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OGH vom 23.10.2015, 6Ob56/15a

OGH vom 23.10.2015, 6Ob56/15a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A*****, 2. B*****, beide *****, vertreten durch Mag. Eric Breiteneder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Kontrollbank Aktiengesellschaft, 1010 Wien, Am Hof 4, vertreten durch Pöch Krassnigg Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei A***** Limited, *****, Kanalinseln, vertreten durch CMS Reich Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 45.995,67 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 4 R 68/14w 40, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 24 Cg 92/13g 35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.186,29 EUR (davon 364,38 EUR USt) und der Nebenintervenientin die mit 2.186,29 EUR (davon 364,38 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte ist eine Bank mit Sonderaufgaben und hat keine Privatkunden. Sie wurde mit Verordnung des Bundesministers für Justiz vom mit der Funktion der Wertpapiersammelbank gemäß § 1 Abs 3 DepotG betraut. Hauptaufgabe der Wertpapiersammelbank ist die zentrale Verwahrung und Verwaltung von Wertpapieren samt der dadurch möglichen effizienten Abwicklung von Wertpapiergeschäften durch elektronische Überträge zwischen den bei der Wertpapiersammelbank geführten Depots. Eine der zahlreichen in diesem Bereich von der Beklagten als Wertpapiersammelbank zu erbringenden Leistungen ist es, ausländischen Aktiengesellschaften, die an der Wiener Börse notiert werden wollen, aber daran gehindert sind, weil sie ihr Grundkapital in Namensaktien dargestellt haben, den Weg dorthin zu ermöglichen. Dies wird dadurch gewährleistet, dass die Beklagte die ausländischen Namensaktien, für die sie nominell als Aktionärin eingetragen wird, in Verwahrung nimmt (in der Regel durch Eröffnung eines Depots bei einer Kommerzbank) und dann für jede in Verwahrung genommene Namensaktie ein „Österreichisches Hinterlegungszertifikat“ (Austrian Depositary Certificate; kurz: ADC) ausstellt.

Die Nebenintervenientin („M*****“) ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz auf der Kanalinsel Jersey, deren Grundkapital in auf Namen lautende Aktien zerlegt ist. Anteile an der Nebenintervenientin werden an der Wiener Börse in Form von ADCs gehandelt, die auf der Grundlage des Vertrags zwischen der Nebenintervenientin, der M***** Bank AG und der Beklagten emittiert worden sind. Zu diesem Zweck ist die Beklagte in jenem Ausmaß an der Nebenintervenientin beteiligt, in dem Zertifikate an der Wiener Börse gehandelt wurden. Dabei verbrieft das ADC den Anspruch des Inhabers des Zertifikats, die zugrundeliegende Namensaktie übertragen zu erhalten. Die Ausstellung und Handhabung der M***** Zertifikate wurde in einer Vereinbarung („ADC Agreement“) zwischen der Nebenintervenientinn als der „Gesellschaft“, der M***** Bank AG als „Verwahrer“ bzw „Bank“ sowie der Beklagten („OeKB“) am geregelt, die auszugsweise lautet:

„Präambel.

OeKB, [...], stellt Instrumente zur Verfügung, welche den Handel und die Abwicklung von Namenswertpapieren (gesellschaftsrechtliche und schuldrechtliche Instrumente) gemäß dem für Inhaberwertpapiere vorgesehenen Verfahren erlaubt. Diese Vereinbarung wird getroffen, um den Handel der Aktien in einem anderen Land als dem ihres Sitzes zu ermöglichen.

Die Bank hat die Gesellschaft geprüft, insbesondere ihr rechtmäßiges Bestehen, die ordnungsgemäße Organisation, ihre finanzielle Lage und wirtschaftliche Gesundheit. Der Verwahrer fungiert für OeKB als Verwahrer der Aktien (wie unten definiert).

Die Gesellschaft erklärt und gewährleistet, dass alle ihre Aktien wirksam ausgegeben wurden, zur Gänze bezahlt und nicht nachschusspflichtig sind. Gegenstand der Vereinbarung sind die Namensstammaktien im Nennbetrag von je 5,0 EUR der Gesellschaft in Höhe von 7.000.000 EUR (die 'Aktien'), welcher Betrag der Zahl der Austrian Depositary Certificates (die Zertifikate) entspricht, die von OeKB ausgegeben und in Form eines Globalzertifikats (das 'Österreichische Hinterlegungszertifikat' oder 'ÖHZ') gehalten werden.

