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OGH vom 26.06.1985, 1Ob569/85

OGH vom 26.06.1985, 1Ob569/85

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag.pharm.Edeltraud A, Kaufmann, Wien 19., Nußberggasse 7 b/3/23, vertreten durch Dr.Edgar Kollmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Hedy B, Kaufmann, Wien 14., Penzingerstraße 17, vertreten durch Dr.Otto Ackerl, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 403.183 s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom , GZ 4 R 267/84-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom , GZ 27 Cg 268/84-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 14.559,37 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.236,30 Umsatzsteuer und S 960 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte war Alleineigentümerin des Unternehmens 'Apotheke zum guten Hirten Mag.Anna Kampitsch & Co.'. Mit Vertrag vom verkaufte sie der Klägerin 40 % dieses Unternehmens um den Preis von S 5,306.122. Nach Punkt III dieses Vertrages war als Stichtag für die übergabe und übernahme des Kaufobjektes der vereinbart. Alle bis dahin anfallenden Erträgnisse sollten der Verkäuferin zustehen, während ab diesem Stichtag alle Erträgnisse im Rahmen des am selben Tag geschlossenen Gesellschaftsvertrages aufgeteilt werden sollten. Mit Gesellschaftsvertrag vom gründeten die Streitteile die Firma 'Apotheke zum guten Hirten Mag.pharm.Edeltraud Borowicka KG' mit dem Sitz in Wien. Die Klägerin ist einzige Komplementärin, die Beklagte Kommanditistin dieser Gesellschaft. Durch Veranlagungen der Jahre 1979 bis Mai 1981 entstanden für die Firma Apotheke zum guten Hirten Mag.Anna Kampitsch & Co. Guthaben an Gewerbe- und Umsatzsteuern. Die Klägerin begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Betrag von S 403.183 s.A. an die Firma Apotheke zum guten Hirten Mag.pharm.Edeltraud Borowicka KG zu bezahlen. Sie brachte, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, vor, von den Steuerguthaben der Firma Apotheke zum guten Hirten Mag.Anna Kampitsch & Co. stehe ein Betrag von S 403.183 dem Unternehmen Firma Apotheke zum guten Hirten Mag.pharm.Edeltraud Borowicka KG zu. Das gesamte Steuerguthaben der Firma Mag.Anna Kampitsch & Co. habe S

622.171 betragen. Es sei durch den Steuerberater Otto Karl C mit Antrag vom umgebucht worden. Dieser Steuerberater habe auf sein eigenes Konto unter dem Titel offenes Honorar S 38.500 umbuchen lassen, auf das Steuerkonto der Beklagten sei ein Betrag von S

583.671 gebucht worden; von diesem Betrag stünde der Firma Apotheke zum guten Hirten Mag.pharm.Edeltraud Borowicka KG der Klagsbetrag zu. Gegenstand des Kaufvertrages sei das gesamte Unternehmen, daher auch alle zum Unternehmen gehörigen Vermögenswerte gewesen. Das Steuerguthaben sei bis zum Stichtag in der betrieblichen Sphäre entstanden. Wenn die Beklagte behaupte, es wäre bereits bei Abschluß des Kaufvertrages bekannt gewesen, daß ein betriebliches Steuerguthaben bestünde, so wäre sie verpflichtet gewesen, die Klägerin entsprechend aufzuklären.

Die Beklagte wendete ein, Gegenstand der zwischen den Streitteilen aus Anlaß des Abschlusses der beiden Verträge gepflogenen Verhandlungen sei jedenfalls nicht das Steuerguthaben gewesen. Die Beklagte habe keine Veranlassung gehabt, dieses Steuerguthaben in den Vertragsgesprächen zu erwähnen, weil dieses Guthaben auf Grund der von ihr allein erbrachten Mehrleistungen an Umsatzsteuern und Gewerbesteuer entstanden sei. Es sei selbstverständlich gewesen, daß dieses Guthaben nicht der Gesellschaft, sondern ihr zustünde. Diese Guthaben seien auch außerordentliche Erträgnisse im Sinne des Punktes III des Kaufvertrages, sie seien bereits vor dem gutgebucht worden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Durchführung eines Beweisverfahrens ab. Die Geltendmachung eines Anspruches der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter durch einen Gesellschafter sei nur dann zulässig, wenn Entstehungstatbestand des Anspruches das Gesellschaftsverhältnis selbst sei. Unabhängig vom Gesellschaftsverhältnis bestehende Ansprüche seien gegen einen Gesellschafter in der gleichen Weise wie gegen andere Schuldner durch Klage im Namen der Gesellschaft durchzusetzen. Folge man dem Vorbringen der Klägerin, sei Grundlage ihres Anspruches ein Kaufvertrag zwischen den Streitteilen über einen Unternehmensanteil. Die Klägerin habe nicht vorgebracht, warum die Gesellschaft selbst berechtigt sein sollte, eine Forderung aus einem Kaufvertrag, dessen Vertragspartner sie gar nicht sei, bezahlt zu erhalten. Die Klägerin behaupte lediglich, die Gesellschafter hätten ihre Unternehmensanteile in die Gesellschaft eingebracht. Daraus lasse sich aber nicht ableiten, daß der geltend gemachte Anspruch einer Verpflichtung aus dem Gesellschaftsvertrag entspringe. Nur die ausdrückliche Behauptung, diese Verpflichtung gründe sich auf den Gesellschaftsvertrag, könnte die von der Klägerin gewählte Form der Klagsführung rechtfertigen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Der Klägerin sei zwar beizupflichten, daß sie ihr Begehren nicht nur auf den zwischen den Streitteilen geschlossenen Kaufvertrag gestützt habe. Aus dem Gesellschaftsvertrag abgeleitete Sozialansprüche könne jeder einzelne Gesellschafter mit der actio pro socio geltend machen. Die Klägerin habe aber nicht schlüssig dargetan, weshalb ein Steuerguthaben, das der Rechtsvorgängerin der Kommanditgesellschaft für die Zeit vor dem gutgeschrieben worden sei, der Kommanditgesellschaft zustehen sollte. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Streitteile sei im Kaufvertrag als Stichtag für die übergabe und übernahme des Kaufobjektes der vereinbart worden. Alle bis dahin anfallenden Erträgnisse sollten der (richtig:) Beklagten zufallen; beginnend mit dem Stichtag sollten alle Erträgnisse im Rahmen des Gesellschaftsvertrages aufgeteilt werden. Die gutgeschriebenen Steuerbeträge bezögen sich auf Zeiträume vor dem vereinbarten Stichtag. Sie wirkten sich demnach auf die Höhe der Erträgnisse aus, die der Rechtsvorgängerin der Kommanditgesellschaft vor diesem Stichtag zugekommen seien, 'nachdem' sich ja deren Gewinn für diesen Zeitraum durch die Steuergutschrift entsprechend erhöhe. Folgte man hingegen den Erwägungen der Klägerin, wäre die Kommanditgesellschaft auch verpflichtet, für Steuernachforderungen, die sich auf die Zeit vor dem bezögen, aufzukommen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin machte ausdrücklich Ansprüche aus dem Gesellschaftsvertrag gegen die Beklagte geltend. Sozialansprüche kann nicht nur die Gesellschaft, sondern auch jeder Gesellschafter zugunsten der Personengesellschaft stellen (actio pro socio;

