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OGH 25.03.2020, 6Ob52/20w

OGH 25.03.2020, 6Ob52/20w

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtsache der klagenden Partei Dr. R***** M*****, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei o*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert: 35.000 EUR), infolge der „außerordentlichen“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 166/19x-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 68 Cg 27/19f-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, das angefochtene Urteil durch den Bewertungsausspruch gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO zu ergänzen.

Text

Begründung:

Der Kläger stellt ein mit 35.000 EUR bewertetes Unterlassungsbegehren.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge und sprach aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Ein Bewertungsausspruch unterblieb.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen erhob die beklagte Partei ein als außerordentliche Revision bezeichnetes Rechtsmittel, über das der Oberste Gerichtshof derzeit noch nicht entscheiden kann.

Besteht der Entscheidungsgegenstand – wie hier – nicht ausschließlich in einem Geldbetrag, so muss das Berufungsgericht nach § 500 Abs 2 Z 1 ZPO in sein Urteil einen

Bewertungsausspruch aufnehmen. Der Akt ist daher dem Berufungsgericht zurückzustellen, um den entsprechenden Ausspruch nachzutragen (RS0041371).

Sollte sich dabei ergeben, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt, käme eine Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Entscheidung nur dann in Betracht, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausspricht, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Ob der Schriftsatz des Klägers diesfalls den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder allenfalls einer Verbesserung bedarf, obliegt der Beurteilung der Vorinstanzen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. R***** M*****, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei o*****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 166/19x-20, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 68 Cg 27/19f-14, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, ab sofort die Verbreitung von Personenbildnissen der klagenden Partei im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das 'Ibiza-Video', insbesondere hinsichtlich dessen Entstehung und/oder dessen Weitergabe, zu unterlassen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 9.089,96 EUR (darin enthalten 1.323,76 EUR USt und 1.147,40 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.913,30 EUR (darin enthalten 366,30 EUR USt und 715,50 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger ist Rechtsanwalt in Wien und wird mit dem Erstellen des „Ibiza-Videos“ in Verbindung gebracht. In diesem Video wurden zwei damals führende FPÖ-Politiker bei einem Treffen mit einer angeblichen russischen Oligarchennichte auf Ibiza geheim gefilmt. Sie äußern im Video politisch (allenfalls auch strafrechtlich) verwerfliche Ideen. Teile dieses Videos wurden von der „Süddeutschen Zeitung“ und vom „Spiegel“ am unter Berufung auf den Quellenschutz ohne Angabe der Urheber veröffentlicht. Es besteht in Österreich großes öffentliches Interesse am Inhalt und an den Umständen der Entstehung des Ibiza-Videos.

[2] Die Beklagte ist Medieninhaberin des unter www.*****.at abrufbaren periodischen elektronischen Mediums.

[3] Am fragte die bei der Beklagten für das Ressort Wirtschaft zuständige Leiterin den Kläger per E-Mail, ob es eine Möglichkeit gäbe, mit ihm zu sprechen. Der Strafverteidiger des Klägers antwortete eine gute Stunde später, der Kläger könne aufgrund seiner Verschwiegenheitsverpflichtungen für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung stehen, er weise sämtliche Anschuldigungen, strafbare Handlungen gesetzt zu haben, entschieden zurück und untersage „jegliche identifizierende Berichterstattung“.

[4] Der Kläger gab selbst keine Stellungnahmen in Medien ab und stellte sich nicht für Interviews zur Verfügung.

[5] Am zeigte die Beklagte auf ihrer Homepage ein Foto des Klägers und berichtete unter dem Titel „S*****-Video: Jagd auf den Drahtzieher“ über den beteiligten Detektiv und den Kläger. Er wird dabei als „Anwalt R***** M.“ bezeichnet und mit einem gut erkennbaren Foto abgebildet.

[6] Der Kläger ist bis dato der Öffentlichkeit nicht bekannt. In der Berichterstattung des ORF wurde sein Bild nicht gezeigt. Er ist Betreiber einer Website, mit der er seine Dienstleistungen bewirbt. Auf dieser findet sich auch ein Bild des Klägers. Die Suchmaschine Google wirft unter dem Suchbegriff des Namens des Klägers vier Bilder des Klägers aus.

[7] Der Kläger hat durch eine Pressemitteilung seines Strafverteidigers implizit zugestanden, dass er in das Erstellen des Videos involviert war, auch in seiner Funktion als Rechtsanwalt. Maßgeblich mitgearbeitet an der Erstellung des Videos hat auch eine deutsche Detektei.

[8] Gegen den Kläger wurden strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet, die ua zu einer Hausdurchsuchung bei ihm führten. Die Rechtsanwaltskammer prüft die Involvierung des Klägers in das „Ibiza-Video“ aus standesrechtlicher Sicht.

