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OGH vom 04.04.2006, 5Ob277/05d

OGH vom 04.04.2006, 5Ob277/05d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Schaumüller, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei WEG S*****, vertreten durch Engin-Deniz Reimitz Schönherr Hafner Rechtsanwälte KEG in Wien, gegen die Beklagte I***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Christian Lang, Rechtsanwalt in Wien, wegen 10.141,95 Euro sA, über den Rekurs gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 231/04y-20, womit das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom , GZ 2 C 1498/03p-16, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist die Wohnungseigentümergemeinschaft der S*****straße ***** in *****. Die Beklagte war dort jedenfalls bis Ende Oktober 2003 Wohnungseigentümerin mehrerer Wohnungseigentumsobjekte, für welche für Jänner 2003 bis einschließlich Oktober 2003 an Wohnbeiträgen samt Reparaturfondsanteilen sowie „Sondervorschreibungen" in der vom Erstgericht näher aufgegliederten Höhe von insgesamt 10.141,95 EUR zur Vorschreibung gelangten.

Die Klägerin hatte im September 2002 beschlossen, dem bisherigen Verwalter Industrie & Immobilienverwaltung A***** die Vollmacht aufzukündigen und die E***** Immobilienverwaltung GesmbH zur Verwalterin zu bestellen. Entsprechend diesem Beschluss kündigte die Klägerin den Verwaltungsvertrag mit der Industrie & Immobilienverwaltung A***** zum . Mit übernahm die E***** Immobilienverwaltung GesmbH de facto die Hausverwaltung und schrieb auch der Beklagten die eingangs genannten Beiträge vor. Die Beklagte hat die vorgeschriebenen Beträge nicht an die E***** Immobilienverwaltung GesmbH bezahlt.

Dem Geschäftsführer der Beklagten war der Beschluss der Klägerin auf Wechsel der Hausverwaltung seit Oktober 2002 bekannt. Die Beklagte hat den Beschluss der Klägerin vom September 2002 fristgerecht mit dem am beim Bezirksgericht Döbling eingelangten, auf § 24 Abs 6 WEG 2002 gestützten Antrag angefochten. Das Bezirksgericht Döbling wies diesen Antrag mit Sachbeschluss vom , 5 Msch 10021/02p-14, ab. Dem von der Beklagten dagegen erhobenen Rekurs gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Sachbeschluss vom , 40 R 140/03i-20, nicht Folge. Den Sachbeschluss des Rekursgerichts erhielt der seinerzeitige Vertreter der Beklagten am zugestellt.

Die Klägerin begehrte mit ihrer beim Erstgericht am eingebrachten Klage von der Beklagten die Zahlung der Beiträge zu den Bewirtschaftungskosten für die Zeit von Jänner 2003 bis einschließlich Oktober 2003 in der Höhe von insgesamt 10.141,95 Euro sA.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, weil sie ihren Beitragspflichten nachgekommen sei. Da die Rechtmäßigkeit der Kündigung des Vertrags mit der Industrie & Immobilienverwaltung A***** strittig gewesen sei, seien für den das Klagebegehren betreffenden Zeitraum die Zahlungen an den bisherigen Verwalter vorzunehmen gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Beklagte habe sich durch allfällige Zahlungen an den früheren Verwalter der Gefahr des Schuldnerverzugs ausgesetzt, dem sie durch Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB begegnen hätte können.

