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OGH vom 13.03.1996, 7Ob527/96

OGH vom 13.03.1996, 7Ob527/96

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek, Dr.Niederreiter, Dr.Schalich und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Harald M*****, wider die beklagte Partei mj.Kerstin M*****, vertreten durch den Widerstreitsachwalter Dr.Peter Schaden, Rechtsanwalt in Graz, wegen Bestreitung der ehelichen Geburt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 242/95-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom , GZ 1 C 13/95x-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Antrag auf Zuspruch von Revisionskosten wird abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die zwischen dem Kläger und Karoline M***** am vor dem Standesamt V***** geschlossene Ehe wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes V***** vom gemäß § 55a EheG geschieden. Beide Ehegatten waren und sind österreichische Staatsbürger, ebenso das beklagte Kind. Da die Ehe zufolge Zeugungsunfähigkeit des Klägers kinderlos geblieben war, entschlossen sich die Ehegatten zur heterologen Insemination beim Frauenarzt Dr.P***** in München, worüber auch eine von beiden Ehegatten unterfertigte, mit datierte Erklärung existiert, die folgenden Wortlaut hat:

Erklärung

zur heterologen Insemination

Wir haben uns entschlossen, die Erfüllung unseres übereinstimmenden Wunsches nach einem gemeinsamen Kind mit Hilfe der heterologen Insemination zu verwirklichen, weil die Ehe bisher kinderlos geblieben ist und nach Ausschöpfung aller gegenwärtigen bestehenden Möglichkeiten der Diagnose und Therapie auch künftig bleiben wird.

Das aus dieser Behandlung hervorgehende Kind soll in jeder Beziehung und mit allen rechtlichen Konsequenzen unser gemeinsames eheliches Kind sein. Wir wollen es im vollen Bewußtsein unserer elterlichen Verantwortung zu einem gesunden und lebensfrohen, tüchtigen und allseits gebildeten Menschen erziehen.

Wir sind damit einverstanden, daß Herr Dr.P***** in eigener Verantwortung einen geeigneten Spender entsprechend dem Ergebnis der nach dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand notwendigen und durchführbaren Untersuchungen auswählt: Der Spender soll uns für immer unbekannt bleiben. Wir verzichten darauf, jetzt oder in Zukunft Angaben über den Spender von Herrn Dr.P***** zu verlangen, oder Ansprüche irgendwelcher Art aus einer sachgemäß durchgeführten Inseminationsbehandlung abzuleiten.

Über die Durchführung der Inseminationsbehandlung im einzelnen sind wir ärztlicherseits beraten und aufgeklärt worden.

Herr Dr.P***** übernimmt keine Garantie für einen Erfolg der Behandlung, weder für den Eintritt einer Schwangerschaft noch für die körperlichen, geistigen oder psychischen Eigenschaften des Kindes."

Im Scheidungsvergleich verpflichtete sich der Kläger, dort Zweitantragsteller, unter anderem zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 2.000,-- für das beklagte Kind.

Der Kläger begehrt mit seiner am beim Erstgericht eingelangten Klage die Feststellung, daß die am geborene Beklagte nicht sein eheliches Kind sei. Er habe keine im § 156a ABGB zwingend vorgesehene Belehrung erhalten und sei daher zur Anfechtung der Ehelichkeit des Kindes berechtigt.

Das beklagte Kind hat durch seinen Widerstreitsachwalter das Klagebegehren bestritten.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Klage sei rechtzeitig erhoben worden. Da der Kläger als Vater des erzeugten Kindes auszuschließen sei, komme letzterem nicht die Ehelichkeitsvermutung zu.

