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OGH vom 06.02.1990, 5Ob3/90

OGH vom 06.02.1990, 5Ob3/90

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Jensik, Dr.Zehetner, Dr.Klinger und Dr.Schwarz als weitere Richter in der Mietrechtssache des Antragstellers Eric K***, Koch, Wien 8, Albertgasse 55/21, wider den Antragsgegner Ö*** B*** Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, Wien 1, Grillparzerstraße 11, vertreten durch Dr.Ruth Ernstberger, Rechtsanwältin in Wien, wegen § 37 Abs. 1 Z 8 MRG infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Sachbeschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom , GZ 41 R 474/89-13, womit der Sachbeschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom , GZ 41 Msch 34/88-9, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Der am geborene Antragsteller ist seit infolge Eintrittes in die Mietrechte seiner Großmutter Elisabeth K*** an der Wohnung top Nr. 21 des Hauses Wien 8,

Albertgasse 55, das im Eigentum des Antragsgegners steht,

Hauptmieter dieser Wohnung.

Unter Berufung auf § 46 Abs. 2 MRG begehrte der Antragsgegner - ausgehend von einer Wohnung der Kategorie B - vom Antragsteller ab einen monatlich (wertgesicherten) Hauptmietzins von S

1.454,85 zuzüglich Betriebskosten und Umsatzsteuer. Der Antragsteller begehrt - nach vorausgehendem Verfahren bei der Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Wien -

1. die Feststellung, daß bei der Berechnung des Hauptmietzinses von einer Wohnung der Kategorie D auszugehen sei, und

2. die Rückzahlung der in der Zeit vom bis zuviel bezahlten Beträge.

Die Wohnung sei im Zeitpunkt der Vermietung (im Jahre 1947) weitestgehend unbenützbar gewesen (ausgebombt; Fußböden, Türen und Glasscheiben zerstört; kein Badezimmer vorhanden).

Das Erstgericht stellte fest, daß die Wohnung des Antragstellers in die Kategorie D einzustufen sei und daher der Antragsgegner durch Vorschreibung eines monatlichen Hauptmietzinses von S 1.454,85, vom bis das gesetzlich zulässige Zinsausmaß um monatlich S 969,90 überschritten habe. Demgemäß trug es dem Antragsgegner auf, dem Antragsteller S 12.608,70 s.A. zurückzuzahlen.

Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Großmutter des Antragstellers, deren Wohnung durch Bombentreffer zerstört worden war, wurde im Mai 1945 in die gleichfalls durch Bombentreffer beeinträchtigte Wohnung top Nr. 21 im Haus Wien 8, Albertgasse 55 eingewiesen. Ein Mietvertrag mit ihr wurde erst im August 1947 unter ausdrücklichem Hinweis auf den nicht erfolgten Widerruf und die dadurch gemäß dem XIV. Hauptstück Abschnitt III. Punkt 8. Absatz 2 des NS-Gesetzes (BGBl. 1947/25 und 1949/267) endgültig gewordene Einweisung (§ 17 WohnungsanforderungsG) in die früher durch einen Ortgruppenleiter des N*** gemietete Wohnung abgeschlossen.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages befand sich in der Wohnung ein WC und im Vorzimmer ein Wandbrunnen zur Wasserentnahme. Zu diesem Zeitpunkt waren noch immer provisorisch vernagelte Türen vorhanden. Die Fenster der Wohnung waren teilweise mit Scheiben versehen, teilweise jedoch noch immer mit Brettern vernagelt. Die Parkettböden waren teilweise aufgeborsten und nicht zur Gänze saniert. Ein Badezimmer war nicht vorhanden. Dieses ließ Elisabeth K*** erst im Jahre 1956 einbauen. Elektrisches Licht war vorhanden. Die Wohnung ist 79,5 m2 groß. Vom bis bezahlte der Antragsteller den vorgeschriebenen Hauptmietzins von monatlich S 1.454,85.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß der festgestellte Zustand der Wohnung deren Brauchbarkeit auch bei Berücksichtigung des damaligen Wohnungsstandards nicht verwirkliche. Daraus folge die Mietzinsüberschreitung und die Rückzahlungsverpflichtung.

