OGH 03.05.2007, 1Ob71/07h
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Petra H*****, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Thomas H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert EUR 15.696), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 43 R 733/06x-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 4 C 120/05p-26, bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht gab der Unterhaltsklage teilweise statt und sprach der Klägerin ab einen monatlichen Unterhalt von 436 EUR zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei. Die gegen dieses Urteil erhobene Revision des Beklagten samt Antrag nach § 508 ZPO legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor.
Rechtliche Beurteilung
Diese Vorgangsweise widerspricht der seit Inkrafttreten der WGN 1997 geltenden Rechtslage:
Nach § 502 Abs 4 ZPO ist die Revision in den im § 49 Abs 2 Z 1 und 2 JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten - außer im Fall des § 508 Abs 3 - jedenfalls unzulässig, wenn (wie hier) der Entscheidungsgegenstand insgesamt 20.000 EUR nicht übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann jedoch eine Partei nach § 508 Abs 1 und 2 ZPO binnen vier Wochen nach der Zustellung des Berufungsurteils den beim Erstgericht (§ 508 Abs 2 erster Satz ZPO) einzubringenden Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahin abzuändern, dass die ordentliche Revision doch für zulässig erklärt werde; ein solcher Antrag, der mit der ordentlichen Revision zu verbinden ist, muss die Gründe dafür anführen, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 502 Abs 1 ZPO die ordentliche Revision für zulässig erachtet wird. Im vorliegenden Fall hat der Rechtsmittelwerber das Rechtsmittel rechtzeitig beim Erstgericht eingebracht, darin den Antrag gestellt, das Berufungsgericht möge seinen Ausspruch über die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision dahin abändern, dass die ordentliche Revision zugelassen werde, und weiters ausgeführt, warum er entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision für zulässig erachtet.
Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage ist der Rechtsmittelschriftsatz nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, sind doch im Streitwertbereich des § 502 Abs 4 ZPO Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch der zweiten Instanz die ordentliche Revision nicht zulässig ist, nur dem Gericht zweiter Instanz, nicht aber dem Obersten Gerichtshof vorzulegen (§ 508 ZPO). Der Oberste Gerichtshof darf über das Rechtsmittel nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (RIS-Justiz RS0109623).
Der Akt ist dem Erstgericht zurückzustellen.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Petra H*****, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Thomas H*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 15.696 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom , GZ 43 R 733/06x-39, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 4 C 120/05p-26, bestätigt wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin und der Beklagte sind aufrecht verheiratet. Der Ehe entstammen zwei - mittlerweile etwa 17 und 14 Jahre alte - Kinder. Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümer eines Einfamilienhauses, aus dem der Beklagte im Oktober 2004 auszog. Seither wohnt die Klägerin mit den beiden Kindern darin. Ihr kommt die Obsorge für die Kinder zu, der Beklagte ist diesen gegenüber geldunterhaltspflichtig. Die Klägerin leistet sämtliche fixen und laufenden Kosten für das Haus wie etwa Grundsteuer, Kanalbenützungsgebühr, Strom, Heizöl, Müllgebühren, Wasser und sämtliche Versicherungen.
Das Erstgericht gab der Unterhaltsklage teilweise statt und sprach der Klägerin ab einen monatlichen Unterhalt von 436 EUR zu.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge und sprach letztlich - auf Antrag gemäß § 508 ZPO - aus, dass die Revision zulässig sei. Die Anrechnung eines fiktiven Mietwerts für die alleinige Benützung des gemeinsamen Hauses sei unzulässig, zumal die unterhaltsberechtigte Klägerin sämtliche verbrauchsabhängigen und -unabhängigen Kosten des Hauses trage. Der Beklagte leiste daher keinen anrechenbaren Naturalunterhalt, sodass der Anspruch der Klägerin nicht zu kürzen sei. Des weiteren sei der Klägerin die Aufnahme einer Ganztagsbeschäftigung nicht zumutbar. Die Revision des Beklagten ist entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts - an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO) - mangels einer im Rechtsmittel aufgeworfenen erheblichen Rechtsfrage unzulässig.
