OGH vom 22.02.1995, 3Ob509/95
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr.Hans Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei M*****, vertreten durch Dr.Josef Lechner und Dr.Ewald Wirleitner, Rechtsanwälte in Steyr, und des Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei Adalbert G*****, vertreten durch Dr.Karl Trindorfer, Rechtsanwalt in Enns, wegen S 600.000,-- sA, infolge der außerordentlichen Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 6 R 224/93-26, womit infolge Berufung der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom , GZ 3 Cg 258/91-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 23.809,50 (darin S 3.968,25 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei, ein Kreditinstitut, begehrt von der beklagten Partei, einer in Oberösterreich gelegenen Gemeinde, die Bezahlung von S 600.000,-- sA. Die beklagte Partei habe eine Liegenschaft gekauft, die als Pfand zur Sicherstellung eines einem Dritten gewährten Kredites bestellt worden sei. Sie (klagende Partei) habe dem damaligen Bürgermeister der beklagten Partei als deren Vertreter die Freilassungserklärung für dieses Pfandrecht zu treuen Handen Zug um Zug gegen Bezahlung von S 600.000,-- übersendet. Die beklagte Partei habe entgegen dieser Auflage den restlichen Kaufpreis in der Höhe von S 600.000,-- an die Verkäuferin überwiesen und ihr auch die Freilassungserklärung ausgefolgt, was dazu geführt habe, daß das Pfandrecht auf der verkauften Liegenschaft gelöscht worden sei. Die beklagte Partei wäre durch die Verwendung der Freilassungserklärung als Treuhänder verpflichtet gewesen, den Betrag von S 600.000,-- an sie (klagende Partei) zu überweisen. Da sie dies treuwidrigerweise unterlassen habe, habe sie für alle daraus entstandenen Schäden einzutreten. Sie habe überdies die Zahlung mehrmals zugesagt und sei daher auch aufgrund eines Anerkenntnisses zur Zahlung verpflichtet. Der Verkäuferin sei überdies zur Kenntnis gebracht worden, daß die Freilassungserklärung von der beklagten Partei nur Zug um Zug gegen Bezahlung von S 600.000,-- verwendet werden dürfe. Die Forderung auf Bezahlung des Restkaufpreises in dieser Höhe sei daher als von der Verkäuferin abgetreten anzusehen. Die Verkäuferin sei damit einverstanden gewesen.
Die beklagte Partei wendete ein, daß das in der Klage erwähnte, an ihren damaligen Bürgermeister gerichtete Schreiben erst bei ihr eingelangt sei, nachdem der Restkaufpreis schon bezahlt wurde. Davon abgesehen, sei aufgrund dieses Schreibens keine Treuhandverpflichtung zustande gekommen. Zum einen sei darin nur ihrem damaligen Bürgermeister eine Verpflichtung auferlegt worden, zum anderen wäre für das Eingehen einer Treuhandverpflichtung gemäß § 56 oöGemO ein Beschluß des Gemeindevorstands erforderlich gewesen. Die Zahlungspflicht sei nicht anerkannt worden und es hätte hiefür überdies eines Beschlusses des Gemeinderates bedurft.
Der frühere Bürgermeister der beklagten Partei trat nach Verkündigung des Streites dem Rechtsstreit auf seiten der beklagten Partei als Nebenintervenient bei. Er brachte vor, daß er das Schreiben der klagenden Partei bereits vor der Überweisung des Restkaufpreises an die beklagte Partei weitergeleitet habe. Sonst sei er zu nichts verpflichtet gewesen.
Sowohl die beklagte Partei als auch der Nebenintervenient brachten noch vor, daß die für die beklagte Partei handelnden Personen kein Verschulden treffe, weil sie aufgrund ihrer Ausbildung nicht erkennen hätten können, daß die Freilassungserklärung nur Zug um Zug gegen die Überweisung des Restkaufpreises an die klagende Partei verwendet werden dürfe. Jedenfalls treffe die klagende Partei ein Mitverschulden wegen der von ihr an den Tag gelegten Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens statt. Es stellte im wesentlichen folgendes fest:
Die klagende Partei gewährte im Jahr 1987 einem Einzelhandelsunternehmen einen Kredit, zu dessen Sicherstellung ihr zwei Liegenschaften verpfändet wurden. Im Sommer 1980 kaufte die beklagte Partei eine der verpfändeten Liegenschaften, wobei sie bei den Verkaufsverhandlungen durch ihren damaligen Bürgermeister, den Nebenintervenienten, vertreten wurde. Der Kauf wurde am vom Gemeinderat der beklagten Partei genehmigt. Vom Kaufpreis in der Höhe von S 1,297.725,-- sollte nach dem Inhalt des Kaufvertrages die Hälfte binnen acht Tagen nach aufsichtbehördlicher Genehmigung des zur Bezahlung aufzunehmenden Darlehens und der Rest innerhalb von acht Tagen nach Einverleibung des Eigentumsrechtes der beklagten Partei im Grundbuch bezahlt werden. Der Nebenintervenient überließ in der Folge die weitere Bearbeitung der Angelegenheiten dem Amtsleiter der beklagten Partei.
