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OGH vom 23.02.1994, 7Ob11/94

OGH vom 23.02.1994, 7Ob11/94

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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard J*****, vertreten durch Dr.Peter Kranzelbinder, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt *****, vertreten durch Dr.Wolfgang Völkl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichtes Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 168/93-11, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes für Handelssachen Wien vom , GZ 14 C 2813/92i-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin enthalten S 724,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger betreibt als Versicherungskaufmann ein Versicherungs- und Schadensberatungsbüro. Zwischen ihm und der beklagten Partei bestand bis zum eine Vermögensschadens-Haftpflichtversicherung, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zur Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden (AVBV) zugrundelagen. Seit ist der Kläger bei einer anderen Versicherung versichert.

Gemäß Art. 1 Punkt I. (1) der AVBV gewährt der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines bei der Ausübung der in der Polizze angegebenen beruflichen Tätigkeit von ihm selbst oder einer Person, für die er nach dem Gesetz einzutreten hat, begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird. Nach Art. 5 Z 1 AVBV ist der Versicherungsfall der Verstoß, der Haftpflichtansprüche gegen den Versicherungsnehmer zur Folge haben könnte.

Art.2 der Bedingungen lautet:

"Zeitliche Begrenzung der Haftung: (1) Der Versicherer haftet nur dann, wenn der Verstoß während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wird. (2) Wird ein Schaden durch Unterlassung gestiftet, so gilt im Zweifel der Verstoß als an dem Tage begangen, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden".

Im Juli 1991 wurde der Kläger von Heinz B*****, einem seiner Klienten, beauftragt, das gesamte Versicherungspaket bei der A***** Versicherung zu lösen und ab bei der E***** Versicherung zu plazieren. Diesem Auftrag kam der Kläger mit Ausnahme der Teilkaskoversicherung für den PKW seines Klienten fristgerecht nach. Da die E***** Versicherung bezüglich der Teilkaskoversicherung kein gleichartiges Produkt anbot, wollte der Kläger nochmals Rücksprache mit dem Versicherungsreferenten und seinem Klienten halten. In der Folge geriet ihm diese Teilkaskoversicherung jedoch außer Evidenz, sodaß für den PKW des Heinz B***** ab keine Kaskoversicherungsdeckung bestand.

Am wurde der PKW des Heinz B***** bei der Kollision mit einem Rehbock schwer beschädigt. Am PKW entstand ein Schaden von S 83.207,--. Mit Schreiben vom meldete der Kläger der klagenden Partei den Schaden, die beklagte Partei lehnte jedoch eine Deckung ab.

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß die beklagte Partei für alle aus dem Unfall dem Kläger gegenüber erhobenen berechtigten Ansprüche Versicherungsschutz zu gewähren habe. Er vertrat die Ansicht, daß er den Verstoß gegen die Weisung seines Klienten vor dem und daher noch während des aufrechten Versicherungsverhältnisses mit der beklagten Partei begangen habe.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung ausschließlich mit der Begründung, daß der Verstoß erst nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses erfolgt sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es folgte der Argumentation des Klägers, daß das Fehlverhalten des Klägers vor dem gelegen sei, weil er bereits ab diesem Zeitpunkt die Teilkaskoversicherung namens seines Klienten abschließen hätte müssen. Eine Eindeckung per sei danach nicht mehr möglich gewesen, weshalb die versicherte Handlung auch nicht mehr später nachgeholt hätte werden können.

Das Gericht zweiter Instanz änderte die Entscheidung im Sinn einer Klagsabweisung ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Dem Kläger fehle es schon nach den Klagsangaben am rechtlichen Interesse an der begehrten Feststellung, weil er lediglich behauptet habe, daß "unmittelbar vorauszusehen" sei, daß sich sein Klient mit Schadenersatzansprüchen an ihn wenden werde. Dieses Vorbringen sei bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz nicht mehr dahin abgeändert worden, daß sich die Befürchtungen bewahrheitet hätten. Der Mangel am rechtlichen Interesse sei bei Feststellungsklagen auch noch im Rechtsmittelverfahren von Amts wegen wahrzunehmen, auch wenn der Beklagte keinen diesbezüglichen Einwand erhoben habe.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Im Verfahren erster Instanz war zwischen den Parteien ausschließlich die Rechtsfrage strittig, ob der Verstoß des Klägers vor oder nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses mit der beklagten Partei begangen wurde. Auch in den Berufungsschriftsätzen wurde die Argumentation ausschließlich darauf eingeschränkt. Die beklagte Partei hat weder in erster noch in zweiter Instanz eingewendet, daß es an der in Art. 1 Abs. 1 AVBV statuierten Voraussetzung, nämlich daß der Kläger vom geschädigten Dritten für den Verstoß verantwortlich gemacht worden sei, fehle. Nach den diesbezüglichen Ausführungen des Klägers in erster Instanz ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes keineswegs auszuschließen, daß der Kläger von seinem Klienten bereits außergerichtlich für den Schaden verantwortlich gemacht wurde. Vielmehr weisen die Ausführungen, daß der Schaden am PKW laut Kostenvoranschlag S 83.207,-- betragen habe, darauf hin, daß Heinz B***** dem Kläger die Schadenshöhe bereits bekanntgegeben und mittels eines Kostenvoranschlages belegt hat. Dieser Vorgang läßt sich vernünftigerweise nur dahin interpretieren, daß Heinz B***** vom Kläger entsprechenden Ersatz begehrt hat. Der in der Klage enthaltene Satz, daß "unmittelbar vorauszusehen" sei, daß sich Heinz B***** hinsichtlich des entstandenen Schadens an den Kläger wenden werde, legt im Zusammenhang mit der sonstigen Klagserzählung den Schluß nahe, daß damit eine drohende gerichtliche Geltendmachung gemeint war. Zudem beinhaltet das in der Tagsatzung vom modifizierte Klagebegehren die Behauptung, daß Heinz B***** aus dem Unfall vom dem Kläger gegenüber Ansprüche (bereits) erhoben hat. Dem Berufungsgericht war es daher mangels Bestreitung dieses Umstandes durch die beklagte Partei verwehrt, diese Frage aufzugreifen und seiner Entscheidung als Tatsache zu unterstellen, daß der geschädigte Dritte kein ernsthaftes Verlangen nach Schadenersatz erhoben habe.

