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OGH vom 01.09.2021, 3Ob63/21t

OGH vom 01.09.2021, 3Ob63/21t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Brenn, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des minderjährigen T*****, geboren ***** 2010, und des minderjährigen S*****, geboren ***** 2012, beide bei der Mutter D*****, diese vertreten durch Mag. Martin Dohnal, Rechtsanwalt in Wien, Vater M*****, vertreten durch Mag. Susanne Hautzinger-Darginidis, Rechtsanwältin in Wien, wegen Obsorge und Kontaktrecht, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 331/20g-509, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens ist die Entscheidung des Rekursgerichts, mit der dem Vater die Obsorge für den minderjährigen T***** vorläufig zur Gänze entzogen und an die Mutter allein übertragen wurde.

[2] Der Vater, der selbst die vorläufige alleinige Obsorge für den zehnjährigen T***** anstrebt, wirft in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf.

Rechtliche Beurteilung

[3] 1. Obsorgeentscheidungen begründen als Entscheidungen des Einzelfalls nur dann erhebliche Rechtsfragen, wenn leitende Rechtsprechungsgrundsätze verletzt werden (RS0007101; RS0115719 [T12]; RS0097114 [T10]). Derartiges zeigt das Rechtsmittel nicht auf.

[4] Entgegen den Behauptungen des Vaters hat das Rekursgericht seine ergänzenden Feststellungen nicht nur auf ein älteres Gutachten gestützt, sondern auf den gesamten Akteninhalt, und es hat dabei insbesondere die Stellungnahmen und Mitteilungen der Familiengerichtshilfe sowie des Kinder- und Jugendhilfeträgers berücksichtigt. Mängel des Rekursverfahrens liegen insofern nicht vor und der Oberste Gerichtshof ist im Übrigen auch im Außerstreitverfahren nur Rechtsinstanz und nicht Tatsacheninstanz (RS0007236 [T1]), weshalb eine Bekämpfung der Feststellungen nicht in Betracht kommt.

[5] 2. Nach herrschender Rechtsprechung soll einem mündigen Minderjährigen die Obsorge durch einen Elternteil möglichst nicht gegen seinen Willen aufgezwungen werden, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen und der Wunsch nicht gegen die offenbar erkennbaren Interessen des Kindes gerichtet ist (RS0048820).

[6] Gegen diesen Grundsatz hat das Rekursgericht entgegen der Argumentation des Vaters nicht verstoßen. Zum einen ist der Wunsch des – hier erst zehnjährigen – Kindes nicht allein ausschlaggebend (RS0048981; RS0048820 [T11]), zum anderen ist nach dem als bescheinigt festgestellten Sachverhalt zweifelhaft, ob der von T***** geäußerte Wille selbstbestimmt und frei zustande kam: Der Vater unterband seit September 2020 bis zum nahezu sämtliche persönlichen Kontakte des Kindes zur Mutter und verschärfte – auch durch den nur noch sporadischen Schulbesuch des Kindes, der zu einer Gefährdungsmeldung der Schule Anfang Dezember 2020 führte, – den Loyalitätskonflikt zusätzlich.

[7] 3. Auch die Frage, ob das Aufgreifen eines vom Rekursgericht verneinten Verfahrensmangels aus Gründen des Kindeswohls erforderlich ist, stellt stets eine Frage des Einzelfalls dar (RS0050037 [T18]).

[8] Das Rekursgericht setzte sich mit der Verfahrensrüge des Vaters betreffend eine Einvernahme des zehnjährigen Sohnes ausführlich auseinander; infolge des massiven Loyalitätskonflikts sei eine weitere Belastung des Kindes nach Möglichkeit zu vermeiden gewesen (§ 105 Abs 2 AußStrG). Das Rechtsmittel vermag unter diesen Umständen keine nachvollziehbaren Argumente dafür aufzuzeigen, das Kind durch eine intensive Befragung noch zusätzlich zu belasten.

[9] 4. Aktenwidrigkeit ist nur bei einem Widerspruch zwischen dem Inhalt eines bestimmten Aktenstücks einerseits und dessen Zugrundelegung und Wiedergabe durch das (Rechtsmittel)Gericht andererseits verwirklicht (RS0043397 [T2]; vgl auch RS0007258). Der Revisionsrekursgrund der Aktenwidrigkeit kann dagegen nicht als Ersatz für eine im Verfahren dritter Instanz generell unzulässige Beweisrüge herangezogen werden (RS0117019).

[10] Eine Aktenwidrigkeit zeigt der Vater im außerordentlichen Revisionsrekurs nicht auf, wenn er die ergänzenden Feststellungen des Rekursgerichts über seine fehlende Kooperation, seine eingeschränkte Erziehungsfähigkeit und zum nur sporadischen Schulbesuch T*****s zwar als „schlichtweg aktenwidrig“ bezeichnet, sich inhaltlich aber nur gegen die Beweiswürdigung wendet.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00063.21T.0901.000

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