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OGH vom 18.06.1997, 3Ob507/96

OGH vom 18.06.1997, 3Ob507/96

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Helmut W*****, vertreten durch Dr.Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, wider die beklagte Partei Martin A*****, vertreten durch Dr.Erwin Wartecker, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen S 91.596,01 sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom , GZ 22 R 367/95-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Gmunden vom , GZ 2 C 1462/94-10, aufgehoben wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Schäferhund des Beklagten wurde am bei einer Kollision mit dem von Anita T***** gelenkten PKW verletzt. Der Unfall ereignete sich knapp nach 21 Uhr auf der P***** Landesstraße in F*****, in unmittelbarer Nähe des "L*****gutes". Das landwirtschaftliche Anwesen des Beklagten liegt vom "L*****" ca 1 km entfernt und wird von der P***** Landesstraße, die mit ca 50 m Abstand vorbeiführt, nicht durch einen Zaun getrennt.

Anita T***** kehrte mit ihrem PKW, sofort nachdem sie den Anstoß wahrgenommen hatte, um und bog zum Haus des "L*****" ein, zumal sie annahm, soeben dessen Hund überfahren zu haben. Von dort kam ihr bereits der Wirtschafter des Bauernhofes, Simon W*****, entgegen, der das Kollisionsgeräusch ebenfalls gehört hatte. Zusammen gingen die beiden mit einer Taschenlampe zur Unfallstelle zurück, um nach dem Hund zu sehen. Dieser sprang jedoch, als sich Simon W***** und Anita T***** bis auf ca 3-4 m genähert hatten, unvermittelt von der Straße auf, verschwand zunächst in der Dunkelheit, lief schließlich in die offenstehende Wagenhütte des "L*****" hinein und verkroch sich dort in der hintersten Ecke zwischen einem aufgelehnten Baustahlgitter und Schalttafeln.

Anita T***** alarmierte daraufhin telephonisch den Kläger, der in dieser Nacht den Bereitschaftsdienst versah. Der Kläger parkte sein Fahrzeug so vor dem Remisentor, daß er mit dem Fernlicht die Wagenhütte ausleuchten und den Hund aufspüren konnte. Um das Tier bei günstigeren Lichtverhältnissen näher zu untersuchen, zerrte es der Kläger, ca 10 m weit, aus der Hütte heraus, wobei er es an der Nackenfalte ergriff und festhielt. Der Hund war völlig benommen und setzte sich bei der Bergung auch nicht zur Wehr.

Schon zu diesem Zeitpunkt äußerte der Kläger gegenüber Simon W***** und Anita T***** seinen Verdacht, daß es sich bei dem verletzten Tier um den Hund des Beklagten handeln könnte, nicht zuletzt weil er, der Kläger, als ständiger tierärztlicher Betreuer am Hof des Beklagten den Schäferhund kannte und ihn früher bereits mehrmals ärztlich versorgt hatte.

Vor der Remise legte der Kläger das Tier wieder auf den Boden und schickte sich an, Puls, Schleimhäute und Amtung zu untersuchen. Der Kläger konnte den Puls des Hundes nicht fühlen, woraus er folgerte, daß das Tier unter schwerstem Schock stand. Anschließend prüfte der Kläger die Schleimhäute, um die Kapillarfüllungszeit und damit den Kreislaufstatus des Hundes zu ermitteln. Dabei hielt er das Tier mit der linken Hand an der Nackenfalte, zog ihm gleichzeitig mit der bloßen rechten Hand die Lefzen hoch und drückte mit dem Daumen auf die Mundschleimhäute. Die Mithilfe einer zweiten Person nahm der Kläger nicht in Anspruch, zumal er niemand anderen gefährden wollte. Noch während dieser Kapillarfüllungsuntersuchung drehte der Hund plötzlich seinen Kopf zur Seite, schnappte nach dem Kläger und biß ihn in den Daumen. Vom Kläger losgelassen lief der Hund zurück in die Wagenhütte und versteckte sich dort abermals.

Üblicherweise beträgt die Kapillarfüllungszeit zwei Sekunden; beim Hund des Beklagten dauerte die Wiederbefüllung des blutleeren Fleckes mehr als fünf Sekunden lang, was für den Kläger unter anderem auf innere Verletzungen mit entsprechendem Blutverlust hindeutete. Tatsächlich ist der Hund noch in derselben Nacht in der Wagenhütte des "L*****" verendet.

Durch den Hundebiß erlitt der Kläger eine Fraktur des rechten Daumenendgliedes, einen Nagelbruch und eine Rißquetschwunde. Der Kläger versorgte in der Unfallnacht seine Daumenverletzung vorläufig selbst und versuchte zunächst, den Beklagten von den Geschehnissen zu unterrichten. Er konnte den Beklagten jedoch erst am nächsten Vormittag erreichen; der Beklagte hatte seinen Hund zu diesem Zeitpunkt noch nicht vermißt.

Die medizinische Behandlung der Daumenverletzung wurde am abgeschlossen; der Kläger war bis einschließlich im Krankenstand. In seiner Tierarztpraxis mußte sich der Kläger währenddessen von Berufskollegen vertreten lassen; für diese Vertretungsleistungen hat er insgesamt S 22.630,01 aufgewendet. Ferner konnte der Kläger in der Zeit vom bis planwidrig keine Fleischuntersuchungen für die Marktgemeinde V***** durchführen, wodurch ihm ein Verdienstentgang in der Höhe von S

17.966 enstanden ist.

Bei dem Hund des Beklagten handelte es sich um einen ca zwei Jahre alten, 30-35 kg schweren Schäferrüden. Das als gutmütig geltende Tier wurde vom Beklagten nie an der Leine gehalten, sondern hatte tagsüber freien Auslauf am Hof und auch in der Umgebung. Üblicherweise kehrte der Hund ohnehin spätestens nach einer Viertelstunde von selbst wieder zum Anwesen des Beklagten zurück. Nachts schlief der Schäferhund regelmäßig im Vorhaus. Gelegentlich kam es vor, daß das Tier am Abend aus Versehen von einem der Hausbewohner ausgesperrt wurde. Der Hund machte sich dann so lange durch lautes Bellen bemerkbar, bis man ihm Einlaß gewährte.

