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OGH vom 27.04.2006, 6Ob48/06m

OGH vom 27.04.2006, 6Ob48/06m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Unterbringungssache der Cornelia S*****, über den Revisionsrekurs der Patientin, vertreten durch Dr. Sabine Danler-Brunner, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 54 R 116/05p-23, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom , GZ 42 Ub 409/05a-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Revisionsrekursbeantwortung des Abteilungsleiters der Universitätsklinik für Psychiatrie I*****, wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

„Es wird festgestellt, dass die am begonnene Unterbringung der Patientin in der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck bis , 13.25 Uhr, nicht dem Gesetz entsprach.

In der Zeit vom , 13.25 Uhr, bis war die Unterbringung zulässig."

Text

Begründung:

Die am geborene Patientin wurde am (s AS 77, 91) zu einem dem Akteninhalt nicht entnehmbaren Zeitpunkt auf Grund einer amtsärztlichen Einweisung auf der geschlossenen Abteilung der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck untergebracht (31. Aufnahme). Noch am selben Tag erfolgte die 1. fachärztliche Untersuchung, die eine schizophrene Psychose und Anorexia nervosa ergab. Auch der Zeitpunkt dieser Untersuchung ist dem Akteninhalt nicht entnehmbar. Die 2. fachärztliche Untersuchung fand am um 13 30 Uhr statt. Dabei wurden eine Psychose und eine Essstörung diagnostiziert.

Das Erstgericht führte nach seiner Verständigung, deren Zeitpunkt ebenfalls dem Akteninhalt nicht entnehmbar ist, von der Unterbringung der Patientin am in der Zeit von 13.25 bis 13.55 Uhr eine Erstanhörung durch. Es erklärte die vorläufige Unterbringung der Patientin für zulässig und beraumte die „Unterbringungstagsatzung" für den an.

Bei dieser mündlichen Verhandlung erklärte das Erstgericht die Unterbringung der Patientin bis für zulässig. Diese leide an einer schizophrenen Psychose und an einer Essstörung; es lägen Denkstörungen, Affektlabilität und Ambivalenz vor. Die Patientin erkläre sich zwar zu einer stationären psychosomatischen Behandlung bereit, sei aber nicht in der Lage, sich daran zu halten. Es bestünden Bedenken, dass sie sich durch falsches Ess- und Trinkverhalten in einen lebensgefährlichen Zustand bringe und dadurch (Wasserintoxikation) gefährde. Behandlung und Betreuung im offenen Bereich seien derzeit noch nicht möglich. Im Hinblick auf § 3 UbG seien damit sämtliche Unterbringungsvoraussetzungen gegeben. Am wurde die Patientin auf die offene Station der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck verlegt (AS 79, 125). Das Rekursgericht bestätigte nach Beweisergänzung durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens die Entscheidung des Erstgerichts und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Patientin habe während der Zeit ihrer Unterbringung auf der geschlossenen Station an einer psychischen Krankheit, nämlich an einer akuten Exacerbation einer paranoid halluzinatorischen Schizophrenie, gelitten. Dies sei mit einer deutlich erhöhten Zufuhr von Flüssigkeit, einer Nahrungsverweigerung, einer Inkohärenz des Denkens, einer dysphorischen Stimmungslage und einer Ambivalenz einhergegangen. Die Patientin sei akut und erheblich selbstgefährdet gewesen. Eine Behandlungsalternative habe nicht bestanden, weil ausreichende Compliance nicht gegeben gewesen sei. Es hätte daher die Gefahr bestanden, dass die Patientin die Nahrungsaufnahme weiter reduzieren und die Flüssigkeitsaufnahme weiter steigern könnte. Psychosomatische Einrichtungen, die zur Behandlung einer Anorexia nervosa und von posttraumatischen Belastungsstörungen geeignet sind, nähmen hochpsychotische Patienten nicht auf. Zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung hätten somit die Unterbringungsvoraussetzungen vorgelegen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Patientin ist zulässig und auch teilweise berechtigt.

