OGH vom 17.09.2014, 4Ob61/14w

OGH vom 17.09.2014, 4Ob61/14w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr.

Schenk als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei WIWE Schutzverband *****, vertreten durch Dr. Bernd Roßkothen, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei R***** K*****, vertreten durch Dr. Manfred Schiffner und andere Rechtsanwälte in Köflach, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 30.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom , GZ 5 R 25/14g 9, womit die einstweilige Verfügung des Landesgerichts Klagenfurt vom , GZ 23 Cg 130/13m 3, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden mit der Maßgabe bestätigt, dass die einstweilige Verfügung zu lauten hat:

„Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei gegen die beklagte Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen, worauf das Klagebegehren gerichtet ist, wird der beklagten Partei aufgetragen, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, Ernährungsberatung, insbesondere die Ernährungstypbestimmung, die Austestung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und die Analyse sinnvoller Nahrungsergänzungen, anzubieten, wenn sie nicht die Voraussetzungen gemäß § 119 Abs 1 GewO 1994 erfüllt.

Diese einstweilige Verfügung wird bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils erlassen.

Die klagende Partei hat die Kosten des Provisorialverfahrens vorläufig selbst zu tragen.“

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Revisionsrekurses endgültig, die klagende Partei die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung einstweilen selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein seit 1982 bestehender Verband zur Wahrung und Förderung der Interessen der in Österreich tätigen Unternehmen und zur Bekämpfung der Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs, insbesondere auch durch Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs nach § 14 UWG. Dem Verband gehören unter anderem Unternehmer aus der Branche des Beklagten an.

Der Beklagte ist Humanenergetiker und übt das freie Gewerbe der Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw energetischen Ausgewogenheit mittels der Methoden von Dr. Bach, mittels Biofeedback oder Bioresonanz, mittels Auswahl von Farben, Düften, Lichtquellen, Aromastoffen, Edelsteinen und Musik, unter Anwendung kinesiologischer Methoden, mittels Interpretation der Aura, mittels Magnetfeldanwendung, durch sanfte Berührung des Körpers bzw gezieltes Auflegen der Hände an bestimmten Körperstellen, mittels Cranio Sacral Balancing iSd § 2 Abs 1 Z 11 GewO aus, unterhält hiefür eine Praxis und wirbt im Internet unter www.ernaehrungstyp.at.

Der Beklagte bietet insbesondere folgende Leistungen an:

Individuelle Ernährungstypbestimmung für Sportler und Berufstätige, Leistungsoptimierung beim Sport, im Alltag und im Beruf, Austestung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Analyse sinnvoller Nahrungsergänzungen, Professionelle Trinkwasserberatung, BIA Messung (Körperstrukturmessung) zur Feststellung des Mindestbedarfs an Kalorien pro Tag, Mind Link Harmonisierung psychischer und emotionaler Blockaden.

Im Zuge der Bewerbung der BIA Messung führt der Beklage auf seiner Homepage aus:

„Die BIA Messung (Bio Impedanz Analyse) ist eine sehr genaue und zuverlässige Methode zur Ermittlung der individuellen Körperzusammensetzung. Sie wird seit mehr als 20 Jahren in der Sport und Ernährungsmedizin eingesetzt, um gezielt die Veränderungen von Körperfettanteil und Muskelmasse aufgrund von Ernährungs und trainingsbedingten Umstellungen beobachten zu können.“

Weiters bietet der Beklagte „Entgiftung und (Schwermetall) Ausleitung“ an, wobei er in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass „der Anstieg von Umweltgiften sowie die vermehrte Entstehung von Stoffwechselgiften durch die Zufuhr von zu viel und zu einseitiger Nahrung den Organismus überfordert und der Körper in der Folge diese Gifte und Schlacken nicht mehr selbst entsorgen kann ... und diese Verschlackung eine schlechtere Versorgung der Zellen mit Sauerstoff mit sich bringt und die Regulation der Stoffwechselvorgänge erschwert. ... Mit Giftstoffen belastete Zellen können aufgrund der veränderten Zellspannung keine Nährstoffe mehr aufnehmen“.

Die vom Beklagten angebotene „Ernährungstypbestimmung“ bewirbt er unter anderem damit, dass durch das von ihm erstellte „individuelle Ernährungsprogramm“ man „langfristig das Wohlfühlgewicht erreicht, Essstörungen in den Griff bekommt ... und aktiven Krankheiten vorbeugt“.

Zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens beantragt der Kläger , dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung zu verbieten, seine gewerbliche Tätigkeit der Humanenergetik mit Dienstleistungen zu bewerben, die dem Gewerbe der Ernährungsberatung (Lebens und Sozialberatung) vorbehalten sind, beispielsweise durch Anbieten von BIA Messungen, Ernährungsberatungen und ähnliches. Der Beklagte sei Humanenergetiker und bewerbe seine Praxis damit, „Heilbehandlungen“, durchzuführen. Heilbehandlungen seien aber Gesundheitsberufen vorbehalten. Der Beklagte biete Leistungen an, die nach § 119 GewO dem Gewerbe der Ernährungsberatung (Lebens und Sozialberatung) vorbehalten seien. Der allgemeine Hinweis auf Ernährungsberatung oder Leistungsoptimierung oder ähnliches sei unzulässig und ausschließlich dem Tätigkeitskatalog des Gewerbes der Lebens und Sozialberatung gemäß § 119 GewO vorbehalten, wofür man auch entsprechende Vorkenntnisse, insbesondere ein Studium, nachweisen müsse. Der Beklagte versuche den irreführenden Eindruck zu erwecken, er wäre komplementär medizinisch ausgebildet oder hätte sonstige komplementäre Methoden, die anerkannter Weise angewendet werden dürften. Dies sei nicht der Fall. Soweit der Beklagte etwa bei der Bewerbung der BIA Messung darauf hinweise, dass dies eine sehr genaue Methode zur Ermittlung der individuellen Körperzusammensetzung sei und diese seit mehr als 20 Jahren in der Sport und Ernährungsmedizin eingesetzt werde, suggeriere er medizinische Anwendungen. Der Beklagte suggeriere, er könne tatsächlich Diagnostik, Behandlung oder Therapie anbieten, was aber ausschließlich Ernährungsberatern nach § 119 GewO oder Ärzten vorbehalten sei. Die Anwendung von Heilmethoden sei den Gesundheitsberufen vorbehalten. Der Beklagte gebe damit zu verstehen, er habe eine Heilmethode von Essstörungen und gesundheitlichen Problemen zu bieten. Er überschreite seine Befugnisse deutlich, verstoße damit gegen § 119 GewO sowie das ÄrzteG, weshalb Rechtsbruch iSd § 1 UWG vorliege. Überdies erwecke der Beklagte zumindest den Eindruck, er dürfe und könne derartige Beratungen vornehmen, er verfüge über Gesundheits oder Ernährungsberatungsausbildung, die er in Wahrheit nicht habe. Unklare Angaben seien „per se“ irreführend. Der typische Adressat der gegenständlichen Bewerbung stamme aus einer Personengruppe, die für derartige Praktiken aufgeschlossen sei oder der Schulmedizin nicht (mehr) vertraue oder auch sonst durchaus leichtgläubig, also besonders schutzwürdig sei. Die angebotenen Dienstleistungen seien daher als sonstige Therapien und daher sogar dem Tatbestand der Z 17 des Anhangs zum UWG zu unterstellen. Die Werbung des Beklagten sei daher sowohl unter dem Gesichtspunkt des § 1 als auch des § 2 UWG unlauter.

Der Beklagte äußerte sich trotz Aufforderung zum Sicherungsantrag des Klägers nicht.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren statt. Der Beklagte überschreite seine Befugnisse gemäß § 2 Abs 1 Z 11 GewO, verstoße daher gegen § 119 GewO, weshalb Rechtsbruch iSd § 1 UWG vorliege. Überdies erwecke er den Eindruck, eine Heilmethode für Essstörungen oder gesundheitliche Probleme anzubieten oder dass er Diagnostik, Behandlung oder Therapie durchführen könne, was Ernährungsberatern nach § 119 GewO oder Ärzten vorbehalten sei. Ein Hinweis auf die für das Gewerbe der Humanenergetik typischen Hilfestellungsmethoden (etwa Methode von Dr. Bach oder andere) fehle. Die beanstandete Werbung sei daher irreführend iSd § 2 UWG.

Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche einstweilige Verfügung und sprach nach diesbezüglichem Abänderungsantrag des Beklagten aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Abgrenzung der Tätigkeiten der Humanenergetiker einerseits und der Lebens und Sozialberater in Bezug auf Ernährungsberatung oder sportwissenschaftliche Beratung fehle.