Art 1 Zusammenbringen der Aktien

(a) Ernennung des Verwahrers/Eröffnung von Konten

Der Verwahrer wird hiemit zum Verwahrer der Aktien ernannt. Der Verwahrer hat das Wertpapierkonto ... auf den Namen der OeKB zu eröffnen und zu unterhalten.

(b) Lieferung von Aktien

Für Zwecke dieser Vereinbarung und gemäß zwingender Bestimmungen des Rechts des Vereinigten Königreichs müssen Aktien dem Verwahrer geliefert und dem Konto der OeKB gutgeschrieben werden. Bei einer solchen Lieferung hat der Verwahrer

(i) zu verifizieren

die Echtheit und Gültigkeit der eingelieferten Aktien

dass die Person, welche die Aktien einliefert, hiezu auch berechtigt ist

(ii) unverzüglich die Anzahl der Aktien dem Wertpapierkonto der OeKB gutzuschreiben

(iii) die OeKB von einer derartigen Lieferung zu verständigen, [...]

(iv) die Eintragung der OeKB oder ihres Vertreters in das Aktionärsregister der Gesellschaft zu arrangieren,

[...]

Art 2 Das ÖHZ

(a) Ausstellung

OeKB wird das ADC gemäß dem Anhang ausstellen, der die Form und die Bedingungen (die 'Bedingungen') des ÖHZ enthält. Die Zahl der durch das ÖHZ vertretenen Zertifikate hat immer der Zahl der Aktien zu entsprechen, die zu jedem beliebigen Zeitpunkt vom Verwahrer auf dem Wertpapierkonto der OeKB gehalten werden.

[...]

Art 3 Verpflichtungen in Bezug auf die Aktien

(a) Verpflichtungen des Verwahrers

OeKB beauftragt und ermächtigt hiemit den Verwahrer alle Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich sind, um seinen Verpflichtungen als Verwahrer gemäß dieser Vereinbarung nachzukommen. [...]

Die Verpflichtungen des Verwahrers in Bezug auf die Aktien beinhalten:

(i) OeKB mit einem Kontoauszug zu versorgen; [...]

(ii) Dividenden und andere zahlbare Beträge bei Fälligkeit einzuheben und sie dem Geldkonto der OeKB gutzuschreiben

(iii) OeKB mit Einzelheiten von allen Gutschriften und Lastschriften auf den Wertpapier oder Geldkonten [...] zu versorgen.

(iv) Personen, die Zertifikate halten (die 'Zertifikatinhaber') zu unterstützen, ihre Stimmrechte in Aktionärsversammlungen der Gesellschaft auszuüben.

[...]

(vi) Alle Bezugsrechte oder Bruchteilsberechtigungen, die aus den Aktien entstehen, zur Verfügung von OeKB zu halten und diese Bezugsrechte oder Bruchteilsberechtigungen über Auftrag der OeKB zu kaufen oder zu verkaufen und OeKB sofort [...] über die Ausführung derartiger Aufträge zu informieren.

(vii) Sicherzustellen, dass im Falle der Zeichnung von neuen Aktien diese dem Wertpapierkonto der OeKB angereiht werden und im Namen der OeKB oder ihres Vertreters in das Aktionärsregister der Gesellschaft eingetragen werden.

(viii) OeKB unverzüglich über alle Angelegenheiten welche die Aktien betreffen, zu informieren, falls diese Information als wesentlich für die ordnungsgemäße Erfüllung von OeKBs Verpflichtungen anzusehen ist, die nach den Bedingungen dieser Vereinbarung oder gemäß dem ÖHZ (Anhang) entstehen.

(b) Verpflichtungen der Bank

(i) Die Bank ist berechtigt und über Auftrag der OeKB verpflichtet, für OeKB die Erfüllung der Verpflichtungen der OeKB in Bezug auf Angelegenheiten, die aus dem ÖHZ entstehen, zu übernehmen. Diese Ermächtigung der Bank bezieht sich nicht auf

die Übertragung oder die Abbuchung von Aktien von OeKBs Wertpapierkonto beim Verwahrer noch auf

Änderungen der Registrierung im Aktionärsregister der Gesellschaft.

