OGH vom 29.08.2019, 6Ob52/19v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Gitschthaler, Univ.Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Anke Reisch, Rechtsanwältin in Baden, und deren Nebenintervenientin K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Katrin Hainbuchner und andere Rechtsanwälte in Kirchberg in Tirol, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Stephan Rainer, Rechtsanwalt in Innsbruck, und deren Nebenintervenientin P***** GmbH, *****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Wendling GmbH in Kitzbühel, wegen 100.212,39 EUR sA, Zustimmung (Streitwert 150.000 EUR) und Feststellung (Revisionsinteresse 31.313,12 EUR sA), über die Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 28/18h98, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom , GZ 6 Cg 115/15w86, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:
Spruch
A. Der Revision wird .
Das angefochtene Teilurteil des Berufungsgerichts wird in seinem Punkt A.B. dahin abgeändert, dass dieser zu lauten hat:
I. Teilurteil:
1. Die Klagsforderung besteht mit 13.500 EUR zu Recht.
2. Die Gegenforderungen bestehen nicht zu Recht.
3. Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin zu Handen der Klagevertreterin 13.500 EUR samt 4 % Zinsen seit binnen 14 Tagen zu zahlen.
4. Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin zu Handen der Klagevertreterin weitere 31.157,75 EUR samt 4 % Zinsen sei binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.
II. Im Übrigen, somit hinsichtlich der Leistung einer unvertretbaren Handlung (in eventu Feststellung, Geldleistung), hinsichtlich 55.554,64 EUR, hinsichtlich des Feststellungsbegehrens und hinsichtlich der Kostenentscheidung wird das Urteil des Erstgerichts aufgehoben und diesem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
B. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz sowie jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bleiben der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Ob die Klägerin als Käuferin oder ob die Beklagte als Wohnungseigentumsorganisatorin und Verkäuferin (un)berechtigt vom Kaufvertrag betreffend eine in K***** gelegene Eigentumswohnung samt PKWTiefgaragenabstellplatz, Kellerraum und zwei Stellplätzen im Freien zurückgetreten ist, steht aufgrund des Aufhebungsbeschlusses des Berufungsgerichts noch nicht fest; dieser ist rechtskräftig.
Das Berufungsgericht sprach jedoch bereits jetzt der Klägerin mit Teilurteil aus dem Titel der Bereicherung (§ 1041 ABGB) einen Teil des Klagebegehrens in Höhe von 31.313,12 EUR für in der Wohnung zurückgelassene Einrichtungsgegenstände zu, welche die Beklagte nach Vertragsaufhebung an die nunmehrige Käuferin der Wohnung veräußert hatte. Da die Beklagte nach ihren eigenen Berechnungen die Wohnungseinrichtung um 78.686,88 EUR komplettiert und für diese Wohnungseinrichtung von der nunmehrigen Käuferin 110.000 EUR erhalten hatte, belaufe sich ihr Vorteil aus der Zurücklassung der Einrichtungsgegenstände auf den zugesprochenen Teilbetrag.
Darüber hinaus wies das Berufungsgericht ein Teilklagebegehren in Höhe von 31.157,75 EUR (insoweit ebenfalls rechtskräftig) ab und verneinte ein Zurechtbestehen von der Beklagten geltend gemachter Gegenforderungen. Diese hatte im Verfahren erster Instanz solche in Höhe von insgesamt 112.227,03 EUR eingewendet. Darin enthalten waren – soweit dies für das Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch von Bedeutung ist – die Kaufpreisdifferenz zwischen dem Verkauf der Wohnung an die Klägerin und deren Verkauf an die nunmehrige Käuferin in Höhe von ursprünglich 98.000 EUR brutto, diverse Kosten und Aufwendungen (Betriebskosten, Rekultivierung der Gartenanlage, Treuhänder, Feuchtigkeitsmessungen, Wertermittlung Tischlerarbeiten und Sachverständiger) in Höhe von ursprünglich insgesamt 20.940,15 EUR brutto und die Maklerprovision für den zweiten Verkauf in Höhe von ursprünglich 24.600 EUR brutto.
