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OGH vom 23.02.1998, 3Ob401/97k

OGH vom 23.02.1998, 3Ob401/97k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Pimmer, Dr.Zechner und Dr.Sailer als weitere Richter in der Pflegschaftssache der am geborenen Stefanie H*****, vertreten durch die Mutter Theresia F*****, diese vertreten durch Dr.Wolfgang Kiechl, Rechtsanwalt in Wien, infolge außerordentlicher Revisionsrekurse der Minderjährigen sowie des Vaters Günter H*****, vertreten durch Mag.Otto Unger, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 45 R 193/97h-71, womit infolge Rekurses der Minderjährigen der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom , GZ 1 P 1230/95p-67, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Beiden außerordentlichen Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben. Die Unterhaltssache wird an das Rekursgericht zur neuerlichen, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällenden Entscheidung zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die minderjährige Stefanie H***** befindet sich im Haushalt ihrer Mutter und ist einkommens- und vermögenslos. Der unterhaltspflichtige Vater bezog in der Zeit vom bis zum eine monatliche Pension von S 20.005,20 (inklusive anteiliger Sonderzahlungen). Er hat keinerlei weitere Einkünfte. Er ist noch für seinen Sohn Wolfgang H*****, geboren am sorgepflichtig. Seine Unterhaltsverpflichtung betrug zuletzt auf Grund des Beschlusses des Erstgerichtes vom (ON 14) monatlich S 2.900,--.

Nachdem der Vater die Herabsetzung des von ihm monatlich zu zahlenden Unterhalt auf S 2.600,-- ab begehrt hatte, beantragte die Mutter ua eine Unterhaltserhöhung auf S 5.400,-- monatlich ab .

Während der nach der Aktenlage im Jahr 1948 geborene Vater eine Verringerung seines Einkommens durch Wegfall einer Nebenbeschäftigung als Geschäftsführer eines Schuldnerberatungsvereins geltend machte und sich auf krankheitsbedingte Mehrausgaben von monatlich S 5.305,-- berief, berücksichtigt die Minderjährige weitere Einkünfte des Vaters durch Tätigkeit für ein Zentrum für ganzheitliche Gesundheitsberatung und als Reiseführer. Die angeblichen krankheitsbedingten Mehrausgaben stünden nicht im Zusammenhang mit der Krebserkrankung des Vaters. Dieser sei voll arbeitsfähig und könne unter Anspannung seiner Kräfte ein durchschnittliches Nettoeinkommen als Beamter von ca S 25.000,-- beziehen.

Das Erstgericht setzte den monatlich zu zahlenden Unterhalt ab mit S 2.800,-- fest. Das weitere Herabsetzungsbegehren sowie das Erhöhungsbegehren der Minderjährigen wies es dagegen ab. Zusätzlich zu den eingangs wiedergegebenen Tatsachen stellte es noch fest, daß der Vater auf Grund seiner Krankheit monatliche Mehrausgaben in der Gesamthöhe von S 4.538,-- tätigen müsse. Diese seien von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen, sodaß nur ein solche von S 15.467,20 der Unterhaltsbemessung zugrunde gelegt werde. Die Minderjährige hat Anspruch auf 18 % des väterlichen Einkommens, wobei der errechnete Betrag deutlich unter dem Regelbedarfsatz von monatlich S 3.620,-- liege.

