OGH vom 20.04.2018, 7Ob52/18z
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** B*****, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. M***** AG, *****, vertreten durch BennIbler Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. A***** Ltd, *****, vertreten durch CMS ReichRohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen zuletzt 9.489,13 EUR sA, über die Revision der erstbeklagten Partei gegen das („Teil“)Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 4 R 140/17p43, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom , GZ 661 Cg 6/16y39, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die erstbeklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 831,36 EUR (darin enthalten 138,56 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision der Erstbeklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).
1.1 Mit am eingebrachtem, Privatbeteiligtenanschluss schlossen sich zahlreiche vom nunmehrigen Klagevertreter vertretene Anleger (darunter auch die Klägerin) dem bei der zuständigen Staatsanwaltschaft aufgrund der fälschlich als sicher dargestellten Zertifikate geführten Ermittlungsverfahren (auch) gegen die Erst und Zweitbeklagte unter anderem wegen Anlagebetrugs an. Im Schriftsatz verwiesen sie zu den Namen, Kaufzeitpunkten und Schadensbeträgen der Anleger auf die auf einer beigelegten CD-ROM gespeicherten Datensätze. Diese Daten wurden nach Einlangen bei der Staatsanwaltschaft ausgedruckt und zum Akt genommen. Auf einer dieser Listen befanden sich auch die Daten der Klägerin. Damit kommt es auf die Frage, ob ein Privatbeteiligtenanschluss (nur) mittels Übergabe einer CDROM wirksam ist, nicht an (1 Ob 28/18a mwN).
1.2 Mit den im Rechtsmittel aufgeworfenen Fragen zum Formerfordernis und zum Inhalt des Privatbeteiligtenanschlusses hat sich der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 Ob 45/17s (= RISJustiz RS0041512 [T1, T 2]) auseinandergesetzt und das Vorliegen erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO verneint. Auf diese Ausführungen, denen sich inzwischen zahlreiche Senate des Obersten Gerichtshofs angeschlossen haben (4 Ob 196/17b, 3 Ob 188/17v, 1 Ob 28/18a uva), kann verwiesen werden.
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass in jenem Straf und in diesem Zivilverfahren der Schädiger vom Berechtigten wegen des gleichen Vermögensnachteils belangt wurde (RISJustiz RS0041512) und dieser Vermögensnachteil unter Nennung des Kaufpreises und unter Bezugnahme auf die unrichtigen AdhocMeldungen auch ausreichend konkretisiert und individualisiert wurde, ist nicht zu beanstanden und bedarf keiner Korrektur. Es reicht aus, wenn das Bestehen eines aus der Straftat entstandenen, im Zivilrechtsweg geltend zu machenden Anspruchs schlüssig behauptet wird und sich ein Zusammenhang zwischen der Tat (also dem Lebenssachverhalt) und nicht (zwingend) seiner rechtlichen Qualifikation als eine bestimmte strafbare Handlung (vgl RISJustiz RS0131804 [T1] = 1 Ob 192/17t; 1 Ob 28/18a) und dem Anspruch ableiten lässt, und zwar unabhängig davon, ob vorsätzliches oder fahrlässiges Verhalten vorliegt bzw ob die angeklagte Straftat überhaupt begangen wurde (10 Ob 45/17s, 1 Ob 28/18a). Erkennbar war damit hier, von wem und weswegen die Klägerin als Privatbeteiligte Ersatz verlangt (RISJustiz RS0034631 [T3, T 5, T 10, T 13]).
1.3 Der Anschluss als Privatbeteiligter im Strafverfahren hat dieselben rechtlichen Wirkungen iSd § 1497 ABGB wie eine Klage (RISJustiz RS0034631). Da ein zivilrechtlicher Anspruch auch im Strafverfahren im Wege der Privatbeteiligung geltend gemacht werden kann, kommt dieser Erklärung grundsätzlich verjährungsunterbrechende Wirkung zu. Diese Rechtsprechung wurde auch nach dem Strafprozessreformgesetz fortgesetzt. Für die Unterbrechung der Verjährung reicht daher, dass die Klägerin die klagsgegenständlichen Ansprüche innerhalb der dreijährigen Verjährungsfrist ausreichend konkretisiert und individualisiert im Strafverfahren als Privatbeteiligte geltend macht (1 Ob 28/18a mwN).
