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OGH vom 19.05.2005, 6Ob50/05d

OGH vom 19.05.2005, 6Ob50/05d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am geborenen mj. Alexander P*****, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie für den 21. Bezirk, 1210 Wien, Franz-Jonas-Platz 3/2), über den Revisionsrekurs seiner Mutter Marion P*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 44 R 861/03y-102, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom , GZ 16 P 262/03x-55, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der Minderjährige wuchs zunächst bei seiner Mutter auf und bezog von seinem unehelichen Vater Unterhalt. Nach einem kurzfristigen Aufenthalt in einem Krisenzentrum übersiedelte er im April 2002 zu seinem Vater.

Am beantragte der Jugendwohlfahrtsträger, die Mutter ab zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 200 EUR zu verpflichten und ihr ab Antragstag einen vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO von 123,60 EUR aufzuerlegen. Mit einstweiliger Verfügung vom gab der damals noch zuständige Jugendgerichtshof Wien dem Begehren auf vorläufigen Unterhalt statt. Die einstweilige Verfügung wurde der Mutter am durch Hinterlegung zugestellt. Die Abholfrist begann am . Am gab die Mutter einen Rekurs gegen die einstweilige Verfügung zur Post und sprach sich bei ihrer Einvernahme am gegen die begehrte Unterhaltsfestsetzung aus. Mit Beschluss des Jugendgerichtshofs Wien als Rekursgericht vom wurde die einstweilige Verfügung bestätigt und ausgesprochen, dass der außerordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der von der Mutter gestellte Abänderungsantrag gemäß § 14a AußStrG und ihr zugleich erhobener Revisionsrekurs wurden mit Beschluss des Jugendgerichtshofs Wien als Rekursgericht vom zurückgewiesen.

Am langte der Antrag des Jugendwohlfahrtsträgers auf Gewährung von Vorschüssen nach § 4 Z 5 UVG in Höhe von 123,60 EUR für die Zeit vom bis bei Gericht ein. Darin wurde behauptet, dass die Mutter den vorläufigen Unterhalt nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung der einstweiligen Verfügung voll erbracht habe.

Mit Beschluss vom bewilligte das nunmehr zuständige Erstgericht diesen Unterhaltsvorschussantrag.

In ihrem dagegen erhobenen Rekurs behauptete die Mutter, dass sie die Unterhaltsrückstände beglichen habe und dass ihr Sohn seit eine Lehre absolviere. Er verfüge nun über ein eigenes Einkommen und beziehe auch noch die Kinderbeihilfe. Sie beantragte daher auch die „Einstellung bzw Herabsetzung des monatlichen Unterhalts".

Das Rekursgericht bestätigte die Vorschussgewährung. Die Mutter habe zwar durch die mit ihrem Rekurs vorgelegten Erlagscheinkopien nachgewiesen, dass sie folgende Unterhaltszahlungen erbracht habe: Am 30. 4., 28. 5., 27. 6. und je 100 EUR, am 712,40 EUR und am 27. 8., 29. 9. und je 123,60 EUR. Sie habe daher den Rückstand voll bezahlt und von September bis November 2003 den geschuldeten Betrag von 123,60 EUR monatlich geleistet. Der Vorschussgrund des § 4 Z 5 UVG setze aber nur voraus, dass der Unterhaltsschuldner den vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO nicht innerhalb eines Monats ab Zustellung der einstweiligen Verfügung an ihn voll erbracht habe. § 4 Z 5 UVG verlange im Gegensatz zur Bevorschussung aufgrund eines endgültigen Unterhaltstitels (§ 3 Z 2 UVG) keinen Unterhaltsrückstand. Durch die verspäteten Zahlungen des Unterhaltsschuldners nach Ablauf der Monatsfrist werde der Vorschussgrund des § 4 Z 5 UVG nicht mehr beseitigt. Eine Vorschussgewährung nach dieser Bestimmung setze weder die Rechtskraft oder Vollstreckbarkeit der einstweiligen Verfügung gemäß § 382a EO noch eine Exekutionsführung voraus. Der Minderjährige beziehe zwar seit eine Lehrlingsentschädigung von rund 425 EUR netto im Monatsdurchschnitt. Der Richtsatz für Ausgleichszulagen, der als Grenze für die Selbsterhaltungsfähigkeit heranzuziehen sei, habe im Jahr 2003 rund 720 EUR netto im Monatsdurchschnitt betragen. Bei Anrechnung des Eigeneinkommens des Unterhaltsberechtigten auf die Beitragspflicht beider Elternteile verbleibe ein restlicher Geldunterhaltsanspruch in Höhe der halben Differenz zwischen dem Richtsatz und dem Eigeneinkommen, woraus sich ergebe, dass hier weiterhin eine Geldunterhaltspflicht der Mutter zumindest in Höhe des vorläufigen Unterhaltsbeitrags von 123,60 EUR monatlich bestehe. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob der Vorschussgrund des § 4 Z 5 UVG weiterhin aufrecht bestehe, wenn der Unterhaltsschuldner zwischen der Antragstellung und dem Entscheidungszeitpunkt den Unterhaltsrückstand voll nachgezahlt habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Mutter ist aus dem vom Rekursgericht dargestellten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