Das Berufungsgericht bestätigte nach einer Beweisergänzung diese Entscheidung und erklärte die Erhebung der Revision für zulässig. Nach § 21 IPRG sei die Voraussetzung für die Ehelichkeit eines Kindes und deren Bestreitung nach dem Personalstatut zu beurteilen. Da die Ehegatten im Zeitpunkt der Geburt des Kindes österreichische Staatsbürger gewesen seien, habe inländisches Recht Anwendung zu finden. Daß die Vereinbarung der beiden Ehegatten über die heterologische Insemination in der Bundesrepublik Deutschland getroffen worden sei, sei daher ohne Bedeutung. Gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz des sohin anzuwendenden Fortpflanzungsmedizingesetzes bedürfe es der ausdrücklichen Zustimmung (Einwilligung) des Ehegatten der Mutter vor einem Notar oder einem Gericht zur Verwendung des Samens eines Dritten, damit ihm eine Möglichkeit, die Vaterschaft zu dem dann zu erzeugenden Kind zu bestreiten, verwehrt wird. Dieser nach Belehrung erteilten qualifizierten Zustimmung komme eine gewisse abstammungsrechtliche Wirkung zu, sie solle gewährleisten, daß die Betroffenen der Bedeutung ihrer Zustimmung bewußt und ihre Erklärungen frei von Willensmängeln seien bzw. damit allfälligen Beweisschwierigkeiten vorgebeugt werde. Da die vorliegende Erklärung nicht den zwingenden gesetzlichen Formvorschriften entspreche, könne dem Ehelichkeitsbestreitungsbegehren des Klägers nichts Zielführendes entgegengehalten werden. Eine analoge Heranziehung der Regelung des Inhaltes der Übergangsbestimmung des Art.V Abs. 6 des FMedG komme nicht in Betracht, weil sich diese ausdrücklich nur auf Fälle beziehe, bei denen es vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit Samen eines Dritten gekommen sei. Nur für diese Fälle sei vom zitierten Formerfordernis Abstand zu nehmen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung vom Widerstreitkurator des beklagten Kindes erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Die unter Berücksichtigung der Gerichtsferien vom bis am eingebrachte Revision ist rechtzeitig. Zwar werden die Streitigkeiten über die eheliche Abstammung im § 49 Abs. 2 JN im unmittelbaren Zusammenhang mit den Streitigkeiten über die Vaterschaft zu einem unehelich geborenen Kind und den sonstigen Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt in Z 2a leg. cit. der bezirksgerichtlichen Zuständigkeit zugeordnet, jedoch sind diese Streitigkeiten nicht im § 224 Abs. 1 Z 4 ZPO erwähnt. Streitigkeiten über die eheliche Abstammung fielen bis zur Rechtswirksamkeit der ZVN 1983 in die Gerichtshofzuständigkeit und waren keine Ferialsachen im Sinne des damals geltenden § 224 Abs. 1 Z 6a ZPO. Mit der Zuständigkeitsverschiebung durch die genannte Novelle wurde zwar auch der § 224 ZPO durch den Entfall einiger bisher als Ferialsachen geführter Streitigkeiten novelliert, wodurch es zu einer Zusammenziehung der früheren Z 6a auf die Z 4 kam, deren Regelungsinhalt blieb jedoch unverändert. Eine analoge Heranziehung der Norm des § 224 Abs. 1 ZPO auf Streitigkeiten über die eheliche Abstammung scheidet daher aus.

Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, daß gemäß § 21 IPRG österreichisches Recht auf den vorliegenden Fall zur Anwendung zu kommen hat. Die zitierte Bestimmung erfaßt die Rechtsfolgen über den Eintritt der ehelichen Abstammung und deren Anfechtung (vgl. Schwimann in Rummel ABGB2 § 21 IPRG Rz 1, Schwind IPR2 Rz 279).

