OGH vom 16.02.2011, 7Ob1/11i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin L***** K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Antragsgegner N***** K*****, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 554/10m 22, mit dem der Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Favoriten vom , GZ 2 C 24/10t 8, zurückgewiesen wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht aufgetragen, über den Rekurs der Antragstellerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden.
Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Das Erstgericht hat mit Beschluss vom den Antrag der Antragstellerin, dem Antragsgegner gemäß § 382b und e EO mit einstweiliger Verfügung die Rückkehr in die eheliche Wohnung und deren näher bezeichnete unmittelbare Umgebung sowie den Aufenthalt an bestimmten Orten zu verbieten und ihm aufzutragen, das Zusammentreffen sowie die Kontaktaufnahme mit der Antragstellerin zu vermeiden, abgewiesen.
Das Gericht zweiter Instanz wies den von der Antragstellerin dagegen erhobenen Rekurs als verspätet zurück. Der Beschluss sei der Antragstellerin persönlich am zugestellt worden. Rekurs habe die nunmehr anwaltlich vertretene Antragstellerin erst mit elektronischer Eingabe vom und damit nicht innerhalb der 14 tägigen Rechtsmittelfrist (§ 402 Abs 1 und 3 EO) erhoben. Die Gerichtsferien hätten auf den Lauf der Rechtsmittelfrist gemäß § 224 Abs 1 Z 6 ZPO keinen Einfluss. Es werde darauf hingewiesen, dass die Verfahrenshilfe für die Antragstellerin bereits mit Beschluss vom bewilligt worden sei. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gegen seine Entscheidung mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO (§§ 402, 78 EO) nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen diesem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist der außerordentliche Revisionsrekurs, wie im Folgenden erläutert wird, zulässig und berechtigt.
Nach Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung an die Antragstellerin am beantragte sie ihr gemäß § 64 Abs 1 Z 3 ZPO einen Anwalt als Verfahrenshelfer zu bestellen. Diesem am beim Erstgericht eingelangten Antrag wurde mit Beschluss vom stattgegeben. Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien wurde Dr. Wolfgang Wieder zum Vertreter der Antragstellerin bestellt. Der Bescheid und eine Ausfertigung des erstinstanzlichen Beschlusses wurden dem Verfahrenshelfer am zugestellt.
Der Antragstellerin wurde zwar bereits mit dem in der Verhandlung am verkündeten Beschluss die Verfahrenshilfe bewilligt, allerdings (nur) im Umfang des § 64 Abs 1 Z 1 lit a bis e ZPO. Ein Verfahrenshelfer wurde ihr damals noch nicht beigegeben.
Gemäß §§ 75 EO, 521 Abs 1 ZPO, 464 Abs 3 ZPO hat die Frist für die Einbringung eines Rekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Erstgerichts daher mit begonnen. Der am mit elektronischer Eingabe erhobene Rekurs ist entgegen der Ansicht des Rekursgerichts rechtzeitig. In Stattgebung des außerordentlichen Revisionsrekurses ist daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und dem Rekursgericht eine Entscheidung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund der Verspätung aufzutragen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.