Das Berufungsgericht sprach hinsichtlich seines Teilurteils aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle „jüngere Judikatur“ zum Angeld, darüber hinaus seien „allgemeine schadenersatzrechtliche Fragen“ zu behandeln gewesen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.
1. Die vom Berufungsgericht gewählte Formulierung seines Zulässigkeitsausspruchs stellt nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Leerformel dar, weil sie nicht konkret aufzeigt, worin die Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO liegen soll (7 Ob 251/02s; vgl auch 2 Ob 275/01g). Im Übrigen spielt die Frage, ob bestehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs älteren oder jüngeren Datums ist, für die Zulässigkeit einer Revision jedenfalls dann keine Rolle, wenn sich, wie auch im vorliegenden Fall, die Gesetzeslage nicht geändert hat und auch nicht etwa im Schrifttum inzwischen beachtliche Kritik geäußert wurde (RS0103384 [T2]; RS0042680 [T1]).
2. Allerdings gelingt es letztlich der Beklagten in ihrer Revision eine – zumindest teilweise – Fehlbeurteilung der Sache durch das Berufungsgericht aufzuzeigen:
2.1. Die Beklagte macht geltend, die Klägerin habe selbst ausgesagt, es sei ihr egal, was mit den Möbeln, die sie nach Vertragsaufhebung in der Wohnung zurückließ, passiere, womit sie ihren Besitz daran aufgegeben habe. Sie übersieht dabei allerdings, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, besondere Vorsicht geboten ist (RS0014420 [T1]; siehe auch RS0014190), weil ansonsten die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn gelegen sind (RS0014157). Gerade bei Ansprüchen zur Wahrung der Freiheit des Eigentums sind strenge Anforderungen an die Annahme eines konkludenten Verzichts zu stellen (RS0014420 [T14]). Maßgeblich können insoweit immer nur die Umstände des konkreten Einzelfalls sein (RS0014420 [T4]). Da die Aussage der Klägerin, es sei ihr egal, was mit den Möbeln geschehe, auch bloß bedeuten konnte, dass sie diese in der Wohnung belassen und einem späteren Verkäufer weiterverkaufen könnte, ist die Auslegung des Berufungsgerichts, wonach die Klägerin nicht etwa auf eine Ablöse oder einen sonstigen Ausgleich einer Bereicherung verzichten wollte, vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung nicht zu beanstanden.
2.2. Was allerdings die Höhe des (vom Berufungsgericht als berechtigt erkannten) Bereicherungsanspruchs der Klägerin betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass der Benützer gemäß § 1041 ABGB ein dem verschafften Nutzen angemessenes Entgelt zu entrichten hat, wobei es in erster Linie nicht etwa auf die Nachteile des Anspruchsberechtigten (hier also der Klägerin), sondern auf den Nutzen des Benützers (hier also der Beklagten), insbesondere auf die von ihm durch die Benützung der fremden Sache ersparten Auslagen ankommt (RS0019850). Maßgeblich ist, was der Bereicherte sonst auf dem Markt für diesen Vorteil hätte aufwenden müssen (RS0019900). Ebenso maßgeblich ist die Frage, ob der Bereicherte redlich oder unredlich war: Der redliche Benützer hat den Vorteil zu vergüten, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist; dieser Vorteil orientiert sich in der Regel am gewöhnlichen Benützungsentgelt, das aber zugleich die Obergrenze des Ersatzes bildet (RS0020150); der Unredliche hingegen schuldet das höchste erzielbare Benützungsentgelt (RS0020150 [T6]).
