OGH vom 16.12.2003, 5Ob283/03h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Johann H*****, vertreten durch Dr. Michael Brunner und Dr. Elmar Reinitzer, Rechtsanwälte in Wien, wider die Antragsgegnerin S*****, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Dr. Gerhard Schlager, Rechtsanwälte in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 8 MRG, infolge des Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 39 R 52/03s-17, womit der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom , GZ 5 Msch 10005/02g-11, bestätigt wurde, nachstehenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin des Hauses *****. Der Antragsteller ist auf Grund eines am abgeschlossenen Mietvertrages Hauptmieter der auf Stiege 15 dieses Hauses gelegenen Wohnung top 17.
Auf Grund der Entscheidung der Zentralen Schlichtungsstelle vom , MA 50-Schli 1/92, ***** wurde im bezeichneten Haus gemäß §§ 18, 18b MRG iVm § 64 Abs 1 WWFSG 1989 für sämtliche Mietgegenstände des Hauses die vorläufige Einhebung monatlich erhöhter Hauptmietzinse in bestimmtem Ausmaß für die Zeit vom bis für zulässig erklärt. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft erwachsen.
Im Zuge dieser "Sockelsanierung" nach dem WWFSG 1989 wurde auch die vom Antragsteller 1997 gemietete Wohnung im Standard angehoben und weist seither die Ausstattungskategorie A auf.
Mit dem Antragsteller wurde bei Abschluss des Mietvertrages am ein Hauptmietzins von S 1.109,99 vereinbart. Weiters wurde vereinbart, dass er zusätzlich zum Hauptmietzins auf Grund der zitierten Entscheidung der MA 50 bestimmte Beträge zu bezahlen und darüber hinaus Darlehensrückzahlungen in bestimmter Höhe zu leisten habe (siehe Mietvertrag samt Beiblatt).
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag an die Schlichtungsstelle vom begehrt der Antragsteller eine Überprüfung der Zulässigkeit des ihm derzeit vorgeschriebenen Mietzinses in Höhe von S 4.350,-- (darin Betriebskosten und USt). Darin sei ein Hauptmietzins von S 1.203,09 und ein "Anerkennungszins" von S 1.458,95 enthalten. Obwohl die Antragsgegnerin im Schlichtungsstellenverfahren über die Erhöhung der Hauptmietzinse gemäß §§ 18, 18b MRG eine Einordnung der Wohnung in die Ausstattungskategorie C vorgenommen habe, was einen Hauptmietzins von nur S 869,46 rechtfertige, gelange tatsächlich ein Hauptmietzins von S 1.203,09 zur Vorschreibung. Einen "Anerkennungszins" schulde der Antragsteller nicht, weil es sich bei einem solchen nach den von der Antragsgegnerin selbst verwendeten Begriffen um "Einnahmen aus Vermietung von Werbeflächen etc" handle.
Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung des Antrages und legte die Hauptmietzinsberechnung nach § 64 Abs 2 WWFSG dar.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Mietzinsüberprüfung ab.
Ausgehend von einer Größe der Wohnung mit 50,55 m2 und der Einordnung in die Ausstattungskategorie A sei die Antragsgegnerin im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses zumindest berechtigt gewesen, den damals gültigen Richtwertmietzins zu begehren. Während mit dem Antragsteller ein Quadratmeterpreis von etwa S 49,-- vereinbart worden sei, habe der damals gültige Richtwertmietzins S 53,90 betragen. Auch der derzeit eingehobene Betrag von EUR 207,21 liege mit einem Quadratmeterpreis von EUR 4,10 noch unter dem für Wien gültigen Normrichtwert in Höhe von EUR 4,24/m2 . Das Begehren des Antragstellers sei daher nicht berechtigt.
Einem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.