(ii) Bei Erhalt maßgeblicher Information über Hauptversammlungen von Aktionären der Gesellschaft, Dividendenzahlungen, Kapitaländerungen und Ähnlichem wird die Bank sicherstellen, dass die OeKB hievon verständigt wird.

[...]

(c) Verpflichtungen der Gesellschaft

(i) Die Gesellschaft ist verpflichtet, der OeKB und der Bank jede maßgebliche Information zu übermitteln oder die Übermittlung zu veranlassen, die gegebenenfalls erforderlich ist, damit die OeKB und die Bank ihren jeweiligen Verpflichtungen nachkommen können.

(ii) Insbesondere wird die Gesellschaft OeKB mit einer hinreichenden Anzahl von Exemplaren, und die Bank mit einem Exemplar, der folgenden Informationen und Dokumentation entweder in Deutsch oder Englisch versorgen:

(aa) Ihrer Satzung und anderer Regelungen der Gesellschaft und prompt nach deren Änderung, diese Änderung.

[...]

(bb) Alle Finanzberichte, alle jährlichen, halbjährlichen oder anderen Zwischenberichte, welche die Gesellschaft allgemein ihren Aktionären zur Verfügung stellt;

(cc) jede andere Information, welche die Gesellschaft an ihre Aktionäre verteilt oder für sie veröffentlicht;

(dd) jede Mitteilung, welche sich auf die Abhaltung von Hauptversammlungen der Aktionäre der Gesellschaft bezieht, mit folgenden Informationen:

Datum, Ort und Zeit der Hauptversammlung

Tagesordnung und maßgebliche Information

jede andere Information, welche die Rechte der Aktionäre betrifft;

[...]

(iv) Die Gesellschaft hat die Zertifikatinhaber in die Lage zu versetzten, ihre Stimmrechte auf der Basis von Stimmrechtsvollmachten auszuüben, die von OeKB ausgestellt werden.

(d) Pflichten der OeKB

(i) OeKB hat das ÖHZ in ihrem Tresor zu verwahren und hat alle Verpflichtungen ordnungsgemäß zu erfüllen, die aufgrund der Ausstellung des ÖHZ und gemäß seinen Bedingungen (siehe Anhang) entstehen.

(ii) Falls von OeKB für angemessen gehalten und weder durch die Satzung noch durch die Gesetze, die auf die Gesellschaft anzuwenden sind, verboten, hat OeKB dafür zu sorgen, dass für sie ein Vertreter in das Aktionärsregister der Gesellschaft und/oder auf den Aktienurkunden eingetragen wird.

(iii) Falls erforderlich hat OeKB eine entsprechende Vollmacht dem Verwahrer, der Bank oder, je nachdem, dem Vertreter auszustellen.

(iv) OeKB hat Zertifikate Kontoinhaber über maßgebliche Informationen zu informieren, die sie erhalten hat. Über OeKBs Wertpapier Mitteilungen (OeKBs Wertpapier Informationsdienst) oder individuell, zum Beispiel über Fax oder e mail.“

Das gemäß dem Anhang dieser Vereinbarung festgelegte Österreichische Hinterlegungszertifikat („ÖHZ“) hat auszugsweise folgenden Wortlaut:

„...

Jedes Zertifikat berechtigt seinen Inhaber (der 'Zertifikathaber'), eine Aktie zu erhalten. OeKB, oder ihre Vertreter, verschafft jedem Zertifikatsinhaber die Rechte und überträgt ihm die Verpflichtungen, die sie bei Eintragung in das Aktionärsregister der Gesellschaft erhielt, so als ob der Zertifikatsinhaber selbst registriert wäre.

OeKB hat die Gesellschaft in keiner Hinsicht untersucht, insbesondere was ihre Finanzlage und Wirtschaftskraft anlangt oder ihre ordnungsgemäße Organisation und wirksame Existenz. OeKB übernimmt keine Haftung für Schäden, die ein Zertifikatsinhaber oder irgendeine andere Person durch Veranlagung in die Aktien erleiden kann.