Das Tier war vorher noch nie in einen Unfall verwickelt und hatte auch noch nie jemanden gebissen.

Am Abend des verließ der Beklagte um ca 20.45 Uhr das Haus, wobei gleichzeitig auch sein Hund hinauslief. Der Beklagte rechnete damit, daß der Schäfer - wie bisher - schon nach wenigen Minuten von selbst wieder zurückkehren würde. Als der Beklagte später heimkam, hat er nicht mehr überprüft, ob der Hund bereits im Hause war, zumal sich das Tier auch sonst nicht rührte, wenn der Beklagte selbst ins Haus eintrat.

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Zahlung von S 91.596,01 sA, und zwar Schmerzengeld von S 50.000, Aufwand für Praxisvertretungen von S 22.630,01, Verdienstentgang bei der Tierbeschau von S 17.966 und Spesen von S 1.000. Der Beklagte hafte dem Kläger aufgrund der mangelnden Verwahrung des Hundes für diesen Schaden. Zwischen dem Entlaufen des Hundes und der Verletzung des Klägers bestehe ein adäquater Zusammenhang. Der Beklagte habe den Hund schuldhaft entlaufen lassen, obwohl nur wenige Meter neben seinem Haus die P***** Landesstraße vorbeiführe, zu der keine Abgrenzung bestehe und auf der sich der Unfall ereignet habe. Als Tierarzt sei der Kläger zur Leistung Erster Hilfe an verletzten Tieren verpflichtet.

Der Beklagte wendete ein, ihn treffe kein Verschulden. Der Rüde sei im Hof immer frei herumgelaufen und habe nicht an die Kette genommen werden müssen. Mit diesem völlig gutmütigen Hund habe es nie Probleme gegeben, daß er vom Haus weggelaufen wäre. Der Beklagte habe ihn am Abend und in der Nacht immer im Haus verwahrt; der Hund habe vorher niemanden gebissen. Der Beklagte habe die Behandlung des Hundes beim Kläger nicht in Auftrag gegeben. Der Kläger habe den Hund in der Holzhütte aus einer Ecke hervorgezogen; als Tierarzt, der im Umgang mit Tieren besonders geschult und erfahren sei, hätte er wissen müssen, daß ein offensichtlich schwer verletztes Tier in der Dunkelheit besonders gefährlich reagieren kann. Allenfalls wäre es auch erforderlich gewesen, den Beklagten als Hundehalter vorher zu verständigen, sodaß er beruhigend auf das Tier hätte einwirken können. Auch dies sei vom Kläger jedoch unterlassen worden. Der Unfall und auch der Eintritt einer Verletzung bei einem behandelnden Tierarzt sei nicht vorhersehbar gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab; es führte in rechtlicher Hinsicht aus, nach § 1320 Satz 1 ABGB sei grundsätzlich derjenige für einen Tierschaden verantwortlich, der das Tier dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt habe. Damit entfalle eine Haftung des Tierhalters, wenn der Geschädigte das Tier gereizt habe und so der Verantwortliche selbst Opfer der Beschädigung geworden sei. Der Kläger sei als diensthabender Tierarzt zum Hund des Beklagten gerufen worden und habe in dieser Eigenschaft eine Kapillarfüllungsuntersuchung durchgeführt, die darin bestehe, auf der Mundschleimhaut des verletzten Tieres durch Daumendruck eine Anämie zu erzeugen, um anschließend die Wiederbefüllungszeit des blutleeren Fleckes zu messen. Die geschilderte Untersuchungsmethode diene der Ermittlung des Kreislaufzustandes von Lebewesen insbesondere nach Schockereignissen bzw bei Verdacht auf innere Blutungen. Daß diese medizinische Diagnosemaßnahme nicht völlig ungefährlich sei, habe der Kläger selbst eingeräumt, als er darauf verwiesen habe, er habe sich den Hund während der Untersuchung von niemand anderem halten lassen wollen. Damit sei dem Kläger die Gefährlichkeit seines Handelns im Hinblick auf allfällige Schädigungen durch das Tier fraglos bewußt gewesen; dennoch habe er nicht von denkbaren weiteren Sicherungsmöglichkeiten Gebrauch gemacht. So hätte er den Hundehalter, der ihm in der Person des Beklagten durchaus bekannt gewesen sei, verständigen und um Mithilfe versuchen können. Im Raum stehe ferner die fachmännische Auskunft des Klägers, wonach der Nackengriff üblicherweise die Reglosigkeit des Tieres bewirke und insofern eine geeignete Vorsorgemaßnahme gegen die Zufügung von Bißverletzungen, etwa während der Untersuchung der Mundschleimhaut, darstelle. Davon ausgehend bleibe aber nur der Schluß, daß der Kläger diesen Nackengriff eben nicht sorgfältig genug praktiziert habe, sodaß es letztlich zur Gegenwehr des schwer geschockten Tieres kommen konnte. Insgesamt stehe jedenfalls außer Zweifel, daß primär das Verhalten des Klägers - wenngleich in Erfüllung seines tierärztlichen Auftrags, den er aber nicht unentgeltlich zu leisten verpflichtet gewesen sei - als Ursache für den Hundebiß und die darauf folgende Körperverletzung anzusehen sei. Unter den geschilderten Aspekten scheine es aber unbillig, den Schaden des Klägers nunmehr aus dem Titel der Tierhalterhaftung auf den Beklagten zu überwälzen.

