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OGH vom 24.11.1998, 5Ob286/98i

OGH vom 24.11.1998, 5Ob286/98i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und Dr. Hradil und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch als weitere Richter in der Mietrechtssache der Antragstellerin M*****GmbH, ***** vertreten durch DDr. Georg M. Krainer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider den Antragsgegner Valentin M*****, vertreten durch Dr. Rudolf Denzel und Dr. Peter Patterer, Rechtsanwälte in Villach, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 172/98s-14, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Villach vom , GZ 6 Msch 25/97b-9, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Antragsgegner ist Eigentümer des Hauses B*****straße ***** in ***** V*****. Das im Erdgeschoß dieses Hauses gelegene 170 m**2 große Geschäftslokal wurde mit Mietvertrag vom an Mario N***** vermietet, wobei ein Hauptmietzins von monatlich S 42.000 zuzüglich Umsatzsteuer und Betriebskosten vereinbart wurde. Am gingen die Mietrechte infolge einer Unternehmensveräußerung auf Sabine N***** und ab ebenfalls infolge einer Unternehmensveräußerung schließlich auf die Antragstellerin über.

Am leitete die Antragstellerin ein auf § 37 Abs 1 Z 8 MRG gestütztes Mietzinsüberprüfungsbegehren gegen den Antragsgegner ein. Der ihr vorgeschriebene Hauptmietzins von S 46.053,34 übersteige sowohl hinsichtlich des vereinbarten Betrages von S 42.000 als auch durch die infolge Wertsicherung eingetretene Steigerung das gesetzlich zulässige Zinsausmaß des § 16 Abs 1 MRG. Die Antragstellerin begehrte, die Überschreitungsbeträge festzustellen und den Antragsgegner zur Rückzahlung zuviel bezahlter Beträge zu verpflichten.

Der Antragsgegner brachte dagegen vor, daß der vereinbarte und derzeit begehrte Hauptmietzins S 46.053,34 ortsüblich und angemessen sei. Darüber hinaus sei der Antragstellerin anzulasten, daß sie die ihr gemäß § 16 Abs 1 MRG obliegende Rüge der Unangemessenheit des Hauptmietzinses unterlassen habe. Auch sei die Frist des § 37 Abs 1 Z 8 MRG, die auch auf Altverträge anzuwenden sei, durch den am eingebrachten Antrag nicht gewahrt worden, sodaß hinsichtlich des Begehrens der Antragstellerin auch Verjährung eingewendet werde.

Der Antragsgegner brachte noch vor, er habe einer vorübergehenden Mietzinsreduktion auf S 25.000 pro Monat für den Zeitraum Dezember 1996 bis Februar 1997 gegenüber der Rechtsvorgängerin des Antragstellers zugestimmt.

Die Antragstellerin brachte dazu vor, es habe sich um eine Vereinbarung gehandelt, worin dem Mieter eine Mietzinsreduktion für den Zeitraum Dezember 1996 bis einschließlich Juli 1997 zugestanden worden sei, wobei die Parteien weiters vereinbart hätten, daß in dieser Zeit eine außergerichtliche Ermittlung des angemessenen Mietzinses durch Fachleute aus der Immobilienbranche vorgenommen werden solle.

Die Antragstellerin bestritt, eine Rügepflicht verletzt zu haben sowie den Einwand der Verfristung des Antrags.

Das Erstgericht wies den Mietzinsüberschreitungsantrag infolge Verfristung nach § 16 Abs 8 MRG ab. Es schloß sich der Rechtsansicht an, daß diese Bestimmung auch auf Altverträge dergestalt anzuwenden sei, daß die Unwirksamkeit von vor Inkrafttreten des 3. WÄG geschlossenen Mietzinsvereinbarungen innerhalb von drei bzw dreieinhalb Jahren ab Inkrafttreten des 3. WÄG geltend gemacht werden müsse, bei Versäumung dieser Frist ein Begehren präkludiert sei. Die Verletzung der durch § 16 Abs 1 Z 1 MRG normierten Rügepflicht des Unternehmers bei Übergabe des Mietobjektes wäre der Antragstellerin allerdings nicht vorzuwerfen, weil eine rückwirkende Anwendung dieser Bestimmung nicht in Betracht komme.