Die Revisionsrekursbeantwortung des Abteilungsleiters der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck war hingegen als verspätet zurückzuweisen. Der Revisionsrekurs wurde diesem am zugestellt. Die Revisionsrekursbeantwortung wurde jedoch erst am und somit nach Ablauf der vierzehntägigen Frist des § 66 Abs 1 AußStrG zur Post gegeben. Damit erübrigte sich aber auch die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens im Hinblick darauf, dass die Revisionsrekursbeantwortung entgegen § 6 Abs 2 letzter Satz AußStrG iVm § 12 Abs 2 UbG nicht von einem qualifizierten Vertreter gefertigt war.

1. Nach den Feststellungen des Rekursgerichts in Verbindung mit dem Akteninhalt hält sich die Patientin seit nicht mehr auf der geschlossenen Station der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck auf. Sie hat nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs aber dennoch ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung, ob die freiheitsbeschränkende Maßnahme zu Recht erfolgte (1 Ob 549/91 uva = EFSlg 97.584; RIS-Justiz RS0071267; Kopetzki, Unterbringungsrecht II [1995] 629 ff mwN; ders, Grundriss des Unterbringungsrechts² [2005] 97 mwN).

2. Die Patientin verweist in ihrem Revisionsrekurs selbst auf die Feststellungen des Rekursgerichts zum Fehlen von Behandlungsalternativen. Sie meint aber, das Rekursgericht habe diese Feststellungen „ausschließlich auf die Ausführungen des Sachverständigen" gestützt, die „Aufnahme von konkreten Beweisen zum alternativen Betreuungsplatz trotz wiederholter diesbezüglicher Bezüge" der Patientin jedoch unterlassen. Daher sei das Rekursverfahren mangelhaft geblieben.

Die Patientin unterlässt es allerdings, im Revisionsrekurs konkret darzulegen, von welchen „alternativen Betreuungsplätzen" das Rekursgericht tatsächlich auszugehen gehabt hätte, hätte es „weitere Beweise" (welche?) aufgenommen.

3. Soweit die Patientin das Vorliegen einer Selbstgefährdung unter Hinweis auf Ausführungen eines der beiden untersuchenden Fachärzte bestreitet und von einer bloßen Behandlungsbedürftigkeit im Zeitraum ihrer Unterbringung ausgeht, weicht sie von den Feststellungen des Rekursgerichts ab.

4. Die Patientin wirft dem Rekursgericht jedoch mit Recht vor, verkannt zu haben, dass sie entgegen § 10 UbG nach ihrer Unterbringung nicht unverzüglich von 2 Fachärzten untersucht worden ist. Nach ihrer Auffassung war mangels Vorliegens der formellen Voraussetzungen daher die Unterbringung unzulässig.

4.1. Ein Patient darf im Sinne des UnterbringungsG nur untergebracht werden, wenn formelle und materielle Voraussetzungen erfüllt sind. Die formellen Voraussetzungen regelt § 10 UbG. Danach haben (unter anderem) der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Ein Zwangsaufenthalt eines Kranken ohne vorangegangene Untersuchungen ist unzulässig (4 Ob 192/98h = RdM 1999/14 [Kopetzki]).

Nach der jüngeren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (4 Ob 192/98h) ist (auch) die „Unverzüglichkeit" der Aufnahmeuntersuchungen eines Patienten der gerichtlichen Nachprüfung unterworfen. Diese bezieht sich somit - entgegen älterer Rechtsprechung (vgl etwa 2 Ob 347/97m = EFSlg 97.619) - nicht nur auf die materiellen Voraussetzungen einer Unterbringung im Sinne des UnterbringungsG, sondern auch auf deren formelle (Kopetzki, RdM 1999/14 [Entscheidungsanmerkung]; ders, RdM 1996/17 [Entscheidungsanmerkung]). Der erkennende Senat schließt sich der jüngeren Rechtsprechung an. Sie entspricht nämlich den verfassungsrechtlichen Anforderungen einer umfassenden Rechtsmäßigkeitskontrolle freiheitsentziehender Maßnahmen sowohl in materieller als auch in formeller (insbesondere verfahrensrechtlicher) Hinsicht (Art 6 Abs 1 PersFrG; Art 13 EMRK; Kopetzki, Unterbringungsrecht 627 ff; ders, RdM 1999/14 [Entscheidungsanmerkung]).

