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OGH vom 18.02.2015, 7Ob15/15d

OGH vom 18.02.2015, 7Ob15/15d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** R*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** SE *****, vertreten durch Paar Zwanzger Rechtsanwälte Partnerschaft (GbR) in Wien, wegen 11.985,08 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 131/14g 17, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 1 C 379/13m 10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 744,43 EUR (darin enthalten 124,07 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Auf dieses Vertragsverhältnis sind die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2003) und die ergänzenden Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ERB 2005) zu den ARB 2003 anzuwenden. Im Versicherungsvertrag der Streitteile ist der Baustein „Rechtsschutz in Arbeits und Dienstrechtssachen“ enthalten. Die Klägerin begehrte soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich die Zahlung von (weiteren) 8.385,08 EUR sA an Vertretungskosten und Pauschalgebühr für das vor dem Arbeits und Sozialgericht geführte und noch anhängige Anlassverfahren sowie Kosten eines vorprozessualen Gutachtens. Dieser Teil des Zahlungsbegehrens blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Zahlungsanspruchs an den Versicherungsnehmer bei fälligen, aber vom Versicherungsnehmer noch nicht beglichenen, Anwaltskosten noch keine gefestigte höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn Feststellungen auf einer aktenwidrigen Grundlage beruhen, wenn also der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde (RIS Justiz RS0043298 [T1]; vgl auch RS0043284 [T3]; RS0043324 [T8]). Mit der von der Klägerin angestellten Überlegung, das Berufungsgericht hätte aus ihrem Vermögensbekenntnis zur Verfahrenshilfe darauf schließen müssen, dass sie das vorprozessuale Gutachten bereits bezahlt habe, zeigt die Klägerin keine Aktenwidrigkeit im zuvor definierten Sinn auf (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Einen Mangel des Verfahrens sieht die Klägerin in einer unterbliebenen Anleitung zur Behauptung erfolgter Zahlung des vorprozessualen Gutachtens und zur nach Ansicht des Berufungsgerichts gebotenen Umstellung des Begehrens auf Zahlung an den Dritten (Kostengläubiger = [hier:] Klagevertreter).

2.1. Betreffend die Unterlassung der Behauptung erfolgter Zahlung der vorprozessualen Gutachtenskosten könnte lediglich ein Mangel des Verfahrens erster Instanz vorliegen, den die Klägerin in ihrer Berufung aber nicht geltend gemacht hat, obwohl das Erstgericht in seinem Urteil und auch die Beklagte darauf hingewiesen haben, dass der Klägerin nur zuzusprechen sei, was sie bereits bezahlt hat. Ein (angeblicher) Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens, welcher in der Berufung nicht beanstandet wurde, kann aber in der Revision nicht mehr nachgeholt werden (RIS Justiz RS0043111 ).

2.2. Die Frage nach einer vom Berufungsgericht erwogenen Umstellung des Begehrens auf Zahlung an den Dritten (Kostengläubiger = [hier:] Klagevertreter) stellt sich hier aus noch darzustellenden Erwägungen nicht. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit liegt daher insgesamt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

3.1. Die Rechtsschutzversicherung als passive Schadensversicherung (RIS Justiz RS0127808) schützt den Versicherungsnehmer gegen das Entstehen von Verbindlichkeiten (Passiva). Sie bietet Versicherungsschutz gegen die Belastung des Vermögens des Versicherungsnehmers mit Rechtskosten (7 Ob 215/11k = VersE 2412 mwN). Die Hauptleistungspflicht des Versicherers in der Rechtsschutzversicherung besteht in der Kostentragung (RIS Justiz RS0081895 [T1]; 7 Ob 190/14p; § 158j Abs 1 VersVG). Bei dem aus der Rechtsschutzversicherung resultierenden Anspruch handelt es sich (zunächst) um einen Befreiungsanspruch, somit nicht (primär) um einen Geldanspruch (3 Ob 136/13s; vgl auch 7 Ob 34/00a = VersE 1875; allgemein zum möglichen Begehren auf Zahlung des Versicherers an den Dritten vgl RIS Justiz RS0065814). Wenn der Versicherungsnehmer seinen Kostengläubiger bereits selbst befriedigt hat, verwandelt sich sein ursprünglicher Befreiungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch gegen seinen Rechtsschutzversicherer (3 Ob 136/13s; Haslwanter , Die Rechtsschutzversicherung in der Exekution, ÖJZ 2014/56 [348 f]). Dass die Klägerin im Umfang des noch strittigen Betrags bereits selbst Zahlung geleistet hat, steht nicht fest, was die begehrte Zahlung an sie ausschließt und das Klagebegehren als unberechtigt erweist.

3.2. Die vom Berufungsgericht und in der Revision erörterte Frage nach der Behandlung fälliger, aber vom Versicherungsnehmer noch nicht beglichener Anwaltskosten stellt sich hier nicht (vgl dazu auch den nunmehrigen Art 6.9. ARB 2010). Der Honoraranspruch eines Rechtsanwalts ist nämlich mangels einer anderen Vereinbarung so lange nicht fällig, als das Mandatsverhältnis nicht erloschen ist (RIS Justiz RS0019324). Das Anlassverfahren ist noch anhängig. Eine vom besagten Grundsatz abweichende, allenfalls zu einer früheren Fälligkeit führende Vereinbarung der Klägerin mit ihrem Rechtsanwalt (vgl 7 Ob 190/14p) hat diese vor dem Erstgericht nicht behauptet und es ergaben sich dafür auch keine Hinweise. Einer Erörterung der Zulassungsfrage bedarf es somit nicht.

4. Die Klägerin unterstellt der Beklagten zu Unrecht die Ansicht, dass der Versicherungsnehmer bei der Rechtsschutzversicherung immer in Vorlage treten müsse, um überhaupt Ansprüche gegen den Versicherer geltend machen zu können. Dieses Thema ist auch nicht Entscheidungsgegenstand, galt es doch hier nur zu klären, ob die Klägerin für den konkret erhobenen Anspruch auf Zahlung an sie selbst dessen Voraussetzungen (ausreichend) behauptet und erwiesen hat. Für die Einleitung eines Vorlageverfahrens an den EuGH, zur Frage, ob „die von der Beklagten vertretene Auffassung und Interpretation, was 'Kostenfreistellungsanspruch' bedeutet“, die Rechtsschutzversicherungs Richtlinie 97/344/EWG verletzt, gibt es keinen Anlass.

5.1. Eine Rechtsfrage mit der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO stellt sich insgesamt nicht; die Entscheidungen der Vorinstanzen halten sich im Rahmen der Judikatur. Die Revision ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

5.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00015.15D.0218.000