Der Beklagte biete ernährungs und sportwissenschaftliche Beratung an, in diesem Zusammenhang BIA Messungen zur Feststellung des Mindestbedarfs an Kalorien pro Tag, somit Tätigkeiten, die dem reglementierten Gewerbe der Lebens und Sozialberatung entsprechen und die erfolgreiche Absolvierung der Studienrichtung Ernährungswissenschaften oder die erfolgreiche Ausbildung zum Diätassistenten oder die erfolgreiche Absolvierung der Studienrichtung Sportwissenschaften oder Leibeserziehung oder einen Diplomabschluss in einer Trainerausbildung an einer Sportakademie des Bundes erforderten. Das beanstandete Verhalten sei geeignet, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen, bewirke also einen Vorsprung im Wettbewerb durch Rechtsbruch. Der Beklagte könne sich auch auf keine vertretbare Rechtsansicht stützen, stünden die von ihm angebotenen Tätigkeiten der Ernährungsberatung doch in offenbarem Widerspruch zum Wortlaut seiner Gewerbeberechtigung und dem Berufsbild eines Humanenergetikers. Nach § 119 Abs 1 GewO sei auch klar, dass Ernährungsberatung (und sportwissenschaftliche Beratung) dem Gewerbe der Lebens und Sozialberatung vorbehalten sei. Da das Erstgericht zutreffend einen Wettbewerbsverstoß durch Rechtsbruch bejaht habe, erübrige sich eine nähere Befassung mit dem weiters geltend gemachten, im Spruch der beantragten einstweiligen Verfügung aber nicht näher konkretisierten Irreführungstatbestand.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Beklagten, mit dem er die Abweisung des Sicherungsbegehrens anstrebt, ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht. Der Unterlassungsanspruch setzt ferner voraus, dass das beanstandete Verhalten geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (RIS Justiz RS0123239). Maßgebend für die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung sind der eindeutige Wortlaut und Zweck der angeblich übertretenen Norm sowie gegebenenfalls die Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und eine beständige Praxis von Verwaltungsbehörden (zuletzt etwa 4 Ob 58/14d mwN; RIS Justiz RS0077771).

Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass mit der Gewerberechtsnovelle 2002 (BGBl I 111/2002, in Kraft seit ) die Ernährungsberatung zu einem Teilbereich des Lebens und Sozialberatungsgewerbes nach § 119 GewO und die Ausübung damit reglementiert wurde (9 Ob 64/04h). Nach § 119 Abs 1 GewO sind Personen, die das Gewerbe der Lebens und Sozialberatung ausüben, auch zur Ausübung von Ernährungsberatung berechtigt, wenn sie die erforderliche Absolvierung der Studienrichtung Ernährungswissenschaften an einer inländischen Universität oder die erfolgreiche Ausbildung zum Diätassistenten/zur Diätassistentin nachweisen. Die Auswahl, Zusammenstellung und Berechnung der Kost für Einzelpersonen und Personengruppen und die an bestimmte Bedürfnisse (etwa Schwangere, Sportler) angepasste Ernährungsberatung von Einzelpersonen und Personengruppen zählt ausschließlich zur Ernährungsberatung. Derartige Tätigkeiten können seit der Gewerberechtsnovelle 2002 nicht mehr im Rahmen eines freien Gewerbes ausgeübt werden. Jemand, der nur ein freies Gewerbe ausübt, darf daher etwa keinen Diätplan für einen (kranken) Kunden erstellen ( Hanusch , GewO § 119 Rz 3).

Lediglich Teiltätigkeiten im Zusammenhang mit der Ernährungsberatung können nach wie vor in der Form eines freien Gewerbes ausgeübt werden, wenn davon auszugehen ist, dass auch nicht speziell geschulte Kunden diese Tätigkeiten selbst verrichten können. Beispiele für solche Tätigkeiten: Die Auswahl von Nahrungsmittellieferanten, der Einkauf und die Auswahl von Nahrungsmitteln, die Zubereitung von Speisen (etwa Vollwertkost) nach einem von dritter Seite erstellten Ernährungs oder Diätplan, die Variation von Speisen im Rahmen des von dritter Seite erstellten Ernährungs oder Diätplans, die Ausarbeitung individueller Rezepte, die Führung eines Haushaltsbuchs, das Zählen von Kalorien, die Führung einer Kalorien oder Gewichtstabelle, das Ausmessen von Körpermaßen, die Buchführung darüber oder das Führen eines Ernährungsprotokolls. Diese Tätigkeiten können auch mit weiteren freien Tätigkeiten aller Art kombiniert werden ( Hanusch , GewO § 119 Rz 5 mwN).

