OGH 27.03.2013, 7Ob15/13a
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Dr. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Vanis Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei p***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Markus Andréewitch und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 187.455,96 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz vom , GZ 3 R 218/12x-55, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 20 Cg 148/09p-51, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach § 918 ABGB kann ein Rücktritt wegen Schuldnerverzug nur unter gleichzeitiger Setzung einer angemessenen Frist zur Nachholung erklärt werden (RIS-Justiz RS0018395). Die Rechtsfolgen des § 918 ABGB greifen an sich erst ab dem Verzugseintritt ein (P. Bydlinski in KBB³ § 918 Rz 7).
1.1 Schuldnerverzug wird unter anderem durch Leistungsverspätung begründet. Fälligkeit ist der Zeitpunkt, zu dem der Schuldner die Leistung bewirken und der Gläubiger sie annehmen soll; sie richtet sich primär nach (ausdrücklicher oder konkludenter) Vereinbarung, subsidiär nach der Natur der Leistung (1 Ob 122/00y mwN, Bollenberger in KBB³ § 904 Rz 1, Reischauer in Rummel ABGB³ I § 904 Rz 2 ff). Bei Versagen dieser Bestimmungsgründe ist „ohne unnötigen Aufschub“ zu leisten (1 Ob 122/00y mwN, Bollenberger aaO § 904 Rz 2, Reischauer aaO § 905 Rz 5). Die Fälligkeit tritt dann auf Grund einer Mahnung des Gläubigers ein (RIS-Justiz RS0017614).
1.1.1 Eine Vereinbarung, wonach die Beklagte die Installation der Standardsoftware bis zum abzuschließen hatte, konnte nicht festgestellt werden.
1.1.2 Eine Gleichsetzung der Leistungsfrist nach der „Natur der Sache“ mit der vom Sachverständigen ermittelten „angemessenen Leistungsfrist“ - wie sie die Klägerin vornimmt - kommt nicht in Betracht: Zum einen wurden bei Ermittlung der Frist (Ende April 2009) durch den Sachverständigen lediglich die der Beklagten bei Vertragsabschluss bekannten Umstände zugrunde gelegt. Da die konkreten Bedürfnisse der Klägerin aber erst im Zuge des Projekts erhoben werden sollten und es in Übereinstimmung mit ihr in weiterer Folge notwendigerweise zu mit Verzögerungen verbundenen Projektänderungen (Zusatzwünsche, Umbesetzung des Projektleiters, Auftragsänderungen) kam, kann sie sich wegen der damit zwangsläufig einhergehenden Verzögerung nicht nachträglich auf den von ihr als „angemessen“ bezeichneten Fertigstellungstermin Ende April 2009 berufen.
1.2 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Rücktritt der Klägerin nach § 918 ABGB sei schon deshalb nicht wirksam, weil die Beklagte zum Zeitpunkt der Abgabe der Rücktrittserklärung nicht in Verzug war, ist nicht korrekturbedürftig.
2. Zutreffend ist, dass der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt hat, dass bei einer schweren Erschütterung des Vertrauens in die Person des Vertragspartners ein Rücktritt vom Werkvertrag möglich ist (RIS-Justiz RS0018286). Die Klägerin lässt hier unberücksichtigt, dass der über ihren Wunsch eingesetzte neue Projektleiter unverzüglich mit der Einarbeitung begann und letztlich ein realistisches Konzept erstellte, auf das die Klägerin nicht reagierte. Vor diesem Hintergrund zeigt die Klägerin auch hier keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Vorinstanzen auf, die keinen Fall der Unzumutbarkeit für das Festhalten am Vertrag erkennen konnten.
3.1 Soweit die Klägerin sich auf eine Irrtumsanfechtung wegen „bewusst optimistischer Schätzung“ durch die Beklagte beruft, zielt sie offenbar auf die Geltendmachung eines Kalkulationsirrtums ab.
Der sogenannte Kalkulationsirrtum betrifft in der Regel nicht die rechtsgeschäftliche Erklärung selbst, sondern nur Umstände, die dieser vorausgegangen sind und damit nur den Beweggrund. Wenn jedoch die Kalkulation zum Gegenstand der entscheidenden Vertragsverhandlungen gemacht wurde und der geforderte Preis erkennbar als ein auf dieser Kalkulation beruhender bezeichnet worden ist, liegt hingegen ein Irrtum über den Inhalt der Erklärung vor (RIS-Justiz RS0014927, RS0014894, RS0014904).
Im vorliegenden Fall sollte die Abrechnung nach dem tatsächlichen Aufwand erfolgen. Darüber hinaus steht fest, dass die Bedürfnisse der Klägerin überhaupt erst im Zuge der Projektentwicklung in den laufend zu erstellenden Pflichtenheften festgelegt werden sollten. Davon, dass die - gar nicht abschließend erfolgte Schätzung - Inhalt des Geschäfts wurde, kann daher nicht ausgegangen werden.
3.2 Selbst wenn die Klägerin von einer Fertigstellung zu einem lediglich im Projektplan aufscheinenden, aber gar nicht besprochenen Termin () ausgegangen sein sollte, läge allenfalls ein unbeachtlicher Motivirrtum vor.
3.3 Soweit sich die Klägerin auf arglistige Irreführung beruft, verstößt sie gegen das Neuerungsverbot. Darüber hinaus ergibt sich auch aus dem festgestellten Sachverhalt kein arglistiges Verhalten der Beklagten.
4. Die von der Klägerin zusätzlich gewünschten Feststellungen sind für die abschließende Beurteilung des Sachverhalts nicht erforderlich.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2013:0070OB00015.13A.0327.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
PAAAD-64700