OGH vom 23.02.1989, 7Ob526/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Joachim H***, Rechtsanwalt in Salzburg, als Masseverwalter in den Konkursen der Firmen MT Textil-Möbel-Gesellschaft m.b.H. und MT Textil-Möbel-Gesellschaft m.b.H. & Co., wider die beklagte Partei S*** S***, Salzburg, Alter Markt 3, vertreten durch Dr. Helmut Renner und Dr. Nikolaus Topic-Matutin, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 2,589.232,40 S s.A., infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom , GZ 4 R 87/88-19, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 8 a Cg 23/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 9.060 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.510 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die MT Textil-Möbel-Gesellschaft m.b.H. war persönlich haftende Gesellschafterin der MT Textil-Möbel-Gesellschaft m.b.H. & Co. Gegen beide Gesellschaften wurde mit Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom , S 4 und 5/86, der Konkurs eröffnet und der Kläger zum Masseverwalter bestellt.
Die Gemeinschuldnerinnen hatten bei der Beklagten Kredite aufgenommen. In den letzten 6 Monaten vor Konkurseröffnung erfolgten auf die Kredite Rückzahlungen von 2,249.219,27 S, während weitere 340.013,13 S außerhalb dieses Zeitraumes, jedoch innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr vor Konkurseröffnung zurückgezahlt wurden. Der Kläger ficht die gesamten Zahlungen im Ausmaß von 2,589.232,40 S nach den Bestimmungen der §§ 30 Abs. 1 Z 1 KO und § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO an.
Die Vorinstanzen haben dem Anfechtungsbegehren bezüglich der innerhalb der letzten sechs Monate vor der Konkurseröffnung erfolgten Zahlungen (2,249.219,27 S s.A.) stattgegeben und, das Mehrbegehren (340.013,13 S s.A.) abgewiesen. Hiebei gingen sie von folgenden wesentlichen Feststellungen aus:
Im Jahre 1982 hat die Beklagte den Gemeinschuldnerinnen bis einen Kontokorrentkredit über 1,5 Mio S eingeräumt. Nachdem das Kreditverhältnis bis verlängert worden war, schränkte die Beklagte am den Kreditrahmen auf 750.000 S und am 26. Jänner/ auf 600.000 S ein. Dieser Kredit wurde mehrmals, zuletzt bis , verlängert und bis zur Konkurseröffnung nicht aufgekündigt.
Die Gemeinschuldnerinnen haben den ihnen eingeräumten Kreditrahmen häufig überzogen. Hiefür holte ihr Geschäftsführer jeweils eine Genehmigung der Beklagten ein, die im Regelfall jedoch wesentlich überschritten wurde. Die Beklagte verlangte auch die Einschränkung der Überziehung. Tatsächlich haben die Debetstände auf dem Kreditkonto am 2,071.626,43 S, am 1,949.477,97 S und am 2,123.534,08 S betragen. Der höchste Schuldenstand war am mit 2,585.869,47 S. Am bestand ein Debetsaldo von 2,245.856,34 S, der in der Folge abgebaut wurde, so daß sich am ein Habenstand von 3.362,93 S ergab. Der Abbau der Kreditschulden erfolgte stets aus Mitteln der Gemeinschuldnerinnen.
Die MT Textil-Möbel-Gesellschaft m.b.H. & Co. hatte im Jahre 1982 einen Verlust von rund 4,7 Mio S 1983 einen Gewinn von rund 2,9 Mio S und 1984 wieder einen Verlust von 832.792 S. Sie war 1982 mit rund 4,3 Mio S 1983 mit rund 2,2 Mio S und 1984 mit rund 3,2 Mio S überschuldet. Nach der vorläufigen Bilanz 1985 betrug die Überschuldung in diesem Jahr rund 12,7 Mio S. In den letzten Jahren bestand keine Aussicht auf eine Besserung dieser Situation. Wirtschaftlich trat die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerinnen bereits Ende 1982 ein. Die Beklagte hatte durch Übermittlung der Bilanz für 1982 spätestens mit Ende 1983 von der Überschuldung der Gemeinschuldnerinnen Kenntnis.
