OGH vom 20.02.1992, 7Ob523/92
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Warta, Dr. Egermann, Dr. Niederreiter und Dr. Schalich als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin ÖSTERREICHISCHE BUNDESBAHNEN, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1.,
Singerstraße 17-19, wider die Antragsgegnerin H***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Erich Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Festsetzung einer Enteignungsentschädigung, infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom , GZ 1 c R 212/91-36, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bludenz vom , GZ 1 Nc 73/90-33, abgeändert wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird dahin abgeändert, daß er zu lauten hat:
"Die Entschädigungssumme für die mit rechtskräftigem Enteignungsbescheid ***** vom , ***** gemäß § 17 Abs 1 EisbEG teilenteigneten Grundstücke ***** zu Lasten der H***** Gesellschaft mbH ***** wird mit S 3 Mio festgesetzt. Die Antragstellerin ist schuldig, die Entschädigungssumme von S 3 Mio binnen 14 Tagen beim Bezirksgericht Bludenz gemäß § 34 Abs 1 EisbEG gerichtlich zu hinterlegen, widrigenfalls die Entschädigungssumme ab dem Tag der Zustellung des Beschlusses mit 4 % Verzugszinsen zu verzinsen ist (§ 33 Abs 2 EisbEG). Die Antragstellerin ist schuldig, der Antragsgegnerin die mit S 207.810,60 bestimmten Verfahrenskosten (darin enthalten S 34.635,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Begründung:
Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** mit den Grundstücken *****. Davon werden 5.144 m2 (3.157 m2 des Grundstückes ***** und 1987 m2 des Grundstückes *****) zum Zwecke des zweigleisigen Ausbaus der Bahnstrecke ***** aufgrund des rechtskräftigen Enteignungsbescheides vom in Anspruch genommen.
Das Erstgericht setzte die Enteignungsentschädigung, einschließlich einer Entschädigung für die Restgrundentwertung, mit S 6,022.418,- fest. Strittig ist nur mehr die Entschädigung für die Restgrundentwertung, ausgenommen die Wertminderung einer abgetrennten Teilfläche.
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, soweit sie für die Entscheidung noch von Bedeutung sind, liegen die von der Enteignung betroffenen Grundstücke nebeneinander und bilden ein arrondiertes Betriebsareal. Der Restgrund des Betriebsareals nach Abzug der enteigneten Flächen und einer für die Antragsgegnerin nicht mehr nutzbaren Trennfläche beträgt 29.864 m2. Die Betriebsstätte kann im Bereich der enteigneten Flächen (rund 20 % des Restgrundes) nicht mehr erweitert werden. Die Beschaffung von angrenzenden Ersatzflächen erscheint nahezu unmöglich. Der Gesamtwert des Restgrundes beträgt S 16,425.200,-. Spästens seit dem war der Antragsgegnerin bekannt, daß die Antragstellerin im südlichen Bereich des Betriebsgeländes die Trasse führen und Grund der Antragsgegnerin in Anspruch nehmen wird. Mit Kaufvertrag vom erwarb die Antragsgegnerin von der Agrargemeinschaft N***** das Grundstück ***** als Betriebsreserve für eine Betriebserweiterung. Seit 1983/1984 wurden bei der Antragsgegnerin Überlegungen angestellt, im südlichen Bereich eine Gießerei zu errichten. Detailpläne wurden nicht errichtet. Es wurde lediglich eine Investitionsrechnung gemacht. Im Jahre 1987 wurde das Projekt Gießwerk fallengelassen und ein anderes Projekt verfolgt. Es wurde der Bau einer Halle für die Weiterverarbeitung von Aluminiumprofilen in Erwägung gezogen. Im Süden sollte eine Presse und im Osten eine Umschmelzanlage gebaut werden. Das Projekt Preßwerk wurde fallengelassen.
Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei eine Wertminderung des Restgrundes im Ausmaß von 20 % gegeben. Der Wert der von der Enteignung betroffenen Restfläche sinke infolge der Enteignung. Bei einem Wert des Restgrundes von S 16,4 Mio ergebe sich demnach eine Wertminderung von rund S 3,280.000,-.