Der Beklagte macht geltend, dass der Oberste Gerichtshof von der starren Nichtberücksichtigung eines fiktiven Wohnwerts für die Ehewohnung abgewichen sei; dies insbesondere in den Entscheidungen 1 Ob 159/03v, 1 Ob 84/04s, 1 Ob 123/04a und 4 Ob 142/06w. Es sei daher der geldwerte Vorteil zu berücksichtigen, den die Klägerin aus der Nutzung des Anteils des Beklagten ziehe, wofür der Beklagte einen Betrag von 150 EUR monatlich in Anschlag gebracht habe. Dieser Betrag wäre von seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin in Abzug zu bringen. Weiters sei der Klägerin der „Sprung" von einer 25-Wochenstunden-Beschäftigung zu einer Vollzeitbeschäftigung sehr wohl zumutbar.
Dazu ist auszuführen:
Rechtliche Beurteilung
1. Die vom Revisionswerber zitierte Entscheidung 1 Ob 159/03v lehnte die Anrechnung eines fiktiven Mietwerts der vormaligen Ehewohnung auf den Geldunterhaltsanspruch grundsätzlich und ua mit der (zusätzlichen) Begründung ab, dass in den verbrauchsabhängigen und -unabhängigen Zahlungen der Klägerin für das Haus ein „Äquivalent" für die (anteilige) Wohnungsbenützung gesehen werden könnte. Die Entscheidung 1 Ob 84/04s ist nicht vergleichbar, weil sie zum Thema Naturalunterhalt Zahlungen des Beklagten zur Erhaltung der Wohnmöglichkeit für die Klägerin (Kreditraten und Tilgung des Gehaltsvorschusses) zum Gegenstand hatte und nicht fiktive Mietkosten; ebensowenig vergleichbar ist die Entscheidung 1 Ob 123/04a, welche davon handelte, ob die von der Klägerin getragenen Mietkosten einen unterhaltsrechtlichen Sonderbedarf begründeten. Schließlich hatte die Entscheidung 4 Ob 142/06w - welche die Anrechnung einer fiktiven Mietkostenersparnis als Naturalunterhalt zu Lasten des unterhaltsberechtigten Miteigentümers grundsätzlich bejahte - einen Sachverhalt zur Grundlage, wonach die in Rede stehende Wohnung nicht dem Aufteilungsverfahren unterlag, weil die Frist zur Eröffnung eines Verfahrens nach den §§ 81 ff EheG bereits verstrichen war.
Richtig ist zwar, dass nach ständiger Rechtsprechung vom Unterhaltspflichtigen getragene Wohnungskosten grundsätzlich einen auf den Geldunterhalt anrechenbaren Naturalunterhalt darstellen können (7 Ob 197/06f mwN). Dabei ist aber dem die vormalige Ehewohnung fortan allein gebrauchenden Ehegatten kein fiktiver Mietzins aufzuerlegen (2 Ob 93/06z mwN).
Im vorliegenden Fall leistet die Klägerin sämtliche fixen Kosten für das Haus. Der Beitrag des Beklagten liegt allein in der Zur-Verfügung-Stellung seines Hälfteanteils. Die Kostenzahlungen der Klägerin sind als Äquivalent hiefür zu werten. Erst jüngst hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung vom zu 2 Ob 169/05z bei einem ähnlichen Sachverhalt (zum Kindesunterhalt) ausgesprochen, dass sich aus dem bloßen Miteigentum allein jedenfalls kein Anspruch auf Anrechnung eines fiktiven Mietzinses als Naturalunterhalt auf den Geldunterhalt ableite.
Somit ist die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen im Einklang mit der Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Der Beklagte leistet keinen anrechenbaren Naturalunterhalt, welcher zu einer Kürzung des Anspruchs der Klägerin führen könnte.
2. Die Beantwortung der Frage, ob es der Klägerin zuzumuten ist, ganztägig berufstätig zu sein, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS-Justiz RS0080396) und ist somit grundsätzlich nicht revisibel. Eine korrekturbedürftige krasse Fehlbeurteilung der Vorinstanzen ist nicht zu erkennen.
Die Entscheidung hängt nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab. Die Revision des Beklagten ist folglich zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Kennung XPUBL Diese Entscheidung wurde veröffentlicht in EFSlg 118.228 XPUBLEND |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2007:0010OB00071.07H.0503.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
WAAAD-64018