Die an dieses ÖHZ angehefteten Bedingungen der Zertifikate sind auf das ÖHZ anzuwenden, dessen Bestandteil sie darstellen. ...“

Die zuletzt angesprochenen Bedingungen lauten auszugsweise:

„...

4. Jeder Zertifikatsinhaber ist berechtigt, in Hauptversammlungen von Aktionären der Gesellschaft entsprechend der Zahl von Zertifikaten abzustimmen, die er am ÖHZ hält. Die Kosten hierfür sind vom Zertifikatsinhaber zu tragen. Seine Depotbank muss diese Kosten vorschießen. Vorbehaltlich des Rechts des Vereinigten Königreichs und der Satzung der Gesellschaft haben die Bank, welche den Handel von Aktien der Gesellschaft in Österreich arrangierte (die 'Bank'), sowie die Gesellschaft und der Verwahrer, dafür zu sorgen, dass jeder Zertifikatsinhaber in der Lage ist, auf der Basis einer Stimmvollmacht abzustimmen, die von OeKB ausgestellt wurde, ohne dass er die Aktien für die Zeit der Hauptversammlungen umschreiben lassen muss.

...

8. Bei Erhalt von der Gesellschaft hat die Bank unverzüglich OeKB jede wichtige Information über die Gesellschaft weiter zuleiten und für eine Veröffentlichung im 'Amtsblatt zur Wiener Zeitung' zu sorgen, die nach österreichischem oder ausländischem Recht erforderlich ist und in letzterem Fall, falls sie dazu von der Gesellschaft beauftragt wurde.“

Die Kläger zeichneten zwischen November 2006 und Juli 2007 in drei Tranchen während Kapitalerhöhungen der Nebenintervenientin bei der M***** Bank AG insgesamt 2.418 Stück M***** Zertifikate um insgesamt 48.437,85 EUR.

