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OGH vom 13.01.2004, 5Ob284/03f

OGH vom 13.01.2004, 5Ob284/03f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann, Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache der Antragsteller 1.) Heidrun R*****, 2.) Heinz R*****, 3.) Gabriele G*****, 4.) Ursula W***** und 5.) Christa H*****, alle *****, alle vertreten durch Tinzl & Frank, Rechtsanwälte, Innsbruck, gegen den Antragsgegner Ing. Kurt G*****, vertreten durch Rechtsanwälte Kometer & Pechtl, Imst, wegen Überprüfung einer Betriebs- und Heizkostenabrechnung, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 147/03v-36, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 11 Msch 150/00b-32, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Antragsteller haben die für ihre Revisionsrekursbeantwortung verzeichneten Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller sind Mieter von Wohnungen im Haus H*****, das im Alleineigentum des Antragsgegners steht. Sie haben im außerstreitigen Mietrechtsverfahren die Überprüfung der Betriebs- und Heizkostenabrechnung für das Jahr 1999 beantragt, wogegen der Antragsgegner ua einwendete, die Verfahrensvorschriften des § 37 MRG seien im konkreten Fall gar nicht anwendbar, weil der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG vorliege. Das Verfahren wurde in der Folge auf die Klärung dieser Frage eingeschränkt.

Das Erstgericht sah den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG als erfüllt an und wies den Sachantrag der Antragsteller wegen Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs zurück; das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und wies das Erstgericht an, das Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen.

Die Entscheidung des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000 übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zur Frage, ob unter den vorliegenden tatsächlichen Umständen, wo gemessen am gesamten Umfang des Gebäudes zwar verhältnismäßig durchaus nicht umfangreiche Teile des Altbestandes übernommen, jedoch einige Umfassungsmauern von zur selbständigen Vermietung geeigneten Räumlichkeiten im Wesentlichen erhalten blieben, von einer Neuerrichtung des Gebäudes iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG gesprochen werden könne, fehle nämlich Judikatur des OGH.

Gegen den rekursgerichtlichen Beschluss hat der Antragsgegner Revisionsrekurs wegen Nichtigkeit (Nichtbeachtung der Verspätung des Rekurses der Antragsteller gegen den erstinstanzlichen Zurückweisungsbeschluss), Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Das Rechtsmittel zielt primär auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses; hilfsweise soll der rekursgerichtliche Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Beschlussfassung an eine der Vorinstanzen zurückverwiesen werden (dass in diesem Zusammenhang die "ersatzlose" Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses beantragt wurde, geschah offenbar aus einem Versehen).

Von den Antragstellern liegt dazu eine Revisionsrekursbeantwortung mit dem Antrag vor, das gegnerische Rechtsmittel im Hinblick auf die einschlägige, vom Rekursgericht ohnehin beachtete Judikatur zurückzuweisen oder ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig, und zwar aus folgenden Gründen (§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528a und § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):

Von einer Verspätung des Rekurses, den die Antragsteller innerhalb der vierwöchigen Frist des § 521 Abs 1 Fall 2 ZPO gegen den erstinstanzlichen Beschluss erhoben haben, kann keine Rede sein. Schon das Erstgericht hat darauf hingewiesen, dass der genannte Beschluss dem typus einer Zurückweisung der Klage nach Eintritt der Streitanhängigkeit iSd § 521a Abs 1 Z 3 ZPO entspricht. Es folgte damit der einschlägigen Judikatur (RIS-Justiz RS0044002).

Die geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor. Diese Feststellung bedarf keiner näheren Begründung (§§ 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 528a und § 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Nur so viel sei erwähnt, dass die dem Rekursgericht vorgeworfenen Abweichungen vom festgestellten Sachverhalt in Wahrheit der rechtlichen Beurteilung des Streitfalls zuzuordnen sind. Die erstgerichtlichen Feststellungen enthalten nämlich - worauf schon das Rekursgericht aufmerksam gemacht hat - zum Teil rechtliche Wertungen, die zu korrigieren dem Rekursgericht auch ohne Beweiswiederholung freistand. Die entscheidungswesentlichen Feststellungen hat das Rekursgericht unverändert übernommen.