[9] Es kann nicht festgestellt werden, dass vom Kläger eine Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht.

[10] Im Mai 2019 berichteten mehrere Medien ohne Zustimmung des Klägers unter Verwendung seines Bildnisses über die Ibiza-Affäre.

[11] Der Kläger erhielt mehrere E-Mail von ihm unbekannten Personen, die teilweise Drohungen gegen ihn enthalten oder gegen ihn gerichtete körperliche Angriffe herbeiwünschen und gutheißen. In diesen finden sich auszugsweise folgende Bemerkungen:

Ich freue mich sehr auf ein persönliches Treffen. Sie werden sich wundern, was Alles möglich ist.

Können Sie in Österreich ohne Personenschutz noch über die Straße gehe? Das wird alles sehr interessant werden.

Wir werden alle gespannt verfolgen, (…) wie oft du vorher noch angegriffen wirst ehrenloser Hund, hoffentlich oft und schmerzhaft.

(…) Er wird dich finden und im Gegensatz zu deutschen Gerichten wird es ihm völlig egal sein, ob es so was wie Quellenschutz gibt. Er hat andere Mittel …

Aber ich hoffe, und das innigst, dass ihnen jemand den Schädl einhauen wird! Verdient hast du das! (…) Typisch Muslim (…) Hoffe stark, dass sich mein Wunsch erfüllt!!!!!

der [Kläger] gehört gesellschaftlich und wirtschaftlich ruiniert

[12] Der Kläger begehrt, die Beklagte für schuldig zu erkennen, ab sofort die Verbreitung seiner Personenbildnisse im Zusammenhang mit der Berichterstattung über das „Ibiza-Video“, insbesondere hinsichtlich dessen Entstehung und/oder dessen Weitergabe, zu unterlassen. Er bringt vor, die von der Beklagten veröffentlichten Darstellungen des Bildnisses des Klägers verstießen gegen § 78 UrhG. Diese Norm sei auch im Anwendungsbereich der DSGVO weiterhin anwendbar. Er sei keine öffentliche Person, die regelmäßig Gegenstand öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit sei. Durch die Verbreitung des Lichtbilds des Klägers werde das berechtigte Interesse des Klägers auf Wahrung seiner Anonymität und seiner Sicherheit verletzt. Die Beklagte habe demgegenüber kein berechtigtes Interesse an der Veröffentlichung des Bildnisses des Klägers. Die von der Beklagten behauptete Abrufbarkeit von Personenbildnissen des Klägers im Zusammenhang mit der „Ibiza-Affäre“ im Internet beruhe im Wesentlichen auf der insoweit rechtswidrigen Berichterstattung der Beklagten (und anderer). Nach § 7a MedienG dürfe die identifizierbare Berichterstattung über eine gerichtlich strafbare Handlung in Bezug auf die schutzwürdigen Interessen des Verdächtigten nicht unverhältnismäßig sein. Ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit am Aussehen des Klägers liege nicht vor. Der Kläger sei darüber hinaus mit Droh-E-Mail konfrontiert, die die Gefährdung seiner körperlichen Sicherheit belegten.

[13] Die Beklagte wendete ein, § 78 UrhG sei durch die DSGVO materiell derogiert und deshalb nicht anwendbar. § 9 Abs 1 DSG normiere eine Totalausnahme von Medienunternehmen hinsichtlich der Bestimmungen der DSGVO, wodurch auch diese nicht anwendbar seien. Bei der Beurteilung der berechtigten Interessen iSd § 78 UrhG sei auf die Wertungen der §§ 6 ff MedienG Bedacht zu nehmen. Die Veröffentlichungen griffen nicht in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Klägers ein, weil sich dieser auf seine anwaltliche Verschwiegenheit berufe. Die Öffentlichkeit habe angesichts der geschichtlichen Dimension des „Ibiza-Videos“ ein berechtigtes Interesse am Aussehen des Klägers. Der Kläger halte selbst Lichtbilder seiner Person im Internet abrufbar. Das Aussehen des Klägers sei deshalb kein Geheimnis mehr und eine Gefährdung seiner Sicherheit zu verneinen. Der Kläger habe durch die Inszenierung des „Ibiza-Videos“ von sich aus aktiv die Bühne der Öffentlichkeit betreten. Ein Bildbericht sei dann zulässig, wenn der Sachverhalt, über den berichtet wird, erweislich wahr sei. Der Kläger habe seine Mitwirkung am „Ibiza-Video“ bereits zugestanden. Der Kläger werde im Zusammenhang mit dem „Ibiza-Video“ mehrerer gerichtlich strafbarer Handlungen verdächtigt.