Von den vom Beklagten im Rahmen seines Internetauftritts ausdrücklich angebotenen Leistungen fallen zumindest die Ernährungstypbestimmung, die Austestung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und die Analyse sinnvoller Nahrungsergänzungen unter Tätigkeiten, die nur von speziell geschulten Personen vorgenommen werden können und von vornherein ohne dass es einer näheren gesetzlichen Definition bedürfte dem Begriffskern der als reglementiertes Gewerbe ausgestalteten Ernährungsberatung entsprechen. Dass diese Teiltätigkeiten in den Bereich des freien Gewerbes fielen, ist daher nicht mit guten Gründen vertretbar. Die Analyse bestimmter Nahrungsergänzungen ist nichts anderes als die Auswahl, Zusammenstellung und Berechnung der Kost, die wie oben dargelegt ausschließlich in das Tätigkeitsfeld von Ernährungsberatern nach § 119 Abs 1 GewO fällt. Die an bestimmte Bedürfnisse angepasste Ernährungsberatung, aber auch die Bestimmung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten kommt der Erstellung eines Ernährungs oder Diätplans sehr nahe. Zumindest mit den entsprechenden Ankündigungen überschreitet der Beklagte eindeutig den Bereich des freien Gewerbes.

Wenn der Beklagte wie schon in seinem Rekurs gegen die einstweilige Verfügung vorbringt, seine Ernährungstypbestimmung erfolge nach einer bestimmten Methode, die nicht wissenschaftlich anerkannt sei, weshalb kein Eingriff in den Vorbehaltsbereich der Ernährungsberater vorliege, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass er mangels diesbezüglichen erstinstanzlichen Vorbringens auf im Rekurs- ebenso wie im Revisionsrekursverfahren unzulässige Neuerungen zurückgreift. Die Vorinstanzen haben in dieser Richtung auch keine Feststellungen getroffen, vielmehr hielt das Erstgericht wenn auch disloziert im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung fest, dass der Beklagte in seiner Werbung auf die von ihm verwendeten Methoden nicht hinwies. Davon abgesehen, zielt das Klagevorbringen nicht darauf ab, dass der Beklagte im Rahmen seines angemeldeten Gewerbes unzulässige Tätigkeiten ausführe, sondern darauf, dass er solche (Ernährungsberatung) anbiete und bewerbe. Es kommt daher nicht darauf an, ob der Beklagte allenfalls gewerberechtlich unzulässige Tätigkeiten ausführt, sondern nur darauf, ob die von ihm angebotenen und beworbenen Tätigkeiten unzulässig sind.

Im Übrigen bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob die beanstandete Werbung in den Vorbehaltsbereich der Ernährungs oder Sportberater oder auch allenfalls der Ärzte eingreift, ebenso wenig ob die allenfalls pseudomedizinische Methode des Beklagten als von vornherein nicht wissenschaftlich anzusehen ist (vgl zur Abgrenzung des ärztlichen Vorbehaltsbereichs 4 Ob 151/06v; RIS Justiz RS0118088), weil die beanstandete und zum Gegenstand des Unterlassungsbegehrens gemachte Werbung des Beklagten jedenfalls irreführend und somit unlauter iSd § 2 UWG ist.

