OGH vom 15.05.2012, 3Ob65/12y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei B*****, vertreten durch Kosesnik Wehrle Langer Rechtsanwälte KG, Rechtsanwälte in Wien, gegen die verpflichtete Partei F*****, vertreten durch Dr. Wolfram Wutzel, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassungs und Fahrnisexekution, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom , GZ 14 R 31/12w 4, womit infolge Rekurses der betreibenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom , GZ 25 E 180/12h 2, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß
§ 78 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Der Verpflichteten gelingt es aus folgenden Gründen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:
1. Der Oberste Gerichtshof hält in ständiger Judikatur daran fest, dass das österreichische Exekutionsverfahren grundsätzlich einseitig gestaltet ist. Es kommt daher so auch bei der Exekution nach § 355 EO in erster Instanz (vgl dazu § 3 Abs 2 EO) grundsätzlich zu keiner Beteiligung der verpflichteten Partei. Auch in zweiter Instanz (vgl dazu nunmehr § 65 Abs 3 EO) bleibt es sieht man von den hier nicht relevanten Ausnahmen nach § 84 Abs 1 und § 402 Abs 1 EO ab einseitig, soweit die Herstellung der Waffengleichheit im Rekursverfahren durch Anhörung des Rekursgegners nicht aus besonderen nur von der zweiten Instanz im Einzelfall im Rahmen ihres pflichtgemäßen rechtlichen Ermessens beurteilbaren Gründen geboten erscheint; letzterer Gesichtspunkt kann dann zum Tragen kommen, wenn eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs anders als hier jedenfalls unzulässig ist und das Rekursgericht deshalb als letzte Instanz entscheidet (RIS Justiz RS0118686; RS0116198). Eine von der Verpflichteten angenommene Nichtigkeit des Verfahrens, weil sie diesem bisher nicht beigezogen wurde, ist deshalb zu verneinen. Da ihre von der Verpflichteten ohnehin nicht thematisierte, von § 358 Abs 2 EO ermöglichte Einvernahme zu den Strafzumessungsgründen nicht zwingend vorgeschrieben, sondern dem Ermessen des Gerichts anheimgestellt ist (3 Ob 8/12s = RIS Justiz RS0113232 [T1]), vermag auch deren Unterbleiben eine Nichtigkeit nicht zu begründen (3 Ob 35/12m).
2. Die Auslegung des Exekutionstitels im Einzelfall und die Frage, ob ein aus dem Vorbringen der betreibenden Partei entnehmbares konkretes Verhalten der verpflichteten Partei gegen den Exekutionstitel verstößt, gehen in der Regel nicht über den konkreten Einzelfall hinaus und werfen von hier nicht vorliegenden, im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilungen abgesehen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO auf (RIS Justiz RS0000595 [T10]; RS0004662; RS0031869).
2.1. Nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt die Exekutionsschritte gemäß § 355 EO (RIS Justiz RS0000595). Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS Justiz RS0000207). Die Entscheidungsgründe sind für die Auslegung der Tragweite des Spruchs bei Zweifel über dessen Tragweite heranzuziehen (RIS-Justiz RS0000300 [T6]).
Von der zuletzt genannten Möglichkeit hat das Rekursgericht Gebrauch gemacht, was angesichts der Notwendigkeit der Auslegung des wenig gebräuchlichen Begriffs „Ernährungsbehandlung“ durchaus vertretbar ist. Ebenso vertretbar ist die Ansicht, dass sich aus den Entscheidungsgründen des Titelurteils ein Verständnis des genannten Begriffs im Sinne einer Diät entnehmen lässt; das entspricht jedenfalls im Zusammenhang mit einer im beanstandeten Werbeinserats primär in Aussicht gestellten Gewichtsreduktion („unser Schlankheitspropramm“ als „Methode des Abnehmens“) nach allgemeinem Sprachverständnis einer nachhaltigen Einschränkung und Änderung des Nahrungs und Getränkekonsums, also (mit den Worten des Rekursgerichts) einer grundlegenden Ernährungsumstellung.
Bei diesem Verständnis läuft die Titelverpflichtung darauf hinaus, die Verpflichtete hat es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, bei der Bewerbung ihres (näher beschriebenen) Schlankheitsprogramms den unrichtigen Eindruck zu erwecken, dadurch sei eine dauerhafte Gewichtsreduktion ohne nachhaltige Ernährungsumstellung möglich. Von einer denkunmöglichen Auslegung des Exekutionstitels durch das Rekursgericht kann daher keine Rede sein.
Es schadet der Betreibenden auch der Umstand nicht, dass im Werbeinserat keine der im Titel beispielhaft (arg „insbesondere“) angeführten Aussagen vorkommt. Der gewöhnliche Sinn des Wortes „insbesondere“ besteht nämlich allein darin, damit Beispiele für das vorausgehende allgemein formulierte Verbot anzuführen. Durch die bloß beispielhafte Aufzählung einzelner Handlungen erfolgt aber keine Einschränkung des Exekutionstitels auf die ausdrücklich genannten Einzelverbote (RIS-Justiz RS0000205 [T9]).
2.2. Der Beurteilung eines Werbetextes sind nicht einzelne Teile für sich, sondern der Text in seiner Gesamtheit zu unterziehen (vgl RIS Justiz RS0078352). Maßgebend ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (RIS-Justiz RS0114366). Wer eine mehrdeutige Aussage macht, muss die für ihn ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen (RIS Justiz RS0079648).
Das Rekursgericht hat dem Inhalt des Werbeinserats (erkennbar) insgesamt ein Verständnis unterstellt, das die Notwendigkeit einer nachhaltigen Ernährungsumstellung im dargelegten Sinn zur Erreichung einer dauerhaften Gewichtsreduktion mit dem Schlankheitsprogramm der Verpflichteten verneint und deshalb einen Titelverstoß bejaht, weil der nach dem Titel verpönte unrichtige Eindruck erweckt wird. Angesichts der spärlichen und dieses Erfordernis zumindestens verharmlosenden Formulierungen sie beschränken sich auf die Erwähnung von „empfohlenen Nahrungsmittel“ und einer Essenszubereitung „(mit kleinen Abstrichen) nach“ eigenem Geschmack kann darin eine grobe Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, nicht erblickt werden. Ob auch eine andere Beurteilung des Werbetextes vertretbar wäre, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung und bildet demnach keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS Justiz RS0107768).
3. Da der Revisionsrekurs keinerlei Ausführungen gegen die Höhe der vom Rekursgericht ausgesprochenen Geldstrafe enthält, erübrigen sich Überlegungen dazu.