OGH vom 29.03.2017, 7Ob13/16m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. M***** K*****, vertreten durch Mag. Jürgen Krauskopf, Rechtsanwalt in Wien, und dessen Nebenintervenientin V*****-V***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei V***** AG, *****, vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, und deren Nebenintervenientin F***** GmbH, *****, vertreten durch Lederer Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen 15.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 123/15w64, mit dem das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau vom , GZ 3 Cg 130/11x59, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, jeweils binnen 14 Tagen der beklagten Partei und deren Nebenintervenientin jeweils 1.205,96 EUR (darin jeweils 200,99 EUR an Umsatzsteuer) an Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger veranlagte über Empfehlung eines ihn seit Jahren betreuenden Bankangestellten, der dabei für dessen Nebenintervenientin, eine Versicherungsmaklerin, tätig war, in eine fondsgebundene Lebensversicherung der Beklagten, einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in Liechtenstein. Die Beklagte stellte dabei den Versicherungsmantel zur Verfügung und der Kunde konnte je nach Anlagestrategie ein bestimmtes Underlying wählen. Der den Kläger beratende Bankangestellte verwechselte beim Ausfüllen des Versicherungsantrags das für die Absichten des Klägers geeignete und von diesem gewünschte kapitalgarantierte mit dem ungeeigneten, weil nicht kapitalgarantierten Underlying. Hätte der Kläger gewusst, dass es sich um ein Produkt ohne Kapitalgarantie handelt, hätte er den Versicherungsvertrag nicht mit diesem Underlying abgeschlossen. Strittig ist, ob dieser Beraterfehler im Sinn des Klagestandpunkts der Beklagten oder im Sinn des Beklagtenstandpunkts dem Kläger zuzurechnen ist.
Das Berufungsgericht sprach in seiner die Klagsabweisung durch das Erstgericht bestätigenden Entscheidung aus, dass die ordentliche Revision „zur Schärfung der Judikatur (…), inwiefern im vorliegenden Zusammenhang die Zurechnungsproblematik in keiner Weise von der Vertriebsauslagerung abhängt, sondern – wie hier vertreten – allein von Zweifeln an einer objektiven Beratung“ zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision des Klägers ist – ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig. Die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage ist nicht entscheidungsrelevant und die Revisionsausführungen des Klägers gehen in den wesentlichen Punkten nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.
1. Der hier zu beurteilende „Beratungsfehler“, den der Kläger der Beklagten zurechnen will, betraf weder spezifische Eigenheiten des von der Beklagten angebotenen Produkts noch die Risken der verschiedenen, zur Auswahl gestandenen Underlyings, sondern stellt sich als Irrtum beim Ausfüllen des Versicherungsantrags durch den Mitarbeiter der vom Kläger beigezogenen Maklerin (seiner Nebenintervenientin) dar, der dabei aufgrund einer Verwechslung ein nicht kapitalgarantiertes, statt dem ebenfalls verfügbaren kapitalgarantierten Underlying einsetzte. Aus welchen Gründen dieser Fehler des Versicherungsmaklers nicht dem Kläger (allgemein zu seiner Stellung als Hilfsperson des Versicherungsnehmers vgl RIS-Justiz RS0114041), sondern in der gegebenen Konstellation dem Interessenverfolgungsprogramm (vgl dazu RIS-Justiz RS0028425) der Beklagten zuzurechnen sein soll, begründet der Kläger in seiner Revision nicht.
2. Der Kläger beruft sich auf das „Zurverfügungstellen von Produktinformationsmaterial durch den Geschäftsherrn an den Vertriebspartner als mögliches Haftungszurechnungskriterium“. Das Informationsmaterial über die als Underlying zur Verfügung gestellten Produkte stammte allerdings – wie diese Finanzprodukte selbst – nicht von der Beklagten, sondern von dem diese anbietenden bzw vertreibenden Finanzdienstleister. Im Übrigen steht weder fest noch zeigt der Kläger auf, dass und welcher Fehler des Produktinformationsmaterials für den Irrtum des Bankangestellten und damit für seinen Vertragsabschluss maßgeblich gewesen sein soll.
3. Der Kläger stützt sich insbesondere auf die Entscheidung 4 Ob 129/12t und behauptet, dass der vorgelegene Vertriebsweg und namentlich die Schulungen, aus denen sein Betreuer „allenfalls einen falschen Eindruck gewonnen haben könnte,“ der Beklagten zuzurechnen seien, weil die Einbeziehung ihrer Nebenintervenientin gerade dem Zweck gedient habe, das Produkt der Beklagten zu vertreiben und sich diese damit eigene Vertriebskosten, darunter Schulungen, erspart habe.
Diese Ansicht setzt sich allerdings über den festgestellten Sachverhalt hinweg, wonach für die das Produkt vertreibende Nebenintervenientin der Beklagten, eine selbstständige Finanzdienstleisterin, die Underlyings im Vordergrund standen und über deren Vertrieb eine Rahmenvereinbarung nicht mit der Beklagten, sondern der Anbieterin der Underlyings bestand. Die Beklagte hat demgegenüber ihre Produkte weder ausschließlich noch überwiegend über ihre Nebenintervenientin vertrieben und die vom Kläger angesprochenen Schulungen erfolgten gerade nicht über Auftrag der Beklagten, sondern über jenen der vom Kläger beigezogenen Maklerin. Konkrete Hinweise dahin, dass die Nebenintervenientin der Beklagten deren wirtschaftlich relevante Partnerin in einem arbeitsteiligen Vertriebsprozess gewesen wäre, sind dem festgestellten Sachverhalt nicht zu entnehmen und wurden vom Kläger in erster Instanz auch nicht vorgetragen.
4. Der Kläger vermag auf der Basis des von ihm als maßgeblich erachteten österreichischen Rechts insgesamt nicht aufzuzeigen, dass das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abweicht. Dass das vom Erstgericht infolge einer von diesem als wirksam erachteten Rechtswahl zugrunde gelegte liechtensteinische Recht unrichtig angewendet worden wäre und zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis führen würde, hat dieser schon in seiner Berufung nicht geltend gemacht. Die Revision ist somit unzulässig und zurückzuweisen.
5. Die Revisionsbeantwortung der Nebenintervenientin des Klägers war nach nunmehr rechtskräftiger Zurückweisung ihrer Beitrittserklärung auf Seiten der Beklagten (Nebenintervenientenwechsel) infolge daraus resultierender Befugnisüberschreitung zurückzuweisen (vgl Schneider in Fasching/Konecny3 II/1 § 19 ZPO Rz 11).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte und deren Nebenintervenientin haben jeweils auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Beklagten gebührt lediglich ein Streitgenossenzuschlag von 10 %, weil ihr nur eine weitere Partei gegenüberstand.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00013.16M.0329.000 |
Schlagworte: | Vertragsversicherungsrecht |
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