OGH vom 14.03.2002, 6Ob53/02s
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag. Dr. Otto Ranzenhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herbert L*****, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in Krems an der Donau, wegen S 2.817 samt Anhang, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 248/01b-19, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom , GZ 8 C 1604/00y-10, zurückgewiesen wurde, den Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung von S 2.817 samt Zinsen. Nachdem der Beklagte gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl Einspruch erhoben hatte, beraumte das Erstgericht die erste Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den an. Auf Antrag des Beklagten beraumte das Erstgericht diese Tagsatzung wieder ab. Am beraumte das Erstgericht neuerlich die erste Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung für den an. Der Beklagte übernahm die Ladung zu dieser Tagsatzung am . In der Tagsatzung am erließ das Erstgericht auf Antrag der Klägerin ein klagestattgebendes Versäumungsurteil, nachdem der Beklagte nicht zur Tagsatzung gekommen war.
Dieses Versäumungsurteil bekämpfte der Kläger aus dem Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens mit einem Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag. Er machte geltend, er habe sich unmittelbar nach Erhalt der Ladung mit dem Erstgericht in Verbindung gesetzt und mitgeteilt, dass er zum Verhandlungstermin nicht erscheinen könne, weil er als alleinerziehender Vater von vier Kindern, die noch die Schule besuchten, unabkömmlich sei. Da auf diese Entschuldigung nicht reagiert worden sei, sei er davon ausgegangen, dass das Erstgericht die Entschuldigung zustimmend zur Kenntnis genommen habe. Deshalb sei er zur Tagsatzung nicht erschienen. Es liege daher eine Säumnis nicht vor.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig zurück. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Selbst wenn die durch den Akteninhalt nicht gedeckten Behauptungen des Beklagten richtig wären, begründe die Fällung eines Versäumungsurteils ohne vorherige Erledigung des Vertagungsantrags - liege ein gesetzlicher Versäumungstatbestand vor - keine Nichtigkeit. Ob durch die Nichterledigung des - nicht erwiesenen - Vertagungsantrags das Verfahren mangelhaft sei, könne dahingestellt bleiben, weil gemäß § 501 Abs 1 ZPO bei einem S 26.000 nicht übersteigenden Streitwert das Urteil des Erstgerichts nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zu Grunde liegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache, nicht aber wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens angefochten werden könne. Die aus einem unzulässigen Rechtsmittelgrund erhobene Berufung sei zurückzuweisen. Der Revisionsrekurs sei gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO zulässig.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene als "Revisionsrekurs" bezeichnete Rekurs des Beklagten ist zulässig, weil gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung aus formellen Gründen zurückweist, gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) erhoben werden kann (SZ 65/157; RZ 1997, 176/56 mwN uva; Kodek in Rechberger, ZPO2 § 519 Rz 3 mwN). Eines Zulässigkeitsausspruchs bedarf es nicht.
Der Oberste Gerichtshof legte schon mehrmals unter Ablehnung der Lehrmeinung Faschings (LB2 Rz 1837) dar, dass in Rechtsstreitigkeiten im Streitwertbereich des § 501 Abs 1 ZPO - wie der vorliegenden - Berufungen, in denen ausschließlich andere als die in dieser Gesetzesstelle genannte Berufungsgründe geltend gemacht werden, als unzulässig zurückzuweisen sind (ausführlich SZ 65/157; 2 Ob 589/94; RZ 1997, 176/56 ua). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an.
Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.
Der Beklagte macht geltend, das Versäumungsurteil sei gemäß § 477 Abs 1 Z 4 ZPO nichtig, weil er sich vor der Tagsatzung telefonisch entschuldigt habe. Es liege nicht in seinem Einflussbereich, wenn die Erstrichterin von der telefonischen Vertagungsbitte nicht verständigt worden sei. Das Berufungsgericht sei verpflichtet gewesen, diesen Nichtigkeitsgrund von Amts wegen zu überprüfen. Bei Verneinung des Nichtigkeitsgrundes hätte es die Berufung inhaltlich behandeln müssen.
Dem ist zu erwidern, dass vor dem Beginn einer Tagsatzung gestellte Vertagungsanträge, die im bezirksgerichtlichen Verfahren entweder mit Schriftsatz (§ 74 ZPO) oder - wenn die Partei nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten ist - zu Protokoll (§ 434 Abs 1 ZPO) anzubringen sind, keine aufschiebende Wirkung haben (6 Ob 288/00x ua; Fasching II 701). Säumnis tritt daher ein, wenn dem Antrag nicht stattgegeben wird, die Partei aber die Tagsatzung nicht wahrgenommen hat (§ 136 Abs 2 Satz 2 ZPO analog; 6 Ob 288/00x; SZ 54/105 ua). Das Gericht hat über den Antrag vor Eingehen in die Sache zu entscheiden (§ 136 Abs 2 Satz 1 analog; 6 Ob 288/00x; SZ 54/105; ZBl 1929/114). Unterlässt es dies, so begründet die Fällung eines Versäumungsurteils, wenn die ordnungsgemäße Ladung ausgewiesen ist und demgemäß ein gesetzlicher Versäumungstatbestand (hier nach § 442 Abs 1 iVm § 452 Abs 2 ZPO) vorliegt, keine Nichtigkeit im Sinn des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO, sondern einen wesentlichen Verfahrensmangel (ZBl 1929/114; SZ 54/105; Fasching IV 125; vgl 6 Ob 288/00x). Da das Erstgericht mit Versäumungsurteil über einen Streitgegenstand entschied, der an Geld die Grenze des § 501 Abs 1 ZPO nicht überstieg, war der Beklagte nach dieser Gesetzesstelle auf die Berufungsgründe der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung beschränkt, die er aber weder seiner Erklärung noch dem Inhalt seines Rechtsmittels nach geltend machte. War der vom Beklagten geltend gemachte Berufungsgrund unzulässig, so hatte das Berufungsgericht mangels Bedeutung für seine Entscheidung die Richtigkeit der Behauptungen des Beklagten auch nicht zu prüfen. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO. Im übrigen wurden Kosten gar nicht verzeichnet.