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OGH vom 13.06.2012, 2Ob64/12v

OGH vom 13.06.2012, 2Ob64/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Kinder S***** S*****, geboren am ***** 1999, und M***** S*****, geboren am ***** 2001, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter S***** S*****, vertreten durch Mag. Hermann Stenitzer Preininger, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 2 R 338/11g 67, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 dritter Satz AußStrG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der Grundsatz des Parteiengehörs fordert nur, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihren Standpunkt vorbringen kann (6 Ob 79/10a; RIS Justiz RS0006048). Die Mutter war während des gesamten Verfahrens anwaltlich vertreten, hat Vorbringen erstattet und Anträge gestellt. Unter diesen Umständen liegt die relevierte Verletzung ihres rechtlichen Gehörs nicht vor.

2. § 82 Abs 1 GeO regelt, unter welchen Voraussetzungen ein Dolmetscher im gerichtlichen Verfahren zu bestellen ist ( Danzl , GeO 4 § 82 Anm 2; vgl 8 Ob 648/85). Nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung ist für die Vernehmung von Taubstummen, Tauben und Stummen ein vertrauenswürdiger Dolmetscher beizuziehen, wenn eine verlässliche Verständigung sonst nicht möglich ist. Gemäß § 73a Abs 1 ZPO idF BGBl I 2009/30 ist in einem Zivilprozess für eine gehörlose, hochgradig hörbehinderte oder sprachbehinderte Partei dem Verfahren ein Dolmetscher für die Gebärdensprache beizuziehen, sofern sich die Partei in dieser verständigen kann. Diese Bestimmung gilt sinngemäß auch im Außerstreitverfahren (§ 4 Abs 3 AußStrG idF BGBl I 2009/30).

Im vorliegenden Fall hat die gehörlose Mutter zunächst beantragt, einen Dolmetscher für die „Artikulationssprache Mundbildablesen“, nicht aber für die von ihr nicht beherrschte Gebärdensprache beizuziehen (ON 10; auch ON 37). Die zu den Tagsatzungen und zur Befundaufnahme bei der Sachverständigen beigezogene Dolmetscherin ist zwar eine solche für die Gebärdensprache, verfügt nach eigenem Bekunden aber auch über die Befähigung zur „Artikulationssprache Mundbildablesen“ (ON 42). Nach Vorliegen des Gutachtens bemängelte die Mutter die Übersetzungstätigkeit der Dolmetscherin und beantragte unter Vorlage fachärztlicher Bestätigungen die Wiederholung der Befundaufnahme (bei einem anderen Sachverständigen) unter Beiziehung eines „Schriftdolmetschers“ (ON 48 und 50).

Entgegen diesem Antrag und weiteren Anträgen der Mutter stützte das Erstgericht seine Entscheidung auf jenes Gutachten, dem der unter Mitwirkung der Dolmetscherin für die Gebärdensprache aufgenommene Befund zugrunde liegt. Das Rekursgericht verneinte das Vorliegen eines in diesem Vorgehen erblickten Verfahrensmangels und begründete dies ua damit, dass die Mutter einen konkreten Übersetzungsfehler „nicht einmal im Rechtsmittel“ darlegen habe können.

3. Ein bereits vom Rekursgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz kann auch im außerstreitigen Verfahren grundsätzlich keinen Revisionsrekursgrund bilden (8 Ob 65/11h; RIS Justiz RS0030748, RS0050037). Eine Durchbrechung dieses Grundsatzes ist nur dann möglich, wenn dies die Interessen des Kindeswohls erfordern. Diese Voraussetzung kann in einem Verfahren zur Regelung der Obsorge gegeben sein (RIS Justiz RS0050037 [T5 und T 8]). Stets muss ein Verfahrensmangel aber auch abstrakt geeignet sein, eine unrichtige Entscheidung herbeizuführen. Von ganz offenkundigen Fällen abgesehen obliegt es daher dem Rechtsmittelwerber, die Relevanz des Mangels aufzuzeigen, also darzulegen, zu welcher anderen Sachverhaltsgrundlage die Vorinstanzen aufgrund eines seiner Ansicht nach mängelfreien Verfahrens gekommen wären (6 Ob 249/08y; 2 Ob 90/09p; 3 Ob 230/09h; 2 Ob 161/11g; RIS Justiz RS0122252 [T3]).

Der Mutter gelingt es auch im Revisionsrekurs nicht, die nach der Aktenlage keineswegs offenkundige Erheblichkeit des gerügten Verfahrensmangels ausreichend zu begründen und konkret darzulegen, welche Verständigungsprobleme bei der Befundaufnahme aufgetreten sind (vgl 8 Ob 2/05k). Der einzige von ihr konkret bezeichnete Übersetzungsfehler bezieht sich offenbar auf eine Formulierung im Befund der Sachverständigen („[...] habe sie begonnen , den Kindern […] zu erzählen […]“; AS 427), die in die Feststellungen des Erstgerichts aber ohnedies keinen Eingang gefunden hat (darin heißt es: „[...] den Kindern [...] erklären will […]). Dass Letzteres zutrifft, wird von der Mutter aber gar nicht in Abrede gestellt.