Das Rekursgericht änderte den erstgerichtlichen Sachbeschluß teilweise ab, in dem es feststellte, daß die Wohnung des Antragstellers in die Kategorie C einzustufen ist, und demgemäß ziffernmäßig die Entscheidung über das gesetzlich zulässige Zinsausmaß und die Rückzahlungsverpflichtung des Antragsgegners abänderte.

Das Rekursgericht führte zu der im Verfahren beim Obersten Gerichtshof allein noch strittigen Frage, in welche Kategorie nach § 16 Abs. 2 MRG die vom Antragsteller gemietete Wohnung einzuordnen ist, folgendes aus:

Unter einer brauchbaren Wohnung sei eine solche zu verstehen, die an sich zum sofortigen Bewohnen geeignet ist, also keine gröberen, die Benützung behindernden Mängel aufweist. Insbesondere müßten die vorgesehenen oder ortsüblichen Energieanschlüsse gefahrenfrei verwendet oder wenigstens ohne größere Aufwendungen jederzeit wieder hergestellt werden können. Die festgestellten Mängel hatten nicht die Unbrauchbarkeit der Wohnung zur Folge. Unter Berücksichtigung der vom Erstgericht überdies festgestellten Ausstattungsmerkmale sei daher diese Wohnung in die Kategorie C einzuordnen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist nicht berechtigt.

Maßgebend für die Bestimmung der Ausstattungskategorie nach § 16 Abs. 2 MRG im Zusammenhang mit § 46 Abs. 2 MRG (hier:

Großjährigwerden des in das Mietrecht seiner Großmutter eingetretenen Antragstellers) ist der Zeitpunkt des Abschlusses des seinerzeitigen Mietvertrages, hier also August 1947. Auf den Zeitpunkt der Einweisung durch verwaltungsbehördlichen Hoheitsakt im Jahre 1945 kommt es nicht an, weil dadurch ein Mietverhältnis, ja überhaupt kein Privatrechtsverhältnis zwischen den Streitteilen begründet wurde. Ob sich eine Wohnung im brauchbaren Zustand befindet, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung zu § 1096 ABGB zu beurteilen. Es muß sich also um eine Wohnung handeln, die an sich zum sofortigen Wohnen geeignet ist, als keine gröberen, die Benützung behindernden Mängel aufweist, so daß insbesondere die vorgesehenen oder ortsüblichen Energieanschlüsse gefahrfrei verwendet oder wenigstens ohne gröbere Aufwendungen jederzeit wieder hergestellt werden können (Würth in Korinek-Krejci, HBzMRG 356). Als Maßstab, an dem der im maßgeblichen Zeitpunkt festgestellte Zustand der Wohnung für die Beurteilung der Brauchbarkeit derselben zu messen ist, dürfen nicht die nach heutigen Vorstellungen und Verhältnissen an eine brauchbare Wohnung zu stellenden Ansprüche dienen, sondern die durch Mangel an Gütern des täglichen Bedarfes gekennzeichneten Verhältnisse des Jahres 1947, einer Zeit, in der in vielen Lebenslagen von einem Großteil der Bevölkerung mit - nach heutigen Maßstäben - notdürftigen Improvisationen das Auslangen gefunden werden mußte. Nur so kann der für die Auslegung des § 1096 ABGB, nach dem der Vermieter das Bestandstück im brauchbaren Zustand zu übergeben hat, maßgebenden Ortsüblichkeit (Würth aaO) und Verkehrssitte (EvBl. 1966/371; MietSlg. 36.138) gebührend Rechnung getragen werden.

Bei dem im Jahre 1947 herrschenden Verhältnissen ist daher eine Wohnung wie die des Antragstellers als brauchbar zu beurteilen, auch wenn die Schäden an einzelnen Türen durch angenagelte Bretter oberflächlich so weit saniert sind, daß die Wohnung oder die betreffenden Räume von anderen getrennt werden können, die Fenster nicht vollständig verglast sind und der Parkettfußboden nicht an allen Stellen glatt oder auch nur vollständig ineinanderübergreifend vorhanden ist.

Der bloß brauchbare Zustand einer Wohnung läßt nämlich wesentlich mehr Mängel derselben zu als der vom MRG gleichfalls - in anderem Zusammenhang - als rechtserheblich erachtete ordnungsgemäße Zustand.

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.