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OGH vom 23.10.1957, 3Ob415/57

OGH vom 23.10.1957, 3Ob415/57

Norm

ABGB § 534;

ABGB § 938;

ABGB § 1278;

ABGB § 1444;

Außerstreitgesetz §§125 ff;

Kopf

SZ 30/64

Spruch

Die Verzichtserklärung eines erbserklärten Erben zugunsten anderer ist auch dann als Erbschaftsschenkung anzusehen, wenn das Erbrecht des Verzichtenden bestritten wurde.

Der Erbschaftskäufer wird Gesamtnachfolger des Erblassers; er tritt an die Stelle des Verkäufers in das Verlassenschaftsverfahren ein, er hat die allenfalls noch nicht abgegebene Erbserklärung abzugeben, an ihn hat die Einantwortung zu erfolgen. Die Erbrechtsklage ist gegen den Käufer der Erbschaft und nicht gegen den Verkäufer zu richten.

Entscheidung vom , 3 Ob 415/57.

I. Instanz: Bezirksgericht Floridsdorf; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien.

Text

Maria K. starb unter Hinterlassung mehrerer letztwilliger Verfügungen. In einem Teil dieser Verfügungen wurde hinsichtlich des überwiegenden Nachlasses zugunsten der Maria M., in einem anderen Teil zugunsten der Margarethe Sch. verfügt. Dabei dürfte die nicht datierte Verfügung, worin Maria M. als Erbin eingesetzt ist, im Juli 1956 entstanden und daher die letzte sein. Es gaben daraufhin a) Maria M. auf Grund des Testamentes vom Juli 1956, b) Margarethe Sch. auf Grund der Testamente vom , März 1953, und sowie für den Fall, daß diese Testamente nicht rechtswirksam sein sollten, auf Grund des Gesetzes, c) Friederike D., Johann B. und Johann W. auf Grund des Gesetzes die bedingten Erbserklärungen ab, die mit Beschluß vom alle zu Gericht angenommen wurden. Bei der Tagsatzung am erklärte Maria M., auf keinen Fall, sei es als Klägerin oder Beklagte, einen Rechtsstreit führen zu wollen und deshalb die bereits zu Gericht angenommene Erbserklärung zurückzuziehen.

Mit Beschluß vom wurden die gesetzlichen Erben zur Geltendmachung ihrer Erbrechtsansprüche gegen Margarethe Sch. auf den Rechtsweg verwiesen und ihnen zur Einbringung der Klage eine (seither wiederholt verlängerte) Frist bis gesetzt.

Bei der Tagsatzung am wiederholte Maria M. ihre Erklärung, keinen Prozeß führen zu wollen, weil ihr die Mittel hiezu fehlten. Sie erklärte nun, zur Vermeidung eines solchen Rechtsstreites zugunsten der erbserklärten gesetzlichen Erben Friederike D., Johann B. und Johann W. auf ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft zu verzichten. Dieser Verzicht wurde laut Protokoll von den genannten Personen ausdrücklich angenommen.

Mit Beschluß vom wurde die Testamentserbin Margarethe Sch. vom Verlassenschaftsgericht mit ihren Ansprüchen gegenüber der erbserklärten Testamentserbin Maria M. auf den Rechtsweg verwiesen. Die Erklärung der Maria M. vom stelle in Wahrheit eine Erbsentschlagung dar, weil es einen Widerruf der Erbserklärung nicht gebe, eine Erbsentschlagung jedoch nach Erbserklärung möglich sei. Diese Entschlagung nehme ihr alle Rechte aus der Erbserklärung, belasse ihr jedoch die Pflichten. Zu diesen Pflichten gehöre auch, sich einem Erbrechtsstreit als Partei zu stellen. Der stärkere Titel sei das Testament vom Juli 1956, es sei daher der Margarethe Sch. die Klägerrolle zuzuweisen gewesen, und zwar auch dann, wenn Form und Inhalt des letzten Testamentes auf eine geistige Umnachtung der Erblasserin schließen ließen, weil es sich bei diesem Umstand um den Stoff des künftigen Rechtsstreites handle.

