OGH vom 21.05.1990, 1Ob573/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hofmann, Dr. Schlosser, Dr. Graf und Dr. Schiemer als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Eggert K***, Realitätenverwalter, Wien 18., Thimiggasse 22, vertreten durch Dr. Klaus Braunegg, Dr. Klaus Hoffmann, Dr. Horst Auer, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Emmerich J***, Angestellter, Wien 13., Prehausergasse 25, vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher S 26.477,16 samt Anhang und Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 41 R 541/89-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hietzing vom , GZ 6 C 3407/87p-18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. In Abänderung der Urteile der Vorinstanzen ist die beklagte Partei schuldig, der klagenden Partei den Betrag von S 4.695,57 samt 4 % Zinsen seit und 10 % Umsatzsteuer aus den Zinsen binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen. Das Zahlungsmehrbegehren bleibt abgewiesen. Im Umfang des Räumungsbegehrens werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Sämtliche Kosten bleiben der Endentscheidung vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte ist auf Grund eines im Jahre 1968/1969 abgeschlossenen Mietvertrages Mieter des Einfamilienhauses Wien 13., Prehausergasse 25. Der wertgesicherte monatliche Hauptmietzins beträgt derzeit S 5.217,29. Der Kläger ist auf Grund des Kaufvertrages vom 7.7. bzw. Eigentümer der Liegenschaft. Nach Punkt III dieses Vertrages trat der Kläger im Augenblick der Unterfertigung des Kaufvertrages in den Besitz und Genuß der Liegenschaft. Die Voreigentümer hatten vom Beklagten auch nach 1972 niemals die Bezahlung der Umsatzsteuer begehrt. Anläßlich eines Telefonates vom machte der Kläger Ansprüche auf Überwälzung der Umsatzsteuer dem Beklagten gegenüber mündlich geltend. Der Kläger ist umsatzsteuerpflichtig.
Der Kläger begehrt zuletzt die Bezahlung rückständiger Betriebskosten und der Umsatzsteuer für die Zeit vom Jänner 1984 bis April 1988 in der Höhe von S 93.243,80 samt Anhang und gemäß § 1118 ABGB die Räumung der Liegenschaft Wien 13., Prehausergasse 25. Seit sei die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Mieter in jedem Fall zulässig (§ 58 Abs 3 Z 4 MRG). Anläßlich des Abschlusses des Kaufvertrages seien sämtliche Forderungen gegenüber dem Mieter "mitübernommen" worden. Der Beklagte wendete ein, zum Zeitpunkt des Eigentümerwechsels habe ein Mietzinsrückstand nicht bestanden, der Kläger sei auch zur Geltendmachung solcher Rückstände aktiv nicht legitimiert. Nach dem Einführungsgesetz zum Umsatzsteuergesetz 1972 bestehe für den Vermieter keine Berechtigung, dem Mieter die vom Mietzins zu entrichtende Umsatzsteuer anzurechnen. Aus diesem Grunde sei auch vom Beklagten niemals die Bezahlung der Umsatzsteuer verlangt worden. Sämtliche Betriebskosten seien von ihm bezahlt worden. Das Erstgericht wies das Zahlungs- und das Räumungsbegehren ab. Es stellte fest, bei Abschluß des Mietvertrages sei vereinbart worden, daß der Beklagte die Betriebskosten, Wassergebühren, Müllabgaben, Grundsteuer und Rauchfangkehrergebühren direkt an die Berechtigten zahle. Ihm sei weiters ausdrücklich zugesichert worden, daß er neben dem wertgesicherten Hauptmietzins keine weiteren Zahlungen an die Hauseigentümerin zu leisten habe. An diese Vereinbarung habe sich der Beklagte gehalten.