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OGH vom 26.11.2014, 7Nc33/14h

OGH vom 26.11.2014, 7Nc33/14h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. A***** Z*****, vertreten durch Mag. Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H***** C*****, wegen Herausgabe, infolge Vorlage des Akts AZ 37 C 235/14f des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien zur Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt mit dem Bezirksgericht Graz Ost nach § 47 JN den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Führung des Verfahrens fällt in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Graz Ost.

Der Zurückweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Graz Ost vom wird aufgehoben.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt mit der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage vom Beklagten die Herausgabe bestimmter Gegenstände; er bewertete sein Herausgabebegehren mit 15.000 EUR. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück, weil diese Streitigkeit wegen des Streitwerts von 15.000 EUR gemäß § 49 Abs 1 JN in die Zuständigkeit des Bezirksgerichts falle. Aufgrund des Antrags des Klägers, die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Innere Stadt Wien zu überweisen, hob das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien seinen Zurückweisungsbeschluss auf und überwies die Rechtssache gemäß § 230a ZPO dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien.

Daraufhin beraumte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien die vorbereitete Tagsatzung an und verfügte die Zustellung der Klage samt Ladung zur Tagsatzung an den Beklagten an dessen in der Klage angegebenen Adresse in Wien. Da dort nicht zugestellt werden konnte, gab der Kläger einen Wohnsitz des Beklagten in Graz bekannt und beantragte, die Klage „an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Graz Ost zu überweisen“. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien erklärte sich daraufhin mit Beschluss vom für örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache an das nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Graz Ost. Es begründete seine Entscheidung damit, dass noch keine Streitanhängigkeit vorliege und daher eine amtswegige Prüfung der Zuständigkeit „gemäß § 261 Abs 6 ZPO“ noch möglich sei. Für die aktuelle Adresse des Beklagten in Graz sei es örtlich nicht zuständig.

Das Bezirksgericht Graz Ost wies mit Beschluss vom die Klage wegen Unzuständigkeit zurück. Die Zuständigkeitsübertragung sei gesetzwidrig erfolgt. Bei der Überweisung nach § 230a ZPO habe das Bezirksgericht Innere Stadt Wien keine Art der Unzuständigkeiten mehr von Amts wegen wahrnehmen dürfen. Eine „in limine litis Zurückweisung“ scheide aus, sobald über die Klage die Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung bestimmt sei (§ 43 Abs 1 JN). § 261 ZPO sei mangels Streitanhängigkeit nicht anwendbar. Diesen Beschluss und den Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien stellte das Bezirksgericht Graz Ost dem Vertreter des Klägers gleichzeitig am zu.

Den gegen den Überweisungsbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien erhobenen Rekurs des Klägers wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht mit Beschluss vom mangels Beschwer zurück, weil die angefochtene Entscheidung dem Antrag des Klägers entsprochen habe. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Mit Verfügung vom legte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt dem Obersten Gerichtshof mit dem Ersuchen um Entscheidung über den negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN vor.

Rechtliche Beurteilung

1. Im vorliegenden Fall haben das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, das Bezirksgericht Innere Stadt Wien und das Bezirksgericht Graz Ost jeweils ihre Zuständigkeit verneint. Allerdings besteht ein negativer Kompetenzkonflikt und damit ein Streit über die Zuständigkeit im Sinn des § 47 Abs 1 JN nur zwischen dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien und dem Bezirksgericht Graz Ost.

2. Die Anrufung des gemeinsam übergeordneten Gerichtshofs in einem negativen Kompetenzkonflikt nach § 47 JN setzt voraus, dass die beiden konkurrierenden Gerichte rechtskräftig über ihre Unzuständigkeit zur Entscheidung über die (gleiche) Rechtssache abgesprochen und diese verneint haben (vgl RIS Justiz RS0046299 [T1]; RS0118692 [T2 und T 3]). Diese Voraussetzung liegt hier vor.

3. Bei der Entscheidung über negative Kompetenzkonflikte ist auf eine allfällige Bindungswirkung des ersten Beschlusses Bedacht zu nehmen. Die Vorschriften über die Bindung an rechtskräftige Entscheidungen über die Zuständigkeit und an Überweisungsbeschlüsse (§ 46 Abs 1 JN,§ 261 Abs 6 ZPO,§ 474 Abs 1 ZPO iVm § 499 ZPO) haben den Zweck, Kompetenzkonflikte nach Möglichkeit von vornherein auszuschließen. Dabei nimmt der Gesetzgeber in Kauf, dass allenfalls auch ein an sich unzuständiges Gericht durch eine unrichtige Entscheidung gebunden wird (RIS Justiz RS0046391; Schneider in Fasching/Konecny ³ § 47 JN Rz 27).

4. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann das Gericht, an das überwiesen wurde, dieser Bindungswirkung auch nicht dadurch entgehen, dass es seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses fasst (RIS Justiz RS0046391 [T6]; vgl RS0081664 [T1]). Bei der Entscheidung nach § 47 JN ist auf die Bindungswirkung des Überweisungsbeschlusses daher auch dann Bedacht zu nehmen, wenn wie hier der Unzuständigkeitsbeschluss des Gerichts, an das die Sache überwiesen wurde, noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses erfolgte (RIS Justiz RS0046391 [T8]).

5. Der Beschluss des Bezirksgerichts Graz Ost, mit dem es die Klage im Hinblick auf die Zuständigkeit des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien zurückwies, verletzte demgemäß die Bindungswirkung des vorausgehenden Überweisungsbeschlusses des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien und ist daher ohne auf die Frage nach der Richtigkeit des Überweisungsbeschlusses einzugehen (RS0046391 [T10]) aufzuheben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0070NC00033.14H.1126.000