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OGH vom 20.04.2005, 7Ob58/05p

OGH vom 20.04.2005, 7Ob58/05p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei G***** AG, ***** (nunmehr A***** AG, *****), vertreten durch e/n/w/c Eiselsberg Natlacen Walderdorff Cancola Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen EUR 4.113,91 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 38/04s-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom , GZ 13 C 1430/03v-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von G***** AG in A***** AG richtiggestellt.

2.) Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung zu lauten hat:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen EUR 4.113,91 samt 8 % Zinsen seit zu bezahlen und die mit EUR 3.478,04 (darin enthalten EUR 381,83 USt und EUR 1.187,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen."

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.):

Die Klägerin hat ihre Firma geändert (FN *****). Ihre Parteibezeichnung war daher gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu 2.):

Die Klägerin hat bei der Beklagten einen Warenkreditversicherungsvertrag abgeschlossen, dem die Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Warenkreditversicherung (im Folgenden AVB) zugrundegelegt wurden, die ua folgende Bestimmungen enthalten:

§ 1 Gegenstand der Versicherung

Der Versicherer ersetzt dem Versicherungsnehmer Ausfälle an Forderungen aus Warenlieferungen und Dienstleistungen, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages durch Zahlungsunfähigkeit versicherter Kunden mit Sitz im Inland entstehen.

§ 2 Umfang des Versicherungsschutzes

1 Versicherungsschutz wird gewährt für fakturierte, rechtlich begründete Forderungen des Versicherungsnehmers aus

a) Warenlieferungen und Dienstleistungen, ...

...

2 Forderungen sind versichert, wenn und soweit vom Versicherer für den Kunden des Versicherungsnehmers eine Versicherungssumme festgesetzt ist und das vom Versicherungsnehmer gewährte Zahlungsziel nicht über das äußerste Kreditziel gemäß § 7 Nr. 1 hinausgeht.

...

3 Im Rahmen der Versicherungssumme sind die jeweils ältesten ab Beginn des Versicherungsschutzes entstandenen Forderungen versichert. Forderungen, welche die Versicherungssumme eines Kunden übersteigen, rücken erst und insoweit in den Versicherungsschutz nach, als durch die Bezahlung älterer Forderungen innerhalb der Versicherungssumme dafür Raum wird.

Jede vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistete Zahlung wird auf die jeweils älteste Forderung angerechnet. ...

...

§ 4 Beginn und Ende des Versicherungsschutzes

...

2 Der Versicherungsschutz für einen Kunden endet für Forderungen aus künftigen Lieferungen und Dienstleistungen.

...

b) bei Kreditzielüberschreitung gemäß § 7 Nr. 3,

...

§ 7 Äußerstes Kreditziel

1 Das äußerste Kreditziel wird im Versicherungsschein festgesetzt und gilt für jeden Kunden, soweit die Kreditmitteilung nicht eine abweichende Bestimmung enthält. ...

Das äußerste Kreditziel beginnt mit dem Tag der Fakturierung einer Forderung.

2 Die Überschreitung des äußersten Kreditziels ist - gleichgültig, ob es sich um versicherte oder unversicherte Forderungen handelt - dem Versicherer unverzüglich anzuzeigen. ...

3 Wird im Sinne von Nr. 2 das äußerste Kreditziel überschritten oder dessen Überschreitung erkennbar,

a) endet der Versicherungsschutz für Forderungen aus künftigen Lieferungen und Dienstleistungen,

b) ist ein Nachrücken von Forderungen aus bereits ausgeführten Lieferungen und Dienstleistungen, welche die Versicherungssumme übersteigen, ausgeschlossen,

es sei denn, der Versicherer bestätigt den Fortbestand des Versicherungsschutzes.

...

Die Streitteile vereinbarten einen Selbstbehalt von 30 % und ein äußerstes Zahlungsziel (Kreditziel) von 5 Monaten.