4.2. Nach der Rechtsprechung sowohl des Verwaltungsgerichtshofs (Zl 93/11/0035 = JBl 1994, 770) als auch des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 25/97h = RdM 1998/3) liegt eine Unterbringung im Sinne des UnterbringungsG vor, sobald eine in eine Anstalt eingelieferte Person durch Anstaltspersonal Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen wird. Ab diesem Zeitpunkt ist sie im Sinne des § 1 Abs 1 UbG in die Krankenanstalt aufgenommen. § 10 Abs 1 Satz 2 UbG, der von der Aufnahme nach Erstellung zweier ärztlicher Zeugnisse spricht, stehe dem nicht entgegen. Da deren Erstellung unverzüglich zu erfolgen habe, stehe - bei gesetzmäßigem Vorgehen - der Beginn der mit der Aufnahme verbundenen Einschränkung der Bewegungsfreiheit „praktisch in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Einlieferung des Betreffenden in die Anstalt".

Die Aufnahmeuntersuchung muss innerhalb einer der Bedeutung und Dringlichkeit der Sache angemessenen Frist vorgenommen werden. Dabei wird dem Gesetzeszweck entsprochen, wenn der Patient unmittelbar nach der Einlieferung vom diensthabenden Facharzt und danach von einem (allenfalls von außen herbeigerufenen) zweiten Facharzt untersucht wird (4 Ob 192/98h). Wie lange der Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Untersuchung sein darf, hängt von der Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte des Patienten ab und ist (etwa) noch angemessen, wenn die erste Untersuchung am Abend und die zweite am Morgen des nächsten Tages stattfindet und sich der Patient dazwischen gegen die freiheitsbeschränkenden Maßnahmen nicht wehrt (vgl 4 Ob 192/98h). Ein Zeitraum von mehreren Stunden kann allerdings nur unter besonderen Umständen als unverzüglich gewertet werden (Hopf/Aigner, Unterbringungsgesetz [1993] 35; ebenso 4 Ob 192/98h).

4.3. Nach den im Akt erliegenden fachärztlichen Zeugnissen fand die erste Untersuchung der Patientin am statt, wobei die Uhrzeit nicht angegeben ist. Die zweite Untersuchung erfolgte am um 13.30 Uhr. Wann genau die Patientin am in die Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck eingeliefert und dort auf der geschlossenen Station aufgenommen wurde, ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen und wurde von den Vorinstanzen auch nicht festgestellt.

Damit steht derzeit nicht fest, wieviel Zeit zwischen der Unterbringung der Patientin und der 1. fachärztlichen Untersuchung bzw zwischen der 1. und der 2. fachärztlichen Untersuchung vergangen ist.

4.4. Einer Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen bedarf es aber dennoch nicht, weil auch so davon auszugehen ist, dass die formelle Voraussetzung der „unverzüglichen Untersuchung" nach § 10 Abs 1 UbG nicht vorgelegen ist.