Gemäß § 1320 Satz 2 ABGB treffe den Tierhalter die Verantwortung für Schäden aus der typischen Tiergefahr, wenn er nicht beweise, daß er für die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres gesorgt hatte. In Richtung Straßenverkehr stelle es grundsätzlich eine Verletzung der Sorgfaltspflichten dar, wenn ein Tierhalter seinen (auch gutmütigen) Hund unbeaufsichtigt herumlaufen lasse bzw gegen das Entlaufen des Hundes auf Straßen keine Vorsorge treffe. Der Beklagte habe seinen Hund regelmäßig frei herumlaufen lassen, obwohl sein Anwesen nicht durch einen Zaun von der etwa 50 m entfernten Landstraße abgegrenzt werde. Damit falle dem Beklagten jedenfalls im Hinblick auf die Gefahren des Straßenverkehrs eine schuldhafte Vernachlässigung seiner Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht zur Last. Daß der Beklagte dem Kläger daraus allerdings für die Bißverletzung haften solle, die ihm der Hund anläßlich der durch den Verkehrsunfall erforderlich gewordenen tierärztlichen Untersuchung zugefügt habe, sei gleichermaßen unter den Gesichtspunkten des Rechtswidrigkeitszusammenhanges und der Adäquanz zu verneinen. Soweit nämlich nicht die Gefahren des Straßenverkehrs in Frage stehen, sei das freie Herumlaufen von an sich gutmütigen Hunden - auch auf der Straße - unbedenklich. Da der Hund zuvor noch niemanden gebissen habe, habe der Beklagte zu Recht von der Gutmütigkeit seines Schäferhundes ausgehen dürfen. Es seien diesbezüglich nach dem Normzweck besondere Bewegungseinschränkungen nicht geboten gewesen, zumal in diesem Schadensfall primär nicht die Verwirklichung der typischen Tiergefahr des unkontrollierten Umherlaufens im Straßenverkehr, sondern jene des unberechenbaren Zufügens von Bißverletzungen - und diese in erster Linie unbeteiligten Dritten und weniger einem behandelnden Tierarzt gegenüber - zur Beurteilung anstehen.

Schließlich scheitere eine Schadenszurechnung zum Beklagten auch unter dem Wertungsgedanken der Adäquanz. Adäquität liege vor, wenn das Schadensereignis die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöhe. Hier sei dem Kläger zwar in seiner Argumentation zu folgen, wonach die Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten adäquate Ursache für das notwendig werdende tierärztliche Einschreiten des Klägers und insofern vorhersehbare Folge für den Beklagten gewesen sei, nicht jedoch darin, daß die Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten die Gefahr für den Tierarzt und deren Erkennbarkeit für den Beklagten in erheblichem Ausmaß erhöht habe, er werde nämlich im Zuge seines Einschreitens vom behandelten Hund auch gebissen. Vielmehr gelte hier der Grundsatz, daß die Grenzen der Adäquität im jeweiligen Einzelfall nach Gewichtung der Zurechnungselemente auf Seiten beider Streitteile zu ziehen seien. Der im Hinblick auf die festgestellte Gutmütigkeit des Hundes als eher geringfügig zu bewertenden Verwahrungspflichtverletzung des Beklagten stehe das bewußte, das spätere Schadensereignis höchstgradig begünstigende Einschreiten des Klägers gegenüber, wobei für eine Zurechnung zum Kläger noch seine besondere Sachkunde und der Umstand spreche, daß er bei Aufnahme der Behandlung das Tier und damit seinen Halter bereits gekannt habe. In wertender Gesamtbetrachtung müßte es daher unbillig erscheinen, den Beklagten im Wege der Tierhalterhaftung mit Schadensfolgen zu belasten, die einer tierärztlichen Untersuchung, die nach den Grundsätzen der notwendigen Geschäftsführung ohne Auftrag im übrigen nicht unentgeltlich zu leisten war, bis zu einem gewissen Grad sogar immanent seien. Dieser Fall unterscheide sich nämlich im Hinblick auf die spezifischen Gefahren, denen ein behandelnder Tierarzt bei seiner Berufausübung regelmäßig ausgesetzt sei, durch nichts von allen übrigen Fällen, in denen sich der solcherart Geschädigte nicht infolge einer außergewöhnlichen Verkettung der Ereignisse auf eine vorangegangene Sorgfaltspflichtverletzung des Tierhalters berufen könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers Folge, hob das erstgerichtliche Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück; es ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu, weil durchaus auch gewichtige Argumente für die Rechtsansicht des Klägers sprächen, eine veröffentlichte höchstgerichtliche