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OGH vom 05.07.2017, 7Ob13/17p

OGH vom 05.07.2017, 7Ob13/17p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Y***** G*****, 2. mj. R***** G*****, 3. I***** G*****, 4. M***** G*****, 5. F***** G***** und 6. L***** G*****, jeweils *****, alle vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Gothaer A***** AG, *****, vertreten durch Dr. Harald Vill, Dr. Helfried Penz und Mag. Christoph Rupp, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen (zusammen) 116.865,05 EUR sA und Feststellung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 154/16p23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 17 Cg 4/16d19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

An Kosten der Revisionsbeantwortung haben der Beklagten jeweils binnen 14 Tagen die erstklagende Partei 1.142,70 EUR (darin 190,45 EUR an Umsatzsteuer), die zweitklagende Partei 634,83 EUR (darin 105,81 EUR an Umsatzsteuer), die drittklagende Partei 412,64 EUR (darin 68,78 EUR an Umsatzsteuer), die viertklagende Partei 317,42 EUR (darin 52,90 EUR an Umsatzsteuer), die fünftklagende Partei 349,15 EUR (darin 58,19 EUR an Umsatzsteuer) und die sechstklagende Partei 317,42 EUR (darin 52,90 EUR an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend ein direktes Klagerecht der geschädigten Kläger gegen die beklagte Betriebshaftpflichtversicherung abgelehnt. Das Berufungsgericht verneinte dabei das Vorliegen der Voraussetzungen des § 115 (d)VVG ebenso wie ein – nach Ansicht der Kläger – aus § 16 (ö)PHG ableitbares direktes Klagerecht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil „zu den aufgeworfenen Rechtsfragen“ – soweit überblickbar – höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

Die Kläger machen in ihrer Revision geltend, dass im Hinblick auf die Insolvenz der Versicherungsnehmerin die Voraussetzungen für einen Direktanspruch nach § 115 Abs 1 Z 2 VVG vorlägen und dass die in § 16 PHG normierte Pflicht der Hersteller und Importeure, für die Erfüllung ihrer Schadenersatzpflichten Vorsorge zu treffen, als Anordnung einer obligatorischen Pflichtversicherung iSd § 113 Abs 1 VVG anzusehen sei. Mit diesen Ausführungen zeigen die Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:

1. Fremdes Recht ist wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden und es kommt in erster Linie auf die Anwendungspraxis nach der Rechtsprechung des betreffenden Auslandsstaats an (RIS-Justiz RS0042940 [T5]). Wenn dieser Lösungsansatz keine eindeutige Antwort ergibt, ist der herrschenden fremden Lehre zu folgen (RIS-Justiz RS0042940 [T4]). Entspricht die Auslegung der nach den kollisionsrechtlichen Normen anzuwendenden ausländischen Sachnorm durch das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des ausländischen Höchstgerichts und der ausländischen Lehre, so ist das Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs für die Beurteilung der Rechtserheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO ohne Bedeutung (RIS-Justiz RS0042948). Aus Gründen der Rechtssicherheit wäre das Vorliegen einer qualifizierten Rechtsfrage in diesem Kontext (nur) dann denkbar, wenn ausländisches Recht unzutreffend ermittelt oder eine im ursprünglichen Geltungsbereich des maßgeblichen fremden Rechts in Rechtsprechung und Lehre gefestigte Ansicht hintangesetzt wurde (RIS-Justiz RS0042948 [T3, T 4]; RS0042940 [T9]). Der Oberste Gerichtshof ist dagegen nicht dazu berufen, für die Einheitlichkeit oder gar die Fortbildung fremden Rechts zu sorgen (RIS-Justiz RS0042940 [T3]; RS0042948 [T16]). Es ist auch nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs, einen Beitrag zur Auslegung ausländischen Rechts zu liefern (RIS-Justiz RS0042948 [T14]).

2. Nach § 115 Abs 1 Z 2 VVG kann der Dritte seinen Anspruch auf Schadensersatz auch gegen den Versicherer geltend machen, wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers das Insolvenzverfahren eröffnet oder der Eröffnungsantrag mangels Masse abgewiesen oder ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt worden ist.