Von der Kreditversicherung umfasst waren ua die Warenlieferungen der Klägerin an den Installateur Richard L*****, der seit Juni 2000 mit der Klägerin in Geschäftsverbindung stand. L***** kam bis September 2000 seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Klägerin nach. Die Rechnungen vom , Nr 11536 über S 9.148,34 und Nr 11537 über S 13.140,-- sowie vom , Nr 11633 über S 6.302,40 bezahlte er jedoch erst am . Die Rechnungen vom über S 2.195,88 sowie vom , Nr 12313 über S 19.881,12 und vom Nr 12529 über S 4.330,08 bezahlte L***** erst am . Auf eine weitere Rechnung vom , Nr 12628 über S 102.240,-- zahlte er nur Teilbeträge von S 4.000,-- am , S 10.000,-- am und weitere S 10.000,-- am . Der Restbetrag von S 78.240,-- (EUR 5.685,92) aus dieser Rechnung blieb unberichtigt.

Auf Grund der Zahlungsrückstände belieferte die Klägerin Richard L***** nach Rechnungslegung vom nur mehr Zug-um-Zug gegen Barzahlung, erstmals am . Auf Grund von Barverkäufen an L***** verzeichnete sie die folgenden Zahlungseingänge: Am S 13.776,--, am S 3.478,--, am S 3.953,--, am S 4.364,--, am S 1.355,--, am S 987,--, am S 3.028,--, am S 998,--, am S 3.492,--, am S 144,--, am S 1.235,-- und S 4.286,--, am S 10.952,--, am S 15.411,--, am S 494,--, am S 9.823,--, am S 278,--, am S 12.363,--, am S 2.518,-- und S 10.500,--, am S 11.342,--, am S 1.225,--, am S 11,703,--, am S 10.500,--, am S 1.987,--, am S 11.178,--, am S 17.977,--, am S 11.460,--, am S 1.794,--, am S 3.543,--, am S 1.355,-- und S 1.663,--, am S 5.006,--, am S 11.620,-- und am S 9.254,-- sowie am S 141,44 und am S 867,81.

Mit Schreiben vom gab die Klägerin der Beklagten bekannt, dass die Firma L***** am per Fax mitgeteilt habe, dass auf Grund von Problemen mit Auftraggebern Zahlungsschwierigkeiten aufgetreten seien und sie eine Ratenzahlung wünsche. Mit Frau L***** seien am telefonisch 14-tägige Ratenzahlungen von S 10.000,-- vereinbart worden, was aber nicht funktioniert habe. Ein neuerliches Telefonat habe ergeben, dass maximal jeden Monatsanfang S 10.000,-- möglich seien. Dieser Vorschlag könne bei einem derzeit offenen Betrag von S 80.869,44 nicht akzeptiert werden.

Die Beklagte teilte daraufhin der Klägerin mit Schreiben vom mit, dass die für die Firma Richard L***** eingeräumte Versicherungssumme mit Wirkung ab aufgehoben werde.

Die Klägerin hatte Richard L***** leihweise zwei Geräte als Ausstellungsstücke zur Verfügung gestellt, die dieser verkauft hatte und der Klägerin nicht mehr zurückstellen konnte. Diese verrechnete dafür nachträglich mit Rechnungen vom , Nr 100876 S 1.977,60 sowie vom , Nr 100933 S 651,84. Richard L***** bezahlte diese Rechnungen nicht.

Am wurde ein Konkursantrag gegen Richard L***** (mangels kostendeckenden Vermögens) abgewiesen.