Judikatur zu wirklich vergleichbaren Fällen fehle und auch im strafrechtlichen Schrifttum verschiedentlich die Ansicht vertreten werde, daß für Unfälle im Zusammenhang mit Rettungsmaßnahmen auch von berufsmäßigen Helfern keine Haftung des Erstverursachers bestehe. Das Berufungsgericht führte aus, gemäß § 1320 ABGB sei der Tierhalter für einen verursachten Tierschaden verantwortlich, wenn er nicht beweise, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung des Tieres gesorgt habe. Unter Tierschaden sei nicht jeder Schaden zu verstehen, den ein Tier verursacht habe, sondern nur ein solcher, der seine Ursache in der besonderen Tiergefahr habe, nämlich der Unberechenbarkeit des Triebverhaltens, das auf die Interessen des Menschen keine Rücksicht nehme. Die Haftung betreffe somit alle Fälle, in denen das Tier infolge seiner tierischen Eigenschaft Schäden anrichte, und zwar gleichgültig in welcher Weise, ob etwa durch Anspringen, Beißen, Stoßen, Schlagen, Laufen, Entlaufen und dergleichen. Auch dann, wenn Tiere durch äußeren Anreiz zu jäheren Bewegungen veranlaßt werden, liege Betätigung der tierischen Natur vor, wogegen in Fällen, in denen das Tier nur mechanisches Werkzeug einer von außen wirkenden Kraft sei oder ein äußeres Ereignis auf Körper oder Sinne des Tieres mit so übermächtiger Gewalt einwirke, daß dem Tier keine Freiheit zu anderem Verhalten bleibe, es an der spezifischen Tiergefahr fehle. Wenn ein bei einem Verkehrsunfall verletztes und dadurch geschocktes bzw gereiztes Tier jemanden beiße, werde der Schaden durch die besondere Tiergefahr verwirklicht und liege daher grundsätzlich ein Anwendungsfall des § 1320 ABGB vor. Vor allem erschöpften sich auch die von ansonsten gutmütigen Tieren ausgehenden Gefahren nicht allein in deren unkontrolliertem Auftauchen im Straßenverkehr, verbunden mit der dem Tier im allgemeinen fehlenden Fähigkeit zu einem verkehrsgerechten Verhalten; gutmütige Hunde könnten sehr wohl in Ausnahmesituationen, etwa wenn sie sich nach einem Unfall in einem gereizten bzw geschockten Zustand befinden, eine weitergehende Gefahr für Menschen darstellen, insbesondere auch für Personen, die sie einfangen wollen, weil sie den näheren Zweck dieser Handlung nicht verstehen können. Schließlich bedeute das unbeaufsichtigte Herumlaufenlassen (auch gutmütiger) Hunde auf der Straße eine Vernachlässigung der Verwahrungspflicht durch den Tierhalter, sodaß das Verhalten des Beklagten, der gegen das Entlaufen seines Schäferhundes keinerlei Vorsorge traf, sehr wohl als Sorgfaltsverletzung zu qualifizieren sei. Es sei auch nicht zweifelhaft, daß zwischen diesem Entlaufenlassen des Hundes und der eingetretenen Bißverletzung des Klägers ein adäquater Kausalzusammenhang bestehe. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Schädigers und dem eingetretenen Schaden sei nämlich nicht nur dann anzunehmen, wenn das Verhalten den eingetretenen Schaden unmittelbar verursacht habe; adäquate Kausalität liege auch dann vor, wenn eine weitere Ursache für den eingetretenen Schaden hinzugetreten sei und dieses Hinzutreten nicht außerhalb der menschlichen Erfahrung liege. Eine adäquate Schadensursache liege also dann vor, wenn sie ihrer allgemeinen Natur nach für die Herbeiführung eines Erfolges wie des eingetretenen nicht als völlig ungeeignet erscheine, wenn es sich also um keinen atypischen Erfolg handle. Ein Schaden sei dagegen inadäquat, wenn seine Ursache nur zufolge einer ganz außergewöhnlichen Verkettung von Umständen zu einer Bedingung wurde. Daß ein bei einem Verkehrsunfall verletztes Tier infolge seiner dadurch bedingten Gereiztheit bzw eines dadurch verursachten Schockzustands einen herbeigerufenen Tierarzt beißt, der es zur Verhinderung weiterer Gefahren einfangen und schließlich untersuchen will, sei keineswegs als eine gänzlich außerhalb menschlicher Erfahrung liegende völlig ungewöhnliche Reaktion des Tieres anzusehen, sodaß das Vorliegen eines atypischen Erfolgs zu verneinen sei. Schließlich sei die Adäquanz des Kausalzusammenhangs objektiv und nicht danach zu beurteilen, was dem Schädiger subjektiv vorhersehbar war, sodaß es auch nicht entscheidend darauf ankomme, ob der Beklagte mit dem Eintritt eines derartigen Schadens - infolge der Vernachlässigung seiner Verwahrungspflicht - hätte rechnen können.