Die Kläger begehren zuletzt Zug um Zug gegen die Herausgabe ihrer Zertifikate von der Beklagten Zahlung von 45.995,67 EUR, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für den ihnen aus dem Erwerb der Zertifikate entstandenen Schaden. Dabei handle es sich um den von ihnen investierten Betrag zuzüglich zwischenzeitig im Verfahren aufgelaufener Zinsen, vermindert um die im Rahmen eines Vergleichs von der M***** Bank AG erwirkte Ersatzleistung von 35.842 EUR. Die Parteien verbinde das Sonderverhältnis von Emittent und Anleger. Gleichzeitig zu den Kapitalerhöhungen habe ein umfangreiches Rückkaufprogramm stattgefunden. Anteile am Globalzertifikat, die im Zug der Kapitalerhöhungen nicht am Markt platzierbar gewesen seien,seien finanziert mit Mitteln der Nebenintervenientin von M***** selbst übernommen worden, ohne dass die Öffentlichkeit darüber zunächst informiert worden sei. Die zeitgleich zu den Rückkäufen veröffentlichten Ad-hoc-Meldungen der Nebenintervenientin (, und ) hätten vielmehr eine „erfolgreiche Platzierung am Markt“ verlautbart und daher unvollständig, teilweise unrichtig, jedenfalls aber irreführend informiert. Die Beklagte, der die Nebenintervenientin als Erfüllungsgehilfin zuzurechnen sei, habe als Emittentin der Zertifikate die sie treffenden Publizitätsverpflichtungen gemäß § 48d BörseG verletzt. Bei vollständiger und richtiger Aufklärung hätten die Kläger die Zertifikate nicht erworben und ihr Geld auf einem Kapitalsparbuch angelegt.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie fungiere bei der Ausstellung aktienvertretender Zertifikate nur als formale Durchgangsstation. In die operative Tätigkeit der Nebenintervenientin sei sie nicht einbezogen gewesen. Sie sei nicht Normadressatin des § 48d BörseG.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach dem Inhalt des ADC Vertrags sei die Beklagte nur als rein formale Durchgangsstation zur bloßen Emission der aktienvertretenden Zertifikate zu qualifizieren, um die Handelbarkeit von Anteilen an der Nebenintervenientin zu ermöglichen, zumal ihr nach österreichischem Recht grundsätzlich in ihrer Funktion als Wertpapiersammelbank diese Aufgaben für zahlreiche Gesellschaften zukomme. Insbesondere sei die Beobachtung interner gesellschaftsrechtlicher Vorgänge nicht vorgesehen und angesichts der Rollenverteilung von einem Zertifikatsinhaber auch nicht zu erwarten. Die Emittentin aktienvertretender Zertifikate sei von den Regelungen der Ad-hoc-Publizität des § 48d BörseG im Weg einer teleologischen Reduktion auszunehmen. Die Ausgabe aktienvertretender Zertifikate sei ein klar abgrenzbarer Sachverhalt, der nicht nur bei der Regelpublizität, sondern auch bei der Ad-hoc-Publizität im Hinblick auf die Übernahme eingeschränkter Treuhandfunktionen durch die Wertpapiersammelbank als bloße „Durchgangsstation“ vom Gesetzeszweck dieser Normen nicht erfasst sei. Unabhängig von der erst im Weg der Umsetzung der Transparenzrichtline jedenfalls für die Regelpublizität erfolgten Klarstellung auf europäischer und innerstaatlicher Ebene lägen daher die Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion vor. Dieses Auslegungsergebnis führe auch zu keiner Rechtsschutzlücke, weil (ebenso wie bei der Regelpublizität) der Emittent der Aktien an die Stelle der Emittentin der aktienvertretenden Zertifikate als Normadressat der Ad-hoc-Publizitätspflichten trete. Die Nebenintervenientin, nicht aber die Beklagte sei Normadressatin der Ad-hoc-Publizitätspflichten nach § 48d BörseG und daher die Nebenintervenientin nicht deren Erfüllungsgehilfin.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil die Frage des Umfangs der die Beklagte als Wertpapiersammelbank treffenden Publizitätspflichten im Zusammenhang mit der Ausgabe von ADCs über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Beklagten und der Nebenintervenientin beantwortete Revision der Kläger ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zwar zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerber machen zusammengefasst geltend, das Berufungsgericht habe sich nicht mit dem ADC Vertrag auseinandergesetzt, dessen Parteien die Kläger nicht seien. Die Beklagte habe nach diesem Vertrag einen Anspruch gegen die Nebenintervenientin auf Übermittlung von Informationen, den sie offensichtlich nicht „vollstreckt“ habe. § 48d BörseG treffe die Beklagte in ihrem ureigenen Pflichtenkreis, nämlich als Emittent sicherzustellen und dafür verantwortlich zu sein, dem Markt Informationen zugänglich zu machen. Sie habe sich schuldhaft darauf verlassen, dass die Nebenintervenientin sämtliche Informationen veröffentlichen würde, was diese nicht getan habe. Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Beklagte sei nicht Emittentin im Sinne des § 48d BörseG, weil dieser telelogisch zu reduzieren sei, widerspräche dem Erwägungsgrund 34 der Marktmissbrauchrichtlinie. Deren Zweck sei es, die Bestimmungen gerade auch auf jene Marktteilnehmer anzuwenden, die sich „besonderer Techniken“ bedienten. Der Einsatz einer „besonderen Technik“ sei daher kein Grund, die Beklagte von den Bestimmungen über den Marktmissbrauch auszuklammern.

Dazu wurde erwogen:

1.1. Aktienzertifikate sind schuldrechtliche Instrumente, die Aktien vertreten, um zum einen deren Handelbarkeit sicherzustellen und zum anderen den Zertifikatsinhabern die gesellschaftsrechtliche Rechtsstellung zu gewähren ( Kalss , Das Aktien vertretende Zertifikat, ÖBA 2009, 341; Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 34 Rz 25 f). Nach dem Inhalt des ADC Vertrags, den die Beklagte mit der Nebenintervenientin, die die Handelbarkeit ihrer Anteile an der Börse sicherstellen wollte, und der M***** Bank AG schloss, hat die Beklagte ihre gesellschaftsrechtliche Mitgliedschaft dem wirtschaftlich berechtigten Anleger (Zertifikatsinhaber) und die damit verbundenen Rechte vollständig zu überbinden. Ihre Pflicht liegt in der Überbindung dieser Rechte und nicht in der Ausübung der Rechte als nominelle Aktionärin (vgl Kalss , ÖBA 2009, 339 ff). Die Beklagte als Emittentin der M***** Zertifikate hat weder das Stimmrecht noch sonstige Rechte in der Hauptversammlung der Aktienemittentin wahrzunehmen. Dieses Recht kommt vielmehr den Zertifikatsinhabern selbst zu, die auf schuldrechtlicher Basis insofern den Aktionären in der Ausübung der Rechte gleichgestellt werden (vgl Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 34 Rz 26; OLG Wien 4 R 174/10b). Die Beklagte hat daher vor allem eine Überbindungsfunktion; ihr kommt wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte durch die Emittierung der M***** Zertifikate die Aufgabe einer reinen Durchgangsstation zu (vgl Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 34 Rz 26; Kalss , ÖBA 2009, 339 ff).