Selbst wenn man nämlich von einer Unterbringung der Patientin in den späten Abendstunden des und einer sofortigen 1. fachärztlichen Untersuchung ausgehen würde, wären zwischen dieser und der 2. fachärztlichen Untersuchung jedenfalls 13,5 Stunden vergangen. Wie zu 2.2. dargestellt, kann aber ein Zeitraum von mehreren Stunden nur unter besonderen Umständen als unverzüglich gewertet werden. Derartige besondere Umstände sind den Feststellungen der Vorinstanzen und dem sonstigen Akteninhalt nicht zu entnehmen. Der Abteilungsleiter der Universitätklinik für Psychiatrie Innsbruck hätte zwar (noch) im Revisinsrekursverfahren die Möglichkeit gehabt, solche Umstände darzutun. Er hat aber in seiner Revisionsrekursbeantwortung lediglich ausgeführt, die 2. fachärztliche Untersuchung sei erst am zweiten Tag vorgenommen worden, weil „zwecks Erforderlichkeit der Behandlung anderer medizinischer Notfälle ... eine frühere Untersuchung ... nicht möglich" gewesen sei; damit sei § 10 UbG nicht verletzt worden. Abgesehen davon, dass die Revisionsrekursbeantwortung verspätet war und ihr Inhalt daher nicht zu berücksichtigen ist, beruft sich der Abteilungsleiter auch nur ganz allgemein auf organisatorische Probleme der Krankenanstalt. Diese können zwar unter Umständen beachtlich sein (vgl 4 Ob 192/98h zur Notwendigkeit, bei Unterbringung des Patienten in den Abend- und Nachtstunden erst einen zweiten Facharzt von außen herbeirufen zu müssen), müssten aber konkret dargelegt werden. Jedenfalls können sie bei einer Interessenabwägung nicht grundsätzlich als schwerwiegender beurteilt werden als das Interesse das Patienten an einer unverzüglichen Prüfung der Unterbringungsvoraussetzungen.

Vergehen zwischen der 1. und der 2. fachärztlichen Untersuchung einer Person, die auf einer geschlossenen Abteilung im Sinne des UnterbringungsG untergebracht ist, zumindest 13,5 Stunden, und tut der Abteilungsleiter keine besonderen Umstände dar, die diese Zeitspanne rechtfertigen können, liegt jedenfalls die formelle Voraussetzung der „unverzüglichen Untersuchung" nach § 10 Abs 1 UbG nicht vor.

5. Da die Patientin im Revisionsrekurs auch unter Hinweis auf das Fehlen formeller Voraussetzungen die Unzulässigerklärung ihrer Unterbringung für den gesamten Zeitraum vom 5. bis anstrebt, ist weiters zu prüfen, ob das Fehlen der zu 4.4. dargestellten formellen Voraussetzung nur den Zeitraum bis zur Verständigung des Erstgerichts gemäß § 17 UbG durch die Krankenanstalt tangiert oder auch den vom gerichtlichen Unterbringungsverfahren gedeckten Zeitraum erfasst:

5.1. Das Gericht entscheidet gemäß § 18 UbG über die Zulässigkeit der Unterbringung. Nach Kopetzki (Grundriss Rz 307, 308/1) ist Gegenstand des Verfahrens die Prüfung der Voraussetzungen der Unterbringung und die Entscheidung über ihre Zulässigkeit. Rechtlicher Beurteilungsmaßstab für die Beurteilung der Zulässigkeit seien sämtliche materiellen und formellen Voraussetzungen der Unterbringung. Die Unterbringung sei daher vom Gericht gegebenenfalls auch aus formalen Gründen - trotz Erfüllung der materiellen Voraussetzungen - für unzulässig zu erklären, wenn etwa Verfahrensvorschriften missachtet wurden.

Aus diesen Überlegungen könnte der Schluss gezogen werden, „die Unterbringung" sei eine (einheitliche) freiheitsentziehende Maßnahme, die (insgesamt) unzulässig ist, wenn auch nur eine ihrer materiellen oder formellen Voraussetzungen fehlt.