Die Klägerin begehrt für den Geschäftsfall „Richard L*****" EUR 4.113,91 (ds die Außenstände aus den Rechnungen vom in Höhe von S 78.240,--, vom in Höhe von S 1.977,60 und vom in Höhe von S 651,84 abzüglich eines 30 %-igen Selbstbehaltes) aus der Warenkreditversicherung. Die Beklagte habe Versicherungsdeckung mit der Begründung abgelehnt, die aus den nach dem getätigten Zug-um-Zug-Geschäften erzielten Zahlungseingänge seien auf die versicherten Forderungen anrechenbar. Die Vertragsklauseln der Beklagten könnten aber so redlicherweise nicht verstanden werden. Die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes des Schuldners (L*****) sei auch im Interesse der Beklagten gelegen, weil bei Ablehnung von Barverkäufen die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wahrscheinlicher gewesen wäre. Sie, die Klägerin hätte L***** nicht mehr beliefert, wenn die daraus erzielten Erlöse auf die bei der Beklagten versicherten Forderungen anrechenbar sein hätten sollen. L***** hätte die Ware bei anderen Großhändlern gegen Barzahlung problemlos erhalten können, weshalb sie, hätte sie keinen Ertrag aus Geschäften nach Aufkündigung des Versicherungsschutzes erzielen können, geschädigt worden wäre. Die Vertragsbestimmung der Beklagten sei daher so auszulegen, dass Erlöse aus Zug-um-Zug-Geschäften nicht auf die versicherten Altforderungen anrechenbar seien. Eine gegenteilige Vertragsauslegung mache die Klausel der Beklagten ungewöhnlich im Sinne des § 864a ABGB bzw gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB. In jahrelanger Zusammenarbeit habe die Beklagte nie verlangt, dass dem Versicherungsfall nachfolgende Zahlungseingänge aus Zug-um-Zug-Geschäften auf die ursprüngliche versicherte Forderung angerechnet würden, obwohl auch in anderen Schadensfällen aus den von ihr, der Beklagten, vorgelegten Konten ersichtlich gewesen sei, dass solche Zahlungen eingegangen seien.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Sie wendete, soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich, ein, die bis einschließlich gelegten Rechnungen hätten unter Beachtung des äußersten Kreditziels bis bezahlt werden müssen. Da Richard L***** bis dahin lediglich Zahlungen in Höhe von EUR 10.564,77 geleistet habe und Rechnungen im Betrag von EUR 13.338,61 gelegt worden seien, sei das äußerste Zahlungsziel zum überschritten worden, wodurch gemäß § 7 AVB der Versicherungsschutz für Forderungen aus künftigen Lieferungen und Dienstleistungen geendet habe. Am habe der Außenstand EUR 5.835,88 betragen. Danach habe L***** noch Zahlungen in Höhe von EUR 13.023,15, also weit mehr als der bestehende Außenstand, geleistet. Gemäß § 2 Nr. 3 der AVB seien die versicherten Forderungen demnach durch Zahlungen nach dem ausgeglichen worden. Die nach dem entstandenen Forderungen hätten gemäß § 7 der AVB nicht mehr in den versicherten Umfang nachrücken können. Sämtliche von der Versicherung erfassten Forderungen habe L***** daher bezahlt. Eine Geschäftspraxis, wonach dem Versicherungsfall nachfolgende Zahlungseingänge aus Zug-um-Zug-Geschäften auf die ursprüngliche versicherte Forderung angerechnet würden, habe zwischen den Streitteilen nicht bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 2 Nr. 3 der AVB sei nach seinem Wortlaut eindeutig so zu verstehen, dass nicht eine vom Versicherungsnehmer mit seinem Kunden geschlossene Vereinbarung über die Anrechnung einer Forderung wirksam sei, ebensowenig eine vom Kunden des Versicherungsnehmers vorgenommene Widmung, sondern, dass Zahlungen unabhängig von ihrer Widmung