1.2. Die Nebenintervenientin hat die Beklagte und die M***** Bank AG unter anderem mit jeder Information zu versorgen, welche die Nebenintervenientin an ihre Aktionäre verteilt oder für sie veröffentlicht (Art 3 lit c des ADC Vertrags). Die M***** Bank AG hat sicherzustellen, dass bei Erhalt maßgeblicher Information über die Hauptversammlung von Aktionären der Nebenintervenientin, Dividendenzahlungen, Kapitaländerungen die Beklagte hiervon verständigt wird (Art 3 lit b des ADC Vertrags). Die Beklagte ist aus ihrer Stellung als eingetragene Aktionärin und der schuldrechtlichen Bindung gegenüber den Zertifikatsinhabern aus dem ADC zur jederzeitigen Herausgabe der Aktie gegen Rückgabe eines Zertifikats, zur Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht, zur Weiterleitung der Bardividende, die sie von der M***** Bank AG für die hinterlegten Aktien erhält, zur Sicherstellung des Bezugsrechts für die Zertifikatsinhaber und zur Erteilung der notwendigen Informationen verpflichtet. Die zuletzt genannte Pflicht konkretisiert Art 3 lit d sublit iv des ADC Vertrags. Danach ist sie gegenüber den Zertifikatsinhabern unmittelbar verpflichtet, die Informationen, die sie von der Nebenintervenientin oder der M***** Bank AG erhält, über ihre Wertpapiermitteilungen oder individuell, an die Inhaber von Depots bei ihr weiterzugeben; weitere Pflichten treffen die Beklagte aus dem ADC Vertrag gegenüber den Zertifikatsinhabern nicht (zu alldem vgl Kalss , ÖBA 2009, 347). Die Beklagte ist daher insbesondere nicht verpflichtet, für die Ad-hoc-Publizität relevante Umstände und Ereignisse aus der Sphäre der Nebenintervenientin zu erheben.

1.3. Aus dem ADC Vertrag lässt sich daher nicht ableiten, dass eine unvollständige, falsche oder irreführende Information der Nebenintervenientin im Zusammenhang mit den Kapitalerhöhungen der Beklagten zuzurechnen ist.

2.1. § 48d BörseG (Ad hoc Publizität) beruht auf Art 6 der Marktmissbrauchsrichtlinie (RL 2003/06/EG vom ), die zugleich mit der Durchführungsrichtlinie der Kommission (RL 2003/124/EG) mit der BörseG Novelle 2004 (BGBl I 2004/127) umgesetzt wurde. Vor dieser Novelle war die Offenlegungspflicht in § 82 Abs 6 aF BörseG normiert ( Lechner/Temmel in Temmel , BörseG § 48d Rz 4 f; Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 16 Rz 1 f).

2.2. Gemäß § 48d Abs 1 BörseG haben Emittenten von Finanzinstrumenten Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, unverzüglich der Öffentlichkeit bekannt zu geben. Normadressaten sind Emittenten, deren Finanzinstrumente auf einem geregelten Markt (Amtlicher Handel und Geregelter Freiverkehr [§ 1 Abs 2 BörseG]) zugelassen sind ( Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 16 Rz 14). Es ist unerheblich, ob der Emittent im Inland oder Ausland ansässig ist bzw welchem Gesellschaftsstatut er unterliegt ( Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 16 Rz 16 mwN). Neben dem Anlegerschutz bezweckt die Ad hoc Publizität auch den Funktionsschutz des Marktes. Alle Anleger sollen dadurch in die Lage versetzt werden, möglichst rasch auf geänderte Umstände zu reagieren und Wertpapiere zu erwerben oder zu verkaufen, die die Preisänderung schon verarbeitet haben, und es soll eine effiziente Preisbildung gefördert werden ( Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 16 Rz 4 mwN; Lechner/Temmel in Temmel , BörseG § 48d Rz 6).

