OGH vom 24.06.2014, 4Ob65/14h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** „Ö*****“ GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer und Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Gheneff Rami Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 34.000 EUR), infolge Revisionsrekurses beider Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 1 R 255/13x 9, womit infolge Rekurses der beklagten Partei der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom , GZ 57 Cg 58/13z 5, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
II. Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin ist Medieninhaberin der werktags österreichweit erscheinenden Ausgaben des periodischen Druckwerks „Ö*****“. Die mit der Klägerin in Wettbewerb stehende Beklagte ist Medieninhaberin des insbesondere in Wien, Niederösterreich und Oberösterreich erscheinenden periodischen Druckwerks „H*****“.
Nach der am abgehaltenen Nationalratswahl überklebte die Beklagte an insgesamt 228 Standorten in Wien die von wahlwerbenden Parteien im Zuge des Wahlkampfes (etwa auf Gehsteigen, Rasenflächen, entlang von Alleen, Lichtmasten und im Bereich von Straßenbahnhaltestellen) aufgestellte Plakatständer (Dreieckständer) mit eigenen Plakaten, auf denen sie ihr Druckwerk bewarb. Solches geschah zumindest am an 97 Standorten und am an weiteren 131 Standorten. Die Beklagte verfügt über keine Bewilligung zum Überkleben der Plakatständer und zum Anbringen der Werbeplakate.
Die von der Beklagten auf die Dreiecksständer der wahlwerbenden Parteien geklebten Plakate hatten folgendes Aussehen:
/Dokumente/Justiz/JJT_20140624_OGH0002_0040OB00065_14H0000_000/image001.jpg
Die Klägerin stellte folgenden Sicherungsantrag:
„Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Anspruchs auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen beantragte die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu gebieten, Straßen iS von § 2 Straßenverkehrsordnung und/oder 'öffentlichen Grund, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr dient, samt den dazugehörigen Anlagen und Grünstreifen' iS des § 1 Abs 1 Wiener Gebrauchsabgabengesetz und/oder den darüber liegenden Luftraum zu Werbezwecken für das periodische Druckwerk 'H*****' zu benutzen und/oder benutzen zu lassen, sofern diese Benutzung einer behördlichen Bewilligung, insbesondere nach § 81 Abs 1 StVO [gemeint wohl: § 82 Abs 1 StVO] und/oder dem Wiener Gebrauchsabgabengesetz, bedarf und die Beklagte nicht über sämtliche dafür erforderlichen Bewilligungen verfügt.“
Die Beklagte habe es unterlassen, für die Benützung von Verkehrsflächen eine Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO einzuholen. Auch habe sie öffentlichen Gemeindegrund ohne Einholung einer Gebrauchserlaubnis nach dem Wiener Gesetz über die Erteilung von Erlaubnissen zum Gebrauch von öffentlichem Gemeindegrund und die Einhebung einer Abgabe hiefür (Gebrauchs-abgabegesetz 1966, LGBl 1966/20 idF LGBl 2013/11 -Wr GebrAbgG) gebraucht. Ihr fehlten daher erforderliche behördliche Bewilligungen für ihre Werbeaktion. Die Beklagte handle damit unlauter, weil sie gegen § 1 UWG verstoße.