In dem mit dem Bundesgesetz über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige (BGBl 1987/645) eingefügten § 382a EO wird der in einem vereinfachten Verfahren einem minderjährigen Kind unter bestimmten Voraussetzungen zu bewilligende Unterhalt als „vorläufig" bezeichnet. Nach Abs 2 dieser Gesetzesstelle kann ein solcher höchstens bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz bewilligt werden. Wurde eine solche einstweilige Verfügung erlassen, sind unter der Voraussetzung, dass der Unterhaltsschuldner den ihm damit auferlegten vorläufigen Unterhalt nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung der einstweiligen Verfügung an ihn voll erbringt, gemäß § 4 Z 5 UVG Unterhaltsvorschüsse zu gewähren. Demgegenüber wird ein Titelvorschuss gewährt, wenn eine Exekution nicht zur vollen Deckung geführt hat (§ 3 Z 2 UVG) oder wenn eine Exekution aussichtslos ist (§ 4 Z 1 UVG). Die Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG ist an diese Voraussetzungen nicht gebunden. Es ist auch nicht erforderlich, dass die einstweilige Verfügung rechtskräftig ist oder dass ein Bedarf nachgewiesen wird. Ein Unterhaltsvorschuss nach § 4 Z 5 UVG unterscheidet sich demnach in mehrfacher Hinsicht von einem Titelvorschuss, wie er nach Festsetzung des endgültigen Unterhalts beantragt werden kann. Die zugrundeliegende einstweilige Verfügung kann leichter und schneller erlangt werden als sonst ein Unterhaltstitel. Der Vorschuss wird schon bei bloßem Verzug des Unterhaltsschuldners gewährt. Zweck des vereinfachten Verfahrens ist es, den Unterhalt eines Kindes zu sichern, dass mangels Bestehens eines vollstreckbaren Titels gezwungen ist, seinen Geldunterhaltsanspruch - erstmals - gerichtlich geltend zu machen und während des Unterhaltsverfahrens weder die Hereinbringung von Unterhaltsbeiträgen durchsetzen noch (auf anderer Grundlage) Vorschüsse erlangen könnte (4 Ob 137/99x; 7 Ob 194/01g; Neumayr in Schwimann ABGB2 I § 4 UVG Rz 84).

Abgesehen davon, dass die Monatsfrist des § 4 Z 5 UVG nicht erst ab Rechtskraft der einstweiligen Verfügung nach § 382a EO beginnt, hat hier die Mutter erst Monate nach der Rechtskraft der einstweiligen Verfügung die Rückstände voll beglichen.

Gemäß § 20 Abs 1 Z 2 UVG kann der Unterhaltsschuldner die Einstellung der Vorschüsse dadurch erreichen, dass er nachweist, alle fälligen Unterhaltsbeträge gezahlt und den Unterhaltsbeitrag für die kommenden zwei Monate gleichfalls gezahlt oder zugunsten des Kindes gerichtlich erlegt zu haben. Ob ein Unterhaltsschuldner, der über die Monatsfrist des § 4 Z 5 UVG hinaus mit der Leistung des in der einstweiligen Verfügung festgesetzten Unterhaltsbeitrags säumig ist, die Vorschussgewährung dadurch abwenden kann, dass er entsprechende Zahlungen einschließlich Vorauszahlungen schon vor Beschlussfassung über den Vorschussantrag nachweist, ist hier nicht zu prüfen, weil die Mutter keine Unterhaltsbeiträge für zwei Monate im Vorhinein geleistet hat.

Gemäß § 7 Abs 1 UVG hat das Gericht die Vorschüsse ganz oder teilweise zu versagen, soweit 1. in den Fällen der §§ 3, 4 Z 1 und 4 begründete Bedenken bestehen, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) besteht oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt ist; 2. in den Fällen des § 4 Z 2 und 3 das Kind eigene Einkünfte hat oder unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse selbsterhaltungsfähig ist. Daraus ergibt sich, dass die in § 7 Abs 1 Z 1 und 2 genannten Umstände bei der Gewährung von Vorschüssen nach § 4 Z 5 UVG ohne Bedeutung sind und diese Vorschussgewährung nicht hindern (Neumayr aaO Rz 86). Der Umstand, dass der Minderjährige seit September 2003 Lehrling ist und ein eigenes Einkommen bezieht, hat daher auf die Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG keinen Einfluss. Es ist auch nicht zu prüfen, ob und inwieweit die vom Vater bezogene Familienbeihilfe die Geldunterhaltspflicht der Mutter im Sinn der auf dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 7/02 ua, beruhenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0117023) mindert. Wie sich aus § 15 Abs 2 UVG ergibt, kann ein Rekurs gegen eine Vorschussgewährung nach § 4 Z 5 UVG auch nicht auf solche Umstände gestützt werden, die den Grund und die Höhe des Unterhaltsanspruchs betreffen. Es erübrigt sich daher, auf die Erwägungen des Rekursgerichts zur Höhe des noch zu deckenden Bedarfs des Minderjährigen und auf die im Revisionsrekurs abermals begehrte Berücksichtigung des Familienbeihilfebezugs des Vaters einzugehen.

Allerdings können derartige Umstände gemäß § 399a EO mit einem Antrag auf Einschränkung oder Aufhebung der einstweiligen Verfügung geltend gemacht werden. Einen solchen Antrag hat die Mutter sinngemäß bereits bei Erhebung ihres Rekurses gegen die Bewilligung des Unterhaltsvorschusses gestellt. Über diesen Antrag wird das Erstgericht noch zu entscheiden haben. Im Vorschussverfahren ist darauf aber nicht einzugehen.

Der angefochtene Beschluss ist daher zu bestätigen.