Über Rekurs der Antragstellerin bestätigte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Sachbeschluß und schloß sich der Rechtsansicht des Erstgerichtes hinsichtlich der Anwendbarkeit der Bestimmung des § 16 Abs 8 MRG auch für Altverträge an. Die Einwände der Rekurswerberin, das Erstgericht hätte zumindest die Wertsicherungserhöhung auf ihre Zulässigkeit prüfen müssen, verwarf das Rekursgericht. Eine selbständige Überprüfung einer durch Wertsicherung entstandenen Erhöhung des Hauptmietzinses sei nicht denkbar. Auch sei ein solches Begehren von der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG umfaßt. Das Rekursgericht verneinte auch, daß es zu einer Hemmung oder Unterbrechung der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG durch die von der Antragstellerin behauptete Vereinbarung gekommen sei, weil lediglich feststehe, daß die Antragstellerin dem Antragsgegner habe mitteilen lassen, sie werde ab den derzeit gültigen Mietzins von S 25.000 bezahlen. Die Vereinbarung einer Mietzinsreduktion sei vom Erstgericht nicht festgestellt worden. Dabei übersah das Rekursgericht, daß die unterlassene Auseinandersetzung mit dem von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalt als sekundärer Verfahrensmangel gerügt worden war, weil sich daraus eine Unterbrechung bzw Hemmung des Ablaufs der Präklusivfrist des § 16 Abs 8 MRG ergeben hätte.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 130.000 übersteige und erklärte den Revisionsrekurs für zulässig, weil zur Anwendbarkeit des § 16 Abs 8 MRG auf Altverträge bisher keine höchstgerichtliche Judikatur vorliege.

Gegen diesen Sachbeschluß richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin.

Der Antragsgegner hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne seines Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Zur Frage, ob die mit dem 3. WÄG am in Kraft getretene Bestimmung des § 16 Abs 8 MRG, wonach die Unwirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen binnen (grundsätzlich) drei Jahren gerichtlich bzw bei der Schlichtungsstelle geltend zu machen ist, auf für solche Vereinbarungen gilt, die vor dem abgeschlossen wurden, liegt mittlerweile eine dem Standpunkt des Antragsgegners Recht gebende Judikatur vor. Demnach ist die fragliche Präklusivfrist auf derartige "Altmietverträge" mit der Maßgabe anzuwenden, daß sie am zu laufen begonnen hat (5 Ob 94/98d = WoBl 1998, 172/115 mit zust Anm von Hausmann; s auch 5 Ob 137/98b; 5 Ob 134/98m; 5 Ob 147/98 ; 5 Ob 165/98w; 5 Ob 173/98x ua).

Weil die Antragstellerin nach Inkrafttreten des 3. WÄG durch Unternehmensveräußerung gemäß § 12a Abs 1 MRG in die Rechtsposition der Vormieterin eingetreten ist, diese wiederum auf dieselbe Art in die Rechtsposition ihres Vormieters eingetreten war, handelt es sich hier um einen sogenannten "Altvertrag". Die in § 16 Abs 8 MRG normierte Präklusion der Geltendmachung der Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung ist daher grundsätzlich auch hier anzuwenden, weshalb der am gestellte Antrag an sich verfristet wäre.

Dem stehen jedoch zwei von den Vorinstanzen nicht ausreichend beachtete Umstände entgegen.