[14] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf die wiedergegebenen Feststellungen und beurteilte diese rechtlich dahingehend, § 78 UrhG sei durch die DSGVO nicht derogiert worden. Durch die Veröffentlichung der Bilder durch die Beklagte müsse der Kläger befürchten, dass er von Personen auf offener Straße erkannt werde. Dadurch werde das berechtigte Interesse des Klägers auf Wahrung seiner Anonymität und seiner Sicherheit verletzt. Angesichts der Droh-E-Mail würde der Kläger durch zufällige Begegnungen mit Personen, die seine Mitwirkung am „Ibiza-Video“ nicht guthießen und die ihn anhand des veröffentlichten Bildnisses wiedererkannten, einem erheblichen Gesundheitsrisiko ausgesetzt und dadurch in seinem täglichen Leben eingeschränkt. Der Kläger sei allein durch seine Beteiligung an der Entstehung des Videos selbst noch nicht zu einer Person des öffentlichen Lebens geworden. Er habe die politische Bühne nicht betreten und auch nicht betreten wollen. Die Mitwirkung am „Ibiza-Video“ begründe in Hinblick auf die rechtsanwaltliche Tätigkeit des Klägers keine Gefährlichkeit seiner Person, weshalb die Veröffentlichung seines Bildnisses nicht notwendig sei, um die Öffentlichkeit hinreichend und umfassend zu warnen. Irrelevant sei, wie und in welchem Umfang der Kläger an der Entstehung des Ibiza-Videos mitgewirkt habe. Die Interessenabwägung falle zu Gunsten des Klägers aus.

[15] Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und ließ die Revision nicht zu. Angesichts der Droh-E-Mail sei die Befürchtung objektiv nachvollziehbar, dass der Kläger im Rahmen der angesprochenen „Jagd, die jetzt alle machen“ mit Hilfe der von der Beklagten veröffentlichten Fotos Ziel von Attacken auf seine körperliche Integrität werden könnte. Wie der Kläger aussehe, sei im Zusammenhang mit den ihm im Bericht unterstellten Handlungsweisen nicht von Relevanz. Die strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seien nicht Gegenstand des inkriminierten Berichts gewesen und rechtfertigten daher die Bildnisveröffentlichung nicht. Das Informationsinteresse könne eine Bildberichterstattung nur dann rechtfertigen, wenn es sich auf diese konkrete Art von Berichterstattung beziehe oder wenn Umstände vorlägen, die im konkreten Fall ein Interesse an einer besonders einprägsamen Berichterstattung begründeten, wie sie durch die Veröffentlichung von Bildern erreicht werde. Würden die Interessen des Abgebildeten schwer beeinträchtigt, seien an das von der Beklagten behauptete Informationsinteresse wesentlich höhere Anforderungen zu stellen. Der Kläger sei keine im öffentlichen Leben stehende Person. Auch der Bezug der Berichterstattung zum Status als Rechtsanwalt erfordere keine Bildberichterstattung. Die interessierte Mandantschaft orientiere sich am Namen und nicht am Aussehen des von der Berichterstattung betroffenen Rechtsanwalts. Die vom Erstgericht vorgenommene Interessenabwägung sei zutreffend.

[16] Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Klageabweisung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[17] Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[18] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[19] Die Revisionswerberin bringt vor, die vom Berufungsgericht zitierte oberstgerichtliche Rechtsprechung sei seit 1997 überholt. Nach jüngerer Rechtsprechung sei ein Bildbericht über einen erweislich wahren Sachverhalt auch dann zulässig, wenn er für den Betroffenen nachteilig, bloßstellend oder herabsetzend wirken möge. Die Frage, ob und inwiefern der Kläger in das „Ibiza-Video“ als Rechtsanwalt involviert sei, sei nicht Bestandteil seines höchstpersönlichen Lebensbereichs und daher auch nicht vom Schutzbereich des Art 8 EMRK erfasst. Bei Prüfung der Frage, ob berechtigte Interessen iSd § 78 UrhG beeinträchtigt werden, sei auf die Wertungen der §§ 6 ff MedienG Bedacht zu nehmen. Das „Ibiza-Video“ habe eine politische Affäre ausgelöst, sodass ein unmittelbarer Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben vorliege. Die Identität des Klägers verfüge über Nachrichtenwert iSd Art 10 EMRK, weil es für die rechtssuchende Bevölkerung von Interesse sei, ob ein besonderen beruflichen Verpflichtungen unterliegender Rechtsanwalt in möglicherweise strafrechtswidriger Weise in die Erstellung des „Ibiza-Videos“ involviert sei.