Es besteht zwar dann keine Haftung, wenn als weitere Ursache für den Schaden ein freies menschliches Handeln hinzukomme, mit dem der Schädiger nach der Lebenserfahrung nicht zu rechnen brauche. Ein derartiger Fall liege hier jedoch nicht vor, weil der Beklagte sehr wohl damit habe rechnen müssen, daß dann, wenn sein unbeaufsichtigt im Straßenverkehr herumlaufender Hund bei einem Verkehrsunfall verletzt werden sollte, ein Tierarzt zu Hilfe gerufen werden könnte, um das Tier einzufangen und an diesem Erste Hilfe zu leisten. Es liege schließlich auch nicht der Fall vor, daß sich der Kläger ohne entsprechende Notwendigkeit dem Tier genähert hätte, weil er dabei in Ausübung seiner Berufspflicht gehandelt habe.

Gelange aber eine Person, deren Aufgabe die Bekämpfung derartiger Gefahren sei, im Zuge einer solchen Tätigkeit in den Gefahrenbereich, bestehe zwischen der Schaffung der Gefahr und der daraus erfolgten Verletzung dieser Person ein Rechtswidrigkeitszusammenhang. Auch wenn sich bei rechtlich verpflichteten (berufsmäßigen) Helfern, wozu auch Tierärzte zu zählen seien, in deren Verletzung ein spezifisches Berufsrisiko verwirkliche, könne von einer freiwilligen Selbstgefährdung keine Rede sein; der Eigenverantwortlichkeit des Verhaltens des Helfers komme daher nur insoweit Bedeutung zu, als dessen eigenes schuldhaftes Verhalten bei der erlittenen Verletzung eine Schadensteilung nach § 1304 ABGB rechtfertigen könne. Ein gänzlicher Haftungsausschluß könnte allenfalls in dem Fall in Betracht gezogen werden, als dem Helfer ein grob fahrlässiges Verhalten anzulasten wäre. Eine auffallende Sorglosigkeit des Klägers bei Durchführung der Untersuchung der Mundschleimhäute des Hundes des Beklagten sei aber wohl auszuschließen. Zweifellos sei der Kläger aber zu vorbeugenden Sicherungsmaßnahmen in diesem Zusammenhang verpflichtet, zumal derjenige, der an einem Hund Verrichtungen vornimmt bzw vorzunehmen hat, die erfahrungsgemäß das Tier zu schadensstiftenden Handlungen oder Bewegungen veranlassen können, bei seinen Hantierungen am Tier die erhöhte Tiergefahr in Rechnung stellen und daher seine Hantierungen mit einer dementsprechend erhöhten Sorgfalt und Vorsicht ausführen müsse. Der Kläger habe daher bei der Untersuchung des Hundes nach dessen Bergung auch in Rechnung stellen müssen, daß dieser unmittelbar vorher von einem PKW angefahren wurde und sich offenbar in einem schweren Schockzustand befand, wie er dies anläßlich des Herausziehens des Tieres aus der Wagenhütte und der nachfolgenden Überprüfung des Pulses auch selbst feststellen konnte. Die Schlußfolgerung des Erstgerichtes, daß der Kläger den von ihm praktizierten Nackengriff nicht sorgfältig genug ausgeführt habe und es dadurch letztlich zur Gegenwehr des schwer geschockten Tieres habe kommen können, beruhe auf keinen konkreten Beweisergebnissen; es handle sich dabei um eine der Beurteilung eines tierärztlichen Sachverständigen vorbehaltene Fachfrage; der Erstrichter habe im weder im Zuge der Verhandlung noch bei Verfassung des Urteils zum Ausdruck gebracht, daß er über das hiefür erforderliche Fachwissen im Sinn des § 364 ZPO verfüge. Schließlich fehlten auch den Mitgliedern des Berufungssenates die erforderlichen Fachkenntnisse für die Beurteilung der Frage, welche Sicherungsmaßnahmen bei einer derartigen Untersuchung eines bei einem Verkehrsunfall verletzten und dadurch schwer geschockten Tieres nach den anerkannten Regeln der tierärztlichen Kunst anzuwenden sind, inwieweit der vom Kläger praktizierte Nackengriff eine an sich taugliche Sicherungsmaßnahme darstellt und ob es auch dann, wenn dieser entsprechend sorgfältig genug durchgeführt wird, zu panikartigen Reaktionen des untersuchten Tieres kommen kann. Damit fehlten aber die erforderlichen Sachverhaltsgrundlagen für die abschließende Beurteilung der Frage, ob der Kläger bei der Hantierung am Hund des Beklagten die der erhöhten Gefahr des Tieres entsprechende Sorgfalt beobachtet hat und die ihm zugefügte Bißverletzung ohne sein Verschulden entstanden ist. Ein Antrag auf Einholung eines Gutachtens eines tierärztlichen Sachverständigen sei zwar von den Parteien nicht gestellt worden; das Erstgericht hätte aber diese Frage, wenn es eine entsprechende Sorgfaltswidrigkeit des Klägers - obwohl in dieser Form vom Beklagten nicht ausdrücklich vorgebracht - als naheliegend erachtete, von Amts wegen mit den Parteien erörtern und allenfalls auch amtswegig ein entsprechendes Sachverständigengutachten einholen müssen. Im fortzusetzenden Verfahren seien auch die entsprechenden Sachverhaltsgrundlagen für die Beurteilung eines allfälligen Mitverschuldens des Klägers zu schaffen, wobei ohne Einholung eines Gutachtens eines tierärztlichen Sachverständigen eine verläßliche Beurteilung der Verschuldensfrage ausgeschlossen erscheine.

Vor allem könne auch der weiters vom Erstgericht vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden, daß den Kläger schon allein deshalb ein Verschulden an der erlittenen Verletzung treffe, weil er den Beklagten als Hundehalter nicht zur Untersuchung beigezogen und ihn zuvor auch telefonisch nicht verständigt habe. Der Kläger habe nämlich bloß den Verdacht gehabt, daß es sich beim verletzten Tier um den Hund des Beklagten handeln könnte. Weiters könne ein Tierarzt ganz allgemein vor Durchführung einer Erste-Hilfe-Leistung an einem schwerverletzten und geschockten Tier auch im Interesse des Tieres nicht verpflichtet sein, zuvor dessen Halter telefonisch herbeizurufen, sofern es sich nicht um ein erkennbar besonders gefährliches Tier handle, dessen Behandlung ohne Zuziehung seines Halters ein besonderes Sicherheitsrisiko bedeuten würde und auch die Art der erlittenen Verletzung des Tieres nicht ein sofortiges Einschreiten erfordere. Weiters sei auch die Einholung des beantragten medizinischen Sachverständigengutachtens zur Angemessenheit des vom Kläger geltend gemachten Schmerzengeldes erforderlich.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Beklagten ist im Ergebnis nicht berechtigt.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes kann der Kläger allerdings seine Schadenersatzansprüche nicht auf eine Verletzung der Schutzvorschrift des § 1320 ABGB durch den Beklagten stützen. Gemäß § 1320 Satz 2 ABGB ist der Tierhalter für einen verursachten Tierschaden verantwortlich, wenn er nicht beweist, daß er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung des Tieres gesorgt hat. Die Haftung des Tierhalters gemäß § 1320 ABGB setzt voraus, daß der eingetretene Schaden auf die besondere Tiergefahr zurückzuführen ist, der durch die Pflicht zur sorgfältigen Verwahrung des Tieres begegnet werden soll. Eine Haftung des Tierhalters gemäß § 1320 ABGB kommt demnach nur in Betracht, wenn der Schaden auf die spezifische Gefährlichkeit des Tieres zurückzuführen ist (ZVR 1983/313 ua).

Die der Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB zugrundeliegende besondere Tiergefahr besteht grundsätzlich darin, daß Tiere durch ihre von Trieben und Instinkten gelenkten Bewegungen, die nicht durch die Vernunft kontrolliert werden, Schaden stiften können (ZVR 1993/123 ua; Koziol, Haftpflichtrecht II**2 405). Als Grund für die Schadensstiftung durch einen Hund kommt nicht nur dessen Bösartigkeit, vor allem Bissigkeit, in Frage; auch von gutmütigen Tieren gehen etwa durch deren unkontrolliertes Auftauchen im Straßenverkehr Gefahren aus (ZVR 1993/123; vgl Reischauer in Rummel, ABGB**2, Rz 2 zu § 1320).

Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls (ZVR 1994/52; JBl 1982, 150 uva; Reischauer in Rummel, ABGB**2, Rz 12 zu § 1320). Es trifft daher nicht zu, daß ein Hund in ländlicher Umgebung stets frei herumlaufen darf (ZVR 1994/52). Ein Hundehalter, dessen Haus in der Nähe einer befahrenen Straße liegt, hat sein Tier so zu verwahren, daß es nicht ohne Kontrolle auf die Straße gelangen kann (ZVR 1976/367; ZVR 1973/156 ua; Harrer in Schwimann, ABGB**2, Rz 12 zu § 1320). Entscheidend ist hiebei der Umstand, daß ein (unbeaufsichtigter) Hund eine erhebliche Gefahr für den Straßenverkehr darstellt, weil er sich nicht entsprechend verhalten kann. Der (unkontrollierte) Freilauf eines Hundes ist daher generell als unzulässig zu beurteilen, sofern die Möglichkeit besteht, daß das Tier eine befahrene Straße erreicht (ZVR 1985/172; Harrer aaO). Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, daß dem Beklagten zur Last zu legen ist, daß er nicht für die erforderliche Verwahrung vorgesorgt hat.

In der Rechtsprechung wurde aber immer anerkannt, daß die Verletzung eines Schutzgesetzes nicht schlechthin zum Ersatz aller Schäden verpflichtet. Es wurden, sei es bei der Frage des von der Norm intendierten Schutzzweckes, sei es bei der Beurteilung sogenannter Folgeschäden, Haftungsbeschränkungen anerkannt. Was den intendierten Schutzzweck betrifft, wurde ausgeführt, daß bei Übertretung einer Schutznorm nur für Schäden gehaftet wird, die die übertretene Norm nach dem Schutzzweck gerade verhindern will. Schäden, die nicht darunter fielen, seien mittelbare Schäden (JBl 1987, 720; SZ 59/68;

SZ 57/173; SZ 55/190; SZ 54/96; JBl 1979, 597; 1 Ob 37/82;

F.Bydlinski, Probleme der Schadensverursachung 63); die Norm müsse den Schutz des Geschädigten bezwecken (SZ 52/5). Ersetzbar sind daher solche Nachteile, die aus dem Bereich der Gefahr stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (Heinrichs in Palandt56 261; Grunsky in MünchKomm3 Rz 44 Vor § 249; Mertens in MünchKomm**2 Rz 40 zu § 823; Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts I14 443). Bei teleologischer Interpretation der Vorschrift des § 1320 ABGB kann dann aber kein Zweifel sein, daß diese Vorschrift gerade die körperliche Integrität vom Halter verschiedener Personen schützen will. Nun ist die Verletzung des Klägers aber nicht darauf zurückzuführen, daß er etwa vom frei herumlaufenden Hund angefallen wurde; in die natürliche Verursachungskette schob sich eine Verletzung des Hundes, die wieder dazu führte, daß dieser sich in einem fremden Anwesen verkroch und der Kläger als Tierarzt zu Hilfe gerufen wurde; erst anläßlich der Untersuchung des Hundes kam es dann zur Verletzung des Klägers. Es liegt somit ein sogenannter Folgeschaden vor. Aufgrund welcher dogmatischer Erwägungen im Einzelfall die Haftung für solche Folgeschäden anerkannt oder verneint wird, darüber ist sich die Lehre vollends uneinig. So führt Welser in ÖJZ 1975, 43 aus, streitig sei, wie sich die Rechtswidrigkeitszusammenhangslehre zur Adäquanz verhalte, da doch beide Kriterien auf die objektive Vorhersehbarkeit von Gefahren abstellten. Manche Autoren wollten die Adäquität in der Schutzzwecklehre aufgehen lassen, andere beide Gesichtspunkte nebeneinanderstellen, wobei sie meist eine gewisse Verwandtschaft konzedierten. Auch die zivilrechtliche Rechtsprechung zur Schutzzwecklehre habe ihr Verhältnis zur Adäquanz bisher nicht geklärt. Manchmal berufe sich der Oberste Gerichtshof nur auf den Rechtswidrigkeitszusammenhang, manchmal - und das gelte besonders für die Folgeschäden - nur auf die Adäquität. In einigen Fällen verwende das Gericht Formulierungen, die es anscheinend bewußt offenließen, ob Adäquanz nur ein anderes Wort für Schutzzwecklehre sei. Der Streit habe allerdings nur theoretische Bedeutung. Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht**2 I 168 bezeichnet das Verhältnis von Adäquität und Normzweck als problematisch und heftig umstritten. Die Rechtsprechung habe zu diesem Problem noch nicht ausdrücklich Stellung genommen, sie wende aber beide Begrenzungskriterien an. F.Bydlinski aaO lehrt, bei der Bestimmung des Schutzbereiches der verletzten Verhaltensnorm könnten Erwägungen eine wesentliche Rolle spielen, die jenen über die Adäquität ähnlich seien. Sei ein Verhalten nur unter dem Aspekt einer bestimmten Norm rechtswidrig, bei deren Einhaltung es jedoch in Richtung auf den tatsächlich entstandenen Schadenserfolg nicht weniger gefährlich wäre, als es tatsächlich sei, so fehle es am Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der verletzten Norm und dem eingetretenen Schaden.

In der Rechtsprechung wurde einerseits gleichfalls ausgeführt, es käme nur darauf an, daß die Norm gerade den Schutz des geschädigten Gutes bezwecke, es müsse daher auch die Art des Schadens vom Normzweck umfaßt sein (SZ 52/5; JBl 1979, 597; 1 Ob 37/82; 7 Ob 592/82), andererseits wird die Schadenersatzpflicht dahin begrenzt, daß für atypische Folgen der Verletzung eines Schutzgesetzes nicht nach dieser Norm, sondern nach allgemeinen Grundsätzen gehaftet werde (JBl 1972, 572 mwN).