Die Verkäuferin war nach dem Inhalt des Kaufvertrages zur Lastenfreistellung verpflichtet. Ein Angestellter der klagenden Partei erklärte gegenüber ihrem Ehemann, daß die Freilassungserklärung nur gegen Überweisung von S 600.000,-- erteilt werde. Der Ehemann der Verkäuferin, der zur Abgabe solcher Erklärungen ermächtigt war, ersuchte den Angestellten der klagenden Partei, die Freilassungserklärung unmittelbar an den Nebenintervenienten zu senden. Die klagende Partei gab hierauf am ein an den Nebenintervenienten gerichtetes Schreiben mit im wesentlichen folgenden Wortlaut eingeschrieben zur Post:
"Sehr geehrter Herr Bürgermeister !
In der Anlage übermitteln wir Ihnen die gewünschte Freistellungserklärung betreffend die EZl 240 KG *****.
zu treuen Handen,
wogegen Sie sich verpflichten, von dieser Urkunde nur Zug um Zug gegen Überweisung des Restkaufpreises von S 600.000,-- auf das bei uns bestehende Konto Nr 309 355 001 Gebrauch zu machen."
Das Schreiben, dem die Freilassungserklärung angeschlossen war, wurde dem Nebenintervenienten an seiner Wohnanschrift zugestellt. Nachdem er den Inhalt der Sendung zur Kenntnis genommen hatte, übergab er die darin enthaltenen Schriftstücke am 5. oder im Gemeindeamt einer Angestellten der beklagten Partei mit der Bemerkung, daß es sich dabei um die die gekaufte Liegenschaft betreffende Freilassungserklärung handle. Die Schriftstücke wurden in den Akt über den Kauf der Liegenschaft eingelegt. Der Nebenintervenient erwartete, daß die "Weisung" der klagenden Partei beachtet werden würde, zumal der Kaufvertrag im Grundbuch nicht durch einen Notar oder Rechtsanwalt, sondern "gemeindeintern" durchgeführt werden sollte.
Am wurde der Kaufvertrag von der Grundverkehrsbehörde genehmigt. Nachdem eine Angestellte der klagenden Partei mehrmals (, , ) telefonisch bei der beklagten Partei angefragt hatte, wann mit der Überweisung des Betrages von S 600.000,-- zu rechnen sei, wurde ihr vorerst bedeutet, daß die Angelegenheit beim Grundbuch sei; am sprach sie direkt mit dem Nebenintervenienten, der ihr mitteilte, es fehle noch die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes, sie möge sich in Hinkunft an den Amtsleiter wenden. Am erkundigte sich die Angestellte beim Amtsleiter, wann mit der Überweisung des Restkaufpreises gerechnet werden könne; dieser teilte ihr mit, daß noch eine Dienstbarkeit zu löschen sei; sobald das Eigentumsrecht für die Gemeinde verbüchert werden könne, werde der Kaufpreis überwiesen. Vom Bezirksgericht Enns erhielt der Amtsleiter, der im Akt der Gemeinde die Freilassungserklärung vorfand, die Auskunft, daß die Löschung des Pfandrechtes durch das Bezirksgericht Innsbruck zu erfolgen habe. Am ersuchte der Ehemann der Verkäuferin telefonisch den Amtsleiter der beklagten Partei um Übersendung der Freilassungserklärung, um die Einverleibung der Löschung des Pfandrechts der klagenden Partei beantragen zu können. Diese wurde sodann mit Beschluß vom bewilligt. Die Verkäuferin richtete hierauf an den Amtsleiter der beklagten Partei ein Schreiben, in dem sie ihrer Erwartung Ausdruck gab, daß beim Grundbuchsgericht die Einverleibung des Eigentumsrechts der beklagten Partei beantragt werden werde, damit sie vereinbarungsgemäß über den Restkaufpreis verfügen könne. Nachdem im Grundbuch das Eigentumsrecht für die beklagte Partei einverleibt worden war, unterschrieb der Nebenintervenient am die (an ein Kreditinstitut gerichtete) Anweisung, daß der Verkäuferin der Betrag von S 648.862,50 zu überweisen sei. Die Anweisung wurde am ausgeführt. Die Genehmigung der Ausgabe durch den Gemeinderat wurde nachträglich eingeholt. Es kann nicht festgestellt werden, ob das Schreiben der klagenden Partei bei der Vorbereitung der Auszahlungsanweisung übersehen oder ob es aus anderen Gründen nicht beachtet wurde. Der klagenden Partei ging der Betrag von S 600.000,-- nicht zu. Sie hat gegen die Kreditnehmerin noch eine Forderung von S 11,346.703,95.