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OGH vom 10.05.2005, 5Ob33/05x

OGH vom 10.05.2005, 5Ob33/05x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****bank *****, vertreten durch Dr. Sieglinde Lindmayr, Dr. Michael Bauer und Dr. Günther Secklehner, Rechtsanwalts OEG in Liezen, gegen die beklagte Partei Irmgard L*****, vertreten durch Dr. Klaus Hirtler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen EUR 20.851,84, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 145/04i-25, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

1. Die Klägerin gewährte Robert L***** im Juli 1998 einen Abstattungskredit in der Höhe von S 345.000,-- mit einer Verzinsung von 6 %, Verzugszinsen von 4 %, einer Laufzeit bis und mtl. Rückzahlungsraten von S 4. 800,--. Mit den Kreditmitteln sollte einerseits das nach einer früheren Kreditgewährung erneut überzogene Girokonto mit einem Debetsaldo von S 347.000,-- im Juli 1998 abgedeckt werden; andererseits war bezweckt, andere Verbindlichkeiten des Robert L***** zu tilgen, die primär bei der *****bank bestanden, über welche Robert L***** und die seit 1994 mit ihm verheiratete Beklagte Mobilar für die gemeinsame Wohnung angeschafft hatten. Die Beklagte war auch für das (überzogene) Girokonto zeichnungsberechtigt, über welches die 1997 notwendige Reparatur des Pkws der Beklagten finanziert worden war.

Die Klägerin verlangte für den Abstattungskredit neben weiteren Sicherheiten die Stellung eines Bürgen. Die Beklagte war zur Übernahme der Bürgen- und Zahlerhaftung bereit. Der Beklagten war damals bekannt, dass ihr Gatte wirtschaftliche Schwierigkeiten hatte. Auch die Beklagte selbst hatte beträchtliche Schulden von ca. S 1 Mio., die aus dem Betrieb eines Lokals im Jahre 1991 stammten. Von dieser beruflichen Tätigkeit abgesehen war die Beklagte bis 1998 nie berufstätig, sondern als Hausfrau und Mutter beschäftigt gewesen. Die Beklagte bezog 3 Monate im Jahr 1994 sowie von März 1998 bis März 1999 und seit Notstandshilfe sowie von Juli 1994 bis Juli 1996 Wochen- und Karenzurlaubsgeld.

Die Beklagte hatte bei Vertragsunterfertigung am an einem 15- bis 30-Minuten dauerndem Gespräch zwischen ihrem Gatten und dem Bankmitarbeiter teilgenommen; dieser erklärte damals, dass der Kredit ohne die Bürgschaftsübernahme der Beklagten nicht bewilligt werden könne. Dem Bankmitarbeiter war bekannt, dass die Beklagte Schulden in beträchtlicher Höhe hatte. Beim damaligen Gespräch wurde allgemein die wirtschaftliche Lage der Familie L*****, aber keine Details des von der Beklagten zu unterfertigenden Bürgschaftsvertrags besprochen. Der Bankmitarbeiter erteilte der Beklagten keine näheren Belehrungen oder Informationen. Die Beklagte nahm sich nicht die Zeit, den ihr vorgelegten Bürgschaftsvertrag zu unterfertigen.

Die Ehe des Robert L***** und der Beklagten wurde am im Einvernehmen geschieden; im Scheidungsfolgenvergleich wird der von der Klägerin gewährte Kredit nicht erwähnt, weil die Ehegatten an diesen nicht dachten.

Nachdem Robert L***** seinen Kreditrückzahlungspflichten nicht mehr nachgekommen war, stellte die Klägerin den Kredit fällig und erwirkte gegen Robert L***** ein Versäumungsurteil.

2. Das Erstgericht wies die von der Klägerin gegen die Beklagte erhobene, auf deren Bürgen- und Zahlerhaftung gestützte Klage ab, weil die Klägerin ihrer Informationspflicht nach § 25c KSchG nicht entsprochen habe.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsstattgebenden Sinn mit der wesentlichen Begründung ab, es habe die Beklagte nicht im fremden, sondern im eigenen Interesse interzediert, weil mit den Kreditmitteln gemeinsame Schulden abgedeckt worden seien; in einem solchen Fall fänden weder die §§ 25c, 25d KSchG Anwendung noch läge eine sittenwidrige Vereinbarung vor.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil für sämtliche zu lösenden Rechtsfragen ausreichend Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Verfügung stehe.

3. Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Revision sei zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen habe, es genüge schon eine teilweise, offenbar auch nur äußerst geringe Beteiligung des Interzedenten an den besicherten Verbindlichkeiten für die Annahme eines Eigeninteresses und die daraus folgende Unanwendbarkeit der §§ 25c, 25d KSchG; bei nur geringem Eigeninteresse hätte eine teilweise Haftungsbeschränkung erwogen werden müssen. Das Berufungsgericht habe sich nicht mit der vermeintlich auch bei Eigeninteresse des Interzedenten möglichen Mäßigung nach § 25d KSchG auseinander gesetzt und weiters die gestützt auf § 879 ABGB behauptete Sittenwidrigkeit ihrer Bürgschaftsübernahme unbedacht gelassen, welche Einwendungen ebenfalls zu ihrer gänzlichen Haftungsbefreiung hätten führen müssen.