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG die Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes über die Betriebskostenabrechnung und über die Höhe des Mietzinses (§ 15 MRG) nicht anzuwenden seien. Es sei daher auf die allgemeinen Regeln des bürgerlichen Rechts zurückzugreifen. Zwischen dem Beklagten und der Voreigentümerin sei 1969 mündlich vereinbart worden, daß der Beklagte nur den wertgesicherten Hauptmietzins für die Benützung des Objektes zu bezahlen habe. Nach Inkrafttreten des Umsatzsteuergesetzes habe als durch die jahrelang geübte Praxis schlüssig vereinbart zu gelten, daß die Umsatzsteuer nicht gesondert zu entrichten sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen. Aus dem durch das Mietrechtsgesetz nicht geänderten Umsatzsteuergesetz 1972 ergebe sich zwar nach wie vor die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer vom Mietzins. Die Überwälzbarkeit der Umsatzsteuer sei jedoch durch dieses Gesetz nicht geregelt. Die für den Bereich des Bestandrechtes in Art. XII Z 2 EGUStG positiv-rechtlich geregelten Überwälzungsmöglichkeiten seien durch das im § 58 Abs 3 Z 4 MRG verfügte Außerkrafttreten dieser Bestimmung beseitigt worden. Nunmehr ermögliche § 15 Abs 2 MRG die dem geltenden Umsatzsteuersystem adäquate offene Überwälzung der Umsatzsteuer. Dies gelte jedoch nur für die in den Anwendungsbereich dieser Norm fallenden Mietverhältnisse. Für die übrigen sei ein gesetzliches Überwälzungsrecht nicht mehr vorgesehen. Dort könne die vom Vermieter als Steuerschuldner zu entrichtende Umsatzsteuer nur dann auf den Mieter überwälzt werden, wenn dies vertraglich vorgesehen sei. Da das Bestandobjekt als Einfamilienhaus unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 2 MRG falle, sei § 15 Abs 2 MRG auf das Mietverhältnis nicht anzuwenden. Mangels vertraglicher Vereinbarung eines Überwälzungsrechtes könne der Kläger dem Beklagten die Umsatzsteuer vom Mietzins daher nicht anlasten.
Mit der aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision begehrt der Kläger die Abänderung der Urteile der Vorinstanzen dahin, daß seinem Zahlungsbegehren mit dem Betrag von S 26.477,16 samt Anhang, d.i. die Umsatzsteuer aus den Hauptmietzinsen für die Zeit vom bis einschließlich April 1987 sowie dem Räumungsbegehren stattgegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist teilweise berechtigt.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages waren gemäß § 4 Abs 1 Z 10 UStG 1959 Miet- und Pachteinnahmen in der Regel steuerfrei. Sie unterliegen aber nunmehr wie alle anderen Entgelte grundsätzlich der Umsatzsteuerpflicht. Für Mietverträge über Wohnungen, die dem Kündigungsschutz des Mietengesetzes unterlagen, enthielt Art. XII Z 2 EGUStG 1972 eine Sondervorschrift. Danach konnte, wenn der Vertrag nichts anderes vorsah, die Umsatzsteuer auf den Mieter nur überwälzt werden, wenn dieser es ausdrücklich verlangte. Art. XII EGUStG enthielt aber noch weitere aus Anlaß der Umsatzsteuerreform notwenig gewordene Änderungen auf dem Gebiete des Zivilrechtes. So kann nach Art. XII Z 1 EGUStG die Umstellung aller langfristigen Verträge begehrt werden, wenn eine Leistung auf einem vor dem geschlossenen Vertrag beruht und sich die umsatzsteuerliche Belastung der Leistung nach dem Umsatzsteuergesetz 1972 für einen Vertragsteil nicht unerheblich erhöht oder vermindert hat. Der Leistende bzw. der Empfänger der Leistung kann dann einen angemessenen Ausgleich verlangen. Wie schon die Überschrift zu Art. XII Z 2 EGUStG ("Sondervorschriften über Mietverträge") zeigt, handelte es sich dabei um Spezialbestimmungen für bestimmte langfristige Verträge. Kündigungsgeschützte Wohnungen unterlagen damit einer besonderen Art eines Mietzinsstops (Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer, Kommentar zu UStG II 281; Kranich-Siegl-Waba, Mehrwertsteuerhandbuch2 558). Der Oberste Gerichtshof sprach daher in seiner Entscheidung MietSlg 33.445 zum Verhältnis der Bestimmungen der Z 1 und 2 des Art. XII EGUStG aus, daß, soweit es sich nicht um Mietzinszahlungen für kündigungsgeschützte Wohnungen handelt, Z 1 auch für Leistungen aus Mietverträgen zu gelten habe. Auch in der Lehre wird anerkannt, daß Art. XII Z 1 EGUStG dort, wo nicht deren Z 2 eingreift, auf Mietverträge anzuwenden ist (Dorazil-Frühwald-Hock-Mayer aaO; Zingher, Mietengesetz18 237).