Die Beklagte nutzte die ihr im Sicherungsverfahren eingeräumte Gelegenheit zu einer Äußerung nicht.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Die Beklagte habe sich nicht zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung geäußert, sodass gemäß § 56 Abs 2 und 3 EO davon auszugehen sei, dass sie dem Vorbringen der Klägerin nichts entgegenzusetzen habe. Allerdings sei das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine einstweilige Verfügung von Amts wegen zu prüfen. Die Benützung von Straßen zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, zB zur Werbung (wie hier durch die Beklagte), sei nur mit Bewilligung zulässig (§ 82 Abs 1 StVO). Zudem sei gemäß § 1 Abs 1 Wr GebrAbgG für den Gebrauch von öffentlichem Grund in der Gemeinde, der als Verkehrsfläche dem öffentlichen Verkehr diene, vorher eine (unübertragbare) Gebrauchserlaubnis zu erwirken, wenn die Art des Gebrauchs im angeschlossenen Tarif (Sondernutzung) angegeben sei. Das Überkleben mit und das Anbringen von Werbeplakaten auf bereits vorhandenen Plakatständern falle entsprechend dem Verweis in § 18 Abs 7 Z 4 Wr GebrAbgG („Wirksamkeitsbeginn und Übergangsbestimmungen“) unter Tarif B Post 18, wonach sich die Gebrauchsabgabe für Ankündigungstafeln zu wirtschaftlichen Werbezwecken auf Holzverschalungen, an Hausmauern, Bauplanken, Einfriedungen udgl (Plakatwand) je m² der umschriebenen Fläche nach der dort angeführten Gebrauchsabgabe bemesse. Die Beklagte hätte daher zum Überkleben von bereits vorhandenen Werbeständern mit Werbeplakaten einer Gebrauchserlaubnis auch nach dem Wr GebrAbgG bedurft. Die Beklagte benütze somit Verkehrsflächen, nämlich Straßen und öffentlichen Grund, zu Werbezwecken, obwohl sie weder über eine Bewilligung nach § 82 Abs 1 StVO noch über eine Gebrauchserlaubnis nach Wr GebrAbgG verfüge. Unlauter nach § 1 Abs 1 UWG handle, wer sich über eine Norm hinwegsetze, wenn der Verstoß geeignet sei, dem Handelnden einen Vorsprung gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern zu verschaffen und nicht auf einer Auslegung der verletzten Norm beruhe, die mit guten Gründen vertreten werden könne. Benütze ein Unternehmer öffentliche Verkehrsflächen (zB durch Aufstellen von Werbeständern), ohne über die erforderlichen Bewilligungen (Gebrauchserlaubnis) nach bundes- und landesgesetzlichen Vorschriften (§ 82 Abs 1 StVO und Wr GebrAbgG) zu verfügen, sei dieses Verhalten geeignet, die Wettbewerbslage gegenüber den gesetzestreuen Mitbewerbern zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Damit liege ein Verstoß gegen § 1 UWG vor.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss mit der Maßgabe, dass er zu lauten hat:
„1. Der beklagten Partei wird zur Sicherung des Anspruches der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen verboten, in Wien Ständer, Tafeln, Gerüste und sonstige Anlagen (ausgenommen Litfasssäulen), die ihrem Wesen nach zur Gänze oder doch zu einem wesentlichen Teil als Träger von Ankündigungen, Werbemitteilungen und sonstigen textlichen oder bildlichen Darstellungen bestimmt sind, auf öffentlichen Verkehrsflächen, in den von öffentlichen Verkehrsflächen einsehbaren Nahbereichen des öffentlichen Raumes, in öffentlichen Grünanlagen und in anderen Bereichen, die für das Stadtbild von Bedeutung sind, zu Werbezwecken für das periodische Druckwerk 'H*****' zu benutzen und/oder benutzen zu lassen.
2. Diese einstweilige Verfügung wird bis zur Rechtskraft des über das Unterlassungsbegehren ergehenden Urteiles erlassen.“
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Das Rechtsmittelgericht habe die materiell rechtliche Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung nach allen Richtungen hin zu prüfen. Der Kern des von der Klägerin erhobenen Vorwurfs liege darin, dass die Beklagte verwaltungsbehördlichen Vorschriften zuwider öffentlichen (Straßen )Raum für ihre geschäftlichen werblichen Zwecke in Anspruch genommen habe, ohne über die dafür notwendigen behördlichen Genehmigungen zu verfügen. Den Überlegungen der Rechtsmittelwerberin, ihre Handlungen seien nicht bewilligungspflichtig, es sei keine zusätzliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks der Straßenverkehrsordnung eingetreten, und die Bewilligung nach dem Wr GebrAbgG wäre ohnehin erteilt worden, sei schon deshalb der Boden entzogen, weil das Verhalten der Beklagten aus anderem Grund jedenfalls rechtswidrig gewesen sei.