SZ 54/57; SZ 53/77; GesRZ 1980, 214; GesRZ 1979, 118 ua; Kastner, Gesellschaftsrecht 4 69; Hämmerle-Wünsch 3 II 69 FN 34;

Paschinger, Die Gesellschaften und Genossenschaften im Zivilprozeß, 121 f.).

Nach § 239 Abs 1 BAO kann die Rückzahlung von Steuerguthaben auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen. Antrags- und damit rückforderungsberechtigt ist derjenige,der den Betrag in seiner Eigenschaft als Schuldner einbezahlte oder in dessen Namen er entrichtet oder für den er einbezahlt wurde (VfSlg.6975/1973; VwSlg.3463 F; Stoll, BAO 595). Sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei der Umsatzsteuer ist Steuerschuldner grundsätzlich der Unternehmer (§ 4 GwStG 1953, § 19 Abs 1 UStG 1972; Doralt-Ruppe, Grundriß des österreichischen Steuerrechts 2 I 221, 242 f.). Damit ist aber entscheidend, ob es sich bei dem Steuerguthaben um vor dem Stichtag abgereifte Erträgnisse handelt. Auch Ansprüche auf Steuerrückerstattungen sind betriebswirschaftliche Erträge (Gabler, Wirtschaftslexikon 11 Spalte 1360).

Die Beklagte brachte vor, das Steuerguthaben sei vor dem Stichtag entstanden. Das durch Feststellung im Sinne des § 215 Abs 4 BAO entstande Steuerguthaben geht mit diesem Zeitpunkt in die Vermögenssphäre des Rückzahlungsberechtigten über (VwSlg.NF 4434/F; Stoll aaO 533). Entstand das Steuerguthaben durch Feststellung vor dem Stichtag, ging es damit in die Vermögenssphäre der Beklagten als Unternehmensträgerin über. Dem Vorbringen der Beklagten trat die Kläerin nicht entgegen. Sie erwiderte vielmehr, bei dem in der Klage geltend gemachten Steuerguthaben handle es sich um ein solches, das bis zum Stichtag aus der betrieblichen Sphäre entstanden ist. Selbst in der Revision vertritt sie weiterhin die Ansicht, daß das Steuerguthaben als zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages bestehender Vermögenswert zu qualifizieren sei, was nur bedeuten kann, daß es durch Feststellung bereits vor dem Stichtag entstanden und in die Vermögenssphäre der Beklagten übergegangen war. Da die Klägerin auch nicht behauptete, ohne das bereits vor dem Stichtag entstandene Steuerguthaben wäre das Unternehmenserträgnis negativ gewesen, stand dann aber der Beklagten auf Grund des Punktes III des Kaufvertrages vom das bestehende Steuerguthaben als Erträgnis zu. Es fiel demnach nicht unter den am selben Tag geschlossenen Gesellschaftsvertrag. Bei der erstmals in der Revision aufgestellten Behauptung, das Steuerguthaben scheine in der Eröffnungsbilanz der Kommanditgesellschaft auf, handelt es sich um eine unzulässige Neuerung. Aber auch diese Behauptung spricht dafür, daß das Guthaben bereits von der Beklagten als Einzelunternehmerin vor dem Stichtag bilanziertes und damit vor dem angefallenes und damit der Beklagten gehöriges Erträgnis gewesen ist, ohne daß daraus der Schluß gezogen werden müßte die Beklagte habe im Rahmen der ihr gemäß § 166 HGB zustehenden Kontrollrechte die Aufnahme des Steuerguthabens in das Gesellschaftsvermögen auch gebilligt.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.