Weder aus dem Umstand, daß die Gemeinschuldnerinnen die ihnen in Einzelfällen bewilligten Kreditüberziehungen im Regelfall wesentlich überschritten haben, noch daraus, daß sie, entgegen ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber der Beklagten, die Bilanz für 1984 nicht übermittelten, zog die Beklagte keine Konsequenz, obwohl ihr auf ihre Anfrage von den Gemeinschuldnerinnen mitgeteilt worden war, daß 1984 zumindest kein Gewinn entstehen werde. Sie drängte lediglich, ohne rechtliche Maßnahmen zu ergreifen, auf einen Abbau des Debetsaldos.
In rechtlicher Hinsicht vertraten die Vorinstanzen den Standpunkt, inkongruente Deckung im Sinne des § 30 Abs. 1 Z 1 KO wäre nur für die Zahlungen auf die aus dem vereinbarten Kreditrahmen von 600.000 S bestehende Schuld vorgelegen. Da solche Zahlungen außerhalb der 6-Monatsfrist des § 31 KO nicht erfolgt seien, käme für diesen Zeitraum eine Anfechtung nicht in Frage, was zur Abweisung eines Begehrens betreffend diese Zahlungen von 340.013,13 S führe.
Die Zahlungen ab dem seien jedoch schon nach § 31 Abs. 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar, so daß sich eine Prüfung in Richtung § 30 Abs. 1 Z 1 KO erübrige. Der Beklagten sei nämlich zu diesem Zeitpunkt die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerinnen bekannt gewesen. Sie habe es trotz Kenntnis der vorangegangenen Überschuldung der Gemeinschuldnerinnen unterlassen, sich Klarheit über deren wirtschaftliche Entwicklung zu verschaffen. Demnach wäre eine allfällige Unkenntnis der Überschuldung, der gemäß § 67 KO im vorliegenden Fall dieselben Wirkungen wie der Zahlungsunfähigkeit zukäme, verschuldet, so daß der erwähnte Anfechtungstatbestand erfüllt sei. Im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerinnen erübrige sich die Erstellung einer Zukunfsprognose.
Die vom Kläger gegen den klagsabweisenden Teil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und von der Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil wegen Aktenwidrigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revisionen sind nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
A) Zu der Revision des Klägers:
Der Anfechtungstatbestand des § 30 Abs. 1 Z 1 KO ist nur erfüllt, wenn der Gläubiger eine Sicherstellung oder Befriedigung erlangt hat, die er nicht oder nicht in der Art oder nicht in der Zeit zu beanspruchen hatte. Allenfalls könnten vorzeitige Rückzahlungen der auf bestimmte Zeit gewährten Kredite diese Voraussetzung erfüllen, doch haben die Vorinstanzen richtig erkannt, daß innerhalb des letzten Jahres vor Konkurseröffnung nur mehr ein Kredit von 600.000 S auf bestimmte Zeit gewährt worden war. Bezüglich der Überziehungsbeträge handelt es sich defacto natürlich um weitere gewährte Kredite, doch fehlt es an jeglichem Beweisergebnis, aus dem geschlossen werden könnte, daß für diese Zusatzkredite dieselben Bedingungen gelten sollten, wie für den Rahmenkredit. Die diesbezüglichen Ausführungen der Revision stellen lediglich Vermutungen dar. Eine Vereinbarung über eine Befristung der jeweiligen Überziehungsbeträge wurde konkret weder behauptet noch bewiesen. Mangels einer solchen Vereinbarung waren diese Kreditbeträge daher gemäß § 904 ABGB sofort fällig, weshalb sie die Beklagte gemäß § 1417 ABGB nach erfolgter Mahnung jederzeit zurückverlangen konnte (Reischauer in Rummel Anm 5 zu § 904). Der Kläger geht in seiner Revision gar nicht von einer ausdrücklichen Vereinbarung betreffend die Rückzahlungsfrist für die Überziehungen aus, sondern von diesbezüglichen konkludenten Handlungen. Worin diese aber bestehen sollen, ist nicht ersichtlich. Gemäß § 863 ABGB kommen für die Annahme eines stillschweigenden Vertragsabschlusses nur solche Handlungen in Frage, die mit Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, an einem entsprechenden Vertragswillen zu zweifeln, übrig lassen. Die Tatsache, daß jemandem, der einen befristeten Kredit aufgenommen hat, in bestimmten Fällen eine Überziehung des Kredites bewilligt wird, läßt noch nicht den zweifelsfreien Schluß darauf zu, daß die Überziehungsbeträge ebenfalls erst zu jenem Zeitpunkt zurückgezahlt werden müssen, zu dem der Hauptkredit zurückzuzahlen ist. Andere Umstände sind aber bezüglich der Überziehungen nicht hervorgekommen. Mit Recht hat demnach das Berufungsgericht das schlüssige Zustandekommen einer Vereinbarung über befristete Überziehungskredite nicht angenommen. Es bedurfte daher keiner Prüfung der Frage, inwieweit die allgemeinen Bankbedingungen den Beziehungen zwischen der Beklagten einerseits und den Gemeinschuldnerinnen andererseits zugrundegelegt worden sind. Vielmehr hatte die Beklagte schon nach den Bestimmungen des ABGB das Recht, die Überziehungsbeträge jederzeit zurückzuverlangen, so daß die Rückzahlungen nicht den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Z 1 KO erfüllen können.