Zum einen beruft sich die Revisionsrekurswerberin mit Recht darauf, daß sie bereits im erstinstanzlichen Verfahren die Überschreitung der Angemessenheit auch auf Erhöhungen infolge Anwendung der Wertsicherungsvereinbarung gestützt hat und sie die Unterlassung der Auseinandersetzung mit dieser Frage bereits im Rekursverfahren als sekundäre Mangelhaftigkeit gerügt hat. Nach der klaren Anordnung des § 16 Abs 9 MRG ist dann, wenn sich durch die Anwendung einer Wertsicherungsvereinbarung ein höherer Hauptmietzins ergibt, als nach § 16 Abs 1 bis 7 MRG zu diesem Zeitpunkt zulässig ist, der übersteigende Teil unwirksam. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichtes besteht also die Möglichkeit, diesen Umstand selbständig geltend zu machen, selbst wenn der vereinbarte Hauptmietzins (ohne Wertsicherung) nicht (mehr) überprüfbar wäre. Die Dreijahresfrist des § 16 Abs 8 MRG ist, wenn man ihre Anwendbarkeit auch für den Fall des § 16 Abs 9 MRG bejahen würde, jedenfalls nicht ab Mietvertragsabschluß, sondern höchstens ab Anwendung der Wertsicherungsvereinbarung zu berechnen. Sonst wäre ja jede Erhöhung infolge einer Wertsicherungsvereinbarung nach Ablauf von drei Jahren ab Mietvertragsabschluß unüberprüfbar. Gerade das kann der Bestimmung des § 16 Abs 9 MRG aber nicht entnommen werden.

Es bedarf daher jedenfalls einer Auseinandersetzung mit dem Begehren der Antragstellerin in Ansehung des durch Wertsicherung während der letzten drei Jahre eingetretenen Steigerungsbetrags.

Das Erstgericht wird daher mit den Parteien im fortgesetzten Verfahren zu erörtern haben, wann und in welcher Höhe der Antragstellerin bzw ihrer Rechtsvorgängerin Wertsicherungsbeträge vorgeschrieben wurden und sodann zu prüfen haben, ob durch diese Steigerungsbeträge das gesetzlich zulässige Zinsausmaß überschritten wurde.

Neuere Lehre und Rechtsprechung vertreten unter Bedachtnahme auf den Zweck von Präklusivfristen weitgehend die analoge Anwendung der Regeln über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung auf Präklusivfristen (vgl Koziol/Welser10 I 190; Schubert in Rummel Rz 5 zu § 1452; SZ 58/58). Zuletzt wurde in SZ 63/71 generell ausgesprochen, daß alle Fallfristen der analogen Anwendung der §§ 1494 bis 1497 ABGB unterliegen (vgl auch die Darstellung Mader in Schwimann Rz 10 zu § 1451 ABGB). Nach herrschender Ansicht bewirken Vergleichsverhandlungen eine Ablaufhemmung der Verjährung, was auch auf Präklusivfristen anwendet wird (vgl ZVR 1979/44; Ind 1983/1382; SZ 58/58; WBl 1987, 130). So wurde die Zusage, daß die Ergebnisse eines einzuholenden Gutachtens als Grundlage für die außergerichtliche Bereinigung eines Anspruchs (dort nach § 1111 ABGB) dienen sollen, als Vergleichsverhandlungen, die die Ablaufhemmung der Frist bewirkten, angesehen. Nach der Weigerung einer Partei, sich außergerichtlich zu einigen, muß aber die Klage unverzüglich eingebracht werden (vgl SZ 58/58). Diese Grundsätze können in der Folge auch auf die in § 16 Abs 8 MRG normierte Präklusivfrist zur Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Mietzinsvereinbarung herangezogen werden.

Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren ein Tatsachenvorbringen erstattet, das im Fall seiner Erweislichkeit geeignet sein kann, die dreijährige Präklusivfrist zu erstrecken. Die diesbezüglich im Rekursverfahren gerügte sekundäre Mangelhaftigkeit bestand tatsächlich.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren das entsprechende Sachvorbringen der Antragstellerin einem geeigneten Beweisverfahren zu unterziehen haben um schlußendlich zu Feststellungen zu gelangen, die die Rechtzeitigkeit des Überprüfungsantrages einer Beurteilung zugänglich machen.

Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.