Der redliche Bereicherte ist somit besser gestellt. Verbraucht er die Sache, muss er in der Regel deren Verkehrswert ersetzen (§ 417 ABGB), weil sein Nutzen dem objektiven Wert entsprechen wird (Welser/Zöchling-Jud in Koziol/Welser, Grundriss des bürgerlichen Rechts II14 [2015] Rz 1757 unter Hinweis auf Wilburg, Die Lehre von der ungerechtfertigten Bereicherung [1934] 133 ff); dieser bildet auch die Grenze für die Herausgabe des Erlöses, den der Bereicherte aus der Sache durch ihre Veräußerung gezogen hat (3 Ob 323/98s; F. Bydlinski, Zum Bereicherungsanspruch gegen den Unredlichen, JBl 1969, 252 [253]; Welser/Zöchling-Jud aaO). Hat hingegen ein unredlicher Bereicherter eine Sache zu seinem Vorteil verwendet, so ist ihr Wert nach dem höchsten am Markt erzielbaren Preis zu bemessen (§ 417 ABGB;2 Ob 510/84; Schurr in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKomm4 [2017] § 1041 Rz 12). Hat er sie veräußert, muss er den Erlös herausgeben, mindestens aber den Verkehrswert (RS0033787); hat er mehr als den Verkehrswert erzielt, schuldet er auch den darüber hinausgehenden Betrag (5 Ob 231/98a; Welser/Zöchling-Jud aaO Rz 1758).
Nach dem Gutachten eines Privatsachverständigen (Beilage ./11), auf das sich die Beklagte in ihrer Revision selbst beruft, belief sich der Pauschalwert der Möbel („Einbaubestand“) infolge ihres „Teilzustands“ auf 13.500 EUR; dieser Verkehrswert steht der Klägerin somit jedenfalls zu, das heißt unabhängig davon, ob die Beklagte nun redlicher oder unredlicher Bereicherter ist. Weshalb die Beklagte letztlich bei (eigenen) Komplettierungskosten von 78.686,88 EUR einen Veräußerungspreis von 110.000 EUR erzielen konnte, obwohl Verkehrswert und Komplettierungskosten lediglich 92.186,88 EUR ausgemacht hätten, lässt sich den Feststellungen der Vorinstanzen nicht entnehmen. Hinsichtlich des Differenzbetrags von 17.813,12 EUR ist aber die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu beachten, wonach auch der unredliche, ja selbst der bewusst rechtswidrig handelnde Bereicherungsschuldner dem Verkürzten nicht alle Vorteile herauszugeben hat, für die das fremde Rechtsgut kausal war, wenn er einen gewichtigen eigenen Beitrag für die Vermögensvermehrung leistete. Es ist dann der Gesamtvorteil auf die Beteiligten aufzuteilen und die Verwendung der Rechtsgüter des Bereicherungsgläubigers durch eine angemessene Vergütung auszugleichen (RS0107346; Wilburg aaO 128 ff; F. Bydlinksi aaO; Graf, Zinsen, Bereicherung und Verjährung. Überlegungen aus Anlaß der Entscheidung des OGH 4 Ob 584/87, JBl 1990, 350 [351]; Welser/Zöchling-Jud aaO Rz 1758), wobei für den Umfang des gewichtigen eigenen Beitrags der Bereicherungsschuldner beweispflichtig ist (3 Ob 104/07a).
2.3. Da – wie bereits ausgeführt – derzeit noch nicht feststeht, ob die Beklagte als redliche oder als unredliche Bereicherungsschuldnerin anzusehen ist und (in letzterem Fall) die Frage noch nicht erörtert wurde, auf welchem Umstand die „Überzahlung“ von 17.813,12 EUR gründete, welchen „gewichtigen eigenen Beitrag“ die Beklagte also leistete (denkbar wäre ja auch, dass mit der weiteren Käuferin lediglich aus steuerlichen Gründen eine Erhöhung des Kaufpreises der Möbel zu Lasten des Kaufpreises der Wohnung vereinbart wurde, was nicht zu Lasten der Klägerin gehen könnte), waren die Entscheidungen der Vorinstanzen auch hinsichtlich dieses Teilbetrags aufzuheben. Die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von 13.500 EUR (Verkehrswert) war hingegen zu bestätigen.