[20] Der Kläger bringt in der Revisionsbeantwortung vor, Bildnisschutz greife ein, wenn und soweit Abgebildete ein berechtigtes Interesse am Unterbleiben der Veröffentlichung seines Bildnisses habe. Bei nicht allgemein bekannten Personen werde die Verletzung noch dadurch verschärft, dass die Person des Abgebildeten damit erst einer breiten Öffentlichkeit auch optisch kenntlich gemacht werde. „Berechtigte Interessen“ iSd § 78 UrhG könnten auch berechtigte Sicherheitsinteressen des Abgebildeten sein, die hier angesichts der gegen den Kläger gerichteten Drohungen vorlägen. Eine Berichterstattung über einen Kriminalfall wäre hier auch ohne Veröffentlichung des Lichtbildes möglich gewesen.

[21] Hierzu wurde erwogen:

[22] 1. Nach § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen weder öffentlich ausgestellt noch auf eine andere Art, wodurch sie der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, verbreitet werden, wenn dadurch berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt würden.

[23] Diese Bestimmung soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit schützen, und zwar insbesondere dagegen, dass er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt wird oder dass sein Bildnis auf eine Art benutzt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (RS0078186). Bei der Prüfung, ob berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden, ist maßgebend, ob die insofern geltend gemachten Interessen bei objektiver Prüfung des einzelnen Falls als schutzwürdig anzusehen sind. Behauptet derjenige, der das Bild verbreitet, seinerseits ein Interesse an diesem Vorgehen, dann sind die beiderseitigen Interessen gegeneinander abzuwägen (RS0078088 [T2]). Berechtigte Interessen im Sinn des Bildnisschutzes sind von der Rechtsordnung geschützte Persönlichkeitsrechte, etwa der Schutz der Ehre, des Privat- und Familienlebens, des wirtschaftlichen Rufs und der Unschuldsvermutung (A. Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 34).

[24] 1.1. Allgemein gilt im Rahmen der nach § 78 UrhG vorzunehmenden Einzelfallabwägung: Der Persönlichkeitsschutz darf die Presse- und Informationsfreiheit einerseits nicht über Gebühr einschränken, andererseits darf der Schutz der ohnehin leicht verletzbaren Persönlichkeitsinteressen des Abgebildeten
– insbesondere wenn er, wie hier, erst durch die Bildberichterstattung einer breiten Öffentlichkeit individuell optisch bekannt wird (vgl RS0077767) – nicht leichtfertig preisgegeben oder gar Leib und Leben des Abgebildeten ohne Not gefährdet werden (vgl zur deutschen Rechtslage Specht in Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz6 KUG § 23 Rz 10).

[25] 1.2. Die Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung fällt nach der jüngeren Rechtsprechung – soweit kein unzulässiger Eingriff in die Privatsphäre vorliegt (4 Ob 150/08z) – bei einem im Kern wahren Begleittext gewöhnlich zugunsten des Mediums aus (6 Ob 249/01p; RS0112084 [T8]). Das gilt jedenfalls für Lichtbilder, die an sich unbedenklich sind, dh den Abgebildeten nicht entstellen oder Geschehnisse aus seinem höchstpersönlichen Lebensbereich zeigen (vgl 6 Ob 211/05f; RS0122489; RS0112084 [T9]).

[26] Dieses Ergebnis wird durch die Judikatur des EGMR gestützt, wonach Verbote und Beschränkungen in der Wahl medialer Darstellungsmittel nur bei Vorliegen besonderer Gründe mit Art 10 EMRK vereinbar sind (6 Ob 249/01p mwN; aus jüngerer Zeit etwa EGMR , ML und WW gegen Deutschland, Bsw 60798/10 und 65599/10). Ältere Entscheidungen, wonach die Veröffentlichung eines an sich unbedenklichen Lichtbildes (Porträtfotos) auch bei Vorliegen eines nach § 1330 Abs 2 ABGB zulässigen Begleittexts schon aufgrund ihrer Prangerwirkung untersagt werden könne (vgl 4 Ob 141/94), sind damit überholt.

[27] Ist daher eine Textberichterstattung nicht zu beanstanden, weil sie einen zumindest im Kern wahren Sachverhalt mitteilt und auch nicht Umstände aus der Privatsphäre des Betroffenen erörtert, so wird im Regelfall auch deren Illustration mit einem an sich unbedenklichen Lichtbild zulässig sein. Das gilt auch dann, wenn die Veröffentlichung für den Abgebildeten nachteilig, bloßstellend oder herabsetzend wirkt (6 Ob 249/01p; RS0112084).

[28] 1.3. Ob sich im Rahmen der konkret vorzunehmenden Interessenabwägung aufgrund gewichtiger Umstände auf Seiten des Abgebildeten – etwa wegen einer bei Veröffentlichung des Bildnisses zu gewärtigenden Gefahr für dessen körperliche Integrität – anderes ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls und damit – abgesehen von Fällen einer Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht – nicht revisibel (vgl 6 Ob 14/16a).