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, daß zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei ein Bevollmächtigungsverhältnis zustandegekommen sei. Es handle sich bei der Bevollmächtigung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die zu Recht an den damaligen Bürgermeister der beklagten Partei als ihren Vertreter gerichtet worden sei. Die Genehmigung durch den Gemeinderat oder Gemeindevorstand sei nicht erforderlich gewesen, weil es nur um die Abwicklung des Kaufvertrags gegangen sei. Das Stillschweigen der beklagten Partei zum Schreiben der klagenden Partei sei als Zustimmung zu werten. Wenn sie deren "Weisung" nicht entsprechen wollte, hätte sie ihr dies nach Treu und Glauben mitteilen müssen. Da die beklagte Partei ihrer demnach eingegangenen Verpflichtung, den Betrag von S 600.000,-- auf ein Konto bei der klagenden Partei zu überweisen, nicht nachgekommen sei, habe sie den dieser dadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen, der beklagten Partei und des Nebenintervenienten nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die beklagte Partei hätte die "Erfüllung des Vertrauens", das in der Übersendung der Freilassungserklärung bestanden habe, nicht an Dritte, also hier nicht an die Verkäuferin, "weitergeben" dürfen. Wenn sich die beklagte Partei auf die widmungsgemäße Verwendung der ihr zur Verfügung gestellten Freilassungserklärung nicht einlassen hätte wollen, hätte sie sie der klagenden Partei zurücksenden und die Regelung im direkten Einvernehmen mit der Verkäuferin verlangen müssen. Für die Vorgangsweise der für die beklagte Partei handelnden Personen sei ein gesonderter Gemeinderatsbeschluß nicht erforderlich gewesen, weil es sich dabei nur um die Abwicklung des vom Gemeinderat schon genehmigten Kaufvertrages gehandelt habe. Die klagende Partei treffe auch kein Mitverschulden, weil sie annehmen habe können, daß die für die beklagte Partei handelnden Personen wissen, wie bei Überlassung einer Freilassungserklärung vorzugehen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die von der beklagten Partei und vom Nebenintervenienten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobenen außerordentlichen Revisionen sind zulässig, weil zu der in ihrer Bedeutung über den Anlaßfall hinausgehende Frage, wie das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zu beurteilen ist, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt; sie sind aber nicht berechtigt.
Die klagende Partei hat ihr Schreiben vom an den damaligen Bürgermeister der beklagten Partei, den Nebenintervenienten dieses Verfahrens, gerichtet. Nach den Umständen war klar, daß dies nur in seiner Eigenschaft als Organ der beklagten Partei, das er gemäß § 58 Abs 1 oöGemO nach außen vertrat, geschah, zumal nur die beklagte Partei zur Kreditnehmerin der klagenden Partei in einer Rechtsbeziehung stand. In diesem Sinn wurde der Zugang des Schreibens vom Nebenintervenienten auch verstanden.