Die Abweisung des Begehrens des Antragstellers sei schon infolge eingetretener Präklusion nach § 16 Abs 8 zweiter Satz MRG idF des 3. WÄG berechtigt. Ausgehend vom Mietvertragsabschluss am sei der am bei der Schlichtungsstelle eingebrachte Antrag auf Mietzinsüberprüfung präkludiert, weshalb sich jede inhaltliche Überprüfung der Mietzinsvereinbarung verbiete.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes nicht EUR 10.000,-- übersteige und auf Grund eines Antrages des Antragstellers gemäß § 528 Abs 2a ZPO nachträglich, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Es liege nämlich noch keine Rechtsprechung des Höchstgerichtes zur Frage vor, ob § 16 Abs 8 MRG auch dann Anwendung finde, wenn es um die Überprüfung eines Hauptmietzinses in einem während der Förderungsdauer abgeschlossenen Mietvertrag über eine mit Förderungsmitteln nach dem WWFSG 1989 sanierte Wohnung gehe. Nach Ansicht des Rekursgerichtes finde die Präklusionsvorschrift jedenfalls dann Anwendung, wenn mehr als 25 % des Gesamtaufwandes der Sanierungskosten aus Eigenmitteln finanziert wurden, weil der Vermieter dann auf Förderungsdauer eine Mietzinsvereinbarung nach § 16 Abs 1 Z 2 bis 4 bzw Abs 2 bis 4 MRG treffen konnte.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Sachbeschlusses im Sinne einer vollinhaltlichen Antragsstattgebung; hilfsweise wird eine Aufhebung und Zurückverweisung an die zweite, hilfsweise auch an die erste Instanz beantragt.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil bisher noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliegt, ob die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 2. Satz MRG auch dann Anwendung zu finden hat, wenn die Zulässigkeit eines vereinbarten Hauptmietzinses zu prüfen ist, der nicht nach den Vorschriften des MRG, sondern nach jenen von Sondergesetzen, etwa Landesförderungsgesetzen gebildet wird.
Der Revisionsrekurs ist jedoch im Ergebnis nicht berechtigt.
Erfolgt eine Förderung nach dem II. Hauptstück des WWFSG 1989 werden zur Finanzierung der Sanierungsmaßnahmen die Hauptmietzinse gemäß den §§ 18 ff MRG erhöht. Wird infolge dessen ein im Standard angehobener Mietgegenstand, der mit wohnungsinnenseitigen Sanierungsmaßnahmen gefördert wurde, vermietet, regelt § 64 Abs 2 WWFSG 1989 die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses. Diese Bestimmung stellt die Grundlage für die Mietzinsbildung einer sanierten Wohnung im Neuvermietungsfall dar. Danach, ob mehr oder weniger als 25 % der Sanierungskosten aus Eigenmitteln finanziert werden, bestimmt sich die Höhe des zulässigen Hauptmietzinses. Zusätzlich ist die Einhebung von Refinanzierungskosten auf Förderungsdauer erlaubt (vgl Maisel/Leinweber/Heindl, Das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz Anm 3 zu § 64 WWFSG 1989). Zufolge § 67 WWFSG 1989 hat auf Antrag eines Mieters das Gericht (die Gemeinde, § 39 MRG) zu entscheiden, ob und bejahendenfalls um welchen Betrag der nach § 64 Abs 2 WWFSG zulässige Mietzins überschritten wurde. Auf ein solches Verfahren sind die Bestimmungen der §§ 37 bis 40 MRG anzuwenden. Präklusionsvorschriften für die Mietzinsüberprüfung enthält das WWFSG nicht.
Förderungsrechtliche Mietzinsbestimmungen sind leges speciales zum MRG (RIS-Justiz RS0069215; RS0108990); sie sind vorrangig anzuwenden (RIS-Justiz RS0105800). Dieser Vorrang geht auch deutlich aus § 16 Abs 12 MRG hervor, wo geregelt ist, dass "Mietzinsvorschriften in förderungsrechtlichen Bestimmungen unberührt bleiben". Damit ist die beschränkte Zivilgesetzgebungskompetenz der Länder im Bereich der Regelung der Förderung des Wohnbaus und der Wohnhaussanierung nach Art VII der B-VG-Novelle 1988, BGBl 1988/685 und der Art 15a B-VG Staatsvertrag BGBl 1989/390 angesprochen. Soweit aber nicht zulässiger Weise durch Landesförderungsgesetze Mietzinsvorschriften erlassen wurden, sind die Bestimmungen des MRG unmittelbar anwendbar. Das trifft auch auf § 16 Abs 8 zweiter Satz MRG zu. Die im WWFSG normierte Unwirksamkeit (§ 64 Abs 2 leg cit) einer Mietzinsvereinbarung ist also zufolge § 16 Abs 8 zweiter Satz MRG binnen drei Jahren gerichtlich geltend zu machen.
Die Präklusionsbestimmung des § 16 Abs 8 zweiter Satz MRG ist, wie sich aus dem vorgesagten ergibt, eine allgemeine, die Geltendmachung der Unwirksamkeit von Mietzinsvereinbarungen regelnde Norm.
Die von zweitinstanzlicher Rechtsprechung (vgl MietSlg 51.326) und einem Teil der Lehre (vgl Würth in Rummel3 Rz 6 zu § 16 MRG) vertretene Ansicht, § 16 Abs 8 2. Satz MRG sei auf Mietzinsüberprüfungen nach landesgesetzlichen Förderungsbestimmungen nicht anwendbar, wird damit abgelehnt.
Ein aktenkundiger Präklusionseintritt ist von Amts wegen wahrzunehmen (5 Ob 47/02a).
Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.