Auf Rekurs der gesetzlichen Erben änderte das Rekursgericht diesen Beschluß dahin ab, daß Margarethe Sch. mit ihren Ansprüchen, soweit sich diese auf die bereits erwähnten Testamente stützten, gegenüber Friederike D., Johann B. und Johann W., welche zufolge Erbschaftsschenkung Rechtsnachfolger der erbserklärten Testamentserbin Maria M. seien, auf den Rechtsweg verwiesen wurde. Die Erklärung der Maria M. vom sei zufolge ihrer Annahme und ihrer Unentgeltlichkeit eine Erbschaftsschenkung, wobei die Erklärung zu gerichtlichem Protokoll den Notariatsakt ersetze. Damit seien diese gesetzlichen Erben in die Rechte eingetreten, welche der Maria M. aus dem Testamente zustunden. Es sei daher Margarethe Sch. nicht gegen Maria M., sondern gegen die Beschenkten auf den Rechtsweg zu verweisen gewesen. Daß die Erblasserin bei Verfassung ihres letzten Testamentes nicht zurechnungsfähig gewesen sein solle, sei bei der Verteilung der Parteirollen nicht zu berücksichtigen gewesen.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs der Testamentserbin Margarethe Sch. nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Maria M. und Margarethe Sch. haben auf Grund verschiedener Testamente Erbserklärungen zum ganzen Nachlaß abgegeben, die bereits zu Gericht angenommen wurden. Gemäß § 806 ABGB. ist eine solche angenommene Erbserklärung unwiderruflich. Wenn daher Maria M. am zu Gerichtsprotokoll erklärte, die bereits zu Gericht angenommene Erbserklärung zurückzuziehen, war diese Erklärung wirkungslos. Etwas anderes als der Widerruf der Erbserklärung ist dem Protokoll nicht zu entnehmen. Ihre Stellung im Abhandlungsverfahren hat dadurch keine Änderung erfahren. Bei der Tagsatzung vom erklärte nun Maria M., um nicht selbst als Prozeßpartei auftreten zu müssen, zugunsten der erbserklärten gesetzlichen Erben Friederike D., Johann B. und Johann W. auf ihre Ansprüche gegen die Verlassenschaft zu verzichten. Diese Verzichtserklärung wurde von den genannten Personen ausdrücklich angenommen, und die beiderseitigen Erklärungen wurden in einem gerichtlichen Protokoll festgehalten. Mit Recht hat das Rekursgericht darin eine Erbschaftsschenkung erblickt. Diese drei Personen wären selbst bei rechtswirksamer uneingeschränkter Entschlagung der Maria M., noch bevor sie eine Erbserklärung abgegeben hätte, nicht allein zum Zug gekommen. Nach Antritt der Erbschaft durch die Testamentserbin hätte nur dieser und niemals den gesetzlichen Erben - unter der Voraussetzung, daß der Erbrechtstitel nicht entkräftet worden wäre - eingeantwortet werden können. Der Erbschaftsschenkung steht nicht entgegen, daß das Erbrecht der Maria M. bestritten war, weil auch ein bestrittenes Recht veräußert werden kann.

Unrichtig ist die im Revisionsrekurs geäußerte Rechtsansicht, daß durch das gerichtliche Protokoll der Formvorschrift nicht genügt worden sei, weil ein Notariatsakt erforderlich gewesen wäre. Wie der Oberste Gerichtshof schon in wiederholten Entscheidungen (SZ. XIV 2, GerZ. 1930 S. 46 u. a., vgl. auch DREvBl. 1941 Nr. 197) ausgesprochen hat, sind auf die Erbschaftsschenkung die im Gesetze nicht ausdrücklich geregelt wurde, die Vorschriften über den Erbschaftskauf anzuwenden. Nach § 1278 Abs. 2 ABGB. kann der Notariatsakt durch ein gerichtliches Protokoll ersetzt werden.