[29] 2. Im vorliegenden Fall ist dem Berufungsgericht eine solche Fehlbeurteilung unterlaufen:

[30] 2.1. Mit der Revisionswerberin ist zunächst davon auszugehen, dass auch an einer Bildberichterstattung, die der Veranschaulichung von Personen dient, die an einem Ereignis von gesteigertem öffentlichen Interesse beteiligt waren, ein schutzwürdiges Informationsinteresse der Öffentlichkeit besteht. In diesem Zusammenhang ist der Kläger auch nicht als „personne ordinaire“ im Sinn der Judikatur des EGMR (vgl , Gourguenidze gegen Georgien, Bsw 71678/01) zu qualifizieren, sondern als Person, die durch die Beteiligung am Zustandekommen des „Ibiza-Videos“, wenn auch nur vorübergehend, im Blickfeld der Öffentlichkeit steht. Dass der Kläger zuvor keine Person des öffentlichen Lebens war, ändert daran ebenso wenig etwas wie der Umstand, dass er selbst gar nicht intendierte, in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken, musste ihm doch vorab bewusst sein, dass dies eine geradezu zwangsläufige Folge der Veröffentlichung des Videomaterials sein werde.

[31] Der gleichzeitige Umstand, dass der inkriminierten Bildberichterstattung über das gerade angesprochene Illustrationsinteresse hinaus ein eigenständiger Nachrichtenwert nicht zukommt, ist allerdings bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen. Je geringer der Informationswert des Bildes ist, desto eher muss das Veröffentlichungsinteresse des Mediums gegenüber schutzwürdigen Persönlichkeitsinteressen des Abgebildeten zurücktreten.

[32] 2.2. Das Berufungsgericht hat ein solches das Veröffentlichungsinteresse prävalierendes Interesse des Klägers – entsprechend den Klagebehauptungen – in der Aufrechterhaltung seiner körperlichen Unversehrtheit und im Interesse gesehen, sich frei bewegen zu können, ohne befürchten zu müssen, im öffentlichen Raum das Ziel politisch motivierter Attacken zu werden.

[33] 2.3.1. Dabei nimmt das Berufungsgericht allerdings zu wenig darauf Bedacht, dass es dem Handelnden ex ante erkennbar sein muss, ob seine Berichterstattung zulässig ist oder nicht, könnte doch anderenfalls die Furcht vor Inanspruchnahme aufgrund nicht ausreichend klar konturierter Persönlichkeitsrechte der Betroffenen – im Sinne eines „

chilling effect“ (dazu Grabenwarter/Pabel, EMRK6 397 mwN) – die unverzichtbare Rolle der Presse als „öffentlicher Wachhund“ und ihre Fähigkeit beeinträchtigen, präzise und zuverlässige Informationen zu liefern (6 Ob 83/19b; RS0008990 [T9]).

[34] 2.3.2. Aufgrund der gebotenen Ex-ante-Betrachtung ist aber der Umstand, dass der Kläger nach der Veröffentlichung auf seine Verstrickung in die „Ibiza-Affäre“ bezogene E-Mail mit bedrohlichem Inhalt erhalten hat, nicht von Belang; dass der Beklagten demgegenüber bereits im Zeitpunkt der Veröffentlichung Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Klägers vorlagen, hat dieser nicht einmal behauptet.

[35] Wohl konnten die Verantwortlichen der Beklagten bereits damals antizipieren, dass die Abbildung des Klägers insoweit eine abstrakte Gefährdungslage schafft, als es in der politisch aufgeheizten Situation nach Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“ allenfalls zu spontanen politisch motivierten Übergriffen durch Fanatiker kommen könnte, die den Kläger bei einem Aufeinandertreffen in der Öffentlichkeit wiedererkennen.

[36] Es darf allerdings nicht übersehen werden, dass sich ein solches abstraktes Risiko in vielen Fällen identifizierender Berichterstattung über konfliktbeladene bzw emotionalisierende Themen ergibt. Würden nun Journalisten in die Pflicht genommen, vor einer Veröffentlichung zu solchen Themen auch dieses – für sie mangels konkreter Gefahrenhinweise regelmäßig nicht näher einschätzbare – Risiko mit ins Kalkül zu ziehen und (auch) unter diesem Gesichtspunkt abzuwägen, ob die Berichterstattung zulässig ist oder nicht, bestünde die schon angesprochene Gefahr einer abschreckenden Wirkung auf die freie Meinungsäußerung der Presse: Es ist nämlich damit zu rechnen, dass eine solche im Vorfeld unsichere Risikoabschätzung Medien häufig dazu veranlasst, in ihre Berichterstattung über polarisierende Themen trotz eines legitimen Informationsinteresses der Öffentlichkeit keine identifizierenden Elemente mehr aufzunehmen.