Dem gegen diese Entscheidung erhobenen Rekurs der Minderjährigen, mit dem sie deren Abänderung dahin begehrte, daß dem Erhöhungsantrag voll entsprochen werde, gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluß teilweise Folge. Es erhöhte den monatlichen Unterhalt für die Minderjährige ab auf S 3.600,-- und wies ein Mehrbegehren von S 1.800,-- ab. Es sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Rekursgericht aus, daß der Vater nach einer schweren Krebsoperation im Jahr 1989 in Pension sei. Nach der Judikatur sei eine Anspannung auf den Erwerb von Nebeneinkünften grundsätzlich nicht möglich. Nach dem BDG habe zwar ein aus gesundheitlichen Gründen frühpensionierter Beamter die Möglichkeit, seine Reaktivierung zu beantragen, er habe jedoch keinen Anspruch darauf. Nebeneinkünfte seien grundsätzlich gestattet, in einem solchen Fall verliere der Pensionist jedoch den Zurechnungsanteil im Rahmen seines Pensionsbezuges, sodaß nur Nebeneinkünfte, die diesen Verlust deutlich überstiegen, wirtschaftlich wären. Eine Anspannung auf eine Reaktivierung oder eine umfangreiche Beschäftigung eines Pensionisten könne grundsätzlich nicht erfolgen. Nach der Judikatur stellten die geltend gemachten Heilbehandlungskosten keine Abzugspost dar. Es sei davon auszugehen, daß die medizinisch notwendigen Heilbehandlungskosten im wesentlichen von der Krankenversicherung getragen würden. Die geltend gemachten Selbstbehalte seien dem Vater zumutbar, der Selbstbehalt hinsichtlich einer Kur sei von ihm in der Aktenlage nach keineswegs jeden Monat zu entrichten. Damit ergebe sich eine Bemessungsgrundlage von rund S 20.000 und ausgehend von 18 % ein monatlicher Unterhaltsanspruch von S 3.600,--.

Diese Entscheidung bekämpfen sowohl die Minderjährige als auch der Vater mit jeweils rechtzeitigen außerordentlichen Revisionsrekursen, mit denen der Vater die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes anstrebt, während die Minderjährige die Abänderung der Rekursentscheidung dahin beantragt, daß ihrem Erhöhungsantrag zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise stellten beide Seiten Aufhebungsanträge.

Die Minderjährige führt aus, daß es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage gebe, ob ein zum Ruhegenuß berechtigter Beamter, der nach den Behauptungen der Antragstellerin seine Dienstfähigkeit wieder erlangt habe, wieder in den aktiven Dienst einzutreten oder sich zumindest um eine "Reaktivierung" zu bemühen habe. Darüber hinaus weiche die Rechtsansicht des Rekursgerichts in diesem Zusammenhang von der Judikatur des Obersten Gerichtshof zum Anspannungsgrundsatz ab. Dagegen sieht der Vater als erhebliche Rechtsfrage an, daß die Judikatur zur Frage des Abzugs von Heilbehandlungskosten von der Bemessungsgrundlage, weder einheitlich noch zutreffend sei.

Rechtliche Beurteilung

Beide Revisionsrekurse sind zulässig und im Sinne ihrer Aufhebungsanträge berechtigt.

Im Gegensatz zur Ansicht des Vaters existiert zur Frage der Berücksichtigung von krankheitsbedingten Mehraufwand eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Wie schon zu SZ 68/247 und 3 Ob 2200/96t = ÖA 1997, 136 klargestellt wurde, verringert ein solcher Mehraufwand die Unterhaltsbemessungsgrundlage. Ebenso wurde zur Frage von Kosten für erforderliche Diätnahrung deren Berücksichtigung als Abzugspost anerkannt (EFSlg 71.199 und 71.200).

Von diesem Grundsätzen weicht die Entscheidung des Rekursgerichtes ab. Wie sich aus der letztzitierten Entscheidung ergibt, wird die Berücksichtigung eines Mehraufwandes für erforderliche Diätkost damit begründet, daß diese einen unbedingt nötigen Aufwand darstellt, der den Unterhaltsverpflichteten im Gegensatz zu anderen Personen treffe, die normale Nahrung zu sich nehmen können. Bei den Ausmaß der Berücksichtigung der Mehrkosten sei jeweils im Einzelfall zu entscheiden und auf die Einkommenssituation des Unterhaltsverpflichteten einerseits und die Höhe der dem Unterhaltsberechtigten zufließenden Unterhaltsbeträge andererseits Rücksicht zu nehmen. Der Unterhaltspflichtige müsse in der Lage sein, die zur Erhaltung seiner Gesundheit nötigen Mehrkosten zu bestreiten, ohne daß dadurch der Unterhalt des Unterhaltsberechtigten in unangemessener Weise beschnitten oder gar gefährdet werde. Im zugrundeliegenden Fall wurden bei einem Monatseinkommen des Vaters von S 22.300,-- und einer weiteren Sorgepflicht Diätmehrkosten von S 4.300,-- pro Monat als angemessen berücksichtigt.