Mit der im Rechtsmittel weiters aufgeworfenen Behauptung, Voraussetzung für die Unterbrechung der Verjährung sei, dass der Schädiger vom Privatbeteiligtenanschluss auch Kenntnis erlange, hat sich der Oberste Gerichtshof ebenfalls bereits auseinandergesetzt (1 Ob 28/18a) und ausgesprochen, dass die Verständigung vom Privatbeteiligtenanschluss durch die Straf-verfolgungsbehörden in keinem Gesetz vorgesehen ist. Die Übermittlung der Anschlusserklärung mit beziffertem Begehren an den Schädiger durch den Privatbeteiligten wird für die Unterbrechung der Verjährung gemäß § 1497 ABGB ebenfalls nicht verlangt. Der Geschädigte hat vielmehr durch den ordnungsgemäßen Privatbeteiligtenanschluss im Strafverfahren des Schädigers seine Rechte gewahrt.
2. Die Klägerin hat nach den Feststellungen bereits im Juni 2009 dem Prozessfinanzierer Vollmacht zur Durchsetzung ihrer Ansprüche erteilt („der Anspruchsinhaber erteilt im Übrigen [...] Vollmacht im weitestmöglichen Sinn, für ihn tätig zu sein ...“). Sie ging davon aus, dass sie damit den Prozessfinanzierer auch bevollmächtigte, einen Rechtsanwalt zur Geltendmachung ihrer Ansprüche zu beauftragen. Außerdem erteilte sie dem Klagevertreter (in der Tagsatzung vom ) ausdrücklich rückwirkend Vollmacht auch für den Privatbeteiligtenanschluss im Strafverfahren.
Die Auslegung von Willenserklärungen hat stets nach den Umständen des Einzelfalls zu erfolgen, sodass sich dabei eine erhebliche Rechtsfrage in der Regel nicht stellt (RISJustiz RS0042555; RS0042936); dies gilt auch für die Erteilung und denUmfang einer Vollmacht (RISJustiz RS0044358 [T36]). Die Frage, ob ein bevollmächtigter Vertreter, der kein Rechtsanwalt ist, zur Substitution befugt ist, ist nach dem Inhalt seiner Vollmacht und nach § 1010 ABGB zu beurteilen (RISJustiz RS0036015 [T2]).
Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Klagevertreter bereits vor dem Privatbeteiligtenanschluss wirksam vom Prozessfinanzierer mit der Verfolgung der Ansprüche der Klägerin beauftragt wurde, wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf. Anhaltspunkte dafür, dass die Beauftragung des Rechtsanwalts durch den Prozessfinanzierer nicht der von der Klägerin erteilten Vollmacht entsprochen hätte, zeigt die Revisionswerberin nicht auf. Einer nachträglichen Genehmigung der (strafgerichtlichen) Prozesshandlung des vom (nunmehrigen) Klagevertreter erklärten Privatbeteiligtenanschlusses bedurfte es daher nicht. Die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage, ob grundsätzlich eine erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erteilte nachträgliche Genehmigung einer zunächst vollmachtslos gesetzten Prozesshandlung durch den Vertretenen eine „eingetretene Verjährung rückwirkend beseitigen“ könnte, stellt sich damit hier nicht (3 Ob 11/18s, 1 Ob 28/18a).
3. Weder die vom Berufungsgericht genannte Rechtsfrage noch die Ausführungen im Rechtsmittel geben daher Anlass zur Korrektur des Berufungsurteils. Die Revision ist daher insgesamt mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0070OB00052.18Z.0420.000 |
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