Nach § 1 Abs 1 der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom betreffend die Freihaltung des Stadtbilds von störenden Werbeständern (ABl 1980/20, zuletzt geändert durch ABl 2013/28; in der Folge: „die Verordnung“) sei auf öffentlichen Verkehrsflächen, in den von öffentlichen Verkehrsflächen einsehbaren Nahbereichen des öffentlichen Raums, in öffentlichen Grünanlagen und in anderen Bereichen, die für das Stadtbild von Bedeutung sind, das Aufstellen und das Stehenlassen von Ständern, Tafeln, Gerüsten und sonstigen Anlagen (ausgenommen Litfasssäulen), die ihrem Wesen nach zur Gänze oder doch zu einem wesentlichen Teil als Träger von Ankündigungen, Werbemitteilungen und sonstigen textlichen oder bildlichen Darstellungen bestimmt sind, generell verboten.
Ausgenommen von diesem Verbot seien einerseits Anlagen, die einer Gebrauchserlaubnis oder einer Genehmigungsfiktion nach dem Wr GebrAbgG oder einer Baubewilligung nach der Wr BauO unterliegen, oder für die eine schriftliche Zustimmung der Stadt Wien als Grundeigentümerin für die Nutzung im Sinne des Tarifs B Post 18 Wr GebrAbgG besteht; andererseits seien von diesem Verbot zu Wahlzeiten je wahlwerbender Partei maximal 1.100 mit amtlichen Aufklebern (§ 1 Abs 3 der Verordnung) versehene Anlagen in Form von höchstens vierseitigen Werbeständern mit einer Maximalgröße von jeweils 170 cm x 100 cm (einschließlich Rahmenkonstruktion mit Standbeinen) ausgenommen, sofern diese ausschließlich der politischen Werbung dienten (§ 1 Abs 2 der Verordnung).
Die wahlwerbenden Parteien hätten die Standorte der Anlagen unter Angabe der genauen Koordinaten nach Maßgabe des Koordinatensystems der Österreichischen Landesvermessung für die Eintragung in das Geografische Informationssystem der Stadt Wien (ViennaGIS) dem Magistrat bis spätestens vier Wochen vor Aufstellung bekanntzugeben und dürften ihre Standorte nicht anderen wahlwerbenden Parteien oder physischen oder juristischen Personen oder Personengesellschaften für Werbezwecke überlassen (§ 1 Abs 2a der Verordnung; gilt ab ). Die Anlagen dürften maximal fünf Wochen vor dem kundgemachten Wahltag einer Bundespräsidentenwahl, von Wahlen zum Europäischen Parlament, zum Nationalrat, zum Gemeinderat und zu den Bezirksvertretungen, bzw vor dem kundgemachten Abstimmungstag von Volksabstimmungen oder Volksbefragungen, aufgestellt und müssten spätestens eine Woche danach wieder entfernt werden (§ 1 Abs 2 und 4 der Verordnung). Wer gegen das Verbot nach § 1 Abs 1 der Verordnung verstößt oder eine Anlage gemäß ihrem § 1 Abs 2 ohne einen entsprechenden Aufkleber im Sinne ihres § 1 Abs 3 aufstelle, anbringe oder stehen lasse oder entgegen ihrem § 1 Abs 4 nicht entferne, begehe eine Verwaltungsübertretung (§ 3 der Verordnung). Nach den Materialien zu dieser Verordnung (in ABl 2013/28, 8f) sei die Beeinträchtigung des Stadtbilds durch derartige Werbeeinrichtungen nach allgemeiner Anschauung ein Missstand, der die in der Gemeinde verkörperte Gemeinschaft störe; der öffentliche Raum solle für Werbe-, Ankündigungs- oder sonstige Informationszwecke nur eingeschränkt genutzt werden dürfen und sichergestellt sein, dass das Stadtbild durch Werbeanlagen, die dem Wr GebrAbgG oder der Wr BauO unterlägen, nicht