2.3. Die Ad hoc Publizität ist eine anlassbezogene Information. Sie soll den Markt über neu eingetretene Ereignisse oder Umstände unterrichten und unterscheidet sich dadurch von der regelmäßigen und inhaltlich vorgegebenen Publizität; das Zusammenspiel dieser Offenlegungspflichten und der Veröffentlichungspflicht des Emittenten etwa bei Über- oder Unterschreiten rein formeller Beteiligungsschwellen (Beteiligungspublizität § 93 BörseG) versorgt den Markt mit den notwendigen Informationen über den Emittenten ( Kalss/Oppitz/Zollner , Kapitalmarktrecht² § 16 Rz 6 f mwN).

2.4. § 48a BörseG definiert für Zwecke der §§ 48a bis 48r Begriffe, insbesondere die Begriffe Insiderinformation, Marktmanipulation und Finanzinstrumente. Der Begriff Emittent ist in diesem Zusammenhang nicht legaldefiniert.

2.5. Allerdings enthält nunmehr § 66a Abs 6 BörseG und enthielt auch schon § 66 Abs 6 BörseG (idF vor dem BGBl 60/2007) im Zusammenhang mit der Zulassung zum amtlichen Handel folgende Regelung: „(6) Zertifikate, die Aktien vertreten, können zugelassen werden, wenn

1. der Emittent der vertretenen Aktien die Erfordernisse gemäß Abs 1 Z 1 bis 3 erfüllt,

2. die Zertifikate den Erfordernissen gemäß Abs 1 Z 4 bis 9 entsprechen und

3. der Emittent der Zertifikate Gewähr für die Erfüllung seiner Verpflichtung gegenüber den Zertifikatsinhabern bietet.“

Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber klar zwischen den Verpflichtungen des Emittenten der Aktien und jenes der Zertifikate unterscheidet und den Emittenten der Zertifikate nur für die Einhaltung der eigenen Verpflichtungen einstehen lassen will. Dies spricht aber dafür, dass ihn auch nur bei ihn betreffenden Insiderinformationen im Sinne des § 48a Abs 1 Z 1 BörseG die daraus aus § 48d Abs 1 BörseG abzuleitenden Veröffentlichungsverpflichtungen treffen.

3.1. Eine Definition des Begriffs Emittent enthält nunmehr der mit der BörseG Novelle BGBl I 2007/19 eingefügte § 81a BörseG, in dessen Abs 1 wesentliche Begriffe des Art 2 der Transparenzrichtlinie (RL 2004/109/EG vom ) in das nationale Recht übernommen wurden. Diese Richtlinie legt gemäß ihrem Art 1 Abs 1 die Anforderungen für die Veröffentlichung regelmäßiger und laufender Informationen über Emittenten fest, deren Wertpapiere bereits zum Handel an einem in einem Mitgliedstaat gelegenen oder dort betriebenen geregelten Markt zugelassen sind. Die Definitionen gelten nach dem Wortlaut des § 81a BörseG nicht für das gesamte BörseG, sondern für die Zwecke der §§ 81a bis 94 BörseG. Der mit „Allgemeine Pflichten der Emittenten“ überschriebene § 82 BörseG nimmt in den Abs 7 und 8 auf die den Emittenten treffende Pflicht nach § 48d BörseG Bezug.

3.2. § 81a Abs 1 Z 4 BörseG definiert „Emittent“ als jede juristische Person, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, wobei im Fall von Zertifikaten, die Wertpapiere vertreten, als Emittent der Emittent der vertretenen Wertpapiere gilt (vgl Art 2 Abs 1 lit d TransparenzRL).