[37] 2.4. Vor diesem Hintergrund ist der Rechtsauffassung der Vorinstanzen nicht zu folgen, das Sicherheitsinteresse des Klägers überwiege – ungeachtet fehlender konkreter Anhaltspunkte für ein Sicherheitsrisiko durch die Bildberichterstattung – das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten.

[38] Die Verletzung anderer berechtigter Interessen durch die Veröffentlichung seines Bildnisses hat der Kläger im Verfahren nicht dargetan; soweit er sich allgemein auf sein Interesse an der Wahrung seiner Anonymität stützt, ist darauf zu verweisen, dass der Bildnisschutz nach § 78 UrhG nicht der Aufrechterhaltung der Anonymität des Abgebildeten als Selbstzweck dient (missverständlich daher 4 Ob 187/99z), sondern stets nur dem Schutz vor Verletzung bestimmter Persönlichkeitsrechte durch öffentliches Ausstellen oder Verbreitung des Bildnisses (vgl A. Kodek in Kucsko/Handig, urheber.recht2 § 78 UrhG Rz 8, 32).

[39] 3. Den Argumenten des Klägers in der Revisionsbeantwortung ist Folgendes entgegenzuhalten:

[40] 3.1. Soweit der Kläger meint, in den Bildnisschutz werde bereits eingegriffen, wenn der Abgebildete – gleichsam ohne echtes Informationsbedürfnis – der Neugierde und Sensationslust der Öffentlichkeit preisgegeben werde (vgl RS0077777; RS0078161 [T7]; zuletzt etwa 6 Ob 57/20f), trifft dies für sich genommen zu.

[41] Allerdings besteht im vorliegenden Fall sehr wohl ein über bloße Sensationslust hinausgehendes berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an der konkreten Bildberichterstattung, die der Veranschaulichung einer der Personen dient, die für das unmittelbare Zustandekommen des „Ibiza-Videos“ führend verantwortlich sind. In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf Bedacht zu nehmen, dass es bei der in Rede stehenden Berichterstattung der Beklagten nicht etwa primär darum geht, dass den Machern des Videos allenfalls ein strafbares Verhalten zur Last zu legen ist. Im Vordergrund steht nicht ein Kriminalfall, sondern vielmehr eindeutig die politische Dimension der „Ibiza-Affäre“. Diese brachte aufgrund der mit der Veröffentlichung des Videos verbundenen massiven – in ihrer Tragweite mit wenigen Skandalen in der Zweiten Republik vergleichbaren – politischen Verwerfungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Veröffentlichung der Berichterstattung ein stark gesteigertes Informationsinteresse der Allgemeinheit mit sich. Dieses Interesse bezog sich nicht nur auf den Inhalt des Videos und die politische und rechtliche Einordnung der darin getätigten Äußerungen und Andeutungen von bedeutenden Vertretern der damals drittgrößten österreichischen Parlamentsfraktion und (im Zeitpunkt der Veröffentlichung) Regierungspartei (über die Vergabe von Staatsaufträgen, verdeckte Parteispenden etc). Von Bedeutung war zugleich die in der inkriminierten Berichterstattung der Beklagten angeschnittene Frage, von wem und aus welchen Beweggründen den beiden Politikern die Videofalle gestellt wurde. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass sich die öffentliche Debatte zu diesem Zeitpunkt mit einer gewissen Berechtigung auch darauf konzentrierte herauszufinden, wer die unmittelbar Verantwortlichen hinter dem „Ibiza-Video“ sind und aus welchen spezifischen Motiven sie tätig wurden. Mit Blick auf das legitime Interesse der Öffentlichkeit, sich ein möglichst umfassendes Bild von den für das Video verantwortlichen Personen zu machen, um deren Handlungen sowie die dahinterstehenden Intentionen besser einordnen zu können, leistet die Abbildung des Klägers einen Beitrag zur Debatte von allgemeinem gesellschaftlichen Interesse (vgl zu diesem Kriterium RS0125177; RS0123987 je mwN aus der Rechtsprechung des EGMR), dies vor allem auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass nach der Judikatur des EGMR (vgl , Von Hannover gegen Deutschland III, Bsw 8772/10, Rz 48) der Informationswert eines Fotos nicht isoliert zu beurteilen ist, sondern im Lichte des Artikels, den es begleitet und illustriert. Vor diesem Hintergrund ist ein eigenständiger Nachrichtenwert der Abbildung in dem Sinn, dass zu berücksichtigen wäre, ob eine sinnvolle Berichterstattung über die Angelegenheit auch ohne Veröffentlichung des Lichtbildes möglich gewesen wäre, für die Bejahung eines schutzwürdigen Veröffentlichungsinteresses nicht erforderlich.

