OGH vom 27.11.2019, 7Ob56/19i

OGH vom 27.11.2019, 7Ob56/19i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. H***** H*****, vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** Ltd *****, vertreten durch Winternitz Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen 63.153,93 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 118/18i-38, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Vorstand der H***** S***** AG (in Hinkunft AG). Diese hat mit der Beklagten einen VermögensschadenHaftpflichtversicherungsvertrag (DO Versicherung) abgeschlossen, nach welchem der Kläger bei der Beklagten auch für Schäden haftpflichtversichert ist, die er der AG im Rahmen seiner Vorstandstätigkeit zufügt. Mit Anfechtungsklage begehrte eine Aktionärin die nachstehenden in der ordentlichen Hauptversammlung vom gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären: 1. Verwendung des Bilanzgewinns, insbesondere durch Ausschüttung einer Sonderdividende und Vortrag eines Restgewinns; 2. die Erteilung der Entlastung des Klägers für das Geschäftsjahr 2013; 3. die Erteilung der Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrats; 4. die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds. In diesem Verfahren trat nach einer außergerichtlichen Einigung Ruhen ein.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist noch das Begehren des Klägers auf Zahlung von 42.309,77 EUR. Aufgrund seiner fahrlässigen Fehlleistungen bei der Vorbereitung und Durchführung der Hauptversammlung habe die AG diesen Betrag an Schadenersatz von ihm gefordert. Er habe diese Forderung befriedigt und begehre nunmehr Ersatz von der Beklagten aus der bestehenden Vermögensschaden- Haftpflichtversicherung.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Schlüssigkeit einer Klage kann nur anhand des konkreten Vorbringens im Einzelfall geprüft werden. Die Schlüssigkeitsfrage kann daher – vom Fall einer groben Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sein (RS0116144; RS0037780).

Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor:

2. Für das Vorliegen des Versicherungsfalls trifft nach der allgemeinen Risikoumschreibung den Versicherungsnehmer – hier den versicherten Kläger – die Beweislast (RS0043438) und damit die Behauptungslast. Der Kläger begehrt Ersatz für die von ihm behauptetermaßen bereits befriedigten Schadenersatzansprüche der AG. In der Haftpflichtversicherung umfasst die Leistungspflicht des Versicherers insoweit nur die Befriedigung berechtigter Schadenersatzansprüche. In der Hauptversammlung wurden mehrere voneinander unabhängige und damit gesondert zu beurteilende Beschlüsse gefasst. Die gegenüber der AG hinsichtlich der einzelnen Beschlüsse geltend gemachten Anfechtungsansprüche hätten damit auch ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können. Somit hätte es Behauptungen des Klägers bedurft, welches konkrete rechtswidrige und schuldhafte Verhalten – in Bezug auf welchen der Hauptversammlungsbeschlüsse – dessen Nichtigkeit begründete und damit welchen (von ihm bereits ersetzten) Schaden der AG, er dadurch verursachte. Dem ist der Kläger – trotz mehrfacher Erörterung – nicht nachgekommen. Der Hinweis auf Gesetzesbestimmungen und die Verwendung von Rechtsbegriffen kann ein substanziiertes Vorbringen ebenso wenig ersetzen wie der Verweis auf das Anfechtungsverfahren zwischen der Aktionärin und der AG, bei dem es ohnehin nicht um konkrete Pflichtverstöße des Klägers ging.

Insbesondere ist hervorzuheben:

2.1 Der Kläger verwies im erstgerichtlichen Verfahren zwar allgemein und ohne einen konkreten Zusammenhang mit einem der Beschlüsse herzustellen darauf, dass gemäß § 96 AktG die Berichte des Aufsichtsrats aufzulegen seien, er behauptete jedoch nicht einmal ausdrücklich, den Bericht des Aufsichtsrats tatsächlich nicht aufgelegt zu haben. Im Übrigen ist nach der nunmehr ständig vertretenen Relevanztheorie der Zweck der eingehaltenen Verfahrensbestimmungen für die Anfechtbarkeit entscheidend. Nur wenn durch die Verletzung ein konkretes Informations oder Partizipationsinteresse eines Aktionärs verletzt wurde, begründet dies die Anfechtbarkeit; irrelevante Mängel scheiden aus (RS0121481 [insb T 4]). Zur Relevanz eines allfälligen Verstoßes fehlt gleichfalls jegliches Vorbringen.

2.2 Der Kläger brachte vor, dass die Ausschüttung einer Sonderdividende und eines Gewinnvortrags satzungswidrig gewesen sei. Dies konkretisierte er dahingehend, dass eine nachträglich eingeholte Rechtsexpertise gezeigt habe, dass die Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns kritisch gewesen sei, weil der in dem Beschluss vorgesehene Gewinnvortrag wie auch die Zusatzdividende aus der Satzung zwar ableitbar, aber wahrscheinlich zu unbestimmt formuliert und wegen formeller Strenge des Aktienrechts wohl gerade nicht zulässig gewesen seien. Aufgrund des gesetzwidrig gefassten Beschlusses habe die Satzung geändert werden müssen.

Abgesehen davon, dass der Kläger mit diesen Ausführungen rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten seinerseits tatsächlich in Abrede stellte, behauptete er im erstgerichtlichen Verfahren auch gar nicht, dass ihm früher rechtliche Bedenken gegen die Satzung hätten kommen und er vorbeugend eine Satzungsänderung hätte anregen müssen. Offen bleibt auch, aus welchem Grund ein allfällig satzungswidriger Beschluss nicht dessen, sondern die Änderung der Satzung bedingen soll und inwiefern die Kosten einer notwendigen Satzungsänderung auf ein Fehlverhalten des Klägers zurückzuführen wäre.

2.3 Kein Vorbringen wurde erstattet, welchen (kausalen) Pflichtverstoß er jeweils im Zusammenhang mit den Beschlussfassungen über seine Entlastung, jene der Aufsichtsratsmitglieder und die Wahl eines Aufsichtsratsmitglieds, gesetzt hat, der die Anfechtbarkeit der Beschlüsse zur Folge hatte.

2.4 Damit hält sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, das Klagebegehren sei unschlüssig im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung, wogegen der Kläger auch keine stichhaltigen Argumente zu bringen vermag.

3. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00056.19I.1127.000

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