Durch § 58 Abs 3 Z 4 MRG wurde die Bestimmung des Art. XII Z 2 EGUStG mit dem Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes () aufgehoben. Soferne die Zinsbildung von Mietverhältnissen über kündigungsgeschützte Wohnungen dem Mietrechtsgesetz unterliegt, ist die Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Mieter nunmehr durch § 15 Abs 2 MRG ermöglicht. Gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG gilt jedoch ua die Bestimmung des § 15 MRG nicht für Mietverhältnisse an Wohnungen in Einfamilienhäusern, so daß die Frage zu beantworten ist, ob auch bei Altverträgen über die Vermietung von Einfamilienhäusern ab die Umsatzsteuer auf den Mieter überwälzt werden kann. Allgemein anerkannt ist, daß dann, wenn bei der Vertragsabwicklung Problemfälle auftauchen, an die die Vertragschließenden nicht gedacht und diese daher auch nicht geregelt haben, die Ergänzung des Vertrages nach dem hypothetischen Parteiwillen zu erfolgen hat: Es ist unter Heranziehung der Verkehrssitte zu prüfen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien für den konkreten Streitfall bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten (WBl. 1987, 240; JBl. 1986, 721 je mwN; Rummel2 Rz 9 ff zu § 914; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 106 ff zu § 914). Die Anwendung dieses Grundsatzes ist aus Anlaß der Einführung des neuen Umsatzsteuersystems in Art. XII Z 1 EGUStG geregelt worden. So spricht Zingher aaO geradezu von einem Fall richterlicher Vertragshilfe. Seit gibt es auf Grund der Aufhebung des Art. XII Z 2 EGUStG keine zivilrechtlichen Sondervorschriften über die Überwälzung der Umsatzsteuer bei Mietverträgen, die vor dem geschlossen worden sind. Mit diesem Zeitpunkt ist, wurde nichts anderes vereinbart, die Möglichkeit der Vertragsanpassung solcher Verträge nach Z 1 der genannten Gesetzesstelle möglich (vgl. Kranich-Siegl-Waba, Mehrwertsteuerhandbuch5 662). Mit der Aufhebung der Z 2 des Art. XII EGUStG ist der in der grundsätzlichen Untersagung der Überwälzung der Umsatzsteuer auf den Mieter liegende besondere Zinsstop bei kündigungsgeschützten Wohnungen weggefallen. Soweit daher nicht die Vorschrift des § 15 Abs 2 MRG auf solche Verträge anzuwenden ist, besteht für den Vermieter die Möglichkeit der Vertragsanpassung nach Art. XII Z 1 EGUStG. Es würde, folgte man der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, auch einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn zwar für Altverträge, die nunmehr den Zinsbestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliegen, die Überwälzung der Umsatzsteuer zulässig ist, in Fällen aber nunmehr freier Zinsbildung (§ 43 MRG ist gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG auf die Vermietung von Einfamilienhäusern nicht anzuwenden) dies dem Vermieter aber weiterhin untersagt sein sollte. Daß die Parteien des Mietverhältnisses nach dem eine vertragliche Vereinbarung getroffen hätten, die Umsatzsteuer könne nicht auf den Mieter überwälzt werden, wurde vom Beklagten nicht behauptet. In der bloßen Unterlassung des Begehrens auf eine Vertragsanpassung durch einige Jahre kann dann aber entgegen der Ansicht des Erstgerichtes eine (schlüssige) Vereinbarung nicht abgeleitet werden, daß der Vermieter auch