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OGH vom 20.05.2020, 4Ob63/20y

OGH vom 20.05.2020, 4Ob63/20y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei D***** I*****, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz und andere Rechtsanwälte in Kufstein, gegen den Gegner der gefährdeten Partei H***** S*****, vertreten durch Dr. Maximilian Ellinger und Dr. Günter Ellmerer, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung, über den Revisionsrekurs der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 3 R 283/19t-9, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Kufstein vom , GZ 4 C 1102/19h-3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die gefährdete Partei ist schuldig, dem Gegner der gefährdeten Partei die mit 1.332,54 EUR (darin enthalten 222,09 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Gegner der gefährdeten Partei ist Eigentümer einer Liegenschaft in Wörgl, auf der ein Wohn- und Geschäftshaus errichtet ist. Am schloss der Rechtsvorgänger des Gefährdeten mit dem Gegner einen Mietvertrag über das im Parterre dieses Hauses befindliche Geschäftslokal. In § 17 des Mietvertrags wurde dem Mieter am Mietgegenstand ein (obligatorisches) Vorkaufsrecht eingeräumt. Mit Zusatzvereinbarung vom trat der Gefährdete anstelle des bisherigen Mieters in den erwähnten Mietvertrag ein und übernahm alle Rechte und Pflichten des bisherigen Mieters.

Mit Kaufvertrag vom verkaufte der Gegner die Liegenschaft zum Kaufpreis von 850.000 EUR an eine Immobilien-GmbH.

Im vorliegenden Verfahren beantragte der die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 381 Z 2 EO, mit der dem Gegner verboten werden soll, die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft in Wörgl oder Teile derselben zu veräußern; zudem begehrte der Gefährdete, das Veräußerungsverbot im Grundbuch ob der Liegenschaft anmerken zu lassen und dem Gegner aufzutragen, die in seiner Verwahrung oder in der Verwahrung seines Vertreters bzw Treuhänders oder sonstigen Bevollmächtigten erliegende Ausfertigung des Rangordnungsbeschlusses der beabsichtigten Veräußerung bei Gericht zu hinterlegen; schließlich beantragte er, die Frist für die Einbringung der Klage auf Zuhaltung der Vereinbarung des Vorkaufsrechts mit acht Wochen zu bestimmen. Sein Vater und Rechtsvorgänger habe das vom Gegner gemietete Geschäftslokal seinerzeit käuflich erwerben wollen, was der Gegner abgelehnt habe. Im Mietvertrag sei aber am Mietgegenstand ein Vorkaufsrecht eingeräumt worden, das auch rein obligatorisch gültig sei. Da der Gegner die mit dem Vorkaufsrecht belastete Liegenschaft zwischenzeitlich an eine ImmobilienGmbH verkauft habe und die Einverleibung des Eigentumsrechts zu Gunsten dieser GmbH bevorstehe, drohe ihm ein unwiederbringlicher Schaden.

Der Gegner äußerte sich zum Sicherungsantrag nicht.

Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung. Auch ein bloß obligatorisches Vorkaufsrecht gewähre einen Anspruch auf Einlösung der Sache, wenn der Vorkaufsverpflichtete die Sache unter Missachtung des nicht verbücherten Rechts einem Dritten verkauft habe. Ein solches Vorkaufsrecht könne auch nur auf einem Teil einer Liegenschaft eingeräumt werden. Der Gefährdete habe sowohl das Vorkaufsrecht als auch die Gefährdung seiner Ausübung hinreichend bescheinigt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Gegners Folge und wies den Sicherungsantrag ab. Das Erstgericht habe an sich zutreffend beurteilt, dass ein Vorkaufsrecht auch nur auf einem Teil einer Liegenschaft eingeräumt werden könne. Werde in einem solchen Fall die gesamte Liegenschaft veräußert, so bleibe das Vorkaufsrecht auf den belasteten Liegenschaftsanteil beschränkt. Der mit dem Vorkaufsrecht belastete Liegenschaftsanteil müsse jedoch sonderrechtsfähig sein, was dann der Fall sei, wenn der belastete Teil ohne weiteres von der Liegenschaft abtrennbar sei oder wenn Wohnungseigentum bestehe. Diese Voraussetzungen seien im Anlassfall nicht gegeben, weshalb der Gefährdete über kein wirksames Vorkaufsrecht verfüge. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob sich ein Vorkaufsrecht auch auf nicht sonderrechtsfähige Bestandteile einer Liegenschaft beziehen könne, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Gefährdeten, der auf eine Wiederherstellung der einstweiligen Verfügung des Erstgerichts abzielt.

Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Gegner, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1.1 Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen – wie hier – nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.

1.2 Im Revisionsrekurs vertritt der Gefährdete die Ansicht, dass der vom Vorkaufsrecht umfasste Mietgegenstand derzeit zwar nicht sonderrechtsfähig sei, dies die Vereinbarung aber nicht von vornherein unwirksam mache. Ein Vertrag komme nur dann nicht zustande, wenn der Vertragsgegenstand geradezu unmöglich sei. Dies sei hier nicht der Fall, weil Wohnungseigentum begründet werden könne. Zudem sei das Vorkaufsrecht auch deshalb möglich, weil der Verpflichtete das gesamte Gebäude verkauft habe. Aufgrund der Bestimmungen über das Vorkaufsrecht müsse er den gesamten Vertrag zur Einlösung anbieten.

Damit zeigt der Gefährdete keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2. Der Gefährdete beruft sich auf ein obligatorisches Vorkaufsrecht an dem von ihm gemieteten Geschäftslokal auf der Liegenschaft des Gegners. Spezielle grundbuchsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Einverleibung eines Vorkaufsrechts nach § 3 Abs 1 GBG (vgl dazu 5 Ob 28/19g und 5 Ob 131/19d) stellen sich im Anlassfall nicht.

3. Nach § 389 EO hat die gefährdete Partei im Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die den Antrag begründenden Tatsachen im Einzelnen schlüssig darzulegen und in urkundlicher Form zu bescheinigen oder durch sofort ausführbare Beweise glaubhaft zu machen. Ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der gefährdeten Partei Bedenken gegen den Sicherungsantrag, so kann diesem nicht Folge gegeben werden. Der Mangel eines unschlüssig behaupteten Anspruchs kann auch nicht etwa durch die Auferlegung einer Sicherheitsleistung nach § 390 Abs 1 EO ausgeglichen werden (9 Ob 6/19a mwN; 3 Ob 302/98b; vgl auch RS0005694; RS0005381).

4.1 Nach der Rechtsprechung ist es materiell-rechtlich möglich, dass auch nur ein Teil einer Liegenschaft (Grundbuchskörper) mit einem Vorkaufsrecht belastet ist und ein Vorkaufsrecht unter bestimmten Voraussetzungen daher auch nur für ein Grundstück oder einen Grundstücksteil einer Liegenschaft begründet werden kann (vgl 6 Ob 238/08f mwN). In der Entscheidung 5 Ob 87/06i wurde dazu darauf hingewiesen, dass durch die Möglichkeit der Abschreibung einzelner Teile eines Grundstücks ein selbständiges rechtliches Schicksal dieser Grundstücksteile ermöglicht werde. Dafür ist jedenfalls vorausgesetzt, dass die jeweilige Teilfläche exakt beschrieben oder durch einen Teilungsplan konkret gekennzeichnet ist (vgl 9 Ob 6/19a).

An einem rechtlich unselbständigen Teil eines Wohn- und Geschäftshauses, wie hier am vermieteten Geschäftslokal, kann ein obligatorisches Vorkaufsrecht nur unter der Voraussetzung wirksam begründet werden, dass die Vertragsparteien bei Einräumung des Vorkaufsrechts ausdrücklich oder schlüssig vereinbaren, dass am betreffenden Objekt Wohnungseigentum begründet wird und für den Eigentümer daher eine entsprechende Verpflichtung besteht.