beeinträchtigt werde. Durch die Verordnung werde daher für alle jene Werbeanlagen, die nicht dem Wr GebrAbgG unterlägen, für die keine Bewilligung nach der Wr BauO erforderlich sei oder für die keine (privatrechtliche) Zustimmung der Stadt Wien zur ortsbildverträglichen Nutzung bestehe, „zum Schutz des Stadtbilds, im Sinne der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und zur Gefahrenabwehr bei Witterungseinflüssen (zB Wind)“ eine besondere Regelung getroffen. Neben dem „Schutz eines einheitlichen, historiengetreuen und ästhetischen Stadtbildes“ solle auch die „ungehinderte und sichere Freihaltung und Nutzung der Flächen und taktilen Einrichtungen“ sowie „die erforderliche Reinigung und Betreuung von öffentlichen Flächen, Grünflächen und Verkehrsflächen sowie die reibungslose Entleerung von öffentlichen Müll und Altstoffsammelbehältern“ gewährleistet werden.
Daraus, dass für die fraglichen Plakatständer keine Gebrauchsabgabe zu leisten sei, folge somit, dass sie vom Verbot des § 1 Abs 1 der Verordnung umfasst seien, soweit es sich zusammengefasst nicht um Ständer mit politischer Werbung fünf Wochen vor und eine Woche nach einer Wahl handle. Dies stehe im Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu 4 Ob 31/91, welche Entscheidung in einen kurzen Zeitraum gefallen sei, in welchem das Wr GebrAbgG für werbliche Ständer und Tafeln mit Ausnahme solcher mit politischer Werbung sehr wohl eine Gebrauchsabgabe vorgesehen habe: Tarif C Post 6 sei mit LGBl 1990/43 eingeführt und bereits mit LGBl 1993/35 wieder ersatzlos aufgehoben worden. Davor und danach habe keine derartige Tarifpost bestanden und bestehe auch nicht, insbesondere auch nicht jene (nicht einschlägige und überdies gemäß LGBl 2013/11 zum hier relevanten Zeitpunkt gar nicht mehr in Geltung stehende) Tarif B Post 18 Wr GebrAbgG. Es entspreche daher keiner vertretbaren Rechtsauffassung, dass das Anbringen von werblichen Plakaten zu geschäftlichen Zwecken auf vom Verbot der Verordnung an sich ausgenommene - Wahlwerbeständer zulässig sei. Die Fragen einer Bewilligung oder einer Bewilligungsfähigkeit der Handlungen der Beklagten nach StVO oder Wr GebrAbgG stellten sich daher gar nicht.
Der Kern des Unlauterkeitsvorwurfs der Klägerin, diese habe ihre Werbeplakate entgegen verwaltungsbehördlichen Vorschriften angebracht, treffe auch den Verstoß gegen die dargelegte Verordnung des Wiener Magistrats. Deren Normzwecke (insbesondere Gefahrenabwehr bei Witterungseinflüssen sowie Freihaltung und sichere Nutzung auch von Verkehrsflächen) seien zumindest teilweise deckungsgleich mit auch von der Beklagten selbst dargelegten Schutzzwecken der StVO in Bezug auf die Sicherheit des Straßenverkehrs. Ein besonderer Aufmerksamkeitswert der Plakate der Beklagten ergebe sich daraus, dass sie die in Nachwahlzeiten üblichen Danksagungsplakate wahlwerbender Gruppen ironisch variierten („Danke an die 42 %, die uns wählen“) und sie an Orten zur Schau stellten, wo man derartige werbliche Aussagen nicht erwarte. Es liegt daher auch hier auf der Hand, dass ein derartiger Normverstoß der Beklagten geeignet sei, die Wettbewerbslage gegenüber rechtstreuen Mitbewerbern zu ihren Gunsten spürbar zu beeinflussen. Die Beklagte habe somit unlauter gehandelt.