Auch in der Bundesrepublik Deutschland wird das Problem der Haftungsbeschränkung von Folgeschäden durchaus erkannt. Die Lehre bietet aber kein einheitliches Bild. Ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben seien folgende Meinungen einander gegenübergestellt: Die Vermeidung ganz fernliegender Schäden falle in der Regel nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm (Grunsky aaO Rz 43). Die teleologische Auslegung der Haftungsnorm lege die Grenze der Haftung und der Schadenszurechnung fest (Soergel/Mertens12 Rz 123 Vor § 249). Ein Schadenersatz sei dann nicht gerechtfertigt, wenn nicht die der ratio einer Sorgfaltspflicht zugrundeliegende Verletzung oder der der ratio des Rechtsgüterschutzes zugrundeliegende Schadenstyp, sondern ganz andere Folgen sich ereignet haben. Auch wenn diese zu Schäden des Verletzten geführt hätten, erscheine dies als zufälliger, nicht dem Verursacher zuzurechnender Zusammenhang (Esser/Weyers, Schuldrecht II7 564). Ob diese Begrenzung durch die Rechtfigur der Relativierung des Rechtswidrigkeitsurteiles erreicht werden könnte (Ehrenzweig II/1**2 44; ihm offenbar folgend Deutsch, Haftungsrecht I 235, 241; Lange, Schadenersatz**2 103 sowie Esser/Schmidt, Schuldrecht I6 537 - strikt ablehnend Larenz aaO 446), kann hier dahingestellt bleiben, weil es bei der Frage der Begrenzung von Folgeschäden nicht um die Kausalität der Tatsachenereignisse (natürliche Kausalität), sondern um die Frage geht, ob der tatsächlich eingetretene Schaden normadäquat ist (Larenz aaO 443). Auch Ulrich Huber in FS Wahl 317, der sich um die Abgrenzung zwischen Adäquanztheorie und Schutzbereichslehre bemüht, erkennt die Möglichkeit an, daß bei der Frage des Haftungsumfanges die Adäquanz als Moment des Tatbestandsmerkmales der Pflichtwidrigkeit berücksichtigt werden könne; auch Rechtsgutverletzungen, die die adäquate Folge eines Normverstoßes bildeten, können aus diesem Grund außerhalb des Schutzbereiches der Norm liegen. In diese Richtung weisen auch die Ausführungen von Karollus in Funktion und Dogmatik der Haftung aus Schutzgesetzverletzung 378 f, anstelle der Adäquanzgrenze solle eine eigenständige modale Schutzzweckprüfung eingeführt werden. Zutreffend weisen allerdings Larenz aaO 448 sowie Ulrich Huber aaO 321, 328 darauf hin, daß bei Verletzung eines von der Schutznorm umfaßten Rechtsgutes die Ausnahme vom Prinzip der Totalrestitution (also der Ausschluß der Haftung für gewisse Folgeschäden) zu begründen sei (einschränkend allerdings Karollus aaO 382, der ausführt, im Regelfall werde davon auszugehen sein, daß eine Norm nur vor typischen und eben deshalb vom Gesetzgeber mitbedachten Schadensfolgen schützen solle).

In Österreich untersuchte zuletzt Karollus aaO die Frage der Haftung für Folgeschäden bei Schutzgesetzverletzungen. Im Anschluß an Wilburg will Karollus die normimmanente Risikoverteilung im Einzelfall im Sinn eines beweglichen Systems näher bestimmen (aaO 386 ff). Es sei zu berücksichtigen, ob die Verletzung des Schutzgesetzes das Risiko der Rechtsgutbeeinträchtigung vergrößert oder ob sich nur das allgemeine Lebensrisiko des Geschädigten verwirklicht habe (aaO 387;

in diesem Sinn auch Grunsky aaO Rz 72; Soergel/Martens aaO Rz 147;

ablehnend allerdings Larenz aaO 448), in den Kreis der Beurteilung sei der personale Handlungsunwert (aaO 388 - für die Einbeziehung der Schuldform bei der Prüfung der geschützten Rechtsgüter im Fall der Vertragshaftung siehe Koziol in JBl 1986, 106 f) sowie, wie weit der Folgeschaden von jenen Schadensfolgen entfernt ist, die die übertretene Norm unmittelbar hintanhalten will einzubeziehen (aaO 389; von einem anderen Ausgangspunkt vgl Ulrich Huber aaO 331: Liegt ein Folgeschaden im Grenzbereich der Adäquanz, dann spricht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, daß ein Folgeschaden nicht mehr in den Schutzbereich der verletzten Norm fällt).

