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OGH vom 22.05.1985, 1Ob584/85

OGH vom 22.05.1985, 1Ob584/85

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto Georg A B C ZU D, Rechtsanwalt, D-8231 Schloß Marzoll, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Paul Lechenauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien

1.) Matthias E, Landwirt, Buchhöhestraße 7, 5084 Großgmain, 2.) Johann F, Transportunternehmer, Salzburgerstraße 396, 5084 Großgmain, beide vertreten durch Dr. Herwig G, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Wiederaufnahme (Streitwert S 2,000.000,-) infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 25. Feber 1985, GZ. 1 R 13/85-18, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ. 4 Cg 568/83-14, abgeändert wurde, folgenden Beschluß gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß der erstgerichtliche Beschluß wiederhergestellt wird.

Der Wiederaufnahmskläger ist schuldig, den Wiederaufnahmsbeklagten die mit S 23.945,87 bestimmten Kosten des Revisionsrekurses (davon S 1.958,72

Umsatzsteuer und S 2.400,- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Begründung:

Im Vorprozeß erkannte das Erstgericht mit Urteil vom bei einem Streitwert von 2 Mio S in Senatsbesetzung auf Realteilung der Liegenschaft EZ 92 KG Großgmain. Am erhob der seinerzeitige Beklagte Wiederaufnahmsklage, ohne darin gemäß § 7 a Abs 2 JN idF der ZVN 1983 den Antrag auf Entscheidung durch den Senat zu stellen. Auch die Wiederaufnahmsbeklagten stellten einen solchen Antrag in der Klagebeantwortung nicht. Bei der vom Einzelrichter anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung im Wiederaufnahmsverfahren am rügte der Wiederaufnahmskläger die nicht gehörige Besetzung des Gerichtes und beantragte, das Verfahren vor dem Senat durchzuführen. Das Erstgericht verwarf diese Rüge und wies den Antrag auf Durchführung des Verfahrens vor dem Senat zurück, weil für das Wiederaufnahmsverfahren nach den nunmehr geltenden Bestimmungen der Einzelrichter zuständig sei. Erst im wiederaufgenommenen Verfahren werde eine allenfalls notwendige Senatsbesetzung zu prüfen sein. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Wiederaufnahmsklägers Folge, hob den erstgerichtlichen Beschluß auf, trug dem Erstgericht auf, über die Wiederaufnahmsklage in Senatsbesetzung zu verhandeln und entscheiden, erklärte die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung in dem der Fassung des angefochtenen Beschlusses nachfolgenden Teil für nichtig und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, S 300.000,-

übersteigt. Für das Wiederaufnahmsverfahren hätten gemäß § 533 ZPO die im ersten bis vierten Teil dieses Gesetzes enthaltenen Vorschriften entsprechend Anwendung zu finden, während das wiederaufgenommene Verfahren gemäß § 541 ZPO nach den Regeln durchzuführen sei, die für das Zustandekommen der aufgehobenen Vorentscheidung maßgebend gewesen seien. Das Problem der Änderung der Rechtslage zwischen Vorprozeß und Wiederaufnahmsverfahren habe die Rechtsprechung auf Grund der dem Art XVII Abs 6 ZVN 1983 ähnlichen übergangsbestimmung des Art X § 2 UekindG wiederholt beschäftigt. Hiebei seien, den EB zur RV (6 BlgNR 12. GP 42) folgend, die bisherigen Vorschriften auch auf Wiederaufnahmsklagen angewendet worden. Die (in § 7 a Abs 2 JN nF) vorgesehene Präklusion (für den Antrag auf Entscheidung durch den Senat) gelte für das vorliegende Wiederaufnahmsverfahren nicht, da sie sonst auch auf das wiederaufgenommene Verfahren bezogen werden müßte, das aber nach den Regeln des Vorprozesses zu führen sei. Diese Regeln müßten daher auch im Wiederaufnahmsverfahren angewendet werden. Dadurch werde auch vermieden, daß ein Einzelrichter die frühere Senatsentscheidung beseitige.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs der Wiederaufnahmsbeklagten ist berechtigt. Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, welches Prozeßrecht infolge einer Änderung der Verfahrensvorschriften (hier: Änderung des § 7 a JN) zwischen Vorprozeß und Wiederaufnahmsverfahren anzuwenden ist. Grundsätzlich sind Verfahrensgestze immer nach dem letzten Stand anzuwenden, es sei denn, daß sie ausdrücklich eine andere Regelung treffen (SZ 55/17; Fasching Komm III 5). Ein laufendes Verfahren ist daher, soweit nicht übergangsvorschriften etwas anderes bestimmen, vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der jeweiligen neuen Vorschrift an nach den neuen Verfahrensvorschriften fortzusetzen und zu beenden (Fasching, LB des Zivilprozeßrechts Rz 130). Art XVII § 2 Abs 1 bis 5 ZVN 1983 enthält für die Anwendung des § 7 a JN nF keine besondere übergangsvorschrift; es gilt daher Art XVII § 2 Abs 6 ZVN 1983, wonach dieses Bundesgesetz auf Verfahren anzuwenden ist, in denen die Klage nach dem bei Gericht eingelangt ist. In einem nach diesem Zeitpunkt bei Gericht anhängig gemachten Verfahren hat daher gemäß § 7 a Abs 2 JN nF der Einzelrichter auch bei einem S 500.000,- übersteigenden Streitwert zu entscheiden, wenn der Antrag auf Entscheidung durch den Senat weder durch den Kläger in der Klage noch durch den Beklagten in der Klagebeantwortung gestellt wurde.