auf die jeweils ältesten offenen Forderungen anzurechnen seien. Diese Bestimmung sei weder ungewöhnlich iSd § 864a ABGB, noch gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB. Eine Vereinbarung, auf welche Forderungen die Zahlungen angerechnet würden, sei in den Allgemeinen Bedingungen für eine Warenkreditversicherung durchaus zu erwarten, da es im Interesse des Versicherers liege, eine für ihn überprüfbare Anrechnungsvereinbarung nach vorgegebenen Inhalten zu treffen. Dies könne für den Versicherungsnehmer keinesfalls überraschend sein. Die getroffene Regelung sei sachlich gerechtfertigt, weil es dem Versicherer unbenommen bleiben müsse, ohne sein Einverständnis getroffene Absprachen des Versicherungsnehmers mit dessen Kunden über Widmungen von Zahlungen nicht zu akzeptieren und solche daher von vornherein auszuschließen. Die Regelung, dass Zahlungen auf die älteste Forderung angerechnet würden, entspreche im Übrigen der Zweifelsregelung des § 1416 ABGB. Im vorliegenden Fall seien daher die Forderungen der Klägerin aus ihren Rechnungen vom , und , die am , dem Tag der Aufhebung des Versicherungsschutzes, mit S 80.869,44 ausgehaftet hätten, durch die nachfolgenden Zahlungen aus Barverkäufen im Verhältnis zur Beklagten getilgt worden. Infolge Überschreitung des zwischen den Parteien vereinbarten äußersten Kreditzieles von fünf Monaten seien keine weiteren Forderungen in den Versicherungsschutz nachgerückt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung der ersten Instanz. Seine Ausführungen lassen sich im Wesentlichen dahin zusammenfassen, Anrechnungsregelungen seien bei Kreditversicherungen nicht unüblich. Die gegenständliche Warenkreditversicherung gewähre Versicherungsschutz nicht bloß für eine bestimmte Forderung, sondern für einen Forderungsrahmen und sei daher eine Anrechnungsregel nicht überraschend. Die in § 2 Nr. 3 AVB getroffene Regelung, dass jede vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistete Zahlung auf die jeweils älteste Forderung angerechnet werde, sei hinreichend klar und für den Versicherungsnehmer nicht gröblich benachteiligend. Folge die Regelung doch der dispositiven Bestimmung des § 1416 ABGB. Auch dadurch, dass nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses erfolgte Zahlungseingänge auf versicherte Forderungen anzurechnen seien, werde der Versicherungsnehmer nicht gröblich benachteiligt. Ob Zahlungseingänge auf Grund von Zug-um-Zug-Geschäften erfolgten oder nach einem eingeräumten Zahlungsziel oder während aufrechten Versicherungsverhältnisses oder danach, sei auf Grund der betreffenden Klausel ohne Belang. Dass sich der Versicherer durch Versicherungsbedingungen, so wie im § 1416 ABGB normiert, absichere, könne auch nicht als gegen die guten Sitten verstoßend betrachtet werden. Kreditversicherer unterlägen besonderen Risken und seien wohl auch unter diesem Gesichtspunkt gemäß § 187 Abs 1 VersVG von die Vertragsfreiheit beschränkenden Bestimmungen des VersVG befreit. Der Oberste Gerichtshof habe auch schon eine Klausel, nach der der Versicherer im Falle gefahrerhöhender Umwälzungen den Versicherungsschutz einseitig einschränken oder den Vertrag auflösen dürfe, nicht für überraschend erklärt.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die (ordentliche) Revision zulässig sei, weil ihm eine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage der Rechtmäßigkeit der Vereinbarung der Anrechnung von Leistungen auch nach Beendigung des Kreditversicherungsverhältnisses auf offene ältere Verbindlichkeiten nicht bekannt sei.