in Zukunft nicht berechtigt sein sollte, die Umsatzsteuer kraft einer solchen Vertragsanpassung auf den Mieter zu überwälzen. Der angemessene Ausgleich im Sinn des Art. XII Z 1 EGUStG kann dan aber nur darin bestehen, daß der Vermieter die Umsatzsteuer, die er bei Vertragsabschluß nicht, nun aber sehr wohl entrichten muß, zur Gänze auf den Mieter überwälzt, würde doch andernfalls das in der Vereinbarung des wertgesicherten Hauptmietzinses von den Parteien angenommene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung zum Nachteil des Vermieters geändert werden. Erst der Kläger verlangte aber den in der Überwälzung der Umsatzsteuer gelegenen angemessenen Ausgleich und damit die Vertragsanpassung. Forderungen der Voreigentümerin die ein solches Begehren nicht gestellt hatte, bestanden nicht und können daher auch nicht auf den Kläger übergegangen sein. Dem Kläger steht daher nur das Recht zu, ab die Umsatzsteuer vom wertgesicherten Hauptmietzins auf den Beklagten zu überwälzen. Dies ergibt für neun Monate einen Rückstand von S 4.695,57 samt Anhang. In diesem Umfang waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der teilweisen Stattgebung des Zahlungsbegehrens abzuändern.
Über das Räumungsbegehren kann abschließend noch nicht entschieden werden. Ein Aufhebungsbegehren nach § 1118 ABGB ist auch dann berechtigt, wenn der Mieter auch nur mit der Bezahlung eines Teilbetrages des Zinses säumig wurde (MietSlg 37.185 mwN; Würth in Rummel2, Rz 15 zu § 1118; Binder in Schwimann, ABGB, Rz 93 zu § 1118). In Rechtsprechung und Lehre ist es anerkannt, daß Betriebskosten Teil des Bestandzinses sind (WoBl. 1989/29; MietSlg 37.185, 23.187; JBl. 1966, 203 ua; Würth aaO; Binder aaO, Rz 84). Nichts anderes kann aber dann für die auf den Mieter überwälzte Umsatzsteuer gelten, die gleichfalls nur eine Durchlaufpost im Vermögen des Vermieters darstellen soll. Soweit der Kläger die Berechtigung des Räumungsbegehrens auf rückständige Betriebskosten stützt, übersieht er, daß er die Abweisung des Zahlungsbegehrens, soweit es auf rückständige Betriebskosten gestützt war, in Rechtskraft erwachsen ließ.
Wird wie hier das Räumungsbegehren mit dem Begehren auf Zahlung rückständiger Mietzinsbestandteile verbunden, entfällt zwar die im § 33 Abs 2 Schlußsatz MRG vorgesehene Beschlußfassung (MietSlg 39.478 ua; zuletzt 1 Ob 653/89). Der urteilsmäßige Ausspruch über die Verpflichtung zur Zahlung von Mietzinsbestandteilen hat aber dieselbe Funktion wie eine solche beschlußmäßige Entscheidung. Dem Beklagten muß daher die Möglichkeit geboten werden, durch Nachzahlung des strittig gewesenen Rückstandes die Auflösungserklärung zu entkräften (MietSlg 39.478), in der Folge trifft dann ihn aber die Beweislast, daß kein grobes Verschulden am Zahlungsverzug vorliegt (MietSlg 37.476, 36.467 ua; Würth-Zingher, Miet- und Wohnrecht19 Rz 27 zu § 33 MRG). Der Revision ist daher auch, soweit die Abweisung des Räumungsbegehrens bekämpft wird, Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen sind in diesem Umfang aufzuheben und die Rechtssache an das Prozeßgericht erster Instanz zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Die Entscheidung über die Kosten sämtlicher Instanzen gründet sich auf §§ 392 Abs 2, 52 Abs 2 ZPO.