Die Zahlungen außerhalb der 6-Monatsfrist des § 31 Abs. 4 KO betreffende Klagsabweisung war demnach gerechtfertigt.
B) Zu der Revision der Beklagten:
Mit den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit werden in Wahrheit nur Rechtsfragen aufgeworfen. Die Gleichstellung der Überschuldung mit der Zahlungsunfähigkeit bei juristischen Personen ergibt sich aus § 67 KO. Die gegenteilige Rechtsansicht der Beklagten scheitert am klaren Gesetzeswortlaut. Es kann demnach auch keinen Verfahrensmangel bilden, daß die Vorinstanzen zu dieser Frage keine Beweise aufgenommen haben.
Die angeblichen Verfahrensmängel wären höchstens Feststellungsmängel, die der rechtlichen Beurteilung zuzurechnen wären. Daß die jeweiligen Überziehungen meist nicht der Genehmigung entsprachen, ist eine Tatsachenfeststellung, an die der Oberste Gerichtshof gebunden ist. Ebenso handelt es sich bei den Ausführungen der Vorinstanzen, daß bei den Gemeinschuldnerinnen zu Ende 1982 die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit vorlagen, daß damals keine Aussicht auf eine Verbesserung in naher Zukunft bestand und daß die Beklagte spätestens Ende 1983 von der negativen Bilanz des Vorjahres Kenntnis hatte, ebenfalls um Tatsachenfeststellungen. Inwieweit aus dem letztgenannten Umstand der Schluß auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gezogen werden konnte, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung.
Im übrigen bezieht sich die Rüge von Feststellungsmängeln zum überwiegenden Teil auf die jeweiligen Kontostände bei der Beklagten. Abgesehen davon, daß hier die wesentlichen Feststellungen ohnedies getroffen worden sind, können diese Kontostände keine entscheidende Rolle spielen, zumal der Beklagten nach den getroffenen Feststellungen bekannt war, daß die Gemeinschuldnerinnen auch noch andere Bankverbindungen hatten. Die Kontostände bei der Beklagten konnten daher keine ausreichende Grundlage für die Beurteilung des Vermögensstandes oder der Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerinnen bilden. Die Vorinstanzen haben der Beklagten auch nicht vorgeworfen, daß sie die Situation der Gemeinschuldnerinnen anhand der Kontostände bei ihr falsch beurteilt habe. Vielmehr wurde ihr das Unterlassen zielführender Maßnahmen vorgeworfen, insbesondere das Inkaufnehmen der Nichtvorlage von Bilanzen.
Daß gemäß § 67 Abs. 1 KO die Eröffnung des Konkurses über Handelsgesellschaften, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, auch bei Überschuldung stattfindet und daß nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle die auf die Zahlungsunfähigkeit sich beziehenden Vorschriften der Konkursordnung in diesen Fällen sinngemäß auch für die Überschuldung gelten, wurde bereits oben dargelegt.