Die Klägerin macht in der Revision unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das Urteil der zweiten Instanz im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte strebt mit der Revisionsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteiles an.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Den vorliegenden Rechtsstreit entscheidet die Auslegung der im § 2 Nr. 3 der AVB enthaltenen Klausel, wonach jede vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistete Zahlung auf die jeweils älteste Forderung angerechnet werden soll. Die Vorinstanzen haben diese Bestimmung (auch unter Hinweis auf die eine ähnliche Klausel betreffende Entscheidung 7 Ob 12/90, RdW 1992, 15 = VR 1991/231 = VersR 1992, 83 = ÖBA 1991, 376 [Jabornegg] = VersE 1472) dahin interpretiert, dass damit jede wie immer geartete Zahlung vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners gemeint sei, insbesondere auch Zahlungen außerhalb des Versicherungsverhältnisses, namentlich auch im Rahmen von Zug-um-Zug-Geschäften geleistete Zahlungen.

Dagegen wendet die Revisionswerberin ua unter Bezugnahme auf die Kritik Jaborneggs an der genannten Entscheidung in ÖBA 1991, 377 ein, eine solche Auslegung der betreffenden Klausel mache diese für den Versicherungsnehmer ungewöhnlich, nachteilig und überraschend. Dem Argument, dass es auch nach Ablauf der Versicherung zur Erhöhung des Risikos kommen könne und dem Versicherer Möglichkeiten eingeräumt werden müssten, sich gegen nachträgliche Risikoerhöhungen abzusichern, sei entgegenzuhalten, dass es für das Risiko des Versicherers keinen Unterschied mache, ob der Versicherungsnehmer dazu übergehe, Rechtsgeschäfte nur mehr Zug-um-Zug abzuwickeln oder überhaupt keine weiteren Rechtsgeschäfte mit dem betreffenden Kunden mehr eingehe. In beiden Fällen bestehe kein Versicherungsschutz und würde eine Anrechnung der Zahlungen aus Zug-um-Zug-Geschäften eine Risikoverminderung bewirken, die sachlich nicht gerechtfertigt sei. Der Abschluss von Zug-um-Zug-Geschäften gebe dem Schuldner wenigstens die Chance, aus dem Fortbestand des Geschäftsbetriebes Gewinne zu erzielen und damit bestehende Verbindlichkeiten abzudecken. Das Berufungsgericht hätte daher zum Ergebnis kommen müssen, dass die Formulierung des § 2 Nr. 3 AVB eine Anrechnung von Zahlungseingängen aus Zug-um-Zug-Geschäften auf frühere, versicherte Kreditgeschäfte nicht regle bzw eine solche Regelung sowohl unter dem Aspekt des § 864a ABGB als auch des § 879 Abs 3 ABGB unwirksam wäre.

Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Nach stRsp sind Allgemeine Versicherungsbedingungen nach Vertragsauslegungsgrundsätzen (§§ 914 ff ABGB) auszulegen. Die Auslegung hat sich daher am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (7 Ob 31/91, VR 1992/277; 7 Ob 6/92, VR 1992/284; RIS-Justiz RS0050063 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen). Die einzelnen Klauseln der Versicherungsbedingungen sind, wenn sie - wie hier - nicht auch Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen (RIS-Justiz RS0008901 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen, zuletzt etwa 7 Ob 107/04t, 7 Ob 173/04y und 7 Ob 231/04b). In allen Fällen ist der einem objektiven Beobachter erkennbare Zweck einer Bestimmung der allgemeinen Versicherungsbedingungen zu berücksichtigen (7 Ob 3/89, VR 1990/182 = RdW 1989, 329 [Schauer]; 7 Ob 1/90, VR 1990/224; 7 Ob 16/91, VR 1992/269; 7 Ob 234/00p; 7 Ob 41/01p, ÖBA 2001, 987; 7 Ob 115/01i, VersR 2001, 1312; 7 Ob 205/02a; 7 Ob 70/03z; 7 Ob 83/04p; 7 Ob 231/04b uva). Nach objektiven Gesichtspunkten als unklar aufzufassende Klauseln müssen daher so ausgelegt werden, wie sie ein durchschnittlich verständiger Versicherungsnehmer verstehen musste (SZ 69/134; 7 Ob 372/98a, SZ 72/83; 7 Ob 93/00b, SZ 73/169; 7 Ob 107/04t mwN uva), wobei Unklarheiten iSd § 915 ABGB zu Lasten des Verwenders der AVB, also des Versicherers gehen (7 Ob 37/89, JBl 1990, 316 = EvBl 1990/28 = VR 1990/198 = VersR 1990, 445; 7 Ob 173/04y uva; Rummel in Rummel ABGB3 Rz 13 zu § 864a mwN).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ließe sich eine von den Vorinstanzen vorgenommene Auslegung der in § 2 Nr. 3 der AVB verwendeten Wendung „jede vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit geleistete Zahlung" dahin, dass damit alle, auch außerhalb des Versicherungsverhältnisses liegende Geschäfte betreffende, nur Zug-um-Zug gegen Ausfolgung der Ware geleisteten Zahlungen betroffen seien, nur dann vertreten, wenn der Zweck der betreffenden Klausel eine derart weitgehende Auslegung rechtfertigte. Dies ist aber aus folgenden Erwägungen nicht der Fall:

Der sinngemäße Hinweis der Vorinstanzen, es müsse doch legitim sein, wenn sich der Versicherer vor ihn benachteiligenden Absprachen zwischen Versicherungsnehmer und dessen Kunden (Schuldner) schütze, geht ins Leere, da Zug-um-Zug-Geschäfte zwischen Versicherungsnehmer und Schuldner nicht a priori als für den Versicherer benachteiligend angesehen werden können. Liegt doch in solchen Geschäften, die ja beiderseits zur Lukrierung von Gewinnen getätigt werden, allenfalls eine Chance, dass sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners verbessern und dadurch ein Versicherungsfall vermieden werden könnte. Gelingt dies nicht, ist der Versicherer aber nicht jedenfalls schlechter gestellt; er hat dann die Versicherungsleistung ebenso zu erbringen wie auch ohne die Zug-um-Zug-Geschäfte. Wollte man die Zahlungen des Schuldners aus solchen Geschäften, wie dies die Beklagte und die Vorinstanzen meinen, jedenfalls auf versicherte Außenstände anrechnen, würde man das versicherte Risiko ohne sachliche Rechtfertigung vermindern. Der Versicherungsnehmer müsste, um durch die Anrechnung der vom Schuldner Zug-um-Zug erbrachten Zahlungen nicht des Versicherungsschutzes für die an sich versicherten Forderungen verlustig zu gehen, von Zug-um-Zug-Geschäften mit dem Schuldner Abstand nehmen. Damit müsste der Versicherungsnehmer auf (sichere) Gewinne aus diesen Geschäften verzichten und allenfalls das Feld der Konkurrenz überlassen. Er würde, wie dies Jabornegg aaO, ausdrückt, dadurch dass er bestimmte Umsätze nicht tätigen und daraus erzielbare Geschäftsgewinne nicht realisieren könnte, damit „vermögensmäßig noch schlechter dastehen".

Da Zug-um-Zug-Geschäfte bzw weitere nicht versicherte Geschäfte also keineswegs per se als den Versicherer benachteiligende Abreden zwischen Versicherungsnehmer und Schuldner angesehen werden können, läge es am Versicherer, solche - tatsächlich ja möglichen - Abreden nachzuweisen. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen; die Beklagte hat eine entsprechende Behauptung gar nicht erhoben.

Kann daher nicht ohne weiteres von einem den Versicherer benachteiligenden Verhalten des Versicherungsnehmers ausgegangen werden, würde die von den Vorinstanzen vorgenommene Interpretation der betreffenden Klausel den Versicherungsnehmer also ungerechtfertigterweise benachteiligen, dem Versicherer hingegen nichtsachlich eine zu rechtfertigende Risikoverminderung bringen. Hätte er doch für die außerhalb des Versicherungsverhältnisses, weil Zug-um-Zug abgewickelten Geschäfte nicht einzustehen, könnte aber doch den Erlös aus diesen Geschäften risikomindernd auf die versicherten Außenstände anrechnen.

