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OGH vom 15.09.2020, 6Ob57/20f

OGH vom 15.09.2020, 6Ob57/20f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei K***** GmbH Co KG, *****, vertreten durch Dr. Stefan Lausegger, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und 4.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 157/19a-13, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom , GZ 14 Cg 15/19z9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung lautet:

„Das Hauptbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, die Verbreitung von Personenbildnissen der klagenden Partei zu unterlassen, so dadurch berechtigte Interessen der klagenden Partei beeinträchtigt werden, indem im Bildbegleittext die Äußerung, die klagende Partei stehe 'im Visier der Justiz' und/oder sinngleiche Äußerungen verbreitet werden, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, die Verbreitung von Personenbildnissen der klagenden Partei zu unterlassen, so dadurch berechtigte Interessen der klagenden Partei beeinträchtigt werden, indem im Bildbegleittext die Äußerung, die klagende Partei stehe 'im Visier der Justiz', weil sie durch eine Schenkung von 600.000 EUR bei der Besetzung von Punkterichtern zugunsten von ***** mitreden wollte und/oder sinngleiche Äußerungen verbreitet werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.723,52 EUR (darin 453,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 1.961,82 EUR (darin 326,97 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Medieninhaberin veröffentlichte am im periodischen Druckwerk „*****“ sowie in der Online-Ausgabe Artikel unter den Überschriften „Ex-Reiterin im Visier der Justiz“ (Print) bzw „Ex-Olympiasiegerin [Klägerin] im Visier der Justiz“ (Online). Der Subtitel lautete: „Eklat rund um die Hofreitschule geht weiter. Nach ihrer Kritik an ***** wurden Vorwürfe gegen [die Klägerin] bekannt.“ Der Artikel berichtete zunächst über die Nachbesetzung der Geschäftsführerin der Spanischen Hofreitschule. Nach Ernennung einer anderen als der vom Beirat erstgereihten Person sei der Beirat um die Klägerin geschlossen zurückgetreten und habe den Vorwurf „übelsten Postenschachers“ erhoben. Der Folgeabsatz lautet:

Korruptionsstaatsanwaltschaft [wobei diese Zwischenüberschrift nur in der Online-Ausgabe enthalten ist]:

„Knapp nach dem Eklat wurde publik, dass im Dezember eine Sachverhaltsdarstellung mit brisantem Inhalt bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft eingelangt ist. [Der Klägerin] wird vorgeworfen, sie habe durch eine Schenkung von 600.000 Euro erwirkt, bei der Besetzung von Punkterichtern zugunsten von Tochter ***** mitreden zu können.“ Dann wird der Strafverteidiger der Klägerin mit der (in der PrintAusgabe als Insert hervorgehobenen) Aussage zitiert, es sei nicht einmal ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, die Staatsanwaltschaft habe die Einstellung vorgeschlagen. Seitens der Oberstaatsanwaltschaft sei bestätigt worden, dass die Sache mit der Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft zum Vorhabensbericht im Ministerium liege; wann darüber entschieden werde, sei nicht abschätzbar. Abschließend wird die Meinung des Strafverteidigers wiedergegeben, es sei ein „komischer Zufall, wenn so ein Vorfall an die Öffentlichkeit gelange, wenn Kritik an Postenschacher geäußert werde“. Der Artikel ist jeweils mit einem (auch) die Klägerin zeigenden Bild illustriert.

Am entschied die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen die Klägerin wegen des Vorwurfs der Geschenkannahme und Bestechung von Bediensteten und Beauftragten nach § 309 Abs 1, 2 und 3 zweiter Fall StGB sowie der Untreue gemäß § 153 StGB aufgrund fehlenden Anfangsverdachts abzusehen.

