OGH vom 23.12.2011, 7Nc21/11i

OGH vom 23.12.2011, 7Nc21/11i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen J***** F*****, geboren am *****, wohnhaft beim Vater J***** F*****, 1220 Wien, *****, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ 8 Ps 127/11z 64, verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Donaustadt wird genehmigt.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Graz West vom wurde die Obsorge für das Kind den Eltern entzogen und dem Jugendwohlfahrtsträger Land Steiermark übertragen. Am stellte die in Graz wohnhafte Mutter bei diesem Gericht Anträge auf Regelung des Besuchsrechts und auf Übertragung der alleinigen Obsorge auf sie.

Nach rechtswirksamer Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache an das Bezirksgericht Leibnitz, weil sich das Kind bei Pflegeeltern in dessen Sprengel aufhielt, gab die Vertreterin des Jugendwohlfahrtsträgers mit Schreiben vom bekannt, dass die Versorgung und Betreuung der Minderjährigen bei den Pflegeeltern am beendet worden sei und sie seitdem im Familienverband des Vaters in 1220 Wien lebe. Der Jugendwohlfahrtsträger sei zum Schluss gekommen, die „Pflege und Erziehung“ für die Minderjährige dem Vater zu übertragen.

Mit Beschluss vom übertrug das Bezirksgericht Leibnitz daraufhin die Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache gemäß § 111 Abs 1 und 2 JN an das Bezirksgericht Donaustadt. Dieses lehnte die Übernahme des Pflegschaftsverfahrens mit der Begründung ab, dass über den Obsorge und Besuchsrechtsantrag der Mutter noch nicht entschieden worden sei.

Das Land Wien teilte mit Schreiben vom mit, dass es auf Grund des Pflegestellenwechsels der Minderjährigen zum in Wien wohnhaften Vater „die Vertretung der Minderjährigen gemäß § 213 ABGB“ übernommen habe.

Das Bezirksgericht Leibnitz, dessen Übertragungsbeschluss unbekämpft in Rechtskraft erwuchs, legte die Akten gemäß § 111 Abs 2 JN dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor.

Die vom Bezirksgericht Leibnitz verfügte Übertragung der Zuständigkeit ist gerechtfertigt und daher zu genehmigen.

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse der Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nach § 111 Abs 2 JN ist die Übertragung nur dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit übernimmt oder im Falle der Weigerung des anderen Gerichts eine Genehmigung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht hier der Oberste Gerichtshof erfolgt.

Ausschlaggebendes Kriterium für die Übertragung der Zuständigkeit zur Führung der Pflegschaftssache für Minderjährige ist das Kindeswohl (RIS Justiz RS0047074 [T1]). Nach ständiger Rechtsprechung wird der pflegschaftsgerichtliche Schutz in der Regel am besten durch das Gericht gewährleistet, in dessen Sprengel sich das Kind aufhält (RIS Justiz RS0047300 [T1] uva). Offene Anträge sprechen im Allgemeinen nicht gegen eine Zuständigkeitsübertragung, sofern nicht dem übertragenden Gericht für die ausstehende Entscheidung besondere Sachkenntnis zukommt oder es jedenfalls in der Lage ist, sich diese Kenntnisse leichter zu verschaffen als das andere Gericht (RIS Justiz RS0047032). Eine derartige „besondere Sachkenntnis“ des übertragenden Gerichts, die der Zuständigkeitsübertragung an das Gericht des Aufenthaltsorts der Minderjährigen entgegenstehen würde, ist unter den gegebenen Umständen nicht zu erkennen. Die Anträge der Mutter wurden nach der Aktenlage weder den Verfahrensbeteiligten zugestellt, noch wurden dazu Erhebungen durchgeführt. Weder die Eltern noch die Minderjährige halten sich im Sprengel des Bezirksgerichts Leibnitz auf. Es hat daher im vorliegenden Fall beim Grundsatz zu bleiben, dass das Wohl der Minderjährigen am besten von jenem Gericht wahrgenommen werden kann, in dessen Sprengel sie sich aufhält. Das ist das Bezirksgericht Donaustadt.