3. Die Beklagte wendete – wie ebenfalls bereits dargestellt – im Verfahren erster Instanz Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 112.227,03 EUR ein, die das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Teilurteil als nicht zu Recht bestehend erkannte. Im Rechtsmittelverfahren macht(e) die Beklagte zwar nicht mehr die Kaufpreisdifferenz (siehe 3.1.), wohl aber die Nettobeträge (ohne Umsatzsteuer) aus den Aufwendungen in Höhe von 17.450,13 EUR und der Maklerprovision in Höhe von 20.500 EUR als Gegenforderungen geltend.
3.1. Es ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass die Klägerin vereinbarungsgemäß vor Übergabe der Wohnung eine Anzahlung in Höhe von 150.000 EUR „als Angeld sowie als pauschales Nutzungsentgelt und Wertminderung“ an die Beklagte leistete, welche bei nicht fristgerechter Zahlung des Restkaufpreises von 863.000 EUR und Rücktritt der Beklagten vom Vertrag nach Nachfristsetzung verfallen und nicht an die Klägerin zurückzuzahlen sein sollte. Ebenso wenig ist strittig, dass die Beklagte daneben nicht zusätzlich noch die Wertminderung der Wohnung von 81.666,67 EUR netto begehren kann. Allerdings vermeint die Beklagte, die Aufwendungen und die Maklerprovision seien von der Angeldvereinbarung nicht erfasst und stünden ihr deshalb zusätzlich zu. Damit ist sie nicht im Recht:
3.2. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist in den Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens, den der mit Recht vom Vertrag zurücktretende Teil begehrt, das Angeld einzurechnen (3 Ob 148/30 = RS0024706). Daher ist es nicht zulässig, Angeldverfall mit einem Schadenersatzanspruch zu kumulieren (Winner in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 [2018] § 908 Rz 16; vgl auch Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 [2014] § 908 ABGB Rz 14). In diesem Sinne wird auch formuliert, die Berechtigung, das Angeld behalten zu können, erfordere eine Abstandnahme von dem Anspruch auf gehörige Nacherfüllung oder Schadenersatz; Angeld stelle eine pauschalierte Schadenersatzleistung dar (Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek, ABGB4 [2014] § 908 ABGB Rz 26). Wohl bestehe allerdings die Möglichkeit, auf Angeldverfall zu bestehen und den darüber hinausgehenden Schaden ersetzt zu verlangen (Binder/Kolmasch aaO Rz 35).
Von dieser herrschenden Auffassung ist das Berufungsgericht nicht abgewichen, wenn es ausführte, dass die von der Beklagten geltend gemachten Schadensbeträge im Angeld Deckung fänden und daher nicht zusätzlich zu diesem begehrt werden könnten. Dafür, dass die Parteien vom gesetzlichen Modell des § 908 ABGB abgegangen wären, finden sich – entgegen der von der Beklagten in ihrer Revision vertretenen Ansicht – in dem von den Vorinstanzen festgestelltem Sachverhalt keine Anhaltspunkte, zumal der Betrag von 150.000 EUR in der Vereinbarung ausdrücklich als „Angeld sowie als Nutzungsentgelt und Wertminderung“ bezeichnet wurde. Sollte der Betrag im Sinn der Revisionsausführungen tatsächlich lediglich als Abgeltung der Wertminderung dienen, hätte die Formulierung „Angeld sowie“ keine Bedeutung.
3.3. Damit war aber (auch) die Entscheidung des Berufungsgerichts hinsichtlich der Gegenforderungen zu bestätigen.
4. Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0060OB00052.19V.0829.000 |
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