Das Schreiben enthielt das Angebot zum Abschluß eines Rechtsgeschäftes, nach dessen Inhalt die beklagte Partei verpflichtet sein sollte, S 600.000,-- an die klagende Partei zu zahlen. Es handelte sich dabei um keine Bevollmächtigung, weil die beklagte Partei nicht verpflichtet sein sollte, im Namen oder auf Rechnung der klagenden Partei Rechtshandlungen vorzunehmen (vgl § 1002 ABGB; Apathy in Schwimann Rz 1 zu § 1002; Koziol/Welser9 I 167; Strasser in Rummel2 Rz 1 zu § 1002). Auch ein Treuhandvertrag kam entgegen der anscheinend vom Berufungsgericht vertretenen Meinung zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei nicht zustande. Dies hätte vorausgesetzt, daß die beklagte Partei über die Freilassungserklärung nur verfügen hätte dürfen, wenn ein Dritter das Geld für die Bezahlung der Forderung der klagenden Partei zur Verfügung stellen hätte sollen. Wird aber demjenigen, der selbst die Schuld bezahlen muß, eine Urkunde übergeben, so liegt eine Treuhand nicht vor.
Hier kann aber dahingestellt bleiben, welches Rechtsgeschäft das in dem erwähnten Schreiben enthaltene Angebot der klagenden Partei zum Gegenstand hatte, weil ein Vertrag jedenfalls nicht zustandekam. Es ist nämlich ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, daß die in den einzelnen Gemeindeordnungen enthaltenen Vorschriften über die Vertretung der Gemeinde nicht bloße Organisationsvorschriften über die interne Willensbildung öffentlich rechtlicher Körperschaften darstellen, sondern Einschränkungen der Vertretungsmacht des Bürgermeisters nach außen enthalten. Eine durch einen erforderlichen Gemeinderatsbeschluß nicht gedeckte Willenserklärung des Bürgermeisters bindet daher mangels der hiefür notwendigen Vertretungsbefugnis grundsätzlich die Gemeinde nicht (JBl 1991, 517; JBl 1989, 444; SZ54/111; 1 Ob 669/90 ua). Das Gesagte muß aber auch für Bedienstete der Gemeinde gelten, die nicht deren vertretungsbefugte Organe sind, sofern sie nicht vom zuständigen Gemeindeorgan besonders ermächtigt wurden oder ihnen nicht nach dem Gesetz eine besondere Ermächtigung erteilt wurde.
In laufenden Angelegenheiten ist zwar ein Beschluß des Gemeinderates (oder des Gemeindevorstands) nicht erforderlich; deren Besorgung obliegt daher dem Bürgermeister als Vertreter der Gemeinde allein (JBl 1976, 96; 3 Ob 505/95; 1 Ob 660/90; Fröhler/Oberndorfer, Österreichisches Gemeinderecht 3.13.2.3.1.). Zu diesen Angelegenheiten würde die Abwicklung eines vom Gemeinderat genehmigten Kaufvertrages gehören. Das Verhalten der für die beklagte Partei handelnden Personen kann aber entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Meinung nicht der Abwicklung des von der beklagten Partei geschlossenen Kaufvertrages zugeordnet werden. Dies scheitert schon daran, daß die klagende Partei keine Partei dieses Kaufvertrages war. Es geht vielmehr darum, ob zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei ein vom Kaufvertrag unabhängiges Rechtsverhältnis begründet wurde, aus dem der beklagten Partei Verpflichtungen entstanden. Hierfür wäre aber nach dem Gesagten zufolge § 43 Abs 1 oöGemO ein Beschluß des Gemeinderates erforderlich gewesen.
Ein Vertrag kann zwar auch mit einer Gemeinde schlüssig abgeschlossen werden (JBl 1991, 517 mwN). Allerdings darf die Einhaltung von Formvorschriften nicht durch den schlüssigen Abschluß eines Vertrages umgangen werden (JBl 1989, 444). Maßgebend ist daher auch für das schlüssige Zustandekommen eines Vertrages mit einer Gemeinde das Verhalten der Mitglieder des Gemeinderates, wenn diesem die Genehmigung des Vertrages obliegt (JBl 1989, 127 mwN; 1 Ob 669/90). Ein Verhalten der Mitglieder des Gemeinderates der beklagten Partei, aus dem zu schließen wäre, daß mit der klagenden Partei ein die beklagte Partei verpflichtender Vertrag schlüssig zustandekam, wurde aber nicht festgestellt.
Der Anspruch der klagenden Partei läßt sich daher nicht aus vertraglichen Pflichten der beklagten Partei ableiten, weil von dieser ein gültiger Vertrag mit der klagenden Partei nicht geschlossen wurde.