Die stellte die aus dem Spruch ersichtlichen Unterlassungsbegehren als Haupt- und Eventualbegehren und begehrte weiters die Urteilsveröffentlichung und Zahlung von 4.000 EUR. Sie brachte vor, die Beklagte verbreite den unwahren Vorwurf der Begehung einer strafbaren Handlung, zumindest des Bestehens eines entsprechenden Tatverdachts. Die in der Sachverhaltsmitteilung gegen sie erhobenen Vorwürfe seien absurd und Teil einer Rufmordkampagne. Es sei nie ein Ermittlungsverfahren gegen sie anhängig gewesen, sodass sie nicht „im Visier der Justiz“ stehe. Sie habe ein privates Reitturnier gefördert und eine international anerkannte Person als Turnierleiter vorgeschlagen, die die Punkterichter eigenverantwortlich und ohne ihre Einflussnahme ausgesucht habe. Die Sachverhaltsmitteilung sei bereits im Oktober 2018 bei der WKStA eingebracht worden und stehe in keinem zeitlichen Konnex zur Besetzung der Leitungsfunktion der Spanischen Hofreitschule zu Beginn des Jahres 2019. Es fehle auch an einem inhaltlichen Konnex zu diesem Besetzungsvorgang. In der Sachverhaltsmitteilung werde der Klägerin zudem nicht eine Einflussnahme zugunsten ihrer Tochter vorgeworfen, sondern vielmehr, sie hätte durch ihre Unterstützung andere Sponsoren verhindert. Es bestehe kein öffentliches Interesse an den erhobenen Vorwürfen.

Die hielt dem Klagebegehren zusammengefasst entgegen, an der Berichterstattung bestehe aufgrund des Konnexes zu den Vorkommnissen um die Besetzung der Leitungsfunktion der Spanischen Hofreitschule ein öffentliches Interesse. Im Artikel werde neutral über die kurz nach dem Rücktritt des Beirats bekannt gewordene Einbringung einer Sachverhaltsmitteilung berichtet. Die Redakteurin habe die journalistische Sorgfalt eingehalten, indem sie mit dem Pressesprecher, dem Strafverteidiger der Klägerin sowie der WKStA und der Oberstaatsanwaltschaft Kontakt aufgenommen habe. Die Sachverhaltsmitteilung selbst sei der Redakteurin nicht bekannt gewesen. Es sei irrelevant, wann genau diese eingebracht worden sei und zu wessen Gunsten die darin behauptete (indirekte) Einflussnahme der Klägerin auf die Person von Punkterichtern erfolgt sei. Der wesentliche Inhalt des Artikels sei wahr.

Das Erstgericht gab dem auf Unterlassung gerichteten Hauptbegehren mit Teilurteil statt.

Das Berufungsgericht bestätigte die Klagestattgebung und ließ die Revision mangels Rechtsfragen erheblicher Bedeutung nicht zu.

Rechtlich erörterte es, aufgrund von Art 10 EMRK sei es zulässig, zu berichten, dass eine Person im „Visier der Justiz“ stehe, solange Erkundigungen im Sinn des § 91 Abs 2 StPO zwecks Klärung des Vorliegens eines Anfangsverdachts durchgeführt würden. Die Frage, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden, sei im Zusammenhang mit dem beigefügten Text zu beantworten. Hier sei die Überschrift nicht losgelöst vom Nachfolgetext zu beurteilen. Der verständige Erklärungsadressat verstehe die Überschriften im Zusammenhang mit dem Gesamttext dahin, dass der Klägerin aufgrund einer Sachverhaltsmitteilung im Zusammenhang mit einer Schenkung von 600.000 EUR ein strafbares Verhalten vorgeworfen werde. Die Äußerung, die Klägerin stehe „im Visier der Justiz“, sei ein Werturteil, das eine ausreichende Tatsachengrundlage habe. Die Beklagte habe zudem die journalistische Sorgfalt eingehalten, was im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung zu berücksichtigen sei. Die Veröffentlichung des Verdachts einer strafbaren Handlung sei aber stets rufschädigend im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB und nur bei Vorliegen eines besonderen Informationsinteresses der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Mangels zeitlichen und inhaltlichen Konnexes mit den Äußerungen der Klägerin zur Spanischen Hofreitschule bestehe kein Informationsinteresse der Öffentlichkeit am Vorliegen einer Verdachtslage, die kein gesellschaftlich relevantes Thema zum Gegenstand habe; dies auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin eine Person des öffentlichen Lebens sei.

Dagegen wendet sich die der Beklagten, mit der sie die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im klageabweisenden Sinn beantragt; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die außerordentliche Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Die Revisionswerberin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Berufungsgericht habe die Bedeutung des Art 10 EMRK und die Einhaltung der journalistischen Sorgfalt nicht ausreichend berücksichtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist , sie ist auch teilweise berechtigt.

