung durch TZ 5811/01) gar kein Wohnungseigentum am Wohnungseigentumszubehör erworben (RIS Justiz RS0060894; insbesondere 4 Ob 506/91).
3. Die Klärung der Frage, ob die inzwischen eingetragenen Antragsteller beim Erwerb gutgläubig waren oder nicht, kann in dem von den Antragstellern eingeleiteten Grundbuchverfahren nicht geprüft werden, sondern ist der Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg, etwa im Rahmen einer Löschungsklage vorbehalten (5 Ob 21/91 = NZ 1991/217 [ Hofmeister ]; 5 Ob 24/89 = NZ 1989, 274; 5 Ob 17/94 = SZ 67/13; RIS Justiz RS0060708).
4. Für eine Berichtigung nach § 136 GBG, die die Antragsteller anstreben, wäre erforderlich, dass nach dem Vollzug der Eintragung zu TZ 5811/01 eine Rechtsänderung außerbücherlich eingetreten und nur grundbücherlich noch nicht durchgeführt worden wäre, der begehrten Berichtigung also nur deklarative Bedeutung zukäme (RIS Justiz RS0061010; RS0060992). Dass das nicht zutrifft, wurde bereits dargestellt. Die Berichtigung einer ursprünglichen Unrichtigkeit einer Eintragung kann nur offenkundige Fehler zum Gegenstand haben, nicht jedoch eine Durchbrechung der Rechtskraft von Grundbuchsbeschlüssen bewirken (vgl Kodek , Grundbuchsrecht Rz 71 f zu § 136 GBG mwN).
5. Zur „Anregung“, nach § 130 GBG vorzugehen: Bei grundbuchswidrigen, absolut nichtigen Eintragungen ist § 130 GBG anzuwenden (vgl 5 Ob 140/02b). Unter derart „unzulässigen“ Eintragungen sind aber nur solche zu verstehen, die ihres Gegenstands wegen überhaupt nicht hätten stattfinden dürfen, also solche, die der geltenden Rechtsordnung überhaupt unbekannt sind oder die weder im GBG noch in anderen Gesetzen zugelassen sind oder einen physisch oder rechtlich unmöglichen Grundbuchstand schaffen, dem die materielle Rechtsgrundlage nicht entsprechen kann (vgl RIS Justiz RS0060300 [T1]; RS0126488). Davon kann jedoch angesichts des Fortbestehens von in das umgestellte Grundbuch fehlerhafter Weise nicht übertragenen Rechten (vgl nur 4 Ob 506/91 = SZ 64/18 = ecolex 1991, 680 [ Hoyer ]) keine Rede sein. Im Übrigen wäre die Anfechtung der Unterlassung eines Vorgehens nach § 130 GBG ausgeschlossen (RIS-Justiz RS0060931 [T5]).
6. Die behauptete Mangelhaftigkeit, die durch eine Verletzung der Ordnungsvorschrift des § 95 Abs 3 GBG verwirklicht worden sein soll, rechtfertigt für sich noch keine Anrufung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0060649 [T4]).
Die im außerordentlichen Revisionsrekurs aufgeworfenen Rechtsfragen sind somit durch die dargestellte höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt. Deshalb liegt eine Rechtsfrage iSd § 126 Abs 2 GBG iVm § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor. Dies hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels zu führen.