Das Berufungsgericht gab der von der Beklagten erhobenen Berufung Folge und hob das Ersturteil zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung durch das Erstgericht auf. Aus § 24 Abs 1 und 6 WEG 2002 sei abzuleiten, dass die Rechtswirksamkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft - von Fällen der Einstimmigkeit abgesehen - erst nach Ablauf der Anfechtungsfrist oder nach rechtskräftiger Beendigung des Anfechtungsverfahrens eintrete; davon sei auch schon der Oberste Gerichtshof zu 5 Ob 69/04i (ecolex 2005/51, 120, Rausch = immolex 2005, 126) im Zusammenhang mit der fraglichen Bestellung eines vorläufigen Verwalters gemäß § 23 WEG 2002 während der Dauer des Anfechtungsverfahrens ausgegangen. Da die Beklagte im fraglichen Zeitraum somit wirksam an den früheren Verwalter haben leisten können, sei die Höhe tatsächlich erfolgter Zahlungen an diesen zu klären.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof erachtete das Berufungsgericht für zulässig, weil es zur Frage, an wen die Wohnbeiträge der Wohnungseigentümer während des Verfahrens auf Anfechtung des Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des bisherigen Verwalters und Bestellung eines neuen Verwalters schuldbefreiend bezahlt werden könnten, an einer zumal gefestigten höchstgerichtlichen Rechtsprechung und Lehre fehle.

Gegen den Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, diesen aufzuheben und des Urteil des Erstgerichts zu bestätigen, in eventu dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufzutragen.

Die Beklagte beteiligte sich am Rekursverfahren nicht.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; er ist aber - im Ergebnis - nicht berechtigt.

Die Klägerin macht in ihrem Rekurs zusammengefasst geltend, es habe der Oberste Gerichtshof auch zu 5 Ob 69/04i betont, dass die Entscheidung im Anfechtungsverfahren gerade nicht rechtsgestaltend wirke, sondern gegebenenfalls zur Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft mit ex-tunc-Wirkung führe. Der Antrag, mit dem die Beklagte den Beschluss der Eigentümergemeinschaft auf Kündigung des bisherigen Verwaltungsvertrags und auf Bestellung der neuen Verwalterin angefochten habe, sei inzwischen rechtskräftig abgewiesen worden, womit ebenfalls mit ex-tunc-Wirkung die Rechtswirksamkeit dieses Beschlusses fest stehe; allfälligen Zahlungen an den früheren Verwalter könne dann aber keine schuldbefreiende Wirkung zukommen.

Dazu hat der erkennende Senat Folgendes erwogen:

1. Die ordentliche Kündigung des auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Verwaltungsvertrags obliegt als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung der Eigentümergemeinschaft und kann sowohl von der Mehrheit als auch vom Verwalter unter Einhaltung bestimmter Termine und Fristen ausgesprochen werden. § 24 Abs 6 WEG 2002 regelt (wie zuvor § 13b Abs 4 WEG 1975) das Minderheitsrecht jedes Wohnungseigentümers, innerhalb eines Monats eine gerichtliche Überprüfung der Rechtsunwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses zu verlangen.

2. Zum Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit und des Feststehens der Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Eigentümergemeinschaft hat der erkennende Senat bereits mehrfach - allerdings noch nicht in einem mit dem vorliegenden Fall vergleichbaren Zusammenhang - Stellung genommen. Demnach wird mit der feststellenden Entscheidung über die Beschlussanfechtung endgültig über die Rechtswirksamkeit des Beschlusses der Eigentümergemeinschaft abgesprochen und zwar im Fall der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit des Beschlusses mit Wirkung ex tunc (5 Ob 69/04i = ecolex 2005/51, 120, Rausch = immolex 2005, 126; 5 Ob 265/04p = EvBl 2005/174, 842 = wobl 2005/138, 376, Call = ImmZ 2006, 69). Endgültig „bestandskräftig" ist der Beschluss erst bei einem Unterbleiben der fristgerechten Anfechtung oder ihrem rechtskräftigen Scheitern (5 Ob 69/04i = ecolex 2005/51, 120, Rausch = immolex 2005, 126; vgl H. Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 24 WEG 2002 Rz 98 f). Mit dieser zunächst nur eingeschränkten „Bestandskräftigkeit" hat der erkennende Senat zu 5 Ob 69/04i = ecolex 2005/51, 120, Rausch = immolex 2005, 126 begründet, dass die Wirksamkeit eines Mehrheitsbeschlusses über die ordentliche Kündigung eines Verwalters vom Ausgang des Anfechtungsverfahrens abhänge, weshalb während des Laufs dieses Verfahrens nicht dahin argumentiert werden könne, es sei kein Verwalter bestellt und die Bestellung eines vorläufigen Verwalters gemäß § 23 WEG 2002 erforderlich.