1.1. Durch § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden (RS0078161). Die Veröffentlichung von Lichtbildern kann auch dann gegen § 78 UrhG verstoßen, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – als solche unbedenklich sind, der Abgebildete aber durch den Begleittext mit Vorgängen in Verbindung gebracht wird, mit denen er nichts zu tun hat, oder der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben wird (RS0078161 [T7]). Schutzobjekt des § 78 UrhG ist nämlich nicht das Bild an sich, sondern bestimmte, mit dem Bild verknüpfte Interessen; der Bildnisschutz greift daher erst ein, wenn und soweit der Abgebildete ein berechtigtes Interesse am Unterbleiben der Veröffentlichung seines Bildnisses hat (6 Ob 172/19s; 4 Ob 20/08g).

1.2. Bei der Prüfung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt wurden, ist darauf abzustellen, ob seine Interessen bei objektiver Prüfung als schutzwürdig anzusehen sind (RS0078088; RS0078077 [T11]). Dabei ist nicht nur das Bild für sich allein zu beurteilen, sondern es ist auch der mit dem veröffentlichten Bild zusammenhängende Text zu berücksichtigen (RS0078077 [T8, T 9]). Dabei hat die Auslegung des Bedeutungsinhalts des Begleittextes nach dem Verständnis eines durchschnittlich qualifizierten Erklärungsempfängers zu erfolgen (RS0115084).

1.3. Für die Beurteilung, ob die berechtigten Interessen des Abgebildeten durch einen Bildbegleittext beeinträchtigt werden, sind die Wertungen des § 1330 ABGB maßgebend (RS0112084 [T1, T 15]; 6 Ob 116/17b „Miese Volksverräterin II“). Ob der Eingriff in das absolut geschützte Recht der Klägerin an ihrem eigenen Bild rechtswidrig war, hängt von einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung im Einzelfall ab, bei der dem Interesse am gefährdeten Gut die Interessen der Handelnden und die der Allgemeinheit gegenübergestellt werden müssen (RS0008990 [T3]; RS0008987 [T6, T 19]; RS0031657; 6 Ob 256/12h „Zur Belustigung“). Dabei fällt die nach § 78 UrhG gebotene Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung bei einem im Kern wahren Sachverhalt gewöhnlich zugunsten des Mediums aus (RS0122489).

2. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall erweist sich die Revision der Beklagten hinsichtlich des von der Klägerin erhobenen als berechtigt.

2.1. Die Klägerin leitet den behaupteten Eingriff in ihr nach § 78 UrhG geschütztes Recht ausschließlich aus dem gemeinsam mit den Bildnissen veröffentlichten Begleittext, konkret aus der Formulierung, sie stehe „im Visier der Justiz“, ab.

2.2. Der Bedeutungsgehalt der Äußerung, die Klägerin befinde sich „im Visier der Justiz“ kann bei unbefangener Deutung durch einen durchschnittlich qualifizierten Leser der beanstandeten Veröffentlichungen (vgl RS0115084) nur dahin verstanden werden, dass die Justiz Anlass habe, der Klägerin besonderes Augenmerk zu widmen. Näheres kann der Phrase „im Visier der Justiz“ bei isolierter Betrachtungsweise nicht entnommen werden; insbesondere wird der Durchschnittsleser dieser Formulierung nicht die Bedeutung zumessen, dass sich das Tätigwerden der Justiz in einem spezifischen Verfahrensstadium – etwa im Stadium des Ermittlungsverfahrens gemäß § 91 ff StPO – befinde.

2.3. Dieser Bedeutungsgehalt beruht auf einem im Kern wahren Sachverhalt, weil gegen die Klägerin eine „Sachverhaltsmitteilung“ eingebracht worden war, aufgrund derer die WKStA über die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu entscheiden hatte. Diese Entscheidung war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung () noch nicht getroffen.