Im Hinblick auf die sich aus der allseitigen rechtlichen Prüfung ergebende Subsumtion des Verhaltens der Beklagten als Verstoß gegen die dargelegte Magistratsverordnung sei aber dem Spruch der einstweiligen Verfügung in Anlehnung an den Wortlaut der Verordnung eine klare und deutliche, vom Wortlaut des Begehrens abweichende Fassung zu geben. Inhaltlich decke sich die Entscheidung im Wesentlichen mit dem Begehren, ohne dieses unter Berücksichtigung des erstatteten Vorbringens zu überschreiten. Die Beklagte werde durch den Entfall der Einschränkung auf Handlungen ohne Bewilligung auch nicht zusätzlich belastet, zumal der dargestellten Rechtslage gemäß ein infolge Bewilligung rechtmäßiges Plakatieren ohnehin jedenfalls ausgeschlossen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Klägerin ist unzulässig, jener Beklagten ist zulässig und berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.
I. Zum Rechtsmittel der Klägerin
Die Klägerin wendet sich allein gegen die Fassung des Unterlassungsgebots; dieses sei gegenüber dem Begehren zu eng, da es örtlich auf Wien und inhaltlich auf Verstöße gegen die Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom betreffend die Freihaltung des Stadtbilds von störenden Werbeständern beschränkt sei.
Das Rechtsmittel zeigt damit keine erhebliche Rechtsfrage auf, ist doch bei der Fassung des Unterlassungsgebots immer auf die Umstände des einzelnen Falls abzustellen (vgl RIS Justiz RS0037671).
II. Zum Rechtsmittel der Beklagten
Die Beklagte macht geltend, dass das Rekursgericht durch die Neufassung des Unterlassungsgebots etwas anderes als beantragt zugesprochen und ein zu weites Gebot erlassen hat, das auch Plakatwände umfasse, die (genehmigt) auf öffentlichen Verkehrsflächen stehen oder von öffentlichen Verkehrsflächen aus einsehbar sind; auch verkenne das Rekursgericht, dass die von ihm herangezogene Verordnung zwar das Aufstellen und Stehenlassen, nicht aber das Benützen der genannten Anlagen regle.
1. Das dem § 405 ZPO zugrunde liegende Antragsprinzip gilt auch im Exekutionsverfahren (RIS Justiz RS0002291, RS0004879 [T1]). Das Gericht ist bei Erlassung der einstweiligen Verfügung an den Antrag der gefährdeten Partei gebunden (1 Ob 190/04d = SZ 2004/164). Daher bedeutet die Umdeutung des zu sichernden Anspruchs, der Sicherungswerberin ein Aliud zuzusprechen (3 Ob 127/06g).
2. Zwar ist das Gericht zur Modifizierung und Neufassung eines Begehrens berechtigt, sofern es dem Begehren nur eine klarere und deutlichere, dem tatsächlichen Begehren und Vorbringen des Klägers entsprechende Fassung gibt (vgl RIS Justiz RS0039357, RS0041254 [T2, T 4, T 12, T 13]). Eine diesen Anforderungen genügende Neufassung kann auch von Amts wegen erfolgen (RIS Justiz RS0039357 [T6]). Bei der Neufassung des Spruchs hat sich das Gericht aber im Rahmen des vom Kläger Gewollten und damit innerhalb der von § 405 ZPO gezogenen Grenzen zu halten. Diese Grenze wird dann nicht überschritten, wenn der Spruch nur verdeutlicht, was nach dem Vorbringen ohnedies begehrt ist (4 Ob 13/13k).
