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OGH vom 22.10.2010, 7Ob52/10p

OGH vom 22.10.2010, 7Ob52/10p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Unterhaltssache des Antragstellers N***** B*****, vertreten durch Dr. Roswitha Ortner, Rechtsanwältin in Villach, gegen den Antragsgegner Dr. M***** B*****, vertreten durch Dr. Walter Niederbichler, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom , GZ 2 R 303/09z 13, mit dem über Rekurs des Antragsgegners der Beschluss des Bezirksgerichts Villach vom , GZ 38 Fam 14/08h 9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller die mit 445,82 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten 74,30 EUR an USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs, der eine unrichtige Annahme einer Zustimmungsfiktion nach § 17 AußStrG 2005 und die Verletzung seines Rechts auf Gehör, Fragen der Beweiswürdigung sowie fehlerhafte Beurteilung der Unterhaltspflicht bei Studienwechsel releviert, ist aus folgenden, kurz darzulegenden Gründen (§ 71 Abs 3 AußStrG 2005) ungeachtet des nicht bindenden (nachträglichen) Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts nicht zulässig:

1. Der Vorwurf des Antragsgegners, die Vorinstanzen hätten zu Unrecht von der Zustimmungsfiktion des § 17 AußStrG 2005 Gebrauch gemacht, trifft nicht zu, weil sich weder das Erst- noch das Rekursgericht darauf beriefen. Im Übrigen räumt diese Bestimmung dem Gericht nur die Möglichkeit, aber nicht die Verpflichtung ein, einen Äußerungsauftrag an den Antragsgegner zu erteilen.

2. Soweit nichts anderes angeordnet ist, sind nach § 24 Abs 1 AußStrG 2005 die Bestimmungen der ZPO über Zustellungen und das ZustellG anzuwenden, daher insbesondere die §§ 87 bis 121 ZPO. Die Direktzustellung zwischen Rechtsanwälten nach § 112 ZPO ist davon umfasst und gilt deshalb nach dem klaren Gestzeswortlaut auch im Außerstreitverfahren.

Der vom Antragsgegner zugestandenen Zustellung der beiden Schriftsätze der Antragstellervertreterin vom und an seinen Vertreter jeweils gemäß § 112 ZPO kommt dieselbe Wirkung zu wie einer Zustellung durch das Gericht ( Stumvoll in Fasching/Konecny ² ErgBd zum ZustR § 112 ZPO Rz 2). Der Antragsgegner hat daher vom darin enthaltenen Antrag (Modifizierung des Erhöhungsbegehrens) und vom darin erstatteten Vorbringen samt den vorgelegten Urkunden wirksam Kenntnis erhalten und - mit Rücksicht auf die Beschlussfassung durch das Erstgericht erst am ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme zu beiden Schriftsätzen im Sinn von § 15 AußStrG 2005 gehabt.

3. Die vom Antragsgegner erstmals im Rekurs erhobene Behauptung, der Antragsteller habe von Juli 2006 bis August 2007 den Zivildienst absolviert (also lange vor dem Einlangen des hier zu beurteilenden Antrags), verstößt gegen § 49 Abs 2 AußStrG 2005; dieser Einwand hätte vor dem Erstgericht vorgetragen werden müssen. Es wurde auch nicht behauptet, der Antragsteller habe dieses Vorbringen nur aufgrund einer entschuldbaren Fehlleistung in erster Instanz unterlassen oder es seien relevante Umstände vorgelegen, die ihn an der rechtzeitigen Bekanntgabe gehindert hätten.

4. Die Frage, ob ein (weiteres) Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, ist eine Frage der Beweiswürdigung und daher nicht revisibel (RIS Justiz RS0043320; RS0043414). Ebenso ist die Bekämpfung der Tatsachenfeststellungen mit Revisionsrekurs auch im Außerstreitverfahren nicht möglich (RIS Justiz RS0108449).

5. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass einem Kind nach der Matura vor der endgültigen Wahl eines seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechenden Studiums oder einer sonstigen Berufsausbildung eine Überlegungs und Korrekturfrist zuzubilligen ist, die im Allgemeinen die Dauer eines Jahres nicht übersteigen soll. Gelangt das Kind daher innerhalb angemessener Frist zur Einsicht, dass es bei der Wahl des Studiums einem Irrtum unterlegen ist, führt dies noch nicht zum Verlust seines Unterhaltsanspruchs (RIS Justiz RS0047679 [T4] und [T5]). Mit dem Wechsel auf das Jus Studium, das entgegen der Behauptungen des Antragstellers - durch die vom Antragsteller vorgelegte Lehrveranstaltungszeugnis der Universität Graz vom aktenkundig ist, hat der Antragsteller die Frist von einem Jahr nicht überschritten. Der Erkrankung des Antragstellers kommt daher in diesem Zusammenhang keine rechtliche Bedeutung zu.

Ein erstmaliger Studienwechsel ist nur dann als entschuldbare Fehleinschätzung zu werten, wenn das neue Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird (RIS Justiz RS0047617 [T9]). Bei der Beurteilung dieser Frage, die nach der durchschnittlichen Studienzeit für die einzelnen Studienabschnitte als Richtschnur zu erfolgen hat (RIS Justiz RS0083694 [T7]; Neuhauser in Schwimann, ABGB TaKomm § 140 Rz 104), ist im Allgemeinen nur der tatsächliche Studienfortgang ex post zu betrachten (RIS Justiz RS0110600 [T8]).

Die hiefür maßgebende Beschlussfassung erster Instanz (§ 53 AußStrG 2005; vgl RIS Justiz RS0006801) fiel im Wesentlichen mit dem Beginn des dritten Semesters des Jus Studiums des Antragstellers zusammen. In dem für die Beurteilung relevanten Zeitpunkt () kann daher nicht von einer Überschreitung der durchschnittlichen Studiendauer ausgegangen werden.

Die Annahme der Vorinstanzen, der Antragsgegner sei nach wie vor unterhaltspflichtig, ist daher jedenfalls vertretbar.

6. Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung beruht auf §§ 78, 101 Abs 2 AußStrG 2005. Der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.

Bemessungsgrundlage für die Rechtsanwaltskosten ist das Einfache der Jahresleistung (§ 9 Abs 3 RATG) des Erhöhungsbetrags für den laufenden Unterhalt (das sind 314 EUR x 12 = 3.768 EUR); Rückstände haben auch hier keinen Einfluss auf die Bemessungsgrundlage (1 Ob 25/04i; RIS Justiz RS0121989). Dem Antragsteller steht weder eine Verbindungsgebühr noch ein Einheitssatz von 100 % zu.