Was die Rechtsfrage betrifft, wie die Neuerrichtung eines Gebäudes beschaffen sein muss, um den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 Z 1 MRG zu erfüllen, liegt bereits eine umfangreiche, stets konsequent beibehaltene Judikatur vor (RIS-Justiz RS0069270, RS0097182 ua; vgl die Anm von Dirnbacher zu 5 Ob 229/00p = WoBl 2002/1). Ihre für die Beurteilung des gegenständlichen Streitfalls maßgeblichen Aussagen lassen sich so zusammenfassen, dass von einer Neuerrichtung jedenfalls dann keine Rede sein kann, wenn aus dem Altbestand selbständig vermietbare Räumlichkeiten übernommen wurden (mögen sie auch neu konfiguriert worden sein), wogegen beim Fortbestand anderer alter Gebäudeteile stets zu hinterfragen ist, ob bei einem wertenden Vergleich mit jenen Vorstellungen, welche die Verkehrsanschauung mit dem Begriff eines Neubaus verbindet, bereits ein die Einschränkung des Mieterschutzes rechtfertigender Fall eines "auf Grund einer nach dem erteilten Baubewilligung neu errichteten Gebäudes" vorliegt (vgl 5 Ob 2033/96y = WoBl 1998, 13/1; 5 Ob 43/97b = WoBl 1998, 298/188; 5 Ob 34/00m = EWr I/1/147; 5 Ob 19/03k = WoBl 2003/151; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, Rz 85 und Rz 86 zu § 1 MRG mwN; Böhm in Schwimann2, Rz 120 zu § 1 MRG mwN). Im Zweifel hat es hat es bei der uneingeschränkten Anwendung der Mieterschutzbestimmungen zu bleiben, weil denjenigen, der sich auf einen Ausnahmetatbestand des § 1 Abs 4 MRG beruft, die volle Behauptungs- und Beweislast trifft (Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht20, Rz 52 zu § 1 MRG).

Nun mag im gegenständlichen Fall zweifelhaft sein, ob im Zuge der fast 10 Jahre dauernden, in mehreren Etappen durchgeführten Bauarbeiten am Haus H***** selbständig vermietbare Räumlichkeiten des Altbestands erhalten geblieben sind. Tatsache ist jedoch, dass nicht nur Außenmauern des ursprünglichen Gebäudekomplexes weiter verwendet wurden (eine davon, um eine bessere Ausnützung des Bauplatzes zu erreichen), sondern auch Teile der Fundamente, einige Innenwände, hin und wieder sogar Decken und Böden.

Eine totale Aushöhlung (Entkernung) des alten Gebäudes, wie sie etwa in der Entscheidung 5 Ob 229/00p = WoBl 2002/1 zu beurteilen war, liegt unter diesen Umständen nicht vor. Die Entscheidung des Rekursgerichtes, das die Erfüllung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG verneinte, ist also nicht damit in Frage zu stellen, dass ein vergleichbarer Sachverhalt bereits eine andere Beurteilung durch den OGH erfahren hätte. Ansatzpunkt einer iSd § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 ZPO) relevanten Rechtsrüge könnte daher nur sein, dass Leitlinien der einschlägigen Judikatur missachtet wurden. Auch das trifft jedoch nicht zu.

Ob der Fortbestand von Teilen des alten Gebäudes der Annahme einer Neuerrichtung iSd § 1 Abs 4 Z 1 MRG entgegensteht, hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab (5 Ob 34/00m = EWr I/1/147). Die Rechtsansicht des Rekursgerichtes, die aus dem Altbestand übernommenen Gebäudeteile hätten die von der Judikatur herausgearbeitete Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten, müsste daher unvertretbar sein, um gemäß § 528 Abs 1 ZPO die Anrufung des OGH zu rechtfertigen. Das ist jedoch nicht der Fall.

Die diesbezüglichen Argumente des Rechtsmittelwerbers laufen im Wesentlichen darauf hinaus, dass das alte Wohnhaus komplett abgerissen wurde und kein Raum (der alten Betriebsgebäude) in seiner ursprünglichen Form erhalten geblieben ist. Diese Argumentation erweist sich schon deshalb als nicht zielführend, weil es nicht darauf ankommt, ob der in das neue Gebäude integrierte Altbestand einer anderen Verwendung zugeführt oder baulich umgestaltet wurde. Auch umfangreiche und kostspielige Umbauarbeiten können den Ausnahmetatbestand der Neuerrichtung eines Gebäudes nicht erfüllen, wenn es sich - in nicht nur geringfügigem Ausmaß - um die Adaptierung oder Umgestaltung alten Baubestands handelt (vgl RIS-Justiz RS0069257). Beim hier zur beurteilenden Sachverhalt war es unter diesem Aspekt zumindest vertretbar, die Erfüllung des Ausnahmetatbestandes des § 1 Abs 4 Z 1 MRG zu verneinen, weshalb wie im Spruch zu entscheiden war.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 37 Abs 3 Z 19 erster Halbsatz MRG.