Es ist in Rechtsprechung und Lehre anerkannt, daß mögliche Geschäftspartner schon mit der Aufnahme eines Kontaktes zu rechtsgeschäftlichen Zwecken in ein beiderseitiges Schuldverhältnis treten, das sie zu gegenseitiger Rücksichtnahme bei der Vorbereitung und beim Abschluß des Rechtsgeschäftes verpflichtet. Dieses vorvertragliche Schuldverhältnis beruht nicht auf dem Willen der Parteien, es entsteht auch unabhängig davon, ob später ein Vertrag abgeschlossen wird. Es handelt sich um ein Schuldverhältnis ohne Hauptleistungspflicht, das Schutz-, Sorgfalts- und Aufklärungspflichten beinhaltet (JBl 1990, 599; SZ 61/90 mwN; SZ 58/69 uva; Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil3, 224 f mwN in FN 4; Apathy in Schwimann, ABGB Rz 7 zu § 861; Harrer in Schwimann, ABGB, Rz 10 vor § 1293; Rummel in Rummel2, Rz 3 zu § 861; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 71; derselbe in JBl 1994, 211, 218; das Rechtsinstitut ablehnend, aber dennoch zu gleichen Ergebnissen kommend Reischauer in Rummel2, Rz 14 vor §§ 918 ff). Die Teilnahme am Rechtsverkehr erfordert, soll dieser seinen Aufgaben gerecht werden, gegenseitige Rücksichtnahme (Ehrenzweig-Mayrhofer aaO 226 mwN in FN 9). Lehre und Rechtsprechung haben Fallgruppen gebildet und einen zwar nicht einklagbaren aber bei Verletzung Schadenersatzansprüche auslösenden Verhaltenskodex des richtigen Verhaltens bei Vertragsverhandlungen entwickelt (Medicus, Allgemeiner Teil des BGB6 Rz 445). Auch öffentlich-rechtliche Körperschaften kann eine solche Haftung für die Verletzung vorvertraglicher Pflichten treffen; sie haben auch dann einzustehen, wenn ihre Organe zwar zur Vorbereitung des Vertrages durch Verhandlungen, nicht aber zum Abschluß legitimiert waren (1 Ob 3/83; Emmerich in Münchener Kommentar3, Rz 60 vor § 275 BGB, Soergel-Wiedermann12 Rz 211 vor § 275).
Treffend ordnet Koziol in JBl 1994, 211 ff sowohl das Rechtsinstitut der culpa in contrhendo ebenso wie etwa positive Vertragsverletzungen, Prospekthaftung, Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, Haftung aus der bloßen Anbahnung des Geschäftskontaktes und Verkehrseröffnungen in den Grenzbereich zwischen Delikt und Verletzung eines Schuldverhältnisses ein. Im Gegensatz zur bloßen Deliktshaftung ist für die Haftung aus culpa in contrahendo anerkannt, daß das Vermögen, wird nur dieses beeinträchtigt, in den Bereich der geschützten Güter einbezogen ist und der Schädiger für Gehilfen nach § 1313 a ABGB einzustehen hat. Strittig könnte sein, ob die bloße Vermögensspähre bereits mit dem Zeitpunkt der (einseitigen) Anbahnung geschäftlicher Beziehungen oder erst mit der Aufnahme von konkreten Vertragsverhandlungen geschützt wird. Währen Koziol in Haftpflichtrech2 II 73 und insbesonders in JBl 1994, 219 auf Grund des von ihm die gesetzlichen Wertungen berücksichtigende abgestufte System von Fallgruppen im Übergangsbereich zwischen deliktischer Schädigung und Verletzung eines Schuldverhältnisses daher mit durchaus beachtlichen Argumenten lehrt, daß vor der Aufnahme konkreter Vertragsverhandlungen das Vermögen des potentiellen Vertragspartners nicht geschützt sei, vertritt die deutsche Lehre davon zum Teil abweichende Ansichten. Die Haftungsregeln der culpa in contrahendo seien bei Übergabe von Sachen an einen in Aussicht genommenen Vertragspartner dann voll anzuwenden, wenn diese Übergabe im Hinblick auf einen etwaigen Vertragsabschluß im eigenen geschäftlichen Interesse des Dritten läge (Wiedermann aaO Rz 174). Lehmann, Vertragsanbahnung durch Werbung 340 ff (unter Hinweis auf die Entscheiudng des BGH NJW 1978, 1625) stellt auf das im geschäftlichen Verkehr gewährte Vertrauen des Transaktionspartners ab: Der Beginn der Haftung soll mit dem Zeitpunkt zusammenfallen, in dem dieses schutzwürdige Vertrauen vernünftigerweise entsteht; im Falle eines Vermögensschadens durch unrichtige Werbung wäre dies der Zeitpunkt der versuchten Aufnahme von Vertragsverhandlungen. Larenz in FS Ballerstedt 402 wiederum zweifelt, ob in dem Zeitraum zwischen Anbahnung des geschäftlichen Kontaktes und Aufnahme von Vertragsgesprächen Haftung für reine Vermögensschäden überhaupt angebracht wäre.