Nach § 156a ABGB kann der Ehemann der Mutter, der einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit Samen eines Dritten in Form eines gerichtlichen Protokolls oder Notariatsaktes zugestimmt hat, die Ehelichkeit des mit dem Samen eines Dritten gezeugten Kindes nicht bestreiten. Nach den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung darf eine medizinisch unterstützte Fortpflanzung bei Verwendung von Samen eines Dritten nur nach Vorliegen einer vor Gericht oder vor einem Notar erteilten Zustimmung der Partner geleistet werden. Diese qualifizierte Zustimmung soll zivilrechtlich bewirken, daß der Ehegatte der Mutter die Ehelichkeit des Kindes nicht mehr bestreiten kann und daher als Vater des durch diese Zeugungsform hervorgerufenen Kindes vermutet wird. Zweck dieser Formvorschrift ist, daß sich die Wunscheltern nach dieser Belehrung über die Verwendung des Samens eines Dritten über die dadurch entstehenden Folgen so weit im klaren sind, daß es unter diesen Umständen gerechtfertigt erscheint, dem Ehegatten einer Frau, der einer heterologischen Insemination zugestimmt hat, das Recht auf Bestreitung der Ehelichkeit zu entziehen (vgl. 490 BlgNR 18.GP, 18 ff und 25). Daraus ergibt sich, daß nur der qualifizierten Zustimmung des Ehegatten zu einer künstlichen Befruchtung seiner Frau mit dem Samen eines Dritten abstammungsrechtliche Wirkungen zukommen sollen, weil nur dadurch gewährleistet ist, daß sich der Betroffene über die Bedeutung seiner Zustimmung im klaren ist. Der Gesetzgeber brachte damit zum Ausdruck, daß nur bei Einhaltung der Formerfordernisse des § 156a ABGB die Bestreitung der ehelichen Abstammung durch den Ehemann der Mutter des Kindes ausgeschlossen sein sollten. Diese Wertung des Gesetzgebers erfolgte in Kenntnis anderer Lösungsmöglichkeiten in der BRD und der Schweiz, die Zustimmungserklärungen des Ehegatten ohne derartige Formerfordernisse für den Ausschluß des Vaterschaftsbestreitungsrechtes des Ehegatten für ausreichend erachteten (vgl. Bernat, Rechtsfragen medizinisch assistierter Zeugung, 194 ff mwN). Daraus geht aber hervor, daß bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Formvorschriften des § 156a ABGB nach Wirksamkeit des FMedG per dem Ehegatten der künstlich befruchteten Mutter weiterhin ein Ehelichkeitsbestreitungsrecht zusteht. Daran kann die Übergangsregelung des Art.V Abs. 6 des FMedG, wonach dem Ehegatten der Mutter, der schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes einer medizinisch unterstützten Fortpflanzung mit dem Samen eines Dritten formlos zugestimmt hat, die Ehelichkeitsbestreitung gegenüber dem mit dem Samen eines Dritten gezeugten Kindes verwehrt ist, nichts ändern. Nach § 6 ABGB darf einem Gesetz bei Anwendung kein anderer Verstand beigelegt werden, als welcher aus der eigentümlichen Bedeutung der Worte in ihrem Zusammenhang und aus der klaren Absicht des Gesetzgebers hervorleuchtet. § 5 ABGB legt den zeitlichen Geltungsbereich eines kundgemachten Gesetzes fest. Nur die nach Inkrafttreten des Gesetzes verwirklichten Sachverhalte sind nach dem neuen Gesetz zu beurteilen, die vorher geschehenen Handlungen oder erwirkten Rechte unterliegen nur dann der Anwendbarkeit der bisherigen Rechtslage, wenn dies ausdrücklich angeordnet wird (vgl. Bydlinski in Rummel ABGB2 § 5 Rz 1). Überhaupt ist bei Auslegung von Gesetzen davon auszugehen, daß der "objektiven" Auslegung nach dem Wortlaut des Gesetzes in seinem Zusammenhang der Vorrang zukommt. Daß die formlose Zustimmung des Ehegatten der Mutter zu einer heterologischen Insemination nach Wirksamkeit des FMedG weiterhin zu einem Ausschluß eines Ehelichkeitsbestreitungsrechtes in Form der Übergangsregelung führen solle, läßt sich daher nicht mit dem Gesetz vereinbaren und würde die zwingenden Formvorschriften des § 156a ABGB ad absurdum führen.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 40 und 50 ZPO.