3.3. Die Regelung, dass jener Rechtsträger informationspflichtig ist, der die den Zertifikaten zugrundeliegenden Aktien emittiert hat, ist darin begründet, dass die Zertifikate regelmäßig bloß die nicht handelbaren Wertpapiere (Aktien) des Emittenten handelbar gestalten sollen. Der Anleger soll dennoch weiterhin Informationen über den Emittenten erhalten (vgl Temmel in Temmel , BörseG § 81a Rz 20).

3.4. Brandl in Temmel , BörseG § 48a Rz 31 vertritt, dass mangels einer eigenständigen Emittentendefinition in § 48a BörseG auf die in § 81a BörseG enthaltene Definition abgestellt werden sollte.

Berücksichtigt man die Stellung und Funktion der Beklagten bei der Ausstellung von ADCs als reine Durchgangsstation, den Zweck der Ad hoc Publizität, die unter Punkt 2.5. dargelegte Unterscheidung des Gesetzgebers zwischen Verpflichtungen des Emittenten der Zertifikate und des Emittenten der Aktien und den vom Gesetzgeber mit der Definition des Begriffs Emittent verfolgten Zweck, der sich sachlich begründet nicht bloß auf die Regelpublizität beschränken lässt, so kommt der Senat zum Schluss, dass die Legaldefinition auch für die Ad hoc Publizität nur klarstellend auch in Bezug auf Sachverhalte, die sich vor dem Inkrafttreten des § 81a BörseG ereignet haben, wirkt. Die Beklagte ist daher nicht Normadressat des § 48d Abs 1 BörseG.

4.2. Der Erwägungsgrund 34 der Marktmissbrauchsrichtlinie spricht entgegen der Ansicht der Revisionswerber nicht gegen dieses Auslegungsergebnis. Nach diesem ist angesichts der immer größeren Bedeutung der Finanzmärkte, ihrer raschen Weiterentwicklung, der Bandbreite neuer Produkte und sonstiger Entwicklungen ein weitgefasster Anwendungsbereich dieser Richtlinie auf Finanzinstrumente und die eingesetzten Techniken erforderlich, damit die Integrität der gemeinschaftlichen Finanzmärkte sichergestellt wird. Ist Emittent auch im Sinne des § 48d BörseG jener Rechtsträger, der die den Zertifikaten zugrundeliegenden Aktien emittiert hat, und nicht der Aussteller der aktienvertretenden Zertifikate, so ist sichergestellt, dass der Markt für die Preisbildung relevante Informationen über den Emittenten der Aktien aus dessen Sphäre anlassbezogen erhält.

5. Die Revisionswerber meinen, die Beklagte treffe eine Gefährdungshaftung, weil sie ursächlich für die Kapitalaufnahme der Nebenintervenientin im Inland gewesen sei und dafür auch Entgelt erhalten habe. Sie habe den Kapitalmarkt („Verkehr“) für die Nebenintervenientin eröffnet, bei der sich gerade jenes typische, jedermann bekannte Betriebsrisiko einer Off Shore Gesellschaft verwirklicht habe, dass sich Briefkastengesellschaften unter Berufung auf ihre Herkunft den im Inland geltenden Vorschriften entziehen und sich darauf verlassen, im Inland auch nicht vor Gericht gebracht werden zu können. Dieser Sachverhalt sei mit der Halterhaftung nach dem EKHG und der Haftung des Importeurs nach dem ProdukthaftungsG vergleichbar. Wende man daher § 48d BörseG nicht auf die Beklagte an, so sei die Rechtsschutzlücke evident, die die analoge Annahme einer Gefährdungshaftung rechtfertige.

Dem ist nur zu erwidern: Die Beklagte hat nur bei den nach den maßgeblichen Regelungen erforderlichen Umsetzungen für die „Handelbarkeit“ von „Namensaktien“ mitgewirkt. Gerade im Hinblick auf die oben dargestellten aufrechten Verpflichtungen der „Emittentin“ der Aktien ist nicht ersichtlich, inwieweit die Beklagte eine substantielle Erhöhung der Risiken gegenüber dem Handel mit anderen Beteiligungen („Inhaberaktien“) an Off Shore Gesellschaften bewirkt hätte.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 52 Abs 1 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0060OB00056.15A.1023.000