Beachtlich erscheinen im Zusammenhang mit der vorliegenden Auslegungsfrage daher die von Jabornegg aaO, aus dem „Kongruenzprinzip des § 67 VersVG" entwickelten Überlegungen. Auch wenn die genannte Bestimmung hinsichtlich der Kreditversicherung und einiger anderer in § 187 Abs 1 VersVG genannter Geschäftsversicherungsarten - dem besonderen Risiko dieser Versicherer Rechnung tragend - nicht zu Gunsten des Versicherungsnehmers zwingend ist, erscheint es doch nicht gerechtfertigt, das versicherte Risiko durch Anrechnung außerhalb der Versicherung stehender Ansprüche des Versicherungsnehmers zu dessen Nachteil zu verringern. Insofern hält der erkennende Senat diese zu 7 Ob 12/90 vertretene Rechtsansicht nicht aufrecht.

Eine Anrechnung im Sinne des § 2 Nr. 3 AVB setzt demnach einen Bezug zum versicherten Geschäft bzw zum Versicherungsverhältnis voraus. In Betracht kommen vor allem weitere versicherte Kreditgeschäfte, während bei Bargeschäften, wie den gegenständlichen, weitere Umstände (etwa den Versicherer benachteiligende Abreden des Versicherungsnehmers mit dem Schuldner) hinzutreten müssten, um eine Anrechnung nach der gegenständlichen Klausel zu rechtfertigen.

Keinesfalls stichhältig ist der Hinweis der Vorinstanzen, ihre Interpretation folge der Zweifelsregelung des § 1416 ABGB und könne deshalb nicht als gegen die guten Sitten verstoßend betrachtet werden. Steht doch fest, dass die Klägerin ab weitere Waren dem Schuldner L***** nur mehr gegen Barzahlung zu liefern bereit war. Von einem „Zweifel" an der „Willensmeinung des Schuldners" im Sinne der genannten Gesetzesstelle kann daher gar keine Rede sein.

Mangels sachlicher Rechtfertigung kann auch eine aus den eben angestellten Überlegungen den Versicherungsnehmer iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligende Auslegung der betreffenden Klausel, die die gegenständliche Bestimmung auch iSd § 864a ABGB ungewöhnlich machte, durch die Vorinstanzen nicht gebilligt werden.

Selbst wenn man aber die Frage, ob die betreffende Klausel im eben erläuterten Sinn eng auszulegen ist, oder ihr doch ein so weitgehender Sinn unterlegt werden kann, wie dies die Vorinstanzen meinten, nicht für entscheidbar halten und die Bestimmung daher als unklar ansehen wollte, müsste dies iSd § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers gehen.

All dies führt zum Ergebnis, dass sich die Beklagte nicht auf eine Anrechnung der der Klägerin vom Schuldner L***** Zug-um-Zug geleisteten Zahlungen auf die versicherten Forderungen berufen kann und daher das - der Höhe nach nicht weiter strittige - Klagebegehren zu Recht besteht.

In Stattgebung der Revision waren die Urteile der Vorinstanzen daher spruchgemäß abzuändern.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Die Beklagte hat der zur Gänze obsiegenden Klägerin die gesamten Verfahrenskosten erster Instanz in Höhe von EUR 1.416,42 (darin enthalten EUR 197,23 USt und EUR 233,-- Pauschalgebühr), die Kosten des Berufungsverfahrens von EUR 1.131,88 (darin enthalten EUR 117,98 USt und EUR 424,-- an Pauschalgebühr) sowie die Kosten des Revisionsverfahrens von EUR 929,74 (darin enthalten EUR 66,62 USt und EUR 530,-- Pauschalgebühr), insgesamt demnach EUR 3.478,04, zu ersetzen.