Dies gilt auch dann, wenn die nach dem bei Gericht eingelangte Klage eine Wiederaufnahmsklage ist, die sich auf einen nach dem alten Verfahrensrecht abzuführenden Vorprozeß bezieht. Der Wiederaufnahmsklage mag zwar auch die Funktion eines Rechtsmittels im Vorprozeß zukommen, sie ist aber vom Gesetz als selbständige Klage gestaltet. Es hätte daher einer besonderen Anordnung durch den Gesetzgeber bedurft, um über die Bestimmung des Art XVII § 2 Abs 6 ZVN 1983 hinaus den zeitlichen Geltungsbereich der bisherigen Vorschriften des § 7 a JN auch auf Wiederaufnahmsklagen zu erstrecken, bei denen der Vorprozeß nach den bisherigen Verfahrensvorschriften zu führen war.

Der Hinweis in den EB der RV zu UeKindG, daß die bisherigen materiellrechtlichen (!) und verfahrensrechtlichen Vorschriften auch für Wiederaufnahmsklagen gelten sollen, die sich auf Vaterschaftsstreitigkeiten nach altem Recht beziehen (s dazu NZ 1972, 159), erlaubt keine gleichartigen Rückschlüsse auf die Absicht des Gesetzgebers der ZVN 1983, weil dieses Gesetz ein reines Verfahrensgesetz ist, bei dem ein Bedürfnis nach Schutz des Vertrauens auf eine gleiche Beurteilung bisheriger Rechtslagen schon begrifflich nicht besteht, das UekindG aber ein familienrechtliches Spezialgesetz ist. Es fehlt auch der seinerzeitige rechtspolitische Grund, nach altem Recht festgestellte Vaterschaften nicht wegen Änderung der Rechtslage wieder fraglich werden zu lassen. Der Gesetzgeber der ZVN 1983

folgte zwar dem eingangs erwähnten Grundsatz der sofortigen Wirksamkeit von Verfahrensgesetzen nicht uneingeschränkt; seine Tendenz ging aber dahin, seine Reformen jedenfalls so weit, als deren Anwendung in laufenden Verfahren zu keinen Schwierigkeiten führte (RV 669 BlgNR 15. GP 78), auch für diese noch in Kraft zu setzen (zB. bei der Beschränkung von Rechtsmitteln) und damit möglichst rasch die mit dem Gesetz beabsichtigten Zielsetzungen (vgl RV 24 ff) zu erreichen. Wenn auch die Zurückdrängung der Senatsgerichtsbarkeit (RV 26) durch § 7 a JN nF erst für die nach dem eingebrachten Klagen Geltung erlangte, und damit dem naheliegenden Gedanken Rechnung getragen wurde, daß als Senatsprozeß begonnene Verfahren solche bleiben sollten, ohne daß die Parteien Anträge stellen müßten, kann doch nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die alten Verfahrensvorschriften auch noch für Wiederaufnahmsklagen, die nach dem erhoben wurden, `ur weil sie sich auf Vorprozesse, die nach altem Verfahrensrecht zu beurteilen waren, beziehen, gelten lassen wollte.

Verfahrensrechtliche Ausnahmsbestimmungen sind nicht ausdehnend auszulegen. Nur damit wird auch dem Ziel der H 1983 entsprochen, Streitigkeiten prozessualer Natur möglichst zu vermeiden. Hätte der Senat entgegen der hier vertretenen Auffassung entschieden, wäre dies auch keine Nichtigkeit mehr (§ 477 Abs 3 idF der ZVN 1983 in Verbindung mit Art. XVII § 2 Z 7 ZVN 1983).

Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den vom Rekursgericht herangezogenen Bestimmungen der §§ 533,540, 541 ZPO. Aus der Verweisung des § 533 ZPO auf die Verfahrensvorschriften des ersten bis vierten Teils der ZPO ist nichts zu gewinnen, da die Frage der Senatsbesetzung in der JN geregelt ist. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich auch nicht aus jenen Normen, die regeln, welches Gericht nach der Bewilligung der Wiederaufnahme in dem zu erneuernden Verfahren zu entscheiden hat und nach welchen Vorschriften dieses Verfahren durchzuführen ist (§§ 540, 541 ZPO), weil damit, soweit auf die Vorschriften des erstinstanzlichen Verfahrens bzw des Berufungsverfahrens verwiesen wird (vgl Fasching Komm IV 548f, 553 f; derselbe in LB Rz 2090), eben wieder nur die Verfahrensgesetze nach dem jeweils anzuwendenden Stand gemeint sind. Die vorliegende Wiederaufnahmsklage fällt in den zeitlichen Geltungsbereich der ZVN 1983, so daß das Erstgericht zutreffendes § 7 a Abs 2 JN in der neuen Fassung angewendet und den erst in der mündlichen Streitverhandlung gestellten Antrag auf Entscheidung durch den Senat zurückgewiesen hat.

Infolge Verursachung eines Zwischenstreites hat der Wiederaufnahmskläger den Wiederaufnahmsbeklagten die Kosten ihres Revisionsrekurses zu bezahlen (§ 52 ZPO).