3. Ob ein Aliud oder ein Minus anzunehmen ist, ergibt sich aus dem Vergleich zwischen dem gestellten Begehren und dem unter Berücksichtigung der rechtserzeugenden Tatsachen für berechtigt erachteten Anspruch (RIS Justiz RS0041023).
4. Der hier geltend gemachte Anspruch (Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG durch Rechtsbruch) setzt auf Sachverhaltsebene den Verstoß gegen eine generelle abstrakte Norm (hier nach den Behauptungen: § 82 Abs 1 StVO und/oder das Wr GebrAbgG) voraus. Der von der Klägerin verfolgte Unterlassungsanspruch besteht demnach nur dann zu Recht, wenn die Beklagte dadurch verbotswidrig (und damit unlauter iSd § 1 UWG) gehandelt hat, dass sie gegen eine der im Sachvorbringen genannten Verbotsnormen verstoßen hat.
5.1. Ob die Beklagte verbotswidrig gehandelt hat, ist auf Sachverhaltsebene allein am Tatbestand jener Normen zu messen, die die Beklagte nach den Behauptungen im Sicherungsantrag übertreten haben soll. Der Sachvortrag der Klägerin umfasst als rechtserzeugende Tatsache den Vorwurf einer Gesetzesübertretung, der erst durch die Nennung der nach den Behauptungen übertretenen Normen konkretisiert und individualisiert wird und dessen Vorliegen allein am Verbotstatbestand der genannten Normen zu beurteilen ist. Der Vorwurf eines Verstoßes „gegen Normen der Rechtsordnung“ wäre hingegen unvollständig, da offen bliebe, welcher Verbotstatbestand das beanstandete Verhalten zum Rechtsbruch macht.
5.2. Im Ansatz verfehlt ist deshalb die Auffassung des Rekursgerichts, es sei Ausfluss der ihm obliegenden allseitigen materiell rechtlichen Prüfungspflicht, den Vorwurf des Rechtsbruchs am Maßstab einer Norm (nämlich der Verordnung des Magistrats der Stadt Wien vom betreffend die Freihaltung des Stadtbilds von störenden Werbeständern) zu beurteilen, die die Klägerin in ihrem Sachverhaltsvorbringen gar nicht erwähnt hat. Das Rekursgericht hat dadurch einen Normenverstoß als unlauterkeitsbegründend bejaht, den die Klägerin gar nicht behauptet hat und der Klägerin damit im Ergebnis etwas zugesprochen, wofür kein Antrag vorliegt.
6. Dieser im Rechtsmittel der Beklagten aufgezeigte wesentliche Verfahrensmangel des Rekursgerichts (RIS Justiz RS0041089) kann in einem Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof geltend gemacht werden (4 Ob 118/11y; RIS Justiz RS0041117 [T3]); Zechner in Fasching/Konecny ² IV/1 § 503 ZPO Rz 95).
7.1. Aufgrund des ihm unterlaufenen Verfahrensmangels hat sich das Rekursgericht nicht mit den Argumenten der Rechtsmittelwerberin im Rekurs, die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung lägen nicht vor, ihre Handlungen seien nicht bewilligungspflichtig, es sei keine zusätzliche Beeinträchtigung des Schutzzwecks der Straßenverkehrs-ordnung eingetreten, und die Bewilligung nach dem Wr GebrAbgG wäre ohnehin erteilt worden, nicht auseinandergesetzt.
7.2. Das Rekursgericht wird daher im fortgesetzten Rekursverfahren die Berechtigung des Sicherungsbegehrens (Verstoß gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG durch Rechtsbruch) dadurch zu beurteilen haben, dass es das beanstandete und bescheinigte Verhalten der Beklagten am Maßstab der allein geltend gemachten Tatbestände der StVO und des Wr GebrAbgG misst.
8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00065.14H.0624.000