[42] Zu Recht verweist der Kläger zwar darauf, dieser Aspekt sei im Rahmen der Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums von Bedeutung (vgl dazu schon oben 2.1.).

[43] Zumindest im Bereich der Politikberichterstattung ist darauf aber nicht als entscheidendes Kriterium abzustellen: Anderenfalls müsste ein gegenüber den Interessen des Abgebildeten prävalierendes Illustrationsinteresse regelmäßig verneint werden, kann doch im Allgemeinen über politische Vorgänge zwanglos ohne Abbildung der daran beteiligten Personen berichtet werden (aus der vom Kläger zitierten Entscheidung 6 Ob 176/19d ergibt sich nichts Gegenteiliges, betraf sie doch die Veröffentlichung des Bildes eines Mordopfers im Rahmen der Kriminalberichterstattung). Im Hinblick auf die Rolle der Medien als „public watchdog“ in der demokratischen Gesellschaft billigt

der EGMR den Vertragsstaaten für Einschränkungen politischer Äußerungen oder Diskussionen in Angelegenheiten des öffentlichen Interesses aber kaum Raum für Beschränkungen

der Meinungsäußerungsfreiheit zu (EGMR , Haldimann gegen die Schweiz, Bsw 21830/09, Rz 59; vgl RS0123667; RS0125057 [T1]).

[44] 3.2. Wenn der Kläger seine berechtigten Sicherheitsinteressen ins Treffen führt, ist er nochmals auf den schon unter 2.1. erwähnten Umstand hinzuweisen, dass ihm bereits im Zuge der Herstellung des „Ibiza-Videos“ dessen politische Brisanz und folglich die Möglichkeit bewusst sein musste, damit – zumindest indirekt durch Weitergabe an dritte Akteure – die politische Debatte in Österreich entscheidend mitzubeeinflussen. Er musste folglich aber auch damit rechnen, dass jedenfalls ab der Veröffentlichung des Videos durch Dritte auch er selbst als Mitverantwortlicher hinter dem Video in den Brennpunkt des öffentlichen Interesses rücken würde, was ihn aber nicht davon abhielt, am Zustandekommen und an der Weitergabe des Videos mitzuwirken. Der Kläger hat somit durch eigene bewusste Handlungen das gesteigerte Interesse der Allgemeinheit an seiner Person bewirkt. Unter Bedachtnahme auf dieses akzentuierte Verhalten des Klägers vor der Veröffentlichung der inkriminierten Bildberichterstattung (zu diesem Faktor vgl EGMR , Axel Springer AG gegen Deutschland, Bsw 39954/08; RS0129575), mit dem er selbst zumindest die Voraussetzung dafür geschaffen hat, dass nach Weitergabe des Videos mit dem belastenden Material Einfluss auf die öffentliche Debatte genommen wird, kommt ihm der Schutz als Privatperson unabhängig davon nicht zu, dass er selbst nicht an die Öffentlichkeit treten wollte.

[45] Schon aus diesem Grund geht der Verweis des Klägers auf die Wertungen des MedienG, insbesondere auf die in § 7a MedienG statuierten engen Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer identifizierenden (Kriminal-)Bericht-erstattung über Privatpersonen, sowie auf die dazu ergangenen rezenten Entscheidungen 15 Os 99/14v und 15 Os 86/18p fehl.

[46] 3.3. Was die vom Kläger im Rahmen der vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung (4 Ob 119/12x) gegen das Veröffentlichungsinteresse der Beklagten abzuwägenden berechtigten Sicherheitsinteressen anbelangt, sei zunächst angemerkt, dass sich der Kläger unter diesem Aspekt gar nicht gegen die Veröffentlichung seines Vornamens und der Initiale seines Nachnamens wehrt, die in Zusammenschau mit der weiteren Information, er sei Anwalt, für jedermann – ohne Rechercheaufwand durch bloßes Googeln – nicht nur die Identifikation seiner Person und Ausforschung seines Kanzleisitzes, sondern auch den Zugang zu (älteren) Abbildungen des Klägers zulässt.