2.4. Die Einbeziehung des gesamten Artikels in die Beurteilung führt zu keiner abweichenden Beurteilung, weil darin – zutreffend – über die Einbringung einer Sachverhaltsmitteilung gegen die Klägerin bei der WKStA berichtet wird. Dass der in der Sachverhaltsmitteilung erhobene Vorwurf im Artikel unrichtig wiedergegeben wird, ist nicht Gegenstand des Hauptbegehrens der Klägerin. Auf den exakten Zeitpunkt der Einbringung der Sachverhaltsmitteilung kommt es nicht an, weil im Artikel offenkundig der zeitliche Zusammenhang zwischen dem „Eklat“ um die Postenbesetzung und dem Publikwerden der bereits zuvor eingebrachten Sachverhaltsmitteilung und nicht der genaue Einbringungszeitpunkt im Vordergrund steht.

2.5. Zugunsten der Beklagten ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass die Veröffentlichung einen Beitrag zu einer Debatte von öffentlichem Interesse leistet.

Gegenstand des Berichts sind nämlich nicht isoliert die in der Sachverhaltsmitteilung an die WKStA erhobenen Vorwürfe gegen die Klägerin. Vielmehr wird das (öffentliche) Agieren der Klägerin als Leiterin eines Beirats zu Besetzung einer Spitzenposition in Bezug dazu gesetzt, dass strafrechtlich relevante Vorwürfe gegen sie erhoben wurden. Dieser Zusammenhang ergibt sich sowohl aus der Artikelüberschrift als auch aus der Wiedergabe der vom Strafverteidiger der Klägerin geäußerten Deutung. Dieser stellte in den Raum, dass das Publikwerden der gegen die Klägerin eingebrachten Sachverhaltsmitteilung in Reaktion darauf erfolgt sei, dass sie sich öffentlich gegen Postenschacher ausgesprochen habe. Soweit das Berufungsgericht die Rechtsansicht vertrat, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Inhalt der gegen die Klägerin erhobenen Vorwürfe und ihrer Tätigkeit als Beiratsvorsitzende, lässt es daher den Gesamtzusammenhang der Veröffentlichung außer Acht.

2.6. Zusammengefasst beruht die Äußerung, die Klägerin stehe „im Visier der Justiz“, auf einem wahren Tatsachenkern. Damit fällt die Abwägung zwischen dem Recht der Klägerin an ihrem eigenen Bild nach § 78 UrhG und der von Art 10 EMRK garantierten Meinungsäußerungsfreiheit zugunsten der Beklagten aus. Die Äußerung, die Klägerin stehe „im Visier der Justiz“, vermag daher die Unzulässigkeit der Veröffentlichung ihrer Bildnisse nicht zu begründen.

3. Mit ihrem begehrt die Klägerin die Unterlassung der Bildnisveröffentlichung, soweit der Begleittext die Äußerung enthalte, sie stehe „im Visier der Justiz“, weil sie durch eine Schenkung von 600.000 EUR habe erreichen wollen, bei der Besetzung von Punkterichtern zugunsten ihrer Tochter mitzureden.

3.1. Damit misst die Klägerin dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel die Bedeutung einer Tatsachenbehauptung über eine von ihr versuchte Einflussnahme zu.

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung können auch über Tatsachen geäußerte Vermutungen und Verdächtigungen Tatsachenbehauptungen sein, weil § 1330 Abs 2 ABGB bei anderer Deutung gegen geschickte Formulierungen wirkungslos wäre (RS0031816; 6 Ob 141/18f „Sex Intrigen beim Geheimdienst“).

3.3. Bezieht sich ein wertneutraler Bericht über einen (Tat)Verdacht auf konkret genannte Umstände, etwa Angaben Dritter, bedarf es nicht des Nachweises der Wahrheit jener Tatsachen, die den Inhalt der Verdächtigung bilden (6 Ob 220/01y). Erst dann, wenn die berichtete Verdachtslage entweder überhaupt nicht oder nicht im dargestellten Umfang gegeben ist, kommt es auf die Wahrheit des Inhalts der Verdächtigung an (6 Ob 141/18f; 6 Ob 220/01y).