Das diesbezügliche Klagsvorbringen könnte lediglich als undeutlich angsehen werden, sodaß allenfalls eine Anleitung zur Konkretisierung im Sinn des § 182 ZPO in Frage gekommen wäre. Den Parteien wäre die Möglichkeit einzuräumen gewesen, auf die von ihnen nicht bedachte, für sie überraschende Rechtsansicht durch entsprechendes Vorbringen zu reagieren.

Eine Aufhebung der Entscheidung der Unterinstanzen zu diesem Zweck kommt jedoch deshalb nicht in Betracht, weil die Sache aus nachfolgenden Erwägungen im Sinn einer Klagsabweisung und damit im Ergebnis im Sinn einer Bestätigung der Entscheidung zweiter Instanz spruchreif ist.

Der Oberste Gerichtshof hatte sich bereits in seiner Entscheidung 7 Ob 16/92 (= VR 1003. 76 = VersR 1993, 862) in einem durchaus vergleichbaren Fall mit der Auslegung des Art. 2 AVBV zu befassen. So wie dort liegt auch hier der Verstoß des Klägers in einer Unterlassung, die letzten Endes zur Schadenszufügung geführt hat. Die Unterlassung wäre auch hier folgenlos geblieben, wenn vor dem Unfall (in der Vorentscheidung: vor Ablauf der Jahresfrist zur Einbringung des Aufteilungsantrages nach § 95 EheG), also bis zum , ein Kaskoversicherungsabschluß namens des Klienten erfolgt wäre. Wie bereits in 7 Ob 16/92 ausgeführt, setzt Art. 2 Abs. 2 AVBV fest, daß bei Unterlassungen im Zweifel der Verstoß als an dem Tag begangen gilt, an welchem die versäumte Handlung spätestens hätte vorgenommen werden müssen, um den Eintritt des Schadens abzuwenden. Vor diesem Zeitpunkt ist also ein Verstoß im Sinne der AVBV überhaupt nicht anzunehmen. Nach Art. 5 Z 1 dieser Versicherungsbedingungen ist aber erst der Verstoß Versicherungsfall, wobei der Versicherer nur dann haftet, wenn der Verstoß während der Wirksamkeit des Versicherungsschutzes begangen wird (Art.2 Abs. 1 AVBV). Für die AVBV wird bei der Beurteilung der Frage, ob ein Ereignis in den Deckungszeitraum der Versicherung fällt - anders als etwa bei der Privathaftpflichtversicherung -, nur auf die Ursache abgestellt. Dieser Umstand hat entscheidende Bedeutung für die Auslegung des Art. 2 Abs. 2 AVBV. Der Ausdruck "Verstoß" hebt die subjektive Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmes deutlich hervor. Unter einem Verstoß versteht der allgemeine Sprachgebrauch ein (zumindest objektiv) regelwidriges Verhalten. Daran ändert die Verstoßdefinition des Art. 2 AVBV nichts. Sie trägt nur der Erwägung Rechnung, daß eine Unterlassung meist nicht unmittelbar einen Schaden bewirkt, das Versäumnis oft vielmehr erst nach längerem Untätigkeitsein zu irreparablen Folgen führt. Der Verstoß ist also erst mit der Unwideruflichkeit der Folgen vollendet. Im Hinblick darauf, daß Grundlage der Haftpflicht ein Verhalten des Versicherungsnehmers ist, muß aber auch die Unwideruflichkeit in den persönlichen Einflußbereich des Versicherungsnehmers fallen. Bei Fahrlässigkeit des Unterlassens ist also hypothetisch festzustellen, wann der Versicherungsnehmer spätestens den Schaden noch hätte abwenden können, wenn er nun endlich gehandelt hätte.

Der Schaden hätte noch abgewendet werden können, wenn der Käger am Tag vor dem Unfall eine entsprechende Versicherung für Heinz B***** abgeschlossen hätte. Die bloß theoretische Möglichkeit, daß auch schon in der Zeit vom bis zum tatsächlichen Unfallstag ein Schaden hätte entstehen können, reicht zur Begründung des Versicherungsschutzes nicht hin.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Fundstelle(n):
MAAAD-63888