3. Es entspricht der herrschenden deutschen Rechtsprechung und Lehre, dass ein direktes Klagerecht nach § 115 Abs 1 Z 2 VVG nicht schon dann besteht, wenn der Versicherungsnehmer in Insolvenz verfällt, sondern nur dann, wenn eine Pflichtversicherung vorliegt und keine bloß freiwillige Haftpflichtversicherung (OLG Bremen, 3 AR 6/11 = VersR 2012, 171; OLG Düsseldorf I-18 U 126/13 = TranspR 2014, 246; Knappmann in Prölss/Martin, VVG29§ 115 Rn 1; Langheid in Römer/Langheid, § 115 VVG5 Rn 14; Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, Versicherungsvertragsgesetz³ § 115 Rn 2; Koch, Der Direktanspruch in der Haftpflichtversicherung, r+s 2009, 133; Armbrüster, Prozessuale Besonderheiten in der Haftpflichtversicherung, r+s 2010, 441 [453]). Das von den Klägern in Anspruch genommene Urteil des OLG Celle, 8 U 28/12 (= r+s 2013, 127) ist insofern nicht einschlägig, als dort über eine Klage auf Feststellung der Deckungspflicht entschieden wurde und der Direktanspruch mit der Begründung der Untätigkeit des Versicherungsnehmers bejaht wurde.

4. Es entspricht ebenfalls der herrschenden deutschen (und österreichischen: § 158b VersVG) Lehre, dass eine bloße Pflicht zur Deckungsvorsorge, die dem Versicherungsnehmer Handlungsalternativen eröffnet und auch durch andere geeignete Vorkehrungen als den Abschluss einer Haftpflichtversicherung erfüllt werden kann, einer Pflichtversicherung nicht gleichzuhalten ist (Schimikowski in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG³ § 113 Rn 3; Brand in MüKo zum VVG² § 113 Rn 9; Hübsch in Honsell, BK zum VVG, § 158b VVG Rn 2; Huber in Schwintowski/Brömmelmeyer, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht³, § 113 Rn 5; Schwartze in Looschelders/Pohlmann, VVG³ § 113 Rn 5; für Österreich [§ 158b VersVG]: Fenyves, Versicherungsvertragsrechtliche Grundfragen der Pflichthaftpflichtversicherung, VersRdSch 2005, 70 [71]; Hinteregger, Die Pflichthaftpflichtversicherung aus zivilrechtlicher Sicht, VersRdSch 2005, 44 [45, 51 f]; Raschauer, Die Pflichthaftpflichtversicherung aus verfassungsrechtlicher Sicht, VersRdSch 2005, 35 f; Schauer, Das österreichische Versicherungsvertragsrecht³ 392; abw wohl nur Beckmann in Honsell, BK zum VVG, § 158c VVG Rn 6; Rubin in Fenyves/Schauer, VersVG² § 158b Rz 22; vgl dazu aber auch Kath, Regress des Versicherers, 308).

5. Nach § 16 PHG sind Hersteller und Importeure von Produkten verpflichtet, in einer Art und in einem Ausmaß, wie sie im redlichen Geschäftsverkehr üblich sind, durch das Eingehen einer Versicherung oder in anderer geeigneter Weise dafür Vorsorge zu treffen, dass Schadenersatzpflichten nach diesem Bundesgesetz befriedigt werden können: Schon aus dem völlig eindeutigen Gesetzeswortlaut folgt, dass § 16 PHG keine Versicherungspflicht anordnet, steht es doch den betreffenden Unternehmern frei, auch andere Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen. Dies entspricht auch der Ansicht des Gesetzgebers (JAB 438 BlgNR 17. GP 1 f), der herrschenden Lehre (Reindl in Fitz/Grau/Reindl, PHG² § 16 Rz 2; Welser/Rabl, Produkthaftungsgesetz² § 16 Rz 2; Preslmayr, Handbuch der Produkthaftung², 100 f; Karollus, Zivil- und Strafrechtliches zur „Deckungsvorsorge“ [§ 16 ProdHG], RdW 1988, 186; Posch, Produkthaftungsgesetz, RdW 1988, 65 [75]) und wird von den Klägern in ihrer Revision auf der Grundlage Österreichischen Rechts (PHG) auch nicht bezweifelt.

6.1. Die Entscheidung der Vorinstanzen entspricht demnach der herrschenden Ansicht zum ausländischen Recht (vgl Punkt 4.) und dem klaren Gesetzeswortlaut des § 16 PHG (vgl Punkt 5.). Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist daher die Revision unzulässig und zurückzuweisen, ohne dass dieser Beschluss einer weitergehenden Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).

6.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO; die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Die Kosten der Revisionsbeantwortung betragen richtig 3.174,16 EUR (darin 529,03 EUR an Umsatzsteuer). Der Umfang des Kostenersatzes der Kläger richtet sich nach deren Anteil am Gesamtstreitwert (vgl 2 Ob 58/07d; 9 ObA 60/15m; 4 Ob 249/14t; 1 Ob 88/14v).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00013.17P.0705.000
Schlagworte:
Präparierschere,1 Generalabonnement,9 Vertragsversicherungsrecht

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