[47] Schon dadurch unterscheidet sich der vorliegende Fall von jener Fallkonstellation, die der Entscheidung 4 Ob 124/13h zugrunde lag: Der dortige Kläger wandte sich gegen eine (Bild-)Berichterstattung, die eine nicht ohnedies für jedermann öffentlich zugängliche Information, nämlich dessen Privatadresse, offenbarte. Dies gab letztlich zugunsten des – dadurch als Strafverteidiger in seinen Sicherheitsinteressen berührten – Klägers den Ausschlag. Dabei wurde nicht nur das Interesse eines Rechtsanwalts an der Geheimhaltung seiner Privatadresse als schutzwürdig erachtet, sondern wurde auch – anders als im vorliegenden Fall – kein Interesse des beklagten Mediums an der Veröffentlichung der (Identifizierungsmöglichkeit der) Privatadresse des Klägers als gegeben angenommen.

[48] Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass ohnedies über das Internet Detailinformationen zum Kläger frei zugänglich sind.

[49] Was die Schaffung des – für die verantwortlichen Redakteure der Beklagten wohl aufgrund des aufgeheizten politischen Klimas im Veröffentlichungszeitpunkt erkennbaren – Risikos spontaner Attacken durch Fanatiker anbelangt, die den Kläger bei einer Begegnung in der Öffentlichkeit aufgrund des publizierten Lichtbildes wiedererkennen, ist nochmals auf den schon erwähnten (2.3.1.) „chilling effect“ zu verweisen: Eine abstrakte Gefährdungslage wird relativ häufig nicht ausgeschlossen werden können, ist doch ganz allgemein mit einer (kleinen) Anzahl von besonders radikalisierten oder psychisch instabilen Medienkonsumenten zu rechnen; ob diese
– konfrontiert mit spezifischen konfliktträchtigen Themen – gewaltbereit reagieren und wie weit deren allfällige Gewaltbereitschaft geht, lässt sich praktisch niemals seriös abschätzen. Wie weitreichend und nachhaltig etwaige Sicherheitsinteressen des von der Berichterstattung Betroffenen tangiert werden, kann damit aber ex ante in aller Regel nicht einmal annäherungsweise eingeschätzt werden.

[50] Deshalb werden im Allgemeinen bei der anzustellenden Interessenabwägung Sicherheitsbedenken nur dann ins Kalkül zu ziehen sein, wenn es im Veröffentlichungszeitpunkt konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung einer von der Berichterstattung betroffenen Personen durch die publizierten Informationen gibt oder aus sonstigen Gründen bereits vorab ernstlich mit körperlichen Übergriffen zu rechnen ist. Beides war hier im Vorfeld der Bildnisveröffentlichung nicht der Fall.

[51] 3.4. Der Kläger zieht schließlich eine Parallele zur Veröffentlichung von Fahndungsfotos der sogenannten „Oligarchennichte“ durch Medien, die nach Ansicht des Presserats trotz entsprechender behördlicher Anordnung mangels eigenständiger Prüfung im Hinblick auf eine zu befürchtende Gefährdung ihrer Person Punkt 5.3. des Ehrenkodex des Presserats verletzt habe. Es liege ein Größenschluss nahe, wonach der angesprochene Gesichtspunkt umso mehr für den mit den zuständigen Behörden kooperierenden Kläger zu gelten habe.

[52] Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass der Presserat in der angesprochenen Stellungnahme vom bloß vom Bestehen einer medienethischen Verpflichtung der Redaktionen ausgeht, vor der Veröffentlichung der behördlich übermittelten Inhalte die Verhältnismäßigkeit und eine mögliche Verletzung des Persönlichkeitsschutzes zu prüfen (vgl dazu Warzilek, Zur Veröffentlichung von Fahndungsfotos des „Ibiza“-Lockvogels, MR 2020, 121, der ausdrücklich und zutreffend auf das aus § 7a Abs 3 Z 2 MedienG abzuleitende Fehlen einer rechtlichen Verantwortlichkeit der Medien für die Veröffentlichung der Fahndungsbilder verweist; auf die Frage der Rechtmäßigkeit der Fahndungsanordnung kommt es nicht an). Die Überlegungen zum erforderlichen Größenschluss sind vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar.

[53] Soweit der Kläger damit bloß zum Ausdruck bringen möchte, dass die vom Presserat angestellten grundlegenden Erwägungen zu der zu befürchtenden Gefährdung der „Oligarchennichte“ auch für ihn zu gelten hätten, so ist ihm zu erwidern, dass bei einer nicht aus Anlass einer Fahndungsanordnung erfolgten Bildberichterstattung über die Genannte dieselben oben dargelegten Grundsätze anzuwenden wären.

[54] 4. Zu dem vom Kläger nachträglich vorgelegten Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom , 19 Bs 168/20z, bleibt auszuführen, dass in dessen Begründung zu einer allfällig drohenden Gefährdung der „Oligarchennichte“ durch die Anordnung der öffentlichen Personenfahndung gar nicht Stellung genommen wird.

[55] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 41, 50 ZPO.

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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00052.20W.0325.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
YAAAD-63482