Für diese Auffassung spräche die vom Gesetzgeber im UnterbringungsG geschaffene, aufeinander aufbauende Vorgangsweise von Krankenanstalt und Gericht. So erfolgt zunächst die Aufnahme in der geschlossenen Abteilung, daran schließen die beiden fachärztlichen Gutachten sowie die Verständigung des Gerichts an. Dieses hat die Erstanhörung vorzunehmen und (allenfalls) die Unterbringung vorläufig für zulässig zu erklären. In weiterer Folge ist ein Sachverständigengutachten einzuholen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Schließlich ist die Unterbringung für zulässig zu erklären. Fehlt es an einer dieser formellen Voraussetzungen, wäre den danach folgenden Schritten die rechtliche Grundlage entzogen. Dies würde vor allem an der Schnittstelle zwischen Krankenanstalt und Unterbringungsgericht gelten. Dem Gericht stehen bei der Erstanhörung ja - neben dem persönlichen Eindruck des Richters vom Patienten - lediglich Krankengeschichten und die beiden fachärztlichen Untersuchungsberichte zur Verfügung.

5.2. Nach Kopetzki (Grundriss Rz 308/3) kommt es für die Pflicht der Krankenanstalt zur Aufhebung der Unterbringung allerdings nur auf das Vorliegen der materiellen Unterbringungsvoraussetzungen im Entscheidungszeitpunkt an; die isolierte Feststellung formeller Mängel habe nur deklarative Bedeutung. Die Feststellung eines Verfahrensmangels bei Einleitung der Unterbringung stehe daher einer Zulässigerklärung der nachfolgenden Unterbringungszeiträume nicht entgegen; Mängel etwa bei der Aufnahmeuntersuchung schlössen die Zulässigerklärung der Unterbringung nach gerichtlicher Anhörung nicht aus. Kopetzki verweist dabei auch auf eine zweitinstanzliche Entscheidung.

Der Oberste Gerichtshof erklärte eine Unterbringung in einem Fall, in dem das Unterbringungsgericht die Durchführung einer (neuerlichen) Erstanhörung unterlassen und die in einem zuvor beendeten Verfahren erfolgte Erstanhörung „verwertet" hatte, nicht zur Gänze für unzulässig. Die Unzulässigerklärung erfasste vielmehr lediglich den Zeitraum zwischen dem gemäß § 19 Abs 1 UbG spätestmöglichen Zeitpunkt der (tatsächlich unterbliebenen) Erstanhörung und dem Beginn der mündlichen Verhandlung (3 Ob 510/95 = EvBl 1995/172). Dabei war der Oberste Gerichtshof zwar durch einen entsprechenden Antrag im Revisionsrekurs der Patientin eingeschränkt. Der Entscheidung lässt sich aber jedenfalls die Auffassung entnehmen, dass auch eine Teilunzulässigerklärung einer Unterbringung möglich ist. Nach nunmehriger Rechtsprechung dient schließlich das Verfahren nach dem UnterbringungsG nur der bestmöglichen Wahrung der Interessen des Patienten. Eine darüber hinausgehende Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Verhaltens der Beteiligten, also auch der Krankenanstalt, hat daher nicht in diesem Verfahren, sondern allenfalls in einem Amtshaftungsverfahren zu erfolgen (RIS-Justiz RS0075987).

5.3. Folgt man dem aus den Materialien hervorleuchtenden Selbstverständnis des historischen Gesetzgebers des UnterbringungsG, lag die leitende Zielsetzung bei der Neuordnung dieses Regelungsbereichs im Ausbau des Rechtsschutzes für jene Patienten, die im Rahmen stationärer psychiatrischer Einrichtungen Beschränkungen ihrer Rechte unterworfen werden. Es sei, so die Erläuterungen, „ein Gebot der Menschenrechte, diese Beschränkungen in einer rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechenden Weise zu regeln. Allgemeines Ziel dieser Regelungen muss sein, Beschränkungen, also den Zwang in der psychiatrischen Krankenversorgung, nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zur Abwehr schwerwiegender Gefahren zuzulassen sowie hinsichtlich der Voraussetzungen und der Anwendung einer wirksamen Kontrolle zu unterwerfen" (vgl Kopetzki, Unterbringungsrecht 435).