4.2 Zur schlüssigen Darlegung des geltend gemachten obligatorischen Vorkaufsrechts hätte der Gefährdete somit vorbringen müssen, dass die Parteien des Mietvertrags aus dem Jahr 1999 bei Einräumung des Vorkaufsrechts übereinstimmend von der (späteren) Begründung von Wohnungseigentum am Mietobjekt ausgegangen sind. Auf eine derartige ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung hat er sich aber nicht gestützt.

Auch die Argumentation des Gefährdeten im Revisionsrekurs, dass das in Rede stehende Vorkaufsrecht nicht „unmöglich“ sei, weil Wohnungseigentum begründet werden könne (vgl 5 Ob 28/19g), schlägt im Anlassfall fehl. Auch damit bezieht sich der Gefährdete nämlich nicht auf eine jedenfalls erforderliche (ausdrückliche oder schlüssige) Vereinbarung bei Einräumung des Vorkaufsrechts und eine daraus resultierende Verpflichtung für den Gegner zur Begründung von Wohnungseigentum. Gleiches gilt für den Hinweis des Gefährdeten auf „die rechtlichen Konsequenzen eines Vorkaufsrechts an einem Teil der Liegenschaft bei Veräußerung der gesamten Liegenschaft“, wonach das Vorkaufsrecht auf den belasteten Teil beschränkt bleibt, dem Vorkaufsverpflichteten zur Vermeidung von Nachteilen aber ein Gestaltungsrecht dahin zukommt, dem nur teilweise Vorkaufsberechtigten die gesamte Liegenschaft anzubieten (vgl 9 Ob 6/19a; 5 Ob 131/19d), weil diese Überlegungen ein bereits wirksam begründetes Vorkaufsrecht voraussetzen.

4.3 Zusammenfassend ergibt sich, dass der Gefährdete die Voraussetzungen für die wirksame Begründung des geltend gemachten Vorkaufsrechts am gemieteten Geschäftslokal nicht schlüssig behauptet hat und dazu in seinem Rechtsmittel keine relevanten Rechtsfragen aufwirft.

5.1 In formeller Hinsicht vertritt der Gefährdete die Auffassung, dass der Prüfumfang im Sicherungsverfahren beschränkt sei und sich nicht auf komplexe Rechtsfragen erstrecke. Das Rekursgericht hätte daher nicht prüfen dürfen, ob das Vorkaufsrecht rechtswirksam begründet worden sei.

Auch damit zeigt der Gefährdete keine erhebliche Rechtsfrage auf.

5.2 Wie bereits ausgeführt, muss der Gefährdete die den Sicherungsantrag begründenden Tatsachen schlüssig darlegen und ausreichend bescheinigen. Die schlüssige Darlegung des Anspruchs steht mit der rechtlichen Prüfung seines rechtmäßigen Bestands in untrennbarem Zusammenhang. Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass im summarischen Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung die materielle Rechtslage vom Verfügungsgericht keiner besonders strengen Prüfung unterzogen werden muss (3 Ob 241/02s). Dies bedeutet, dass die sich stellenden Rechtsfragen nicht bis ins Detail erörtert werden müssen, sondern es genügt, dass die Entscheidung auf eine einigermaßen gesicherte Judikatur gestützt werden kann. Entgegen der Ansicht des Gefährdeten besteht aber kein Verbot der Auseinandersetzung mit komplexeren Rechtsfragen.

Für den Anlassfall ist die Frage nach der schlüssigen Behauptung der Voraussetzungen für die wirksame Begründung eines Vorkaufsrechts an einem rechtlich unselbständigen Geschäftslokal in einem Wohn- und Geschäftshaus entscheidungserheblich und daher auch im Provisorialverfahren zu prüfen.

6. Insgesamt gelingt es dem Gefährdeten mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 und § 402, 78 EO iVm § 41, 50 ZPO. Der Gegner hat in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00063.20Y.0520.000

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