Diese Beurteilung braucht aber im vorliegenden Fall nicht abschließend erfolgen, weil der festgestellte Sachverhalt dahin zu werten ist, daß die klagende Partei durch Übermittlung der Freilassungserklärung mit Schreiben vom nicht nur den geschäftlichen Kontakt suchte, sondern dieser von der beklagten Partei durch das ihr zurechenbare Verhalten von Organen und Bediensteten in Vertragsgespräche mündete; nicht anders können die festgestellten mündlichen Erklärungen, durch die die klagende Partei beruhigt werden sollte, verstanden werden. Hat die beklagte Partei dann dennoch die Freilassungserklärung in die Hände der Verkäuferseite gelangen lassen, ohne die Überlassung eines restlichen Kaufpreises an die klagende Partei sicherzustellen, hat sie im Hinblick auf die ihr gebotene große Einwirkungsmöglichkeit in die Vermögenssphäre der klagenden Partei rechtswidrig, weil gegen das Verhalten loyaler Teilnehmer am Rechtsverkehr verstoßend, und schuldhaft gehandelt. Sie ist daher zum Ersatz des der klagenden Partei hiedurch verursachten Schadens verpflichtet ist (Miet 39.178; SZ 59/109; SZ 53/13 ua). Zur ersetzen ist bei Verletzung vorvertraglicher Pflichten im allgemeinen der Vertrauensschaden (SZ 52/90; SZ49/94; SZ46/22 ua; Koziol/Welser aaO 208 f mwN aus dem Schrifttum in FN 38). Die klagende Partei ist also so zu stellen, wie wenn sich die für die beklagte Partei handelnden Personen pflichtgemäß verhalten hätten. In diesem Fall wäre ihr aber entweder der Betrag von S 600.000,-- gezahlt oder es wäre das für sie begründete Pfandrecht nicht gelöscht worden. Da nicht hervorgekommen ist, daß sie durch die Realisierung ihres Pfandrechts den angeführten Betrag nicht erhalten hätte, beträgt der ihr zu ersetzende Schaden S 600.000,--.
Entgegen der in den Revisionen vertretenen Auffassung trifft die klagende Partei kein Mitverschulden, weil es nicht als eine - Mitverschulden begründende (JBl 1990, 524 mwN) - Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern angesehen werden kann, wenn ein Kreditinstitut dem Bürgermeister einer Gemeinde eine Freilassungserklärung mit einem eindeutigen Hinweis über die Art der Verwendung übersendet. Die klagende Partei konnte davon ausgehen, daß die bei der beklagten Partei mit der Abwicklung des Kaufvertrages befaßten Personen die Bedeutung des im Schreiben vom enthaltenen Hinweises verstehen werden. Dies gilt hier umsomehr, als der Kaufvertrag ohne Mitwirkung einer rechtskundigen Person abgeschlossen wurde und auch auf diese Weise im Grundbuch durchgeführt werden sollte, weshalb die klagende Partei annehmen durfte, daß die hiemit auf seiten der beklagten Partei befaßten Personen die erforderlichen Sachkenntnisse, welche die Bedeutung einer Freilassungserklärung einschließen, besitzen.
Die beklagte Partei hat der klagenden Partei daher den eingeklagten Betrag wegen schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Pflichten zu ersetzen. Auf diesen Rechtsgrund hat die klagende Partei ihr Klagebegehren zwar ausdrücklich nicht gestützt. Dies schadet aber nicht, weil er ihrem Tatsachenvorbringen zu entnehmen ist und es sich bei der Beurteilung des Rechtsverhältnisses zur beklagten Partei als Treuhandverhältnis offensichtlich bloß um eine (unrichtige) rechtliche Qualifikation handelte, mit der aber andere Klagsgründe nicht ausgeschlossen werden sollten (vgl Miet 38.776 ua).
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Fundstelle(n):
GAAAD-64097