4.1. Nach dem mit dem Eventualbegehren beanstandeten Begleittext wurde gegenüber der WKStA die Anschuldigung erhoben, die Klägerin habe versucht, gegen Zahlung eines Geldbetrags zugunsten ihrer Tochter Einfluss auf die Bestellung von Punkterichtern zu nehmen. Diese Anschuldigung unterstellt der Klägerin – unabhängig von einer allfälligen strafrechtlichen Beurteilung – ein nach sportlichen Maßstäben verwerfliches Verhalten und ist daher geeignet, ihren Ruf im Sinn des § 1330 Abs 2 ABGB zu beeinträchtigen.

4.2. Das Berufungsgericht hat in teilweiser Stattgebung der Beweisrüge die Feststellung, wonach der Klägerin in der Sachverhaltsmitteilung an die WKStA die versuchte Einflussnahme auf Preisrichterbestellungen zugunsten ihrer Tochter vorgeworfen worden sei, nicht übernommen. Der Vorwurf der versuchten Einflussnahme zugunsten der Tochter der Klägerin ergibt sich auch nicht aus der erwähnten Sachverhaltsmitteilung an die WKStA. Diese wurde von der Klägerin als Urkunde vorgelegt und von der Beklagten ihrem Wortlaut nach nicht bestritten, sodass sie vom Obersten Gerichtshof ohne Weiteres verwertet werden kann (vgl RS0121557 [T1, T 3]).

4.3. Da die versuchte Einflussnahme zugunsten der Tochter der Klägerin nicht Gegenstand der Sachverhaltsmitteilung ist, erweist sich die berichtete Verdachtslage als unrichtig. Dass die Klägerin tatsächlich versucht hätte, auf die Bestellung von Punkterichtern Einfluss zu nehmen, um dadurch die Interessen ihrer Tochter zu fördern, wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Die Klägerin wird daher durch die unrichtig wiedergegebenen Vorwürfe gegen sie mit einer unlauteren Einflussnahme zugunsten ihrer Tochter in Verbindung gebracht, die nicht feststeht und die auch nicht Gegenstand der Sachverhaltsmitteilung an die WKStA war.

4.4. Dem von § 78 UrhG geschützten Recht der Klägerin, nicht mit Vorgängen in Verbindung gebracht zu werden, mit denen sie nichts zu tun hat (vgl RS0078161 [T7]; 6 Ob 172/19s), stehen keine überwiegenden Veröffentlichungsinteressen der Beklagten gegenüber, weil unwahre Tatsachenbehauptungen und Werturteile, die auf unwahren Tatsachenbehauptungen basieren, nicht vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sind (RS0107915).

4.5. Die Beklagte kann sich hinsichtlich des im Artikel wiedergegebenen Verdachts der versuchten Einflussnahme zugunsten der Tochter der Klägerin auch nicht auf die Einhaltung der journalistischen Sorgfalt berufen. Nach ihrem eigenen Vorbringen hat die Redakteurin zwar die Tatsache der Sachverhaltsmitteilung mit dem Strafverteidiger der Klägerin besprochen; dass die Redakteurin auch versucht hätte, den Inhalt der – ihr nicht vorliegenden – Sachverhaltsmitteilung zu verifizieren, wird von der Beklagten aber gar nicht behauptet. Dies wäre aber – auch im Lichte des Art 10 EMRK – erforderlich gewesen.

4.6. Damit erweist sich das von der Klägerin erhobene Eventualbegehren als berechtigt. Das von den Vorinstanzen erlassene Teilurteil ist daher im Sinn der Abweisung des Hauptbegehrens und Klagestattgebung im Sinn des Eventualbegehrens abzuändern.

5. Der Vorbehalt der Kosten des Verfahren erster Instanz gründet sich auf § 392 Abs 2, 52 Abs 4 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz beruht auf § 43 Abs 2, 50 ZPO. Die Klägerin hat Anspruch auf vollen Kostenersatz, weil der Verfahrensaufwand, der zur Prüfung der Berechtigung des Hauptbegehrens erforderlich war, auch für die Beurteilung des Eventualbegehrens verwertet werden konnte, die materiell-rechtliche Grundlage ident war und mit dem Eventualbegehren annähernd der gleiche wirtschaftliche Erfolg wie bei Stattgebung des Hauptbegehrens erreicht wurde (RS0109703 [T1, T 2, T 3]; RS0110839). Bemessungsgrundlage ist allerdings nur der auf das Unterlassungsbegehren entfallende Streitwert.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00057.20F.0915.000

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