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, dann zeigt sich, daß die grundsätzliche Ablehnung eines Abzuges für Heilbehandlungskosten im Sinne eines Teils der zweitinstanzlichen Judikatur nicht gebilligt werden kann. Daraus ergibt sich, daß sich das Rekursgericht mit der umfangreichen Tatsachenrüge der Minderjährigen, was die vom Erstgericht berücksichtigten Kosten des Vaters im medizinischen Bereich angeht, befassen hätte müssen. Diese Unterlassung macht die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückverweisung der Unterhaltssache an die Rekursinstanz zur Behandlung der Tatsachenrüge erforderlich.

Richtig legt aber auch die Minderjährigen in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs dar, daß zur Frage, ob der Anspannungsgrundsatz auch auf einen in Ruhestand befindlichen 50-jährigen Beamten anwendbar ist, eine höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht existiert.

Der Revisionsrekurs ist insoweit auch in Sinne seines Aufhebungsantrages berechtigt, weil der bloße Umstand, das kein Rechtsanspruch auf Reaktivierung eines Beamten nach § 16 Abs 1 BDG (sowohl in der Fassung nach als auch vor BGBl 1996/392) besteht, die Anwendung des sich bereits aus dem Gesetz nach § 140 Abs 1 ABGB ergebenden Anspannungsgrundsatz nicht ausschließt. Zutreffend weist die Revisionsrekurswerberin darauf hin, daß auch in der Privatwirtschaft kein Rechtsanspruch auf Anstellung besteht, woraus bisher aber in der Judikatur nicht abgeleitet worden ist, eine Anspannung sei aus diesem Grund nicht möglich. Wie sich schon aus dem Gesetzestext ergibt, hat ein in den Ruhestand versetzter Beamter nach Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit keinen Rechtsanspruch auf Wiederindienststellung, diese steht in einem Ermessen der Behörde (Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zitiert bei Fellner BDG FN 1 bis 4 zu § 16). Dadurch wird aber, wie im Revisionsrekurs richtig ausgeführt wird, keineswegs ausgeschlossen, daß sich der Beamte bemüht, eine solche Wiederaufnahme in den Dienst zu erlangen. Sollte allerdings feststehen, daß die in Frage kommende Dienstbehörde eine Wiederaufnahme ablehnt, käme die Anspannung des Vaters auf ein höheres als das tatsächlich in Form eines Ruhegenußes bezogene Einkommen unter diesen Aspekten nicht in Betracht.

Soweit im Revisionsrekurs der Minderjährigen gerügt wird, es habe das Rekursgericht die Feststellung unterlassen, daß der Antragsgegner seinen langjährigen Nebenerwerb freiwillig eingestellt habe, so kann ihr nicht dahin gefolgt werden, daß sich solches bereits aus der Eingabe des Antragsgegners AS 127 selbst ergebe. Vielmehr ist davon die Rede, daß diese Nebenbeschäftigung auch deshalb aufgegeben worden sei, weil eine anonyme Anzeige an das Bundesrechenamt mit der möglichen Folge des Verlustes der 10-jährigen Zurechnung bei seiner Pension und der Pflicht zur Rückzahlung eines Differenzbetrages für die letztvergangenen 3 Jahre zu befürchten war. Da eine dem Revisionsrekursvorbringen entsprechende Behauptung in erster Instanz auch gar nicht aufgestellt wurde, brauchte das Rekursgericht darauf auch nicht weiter Bedacht zu nehmen. Sehr wohl wird allerdings auf Grund der dargestellten Rechtslage zu überprüfen sein, ob der Vater einerseits wieder dienstfähig ist und andererseits tatsächlich auch wiederum in den Dienststand aufgenommen worden wäre, hätte die Dienstbehörde von seiner Wiederherstellung Kenntnis erlangt bzw ob eine solche Wiederindienststellung für die Zukunft zu erwarten ist.