Der erkennende Senat folgt der Lehre, daß die Frage der Haftung für aus der Verletzung einer Schutznorm herrührende Folgeschäden nicht aufgrund der adäquaten Kausalität des tatsächlichen Geschehensablaufes, sondern nach der Normadäquanz (modale Schadenentstehung) zu beurteilen ist; im Einzelfall sind in Form eines beweglichen Systems Risikozuteilung, allgemeines oder besonderes Lebensrisiko, Unrechtsintensität und Entfernung des Folgeschadens vom zuerst intendierten Ziel einer Haftung aus Verletzung des Schutzgesetzes miteinander in Beziehung zu setzen. Dies führt im vorliegenden Fall zur Ablehnung einer Haftung wegen Verletzung des Schutzgesetzes nach § 1320 ABGB. Anders als im Fall der Entscheidung JBl 1979, 597 (Verletzung eines Feuerwehrmannes bei der Brandbekämpfung) schritt der Kläger nicht deshalb ein, um die durch die Verletzung eines Schutzgesetzes weiterhin bestehende Gefahr einzudämmen oder zu beseitigen. Der Kläger war nicht etwa damit beschäftigt, den frei herumlaufenden Hund des Beklagten, der eine Gefahr für andere Rechtsgüter bedeutete, einzufangen oder ruhig zu stellen. Er war vielmehr im Rahmen seiner allgemeinen Berufspflicht eingeschritten, um das früher frei herumlaufende Tier, das sich aber nunmehr verletzt in einer Wagenremise befand, zu behandeln. Die Verletzung des Klägers hätte genauso eintreten können, wenn sich ein ordnungsgemäß verwahrter Hund aus welchen Umständen immer erheblich verletzt hätte und der Kläger vom Halter des Hundes vertraglich zur Behandlung des in einem Schlupfwinkel verkrochenen Tieres herbeigeholt worden wäre. Daß der Hund auch ohne die erlittene Verletzung bissig gewesen, sodaß im Rahmen eines Behandlungsvertrages eine Aufklärungspflicht über die Gefährlichkeit des Tieres erforderlich gewesen wäre, wurde nicht behauptet. Geht man nun von den Beurteilungskriterien des dargestellten beweglichen Systems aus (allgemeines Lebensrisiko, Entfernung des Folgeschadens von der Intention der Aufstellung des Schutzgesetzes, bloßer Vorwurf eines fahrlässigen Verhaltens) ist die Verletzung des Klägers nicht mehr als normadäquat im Sinn der Vorschrift des § 1320 ABGB zu beurteilen. Eine deliktische Haftung nach § 1320 ABGB scheidet daher aus.

Dies führt aber nicht dazu, daß das Klagebegehren abzuweisen wäre. Der Kläger, der in der Unfallsnacht Bereitschaftsdienst versah, wurde von der PKW-Lenkerin, deren PKW mit dem Hund kollidiert war, alarmiert. Daß ein Behandlungsvertrag mit der PKW-Lenkerin oder dem Eigentümer der Wagenremise, in der sich der Hund verkrochen hat, abgeschlossen worden wäre, wurde weder behauptet noch festgestellt. Es kann also sein, daß der Kläger somit für den Beklagten im Notfall (Rettung des Hundes) dessen Geschäfte besorgte. Damit wäre er Geschäftsführer ohne Auftrag gewesen (s Rummel in Rummel**2 Rz 1 zu § 1036 ABGB). Dem stünde auch die Vorschrift des § 21 Abs 3 TierärzteG nicht entgegen; danach darf der Tierarzt die Leistung der Ersten Hilfe bei einem Tier nicht verweigern, wenn ihm die Hilfeleistung im Hinblick auf die damit verbundene Gefahr und ohne Verletzung anderer überwiegender Interessen zumutbar ist. Es ist heute anerkannt, daß die Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag auch dann anzuwenden sind, wenn der Geschäftsführer mit der Geschäftsführung zugleich auch eigene Interessen verfolgt (1 Ob 2168/96x; Koziol in JBl 1973, 477). Dieser Gedankengang muß auch dann greifen, wenn eine öffentlich-rechtliche Rechtspflicht, tätig zu werden, bestand. Maßgeblich kann nur sein, ob unabhängig von der gesetzlichen Pflicht, tätig zu werden, die Voraussetzungen für eine Geschäftsführung ohne Auftrag dem Begünstigten gegenüber bestanden haben (Apathy in Schwimann**2 Rz 4 zu § 1035 ABGB; Fitz, Risikoverteilung bei Tätigkeit im fremden Interesse 40). Gerade bei einer Verpflichtung zur Hilfeleistung wird dann aber in der Regel nicht angenommen werden können, daß die mit der Ausführung des Geschäfts verbundenen Lasten und Risiken endgültig von dem zu tragen sind, der die Hilfe leistet (Meissel, Geschäftsführung ohne Auftrag 74). Entgegen Rummel in Rummel**2 Rz 6 zu § 1036 ABGB sind dann aber die Regeln der Geschäftsführung unmittelbar und nicht nur kraft Analogie anzuwenden. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner vielbeachteten Entscheidung 2

Ob 46/95 = SZ 68/142 = EvBl 1996/39 = DRdA 1996/311 mit Glosse von

Grömmer/Oberhofer = ÖZW 1997, 14 mit Glosse von Fitz ausgesprochen,

daß dem Nothilfe leistenden Geschäftsführer ohne Auftrag aufgrund einer Billigkeitshaftung in Anlehnung an die Vorschriften der §§ 1306 a und 1310 ABGB für dabei zufällig zugezogene Verletzungen eine angemessene Entschädigung geleistet werden könnte. Ob und in welchem Umfang dem Nothilfe leistenden Geschäftsführer Ersatz gebühre, hänge von den Umständen des Einzelfalls ab. Hiebei werde etwa auf das Verhältnis zwischen der dem Geschäftsführer drohenden Gefahr und dem vom Geschäftsführer eingegangenen Risiko, die Art und die Höhe der Schäden des Geschäftsführers, eine Mitwirkung an der Entstehung der Gefahrenlage sowie auf die wirtschaftliche Tragfähigkeit Bedacht zu nehmen sein. Der erkennende Senat schließt sich dieser Ansicht an. Schon jetzt wäre allerdings in die Beurteilung einzubeziehen, daß der Kläger aufgrund des § 21 Abs 3 TierärzteG zur Leistung der Ersten Hilfe verpflichtet war, sodaß er sich der Gefahrensituation gar nicht entziehen konnte. Es fehlen aber alle sonstigen Feststellungen zur Beurteilung der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie wirtschaftliche Tragfähigkeit unter Berücksichtigung von bestehenden Versicherungen, sei es nur des Beklagten, sei es, was für den begehrten Verdienstentgang in Betracht käme, auch des Klägers (vgl SZ 68/142 aE); im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung wird auch ein allfälliges sorgloses Verhalten des Klägers zu berücksichtigen sein.

Es hat daher, wenn auch aus anderen Gründen, bei der Aufhebung des Urteiles des Erstgerichtes zu verbleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 52 ZPO.