3. Zur Vollziehbarkeit anfechtbarer Mehrheitsbeschlüsse wurde in der Lehre die Ansicht vertreten, dass diese jedenfalls bei Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung gegeben sei. Trotz Anfechtbarkeit könne die Mehrheit ohne Risiko die beschlossene Maßnahme umsetzen (vgl H. Löcker, Die Wohnungseigentümergemeinschaft 242, 245). Hingegen wäre der Vollzug der Maßnahme im Bereich außerordentlicher Verwaltung eigenmächtig, sodass die Minderheit Schadenersatz und Beseitigung begehren könne (vgl ders aaO, 247; ders in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 24 WEG 2002 Rz 91, 101; vgl Würth in Rummel3 § 29 WEG 2002 Rz 6). Mit dieser Frage hat sich der erkennende Senat zu 5 Ob 265/04p = EvBl 2005/174, 842 = wobl 2005/138, 376, Call = ImmZ 2006, 69 näher befasst.

4. Im vorliegenden Fall ist bei Klärung der Frage, wie während des Verfahrens auf Anfechtung der Verwalterkündigung schuldbefreiend Zahlungen eines Wohnungseigentümers auf die Aufwendungen für die Liegenschaft erfolgen können, zwei unterschiedlichen Interessenslagen Rechnung zu tragen. Einerseits soll der Eigentümergemeinschaft nicht das Zuwarten auf Zahlungen für die gesamte Verfahrensdauer abverlangt werden; andererseits soll dem einzelnen Wohnungseigentümer, auch ohne ihn zu einem Vorgehen nach § 1425 ABGB zu zwingen, der Weg - schuldbefreiender - Zahlung gewiesen werden. Die Lösung ist schon durch das Gesetz selbst vorgezeichnet, weil § 20 Abs 6 WEG 2002 vorschreibt, wie Zahlungen auf die Aufwendungen für die Liegenschaft abzuwickeln sind. Nach dieser Bestimmung hat der Verwalter alle die Eigentümergemeinschaft betreffenden Ein- und Auszahlungen über ein auf die Gemeinschaft lautendes und für jeden Wohnungseigentümer einsehbares gesondertes Konto durchzuführen. Eigentümer eines auf diesem Konto vorhandenen Guthabens ist die Eigentümergemeinschaft. Langen Zahlungen eines Wohnungseigentümers auf dem gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichteten Konto ein - ob es sich dabei um ein Eigen- oder um ein Anderkonto handeln muss, kann hier dahin gestellt bleiben (zum Meinungsstand vgl Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht21, § 20 WEG 2002 Rz 27; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 22 WEG 2002 Rz 60) -, dann ist jedenfalls sichergestellt, dass diese Zahlungen dem wirklich Berechtigten, nämlich der Eigentümergemeinschaft zweckentsprechend zur Verfügung stehen, sodass diesen auch schuldbefreiende Wirkung zukommen muss.

5. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte ihre Zahlungspflicht nicht bestritten, sondern vielmehr behauptet, dieser im fraglichen Zeitraum während des anhängigen Verfahrens über die Anfechtung des Beschlusses auf Verwalterkündigung nachgekommen zu sein. Da sich die Beklagte aber auch nicht auf ein Vorgehen nach § 1425 ABGB berufen hat, ist im fortzusetzenden Verfahren zu erörtern und zu prüfen, ob die Beklagte die Beiträge zu den Bewirtschaftungskosten für die Zeit von Jänner 2003 bis einschließlich Oktober 2003 direkt auf das gemäß § 20 Abs 6 WEG 2002 eingerichtete Konto der Eigentümergemeinschaft eingezahlt hat oder diese Zahlungen zumindest dort eingelangt sind; (nur) dann wäre die Beklagte von einer (weiteren) Zahlungspflicht befreit. Wegen der Erörterungs- und Klärungsbedürftigkeit dieser Tatfrage hat es im Ergebnis beim Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts zu bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.