Allerdings weist Kopetzki (aaO) zutreffend darauf hin, dass trotz dieser rechtsschutzorientierten Zielsetzung des historischen Gesetzgebers der Umstand nicht aus den Augen verloren werden sollte, dass das eigentliche - vom Gesetz zwar nicht ausdrücklich angesprochene, jedoch in den materiellen Unterbringungsvoraussetzungen des § 3 UbG zum Ausdruck kommende - Ziel der Unterbringung nicht der Rechtsschutz, sondern die Abwehr krankheitsbedingter Gefährdungen für die Rechtsgüter der (eigenen bzw fremden) Gesundheit und des Lebens ist.

Dieser Zielsetzung würde es aber - auch unter Berücksichtigung rechtsschutzorientierter Überlegungen - widersprechen, die Unterbringung eines Patienten trotz des Vorliegens der materiellrechtlichen Voraussetzungen pro futuro nur deshalb zur Gänze für unzulässig zu erklären, weil es an formellrechtlichen Voraussetzungen mangelte. Führt die Unzulässigerklärung (etwa bei der Erstanhörung oder durch die Entscheidung eines Rechtsmittelgerichts) zur umgehenden Aufhebung der Unterbringung des Patienten, kommt es unmittelbar zur Gefährdung der erwähnten Rechtsgüter. Das Argument, dass die Krankenanstalt dem durch eine umgehende neuerliche Unterbringung in analoger Anwendung der §§ 10, 11 Z 1 UbG entgegenwirken könnte, vermag nicht zu überzeugen. Die Unzulässigerklärung würde damit zu einem Ritualakt. Dazu kommt, dass das UnterbringungsG bewusst eine Zweiteilung in vorläufige administrativrechtliche und nachprüfende gerichtliche Entscheidungsbefugnisse vorsieht. Es stellt die Entscheidung über die Unterbringung zunächst in die alleinige Kompetenz ärztlicher Organe. Erst im Nachhinein greift die nachprüfende gerichtliche Kontrolle ein (Kopetzki, Unterbringungsrecht 437).

Erklärt das Unterbringungsgericht gemäß § 20 UbG die Unterbringung vorläufig für zulässig, deckt diese Entscheidung die Unterbringung für die Zeit danach (vgl Kopetzki, Grundriss Rz 387). Durch die Zulässigerklärung der Unterbringung nach durchgeführter mündlicher Verhandlung ist die vorläufige Zulässigerklärung schließlich überhaupt überholt (3 Ob 510/93 = EvBl 1993/120); pro futuro stützt sich die Unterbringung auf diese Entscheidung. Davon unberührt bleibt aber die nachprüfende Kontrolle hinsichtlich des Zeitraums vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens.

Diese Auffassung wahrt auch den durch das UnterbringungsG angestrebten Rechtsschutz des Patienten. Das Unterbringungsgericht hat bei seiner Entscheidung, mit der es die Unterbringung des Patienten (vorläufig) für zulässig erklärt, gegebenenfalls festzustellen, dass auf Grund des Fehlens (etwa) formeller Unterbringungsvoraussetzungen im bei der Krankenanstalt geführten administrativrechtlichen Verfahrensteil die Unterbringung des Patienten bis zur Verständigung des Unterbringungsgerichts gemäß § 17 UbG nicht dem Gesetz entsprach (vgl 3 Ob 510/95). Dies gilt auch dann, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Unterbringung bereits wieder aufgehoben worden ist, weil eine unterschiedliche Interessenlage nicht erkennbar ist.

5.4. Damit war im vorliegenden Verfahren die Unterbringung jedenfalls ab Beginn der Erstanhörung der Patientin zulässig. Für den Zeitraum davor entsprach sie allerdings nicht dem Gesetz, weil - wie zu 4.4. dargestellt - von der Universitätsklinik für Psychiatrie Innsbruck die formellen Voraussetzungen des § 10 UbG nicht eingehalten worden waren und auch nicht feststeht, wann die Verständigung des Erstgerichts erfolgte.

Dem Revisionsrekurs war damit teilweise Folge zu geben.