Dem Beklagten als Humanenergetiker ist ebenso wie allen anderen Gewerbetreibenden und frei beruflich Erwerbstätigen untersagt, irreführende Angaben über die eigenen Leistungen zu machen. Dabei kann auch das Verschweigen von Tatsachen eine relevante Irreführung sein, wenn eine Aufklärung des Publikums zu erwarten wäre, wenn auch eine allgemeine Pflicht zur Vollständigkeit von Werbeaussagen nicht besteht (RIS Justiz RS0078579). Unvollständige Angaben verstoßen gegen § 2 UWG, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird, sodass die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (RIS Justiz RS0121669). Für die Irreführung durch Unterlassung kommt es danach abgesehen von den allgemeinen Kriterien (Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände, durchschnittlicher Verbraucher etc) darauf an, a) ob wesentliche Umstände verschwiegen werden, die der Durchschnittsverbraucher zu einer informierten geschäftlichen Entscheidung benötigt, b) ob sich dies auf sein geschäftliches Verhalten auszuwirken vermag; dabei ist c) den allenfalls beschränkten Möglichkeiten zur Informationsvermittlung Rechnung zu tragen (RIS Justiz RS0124472). Eine Aufklärungspflicht kann sich aus der Bedeutung ergeben, die der verschwiegenen Tatsache nach der Auffassung des Verkehrs zukommt, sodass ihre Nichterwähnung geeignet ist, das Publikum in relevanter Weise irrezuführen, so insbesondere, wenn durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen wird (RIS Justiz RS0078615). Eine solche Aufklärungspflicht wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn eine Methode angewendet wird, die zwar nicht wissenschaftlich rational ist, aber einen solchen Eindruck erweckt, oder wenn die Unwirksamkeit einer Methode aufgrund empirischer Untersuchungen erwiesen ist (4 Ob 151/06v mwN). Für die Beurteilung entscheidend ist das Verständnis eines durchschnittlich informierten und verständigen Adressaten, der eine dem Anlass angemessene, unter Umständen daher auch bloß flüchtige Aufmerksamkeit aufwendet (RIS Justiz RS0114366).

Der Beklagte verweist in seinem Leistungsangebot auf die BIA Messung (Körperstrukturmessung) zur Feststellung des Mindestbedarfs an Kalorien pro Tag und erläutert diese Bio Impedanz Analyse in einer Weise (... wird seit mehr als 20 Jahren in der Sport und Ernährungsmedizin eingesetzt ...), dass der Eindruck einer wissenschaftlich fundierten Methode entsteht. Im Zusammenhang mit der gleichfalls angebotenen Ernährungstypbestimmung wird nicht nur das langfristige Erreichen des Wohlfühlgewichts, sondern auch angekündigt, Essstörungen in den Griff zu bekommen und aktiven Krankheiten vorzubeugen. Das erweckt beim durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck, die angekündigte Untersuchung und Behandlung verspreche Heilung oder Krankheitslinderung, was den Beklagten und sein Leistungsangebot automatisch in die Nähe reglementierter Tätigkeit von Gesundheitsberufen bringt. Daraus entsteht für den unbefangenen Durchschnittsbetrachter des Angebots jedenfalls der Eindruck, der Beklagte sei zur Erbringung von nur besonders qualifiziertem Personal erlaubten Beratungstätigkeiten, etwa Ernährungs und Sportberatung qualifiziert. Eine derartige Qualifikation liegt unstrittigerweise nicht vor (Voraussetzungen für das reglementierte Gewerbe der Lebens und Sozialberatung, Ernährungsberatung sind nicht erfüllt), ebenso wenig entsprechen die vom Beklagten angewendeten Methoden der von ihm angesprochenen Sport und Ernährungsmedizin. Die Unlauterkeit seines Verhaltens nach § 2 UWG ist daher jedenfalls zu bejahen.

Das Vorbringen des Klägers ist eindeutig in dem Sinn zu verstehen, dass sowohl Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG als auch unlautere Irreführung nach § 2 UWG geltend gemacht wird. Das Klagebegehren ist so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung vom Kläger gemeint ist. Das Gericht hat ein nur versehentlich unrichtig formuliertes Klagebegehren richtig zu fassen. Eine in diesem Rahmen geänderte Formulierung ist keine Überschreitung des Begehrens iSd § 405 ZPO (RIS Justiz RS0037440, RS0041254). Gegenstand des Spruchs hat immer (nur) die konkrete Verletzungshandlung zu sein, auch bei einer allgemeineren Fassung des Unterlassungsgebots muss der Kern der Verletzungshandlung erfasst sein (4 Ob 154/04g; RIS Justiz RS0000771 [T4]). Dem Beklagten ist daher die (jedenfalls) irreführende Ankündigung konkreter Leistungen im Rahmen der Ernährungsberatung, insbesondere die Ernährungstypbestimmung, die Austestung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und die Analyse sinnvoller Nahrungsergänzungen zu verbieten.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 40, 50 ZPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00061.14W.0917.000