Der neueren Lehre folgend hat der Oberste Gerichtshof in jüngster Zeit ausgeführt, daß eine insolvenzrechtlich bedeutsame Überschuldung einer Kapitalgesellschaft nicht schon beim Überwiegen der Passiven über die Aktiven anzunehmen ist. Die rein rechnerische Überschuldensprüfung ist durch eine Fortbestehensprognose zu ergänzen, in deren Rahmen mit Hilfe sorgfältiger Analysen von Verlustursachen, eines Finanzierungsplanes sowie der Zukunftsaussichten der Gesellschaft die Wahrscheinlichkeit der künftigen Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zu prüfen ist. Geplante Sanierungsmaßnahmen sind in diese Überlegungen einzubeziehen. Der Überschuldungstatbestand ist auf jene Fälle zu reduzieren, in denen die zur Erhaltung der Lebensfähigkeit der Gesellschaft eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen nicht hinreichen, d. h. die Lebensfähigkeit nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gesichert ist, eine rechnerische Unterbilanz daher nicht durch eine geschätzte zukünftige positive Entwicklung ausgeglichen werden kann (EvBl. 1987/104, WBl. 1988/58, RdW 1988, 130 ua). Gerade die erstgenannte der hier genannten Entscheidungen hat aber ihre gesamten Erwägungen nur auf jene Fälle abgestellt, in denen die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens noch erhalten ist. Dies erscheint schon deshalb gerechtfertigt, weil § 67 KO für die dort genannten Rechtssubjekte eine Verschärfung im Vergleich zu sonstigen Personen mit sich bringt. Diese Verschärfung soll auf ein vertretbares Ausmaß reduziert werden. Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß im heutigen Wirtschaftsleben praktisch kein Unternehmen ohne Fremdkapital auskommt, was dazu führt, daß rein rechnerisch häufig zeitweilig Überschuldungen auftreten werden. Würde man daher die bloßen rechnerischen Unterlagen heranziehen, so käme man zu dem Ergebnis, daß fast jedes Unternehmen zu irgendeinem Zeitpunkt verpflichtet wäre, den Konkurs anzumelden. Dies ist aber nicht Sinn der erwähnten gesetzlichen Bestimmung. Die durch § 67 Abs. 1 KO für die dort genannten Rechtssubjekte festgesetzten Erschwerungen sollen soweit reduziert werden, daß keine zu große Kluft zu sonstigen Personen besteht. Die erwähnte Judikatur will grobe Wertungsdifferenzen abbauen. Keinesfalls will sie aber erreichen, daß die erwähnten juristischen Personen konkursrechtliche günstiger gestellt sind als andere Personen. Da aber bei den anderen Personen die Zahlungsunfähigkeit gemäß § 66 KO in jedem Fall die Konkursreife begründet, kann in dieser Hinsicht für die im § 67 Abs. 1 KO genannten Rechtssubjekte keine sie begünstigende Ausnahme gemacht werden. Sind diese Rechtssubjekte daher zahlungsunfähig, so sind sie, was schon ein reiner Größenschluß mit sich bringt, auf jeden Fall konkursreif, weshalb sich, wie die in EvBl. 1987/104 veröffentlichte Entscheidung klar erkennen läßt, in diesen Fällen die Erstellung einer Zukunfsprognose erübrigt.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Schuldner objektiv generell mangels bereiter Mittel nicht nur vorübergehend außerstande ist, fällige Geldforderungen regelmäßig zu erfüllen (SZ 58/205, RdW 1984, 141, Wegan Insolvenzrecht, 84, Bartsch-Heil Grundriß des Insolvenzrechtes4, Rz 15). Es handelt sich hiebei um jenen nicht bloß vorübergehenden Zustand der Wirtschaftslage des Schuldners, der ihn hindert, die Geldmittel zur Tilgung der dieser Vorsorge bedürftigen Geldschulden bereitzuhalten oder demnächst zu beschaffen (Petschek-Reimer-Schiemer Insolvenzrecht, 30). Daß der Schuldner immer wieder einzelne Schulden befriedigt oder daß er die Befriedigung eines bestimmten Gläubigers mehr oder weniger regelmäßig vornimmt, besagt gegen die Annahme der Zahlungsunfähigkeit noch nichts. Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr auch dann anzunehmen, wenn nicht nur eine zeitlich befristete Zahlungsstockung oder die Zurückhaltung einzelner Schulden aus einem bestimmten Grund vorliegt, sondern der Schuldner in Wahrheit nicht in der Lage ist, seine Verbindlichkeiten grundsätzlich seinen Verpflichtungen entsprechend regelmäßig zu befriedigen. Fallweise oder punktuelle Befriedigung nach der Methode "Loch auf, Loch zu" können nicht die Annahme der Zahlungsunfähigkeit verhindern. Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Gemeinschuldnerinnen bereits Ende 1982 zahlungsunfähig waren und daß keine Aussicht auf Besserung dieser Situation bestand. Es war daher von der Zahlungsunfähigkeit am auszugehen. Dieser Umstand rechtfertigt daher gemäß § 31 Abs. 1 Z 1 KO die Anfechtung der ab diesem Zeitpunkt an die Beklagte geleisteten Zahlungen, wenn dieser die Zahlungsunfähigkeit bekannt war oder bekannt sein mußte. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn die Unkenntnis des Anfechtungsgegners auf einer Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt beruht: Hiebei genügt leichte Fahrlässigkeit des Anfechtungsgegners (SZ 57/87, SZ 55/65 u.a.). Ob dem Anfechtungsgegner Fahrlässigkeit zur Last fällt, bestimmt sich nach den ihm im Zeitpunkt der Vornahme der anzufechtenden Rechtshandlung zu Gebote stehenden Auskunftsmitteln, dem Maß ihrer ihm vernunftmäßig zumutenden Heranziehung und der Ordnungsmäßigkeit ihrer Bewertung (SZ 55/65, JBl. 1983, 654, SZ 57/87 u.a.).
Im vorliegenden Fall war der Beklagten bekannt, daß die Gemeinschuldnerinnen noch Kontakte zu anderen Kreditinstituten hatten. Aus diesem Grunde durfte sie sich bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit der Gemeinschuldnerinnen nicht allein auf die Kontobewegungen bei ihr verlassen. Durch die Übermittlung der Bilanz 1982 war ihr der nicht geringfügige (fast 5 Mio S) Verlust der Gemeinschuldnerinnen für das Jahr 1982 bekannt. Ungeachtet dieses Umstandes hat sie nicht einmal die bilanzmäßige Entwicklung der Gemeinschuldnerinnen laufend geprüft. Sie hat sich vielmehr von diesen mit Ausflüchten abspeisen lassen, wobei ihr immerhin bekanntgegeben worden war, daß für ein bestimmtes Jahr trotz der seinerzeitigen Negativbilanz mit einem Gewinn nicht zu rechnen sei, so daß also ein Abbau der bestehenden Überschuldung vorläufig nicht zu erwarten war. Die bloße Kontoentwicklung der Gemeinschuldnerinnen bei der Beklagten mag vielleicht für diese für sich allein noch nicht alarmierend gewesen sein. Im Zusammenhang mit dem Umstand starker bilanzmäßiger Verluste und der Bekanntgabe "daß 1984 zumindest kein Gewinn entstehen werde", was für einen wirtschaftlich halbwegs Versierten nur dahin zu verstehen war, daß jedenfalls mit weiteren Verlusten gerechnet werden mußte, durfte der jeweils relativ hohe Passivsaldo des Kreditkontos bei der Beklagten nicht bagatellisiert werden. Alle diese Umstände mußten geeignet sein, einen Verdacht der Beklagten bezüglich der wirtschaftlichen Potenz der Gemeinschuldnerinnen zu wecken. Dieser Verdacht hätte sie aber verpflichtet, die ihr zumutbaren Überprüfungen vorzunehmen. Das energische Drängen auf eine Vorlage der Bilanzen und zumindest Versuche, Klarheiten über weitere Verbindlichkeiten der Gemeinschuldnerinnen zu erlangen, waren der Beklagten zuzumuten. Bei der gegebenen Situation begründet das Unterlassen derartiger Schritte die fahrlässige Unkenntnis von der Zahlungsunfähigkeit der Gemeinschuldnerinnen die, wie bereits oben dargelegt wurde, auf jeden Fall zur Annahme der Überschuldung im Sinne des § 67 KO führt. Mit Recht haben demnach die Vorinstanzen dem auf § 31 Abs. 1 Z 1 erster Fall KO gestützten Anfechtungsbegehren stattgegeben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 43 Abs. 1 und 50 ZPO.