Das Rekursgericht ergänzte die Entscheidung des Erstgerichtes durch den Ausspruch über den Gerichtserlag, bestätigte im übrigen jedoch den erstgerichtlichen Beschluß. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist.
Das Rekursgericht teilte im wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichtes.
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Antragstellerin ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Wird nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet, gebührt dem Enteigneten auch eine Entschädigung für die Entwertung des Restgrundes. Eine solche kann vor allem in einer Verformung, Durchschneidung oder Reduzierung des Restgrundes auf eine unwirtschaftliche Größe liegen (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 144). Sie kann etwa dadurch entstehen, daß durch den enteigneten Teil die Kommunikation des Restgrundstückes mit einem öffentlichen Weg erschwert oder aufgehoben wird, daß der verbleibende Teil seine Eigenschaft als Baugrundstück oder seine sonstige charakteristische Eigenschaft verliert u.dgl. (SZ 56/83; Kautsch, Das Gesetz betreffend die Enteignungsentschädigung zum Zwecke der Herstellung und des Betriebes von Eisenbahnen 30). Solche, den Verkehrswert der Restliegenschaft beeinträchtigenden Umstände liegen hier jedoch nicht vor und wurden auch nicht behauptet. Die enteigneten Flächen waren aber Teil der dem Unternehmen der Antragsgegnerin gewidmeten Liegenschaft im ursprünglichen Gesamtausmaß von 37.203 m2 wovon das Grundstück ***** im Ausmaß von 12.413 m2 von der Antragsgegnerin erst als Grundstücksreserve für eine Betriebserweiterung erworben wurde, nachdem sie von dem zweigleisigen Ausbau der Bahntrasse erfahren hatte. Betriebsgebäude oder sonstige Anlagen befinden sich auf den enteigneten Teilflächen nicht. Eine Wertminderung des Unternehmens bei Teilenteignung von diesem gewidmeten Grundstücken kommt nur dann in Betracht, wenn die enteignete Teilfläche konkret bereits dem Betrieb gedient hat. Die bloße Möglichkeit, die Teilfläche erst in Zukunft, etwa im Zuge einer Betriebserweiterung - abstrakte Betriebserweiterungsmöglichkeit - nutzbar zu machen, ist für eine Restwertminderung nicht zu berücksichtigen (Brunner aaO 212 f; Rummel-Schlager, Enteignungsentschädigung 216). In der Rechtsprechung wurde auch bisher ein Nachteil bei Teilenteignung von unternehmensgewidmeten Grundstücken nur dann anerkannt, wenn der Enteignete eine bereits vor dem Zeitpunkt, zu welchem er von der beabsichtigten Enteignung Kenntnis erhalten hatte, konkret in die Wege geleitete Betriebserweiterung infolge der Enteignung nicht verwirklichen konnte (6 Ob 513/80; GlU 10.628). Solange eine Planung nur auf dem Papier steht und nicht verwirklicht wurde, ist noch kein konkreter Wert vorhanden, der geschützt wird (Brunner aaO).
Im vorliegenden Fall stellte die Antragsgegnerin nur Überlegungen einer Betriebserweiterung an und dies auch erst, nachdem sie von der Trassenführung im südlichen Bereich ihrer Liegenschaft Kenntnis erhalten hatte, ohne daß diese auch nur zu einer konkreten Planung geführt hätten, geschweige denn, daß alle Voraussetzungen für die Einbeziehung der enteigneten Teilflächen in den Betrieb gegeben gewesen wären. Die vom Sachverständigen ermittelte Wertminderung des Restgrundes, der die Vorinstanzen gefolgt sind, beruht nur auf den Erschwernissen einer Betriebserweiterung, die jedoch nach dem Gesagten hier mangels Vorliegens der Voraussetzungen nicht zu berücksichtigen sind.
Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.
Da ein Kostenersatzanspruch nur auf Basis des zuerkannten Betrages besteht, war auch die Kostenentscheidung entsprechend abzuändern.