OGH vom 11.10.1950, 1Ob571/50
Norm
Kopf
SZ 23/284
Spruch
Dem Vermieter kann mittels einstweiliger Verfügung aufgetragen werden, die Einleitung einer Fernsprechleitung durch den Mieter zu dulden. Als Gefährdung des Anspruches genügt hiebei der Umstand, daß die gefährdete Partei (einen Arzt) eine strafrechtliche, disziplinäre und finanzielle Haftung im Falle von Gesundheitsschäden trifft, wenn sie nicht alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel jederzeit einsetzt, um die Gefährdung ihrer Patienten hintanzuhalten.
In einen die Verpflichtung zu einer Duldung aussprechenden Exekutionstitel ist grundsätzlich die Androhung einer Geldstrafe oder Haft nicht aufzunehmen. Dies gilt im allgemeinen auch bei einstweiligen Verfügungen.
Entscheidung vom , 1 Ob 571/50.
I. Instanz: Bezirksgericht Weiz; II. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Text
Der Kläger, Distriktsarzt in F., hat gegen die Beklagte, seine Vermieterin (Hauseigentümerin), eine Klage "auf Zustimmung zur Einleitung eines Fernsprechanschlusses und einer Starkstromleitung und Leitungsverstärkung - beides zur raschen Keimfreimachung der Instrumente" - eingebracht und im Zuge des noch anhängigen Rechtsstreites einen Antrag auf Bewilligung einer einstweiligen Verfügung gestellt, die sich im Wortlaut mit dem Klagebegehren deckt.
Die Beklagte, die Witwe nach dem früheren Distriktsarzt von F., hat sich gegen den Antrag auf Bewilligung der einstweiligen Verfügung ausgesprochen, weil im Hinblick auf vier im genannten Ort bestehende Fernsprechanschlüsse ein weiterer Anschluß nicht notwendig sei und weil ihr Gatte als langjähriger Arzt von F. auch ohne Telephon und ohne Kraftstromanlage ausgekommen sei "desgleichen auch der Vorgänger des Klägers, Dr. M., ferner weil ein Kündigungsstreit zwischen den Parteien anhängig sei, weshalb eine vorzeitige Einleitung dieser Anlagen nicht notwendig sei, da sie im Falle des Obsiegens der Beklagten wieder entfernt werden müßten, und schließlich weil Feuersgefahr für das ganze Haus bestehe, da die Räume des Klägers nur Riegelwände aufweisen; im übrigen bestritt die Beklagte das Vorliegen einer Gefährdung auf Seiten des Klägers.
Das Erstgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung abgewiesen.
Das Rekursgericht hat dem Rekurse des Klägers teilweise Folge gegeben und den Telephonanschluß bewilligt, aber die Abweisung der beantragten einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Kraftstromanlage (im einzelnen: Erweiterung des Hausanschlusses und Verstärkung sowie Erweiterung und Abänderung der Hausinstallation) bestätigt.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurse der Gegnerin der gefährdeten Partei unter Ausscheidung der Androhung der Geld- oder Haftstrafe sowie Berichtigung der bewilligten Dauer der einstweiligen Verfügung nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Der Revisionsrekurs ist nicht begrundet.
Im Hinblick darauf, daß der Kläger (gefährdete Partei) zufolge gleichlautender Entscheidungen hinsichtlich der Kraftstromanlage ein Rechtsmittel nicht mehr erheben kann, kommt eine Überprüfung des angefochtenen Beschlusses in dieser Richtung nicht mehr in Betracht.
Es hat sich der Oberste Gerichtshof somit nur mit der Bewilligung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Fernsprechanlage zu befassen.
Das Rechtsmittel des Rekurses (Revisionsrekurses) macht die Prüfung der Rechtslage nach jeder Richtung notwendig (SZ. XXII/101 und 186). Deshalb war zunächst zu untersuchen, ob der beantragte Inhalt der einstweiligen Verfügung der Sachentscheidung vorgreifen dürfe. Diese Frage wird vom Obersten Gerichtshof in Übereinstimmung mit der Rechtslehre (Pollak, System, 2. Aufl., S. 1043, lit. d, und Neumann - Lichtblau, Kommentar zur EO., 3. Aufl., S. 1164, und mit den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes ZBl. 1918, Nr. 172, Rspr. 1932, S. 235, unter Hinweis auf die Bemerkungen Wahles zu letzterer Entscheidung, und ebendort S. 29) im Sinne des § 381 Z. 2 EO. bejaht, wenn die Erlassung der einstweiligen Verfügung zur Verhütung unwiederbringlichen Schadens notwendig ist. Solche Fälle kommen, wie die angeführten Entscheidungen zeigen, nicht selten und gerade in Bestandsachen vor. Es ist in diesen Fällen klar, daß sich die einstweilige Verfügung mit dem im Prozesse angestrebten Ziele ganz oder teilweise decken muß. Der Unterschied gegenüber der endgültigen Entscheidung besteht nur darin, daß es sich bei der einstweiligen Verfügung um eine provisorische, zeitlich beschränkte Maßnahme handelt. Unzulässig ist aber eine einstweilige Verfügung nur dann, wenn sie über den Zweck einer bloßen Sicherung hinausgeht und eine Sachlage schafft, die nicht mehr rückgängig gemacht werden kann, z. B. wenn durch die einstweilige Verfügung das Auftreten eines Schauspielers oder eine sonstige persönliche Leistung erzwungen werden soll (1 Ob 114/46, JBl. 1947, S. 156). Sollte tatsächlich, wie die Gegnerin der gefährdeten Partei meint, sei es durch den Rechtfertigungsprozeß, sei es durch den Mietprozeß, die gefährdete Partei zur Entfernung des Telephons verpflichtet werden, so ist diese zur tadellosen Wiederherstellung der durch die Einleitung verursachten Schäden verpflichtet (ZBl. 1932, Nr. 145, Swoboda, Kommentar zum Mietengesetz, 1. Aufl., S. 200). Im übrigen aber haftet für diese Schäden die vom Rekursgerichte der gefährdeten Partei auferlegte Sicherheitsleistung.