Ob die Erblasserin im Zeitpunkte der Testamentserrichtung im Juli 1956 testierfähig war, wird im Rechtsstreite zu prüfen sein.

Unrichtig ist auch, daß die Erbrechtsklage nur gegen den Verkäufer und nicht gegen den Käufer anzustellen wäre. Die gegenteilige Rechtsmeinung wird allerdings von Wolff in Klang 2. Aufl. V 1013 vertreten, der sich dabei auf Krasnopolski beruft. Begrundet wird die Rechtsmeinung von beiden nicht. Allein nach Krasnopolski war diese Regelung sinnvoll, weil er lehrte, daß nicht das Erbrecht, sondern nur die Erbschaft veräußert werden könne, der Käufer nicht Gesamt-, sondern Einzelnachfolger sei. Diese Lehre wird aber von der Rechtsprechung (GerZ. 1930 S. 46) abgelehnt. Gegenstand des Veräußerungsvertrages ist das Erbrecht als solches, der Erbschaftskäufer wird Gesamtnachfolger des Erblassers. Der Erbschaftskäufer tritt an die Stelle des Verkäufers in das Verlassenschaftsverfahren ein. Er hat die allenfalls noch nicht abgegebene Erbserklärung abzugeben, an ihn hat die Einantwortung zu erfolgen. Tritt aber der Erwerber an die Stelle des Veräußerers und ist der Veräußerer nicht mehr am Verlassenschaftsverfahren beteiligt, so ist die Erbrechtsklage folgerichtig auch gegen den Erwerber und nicht gegen den Veräußerer zu richten. Daran ändert nichts, daß allerdings der Erbrechtstitel in der Person des Verkäufers vorhanden sein muß. Ob dieser Erbrechtstitel in der Person des Veräußerers vorhanden war, wird in dem gegen den Erwerber zu führenden Erbrechtsstreit zu prüfen sein.

Richtig ist, daß in dem gegen die genannten drei Personen von der Testamentserbin Margarethe Sch. anhängig zu machenden Rechtsstreit lediglich die Rechtswirksamkeit des Testamentes zu prüfen sein wird, in welchem Maria M. zur Erbin eingesetzt wurde. Sollte in diesem Rechtsstreit Margarethe Sch. obsiegen, wird in einem weiteren - allenfalls damit verbundenen - Rechtsstreit, in welchem entsprechend der ersten Verteilung der Parteirollen die gesetzlichen Erben als Kläger gegen Margarethe Sch. aufzutreten haben werden, die Rechtsgültigkeit jener Testamente zu prüfen sein, mit welchen Margarethe Sch. zur Erbin eingesetzt, wurde. Auf den Widerspruch, der in den Behauptungen der durch die Erbschaftsschenkung Begünstigten liegt, daß sie einerseits das Testament vom Juli 1956 als rechtswirksam ansehen, andererseits aber die Testamente aus früherer Zeit wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin für ungültig halten, braucht in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht eingegangen zu werden.

Da aber mit Rücksicht auf die Unwirksamkeit des Widerrufes der Erbserklärung der Maria M. deren Erbrecht auf jeden Fall zu klären ist, ist der Rekursantrag, daß die Verteilung der Klägerrollen im Verhältnis Maria M. und Margarethe Sch. zu entfallen habe, verfehlt. Ebensowenig konnte den durch die Erbschaftsschenkung Begünstigten die Klägerrolle zugewiesen werden, weil sich diese gegenüber Margarethe Sch. auf den stärkeren Titel, nämlich auf das spätere Testament, zu stützen vermögen. Es hat deshalb beim rekursgerichtlichen Beschluß zu verbleiben.