Rechtliche Beurteilung

4. Die Revision ist nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO abhängt; eine derartige Rechtsfrage zeigt die Revisionswerberin aber aus folgenden - gemäß § 510 Abs 3 ZPO nur kurz darzustellenden - Gründen nicht auf:

Treten Verbraucher einer Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant bei (Interzession), so haben die Gläubiger auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn sie erkennen oder erkennen mussten, dass der Schuldner seine Verbindlichkeit voraussichtlich nicht oder nicht vollständig erfüllen wird. Wird diese Information unterlassen, so haften die Interzedenten nur dann, wenn sie die Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätten (§ 25c KSchG). Die Materialien (RV 311 BlgNR 20. GP, 25) legen klar, dass sich der Anwendungsbereich dieser Bestimmung auf solche Mitschuldner beschränken solle, die einer fremden Verbindlichkeit beitreten (vgl § 1347 ABGB). Zur Vereinfachung bediene sich § 25c KSchG hiefür des Ausdrucks "Interzession". Diejenigen Fälle, in denen mehrere Personen gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit (als "echte Mitschuldner") eingingen, sollten nicht erfasst werden.

5. Unter dem im bürgerlichen Recht nicht allgemein geregelten (EvBl 1972/86) Begriff der Interzession (Gutstehung) ist das Einstehen für eine materiell-fremde Verbindlichkeit durch Vertrag mit dem Gläubiger zu verstehen (Gamerith in Rummel3 §§ 1342 bis 1344 ABGB Rz 2 mwN). § 25c und § 25d KSchG, die diesen Begriff (wieder) eingeführt haben, verstehen darunter den vertraglichen Beitritt zu einer fremden Verbindlichkeit als Mitschuldner, Bürge oder Garant, nicht aber "echte Mitschuldner", die im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit eingehen (Kosesnik-Wehrle/Lehofer/Mayer, KSchG 196f). Der Begriff Interzession erfasst also Fälle, in denen ein Verbraucher einer materiell fremden Verbindlichkeit beitritt. Bei der Beurteilung, in wessen Interesse die Übernahme der Verbindlichkeit liegt, ist von der Perspektive des Schuldners auszugehen (Krejci in Rummel II/4 § 25c KSchG Rz 2). Interzedenten sind Personen, die eine Haftung für Rechnung eines anderen und im fremden Interesse auf sich nehmen (Apathy in Schwimann2 § 25c KSchG Rz 1 mwN).

6. Der Oberste Gerichtshof hat schon in den Entscheidungen 7 Ob 65/04s = RdW 2004, 592 = ÖBA 2005, 51, krit. P. Bydlinski, ÖBA 2005, 52 = ecolex 2005, 41, und 7 Ob 89/04w = ÖBA 2005, 52, krit. P. Bydlinski, ÖBA 2005, 52 zum Interzedentenbegriff unter dem Gesichtspunkt von Eigeninteressen des Haftenden Stellung genommen; in diesen Entscheidungen wurde die Verneinung der Interzedenteneigenschaft infolge Eigeninteresses des Haftenden für Fälle erwogen, in denen die Kreditmittel etwa zur Anschaffung von Möbeln für die Ehewohnung, für Geschenke an gemeinsame Kinder, die auch vom Willen der haftpflichtigen Beklagten getragen wurden (7 Ob 65/04s), oder zur Finanzierung des Hauses dienten, welches die Haftende gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten bewohnen wollte (7 Ob 89/04w). Mit diesen Entscheidungen steht die vorliegende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts im Einklang. Mit den von der Klägerin gewährten Kreditmitteln sollte das überzogene Girokonto bedient werden, von welchem einerseits die Reparatur des Pkws der Beklagten finanziert worden war; andererseits wurde die generelle Dispositionsmöglichkeit über das Konto wiederhergestellt, was ebenfalls in vollem Umfang der dort (auch) zeichnungsberechtigten Beklagten zugute kam. Der weitere Verwendungszweck war die Abdeckung von Verbindlichkeiten, die aus der Anschaffung von Mobilar für die Ehewohnung resultierten. Es dienten demnach die Kreditmittel zur Gänze auch unmittelbar eigenen Interessen der Beklagten, sodass in der Verneinung ihrer Interzedenteneigenschaft keine rechtliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zu erkennen ist. Bestand aber ein eigenes Interesse der Beklagten an der Kreditaufnahme, dann kommt schon mangels eines Interzessionsverhältnisses eine Mäßigung iSd § 25d KSchG nicht in Frage (7 Ob 89/04w). Auch die Verneinung der Sittenwidrigkeit der Haftungsvereinbarung stellt nach den Umständen des Falls keine erhebliche Verkennung der Rechtslage dar (vgl 7 Ob 65/04s mwN).

Die Revision war daher zurückzuweisen.