Nach Erledigung dieser Vorfrage, betreffend die Zulässigkeit einer einstweiligen Verfügung im Sinne des § 381 Z. 2 EO., ist zum Meritum des vorliegenden Falles nur zu sagen, daß auch der Oberste Gerichtshof gleich dem Rekursgerichte den Anspruch im Sinne der Entscheidung SZ. X/201 für bescheinigt erachtet. Gleiches gilt in der Frage der Gefährdung, wie dies das Rekursgericht richtig erkannte. Wenn auch der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung hinsichtlich der Behauptung und der Bescheinigung der Gefährdung sich nur auf die Bestätigung der Bezirkshauptmannschaft Weiz beruft, so bedarf es im vorliegenden Fall überhaupt keiner besonderen Bescheinigung, weil aus dem Antragsinhalt in Verbindung mit der Klage und dem Verhandlungsprotokoll über die mündliche Streitverhandlung klar hervorgeht, warum der Kläger ein Telephon dringend benötigt, und daß ihn eine strafrechtliche, disziplinäre und finanzielle Haftung im Falle von Gesundheitsschäden trifft, die entstehen kann, wenn er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel jederzeit einsetzt, um die Gefährdung seiner Patienten hintanzuhalten. Der Gedanke, den das Erstgericht ausgesprochen hat, daß eine unmittelbar drohende Gefahr für die gefährdete Partei nicht gegeben sei und daß diese auch "einen konkreten Schaden für die Zukunft nicht angeben könnte", ist im vorliegenden Falle verfehlt, denn es bedarf im Falle den Z. 2 des § 381 EO. nur des Nachweises einer objektiven Gefährdung und es kann hier eine Gefährdung nur so verstanden werden, daß es nicht erst zu einem Unfalle kommen muß, wodurch der gefährdeten Partei ein unwiederbringlicher Schaden entsteht.
Der Rekurs - als allgemeines Rechtsmittel - macht die Überprüfung der erlassenen einstweiligen Verfügung auch in der Richtung notwendig, daß das Rekursgericht von Amts wegen mehr bewilligt hat, als beantragt wurde. Dies trifft insoweit zu, als in den Bewilligungsbeschluß die Bestimmung aufgenommen wurde, daß die Gegnerin der gefährdeten Partei "im Falle des ersten Zuwiderhandelns mit Geldstrafe von 50 S zugunsten des zuständigen Armenfonds oder mit Haft in der Dauer von 48 Stunden bestraft wird". Gleiches trifft auch zu für den im Bewilligungsbeschluß enthaltenen Beisatz, daß die einstweilige Verfügung für die Zeit "bis " bewilligt wird, während der Antrag auf Bewilligung der einstweiligen Verfügung nur eine Bewilligung bis anstrebt.
Es gilt auch im Exekutionsrecht der Grundsatz, daß das Gericht nicht mehr oder etwas anderes bewilligen darf, als die Partei angesucht hat. So kann auch die Partei nicht etwas anderes im Rechtsmittelwege begehren, als was sie selbst beantragt hat; sie ist an ihren Antrag ebenso gebunden wie das Gericht. Im vorliegenden Falle hat auch die gefährdete Partei im Rekurse gegen den erstgerichtlichen Beschluß keinen Antrag auf (zeitliche) Erstreckung der einstweiligen Verfügung gestellt. In diesem Falle wird es Sache der gefährdeten Partei sein, rechtzeitig den nach Lehre und Rechtsprechung zulässigen Antrag auf Verlängerung der Dauer der einstweiligen Verfügung nach § 391 EO. zu stellen (SZ. XXI/78). Es war daher der angefochtene Beschluß mit der Maßgabe zu bestätigen, daß die Laufzeit der einstweiligen Verfügung mit beschränkt wird.
In der Frage der Androhung von Geldstrafe oder Haft gilt folgendes:
Das vorliegende Verbot (richtiger die im Beschluß über die bewilligte einstweilige Verfügung der Gegnerin der gefährdeten Partei aufgetragene "Duldung") bildet einen Exekutionstitel im Sinne des § 1 Z. 1 EO. für die Exekution nach § 355 EO. Wohl hat der Oberste Gerichtshof in SZ. VII/401 im Falle einer einstweiligen Vorkehrung nach § 458 ZPO. ausgesprochen, daß die Androhung einer Geldstrafe oder Haft schon im Exekutionstitel zulässig sei, weshalb es bei Durchsetzung des Exekutionstitels - für das erste festgestellte Zuwiderhandeln - nicht mehr der Androhung von Geldstrafe oder Haft bedürfe. Der Oberste Gerichtshof hat aber in der erwähnten Entscheidung auch ausdrücklich darauf verwiesen, daß gerade diese Bestimmung "gegebenenfalls auch rechtskräftig ist". Es kann daher diese Entscheidung nicht so weit verallgemeinert werden, daß, wie im vorliegenden Falle, dem Auftrage "zu dulden", auch immer schon die erwähnte Sanktion beigefügt werden müsse, die erst in das Exekutionsverfahren gehört. Von letzterer Rechtsansicht aber kann grundsätzlich nicht abgegangen werden, weshalb die angefochtene Entscheidung in diesem Punkte mit der Maßgabe zu bestätigen war, daß die erwähnte Strafdrohung zu entfallen hat.