OGH vom 25.04.2019, 5Ob28/19g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin *****W***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Alfred Pressl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einverleibung des Eigentumsrechts ob der Liegenschaft EZ ***** KG *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , AZ 47 R 265/18w, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , TZ 4548/2018, bestätigt wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Auf der Liegenschaft EZ ***** KG ***** wurde nach dem WEG 1975 (nur) teilweise Wohnungseigentum begründet. Auf den Anteilen B-LNR 4, 5 und 11, an welchen kein Wohnungseigentum begründet ist, lastet jeweils ein Vorkaufsrecht. Dieses Vorkaufsrecht räumten die jeweiligen Eigentümer dieser Anteile der Vorkaufsberechtigten in dem zwischen ihnen am abgeschlossenen Mietvertrag in Bezug auf den (detailliert beschriebenen) Mietgegenstand ein.
Mit Kaufvertrag vom verkaufte der Eigentümer der Anteile B-LNR 5 diese der Antragstellerin. Zum einverleibten Vorkaufsrecht erklärte der Verkäufer in diesem Kaufvertrag, dass ein Vorkaufsfall nicht vorliege, weil nicht der im Mietvertrag beschriebene Mietgegenstand zum Verkauf stehe. Allerdings hielten die Vertragsteile ausdrücklich fest, dass der Kaufvertrag bis zur Abgabe der Löschungserklärung durch die Vorkaufsberechtigte aufschiebend bedingt sei. Im Nachtrag vom erklärten der Verkäufer und die Antragstellerin, dass sich das Vorkaufsrecht auf den Mietgegenstand beziehe, daran kein Wohnungseigentum begründet sei, alle Miteigentümer darüber verfügungsberechtigt seien, der Verkauf der B-LNR 5 keinen Vorkaufsfall in Bezug auf das einverleibte Vorkaufsrecht darstelle und dieses durch den Kaufvertrag vom nicht berührt werde. Sie vereinbarten daher, dass die Bedingung der Beibringung einer Löschungserklärung zu diesem Vorkaufsrecht durch den Verkäufer entfalle und der Kaufvertrag somit ohne Bedingung rechtsgültig sei.
Die Antragstellerin begehrte aufgrund des Kaufvertrags vom und dessen Nachtrag vom (und anderer Urkunden) die Einverleibung ihres Eigentumsrechts an dem Anteil B-LNR 5 der Liegenschaft.
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Die B-LNR 5 sei (neben den weiteren Anteilen B-LNR 4 und 11) mit dem aufgrund des Mietvertrags vom einverleibten Vorkaufsrecht belastet. Dieses beziehe sich auf sämtliche Objekte, an denen Wohnungseigentum nicht begründet worden sei. Die daher erforderliche Zustimmungserklärung der Vorkaufsberechtigten habe die Antragstellerin nicht vorgelegt.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Aus § 3 Abs 1 GBG folge, dass jede Belastung eines Grundbuchskörpers, so auch ein Vorkaufsrecht, auf dem ganzen Grundbuchskörper einzutragen sei, nicht aber auf einzelnen Grundstücken oder Teilen davon, möge sich auch die Ausübung des Rechts nur auf einzelne Teile der Liegenschaft beziehen. Es sei möglich, ein Vorkaufsrecht nur auf einem von mehreren Grundstücken einer Liegenschaft bzw auf einem Grundstücksteil zu vereinbaren. Der Vorkaufsfall werde nur dann ausgelöst, wenn dem Berechtigten der vom Vorkaufsrecht betroffene Teil der Liegenschaft angeboten werde, während beim Weiterverkauf der gesamten Liegenschaft das Vorkaufsrecht aufrecht bleibe. Ob hier ein Vorkaufsfall vorliege, könne aufgrund des Grundbuchsstandes und der Eintragungsgrundlagen nicht gesagt werden. Eine konkrete Zuordnung des Mietgegenstands zu einem Liegenschaftsanteil sei nicht möglich. Aus dem Mietvertrag gehe nicht eindeutig hervor, dass die ideellen Miteigentumsanteile B-LNR 5 nicht mit dem Gegenstand des Vorkaufsrechts ident seien. Das Bestandobjekt sei nicht von den Liegenschaftsanteilen B-LNR 4, 5 und 11 entkoppelt zu sehen. Es treffe nicht zu, dass die Vorkaufsberechtigte selbst bei einem Anbot des Vorkaufsrechtsverpflichteten nicht den Gegenstand des Vorkaufsrechts und ein Mehr erwerben könne, weil der Verkäufer über das Bestandobjekt, das auch in den weiteren Miteigentumsanteilen enthalten sei, nicht rechtswirksam verfügen könnte. Dies würde das eingetragene Vorkaufsrecht aushebeln. Dieses laste auf drei bestimmten ideellen Liegenschaftsanteilen; würden alle drei verkauft, dann müssten alle Miteigentümer dieser Liegenschaftsanteile die Einlösung anbieten. Im Übrigen könne der Umfang eines Grundbuchskörpers durch grundbücherliche Ab- und Zuschreibung von Liegenschaftsteilen geändert werden. Blieben – wie hier – Zweifel, ob der Vorkaufsfall eingetreten sei, wirke das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein vom Grundbuchsgericht amtswegig zu beachtendes Veräußerungsverbot.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, dass der Antrag auf Einverleibung ihres Eigentumsrechts bewilligt werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist aber nicht berechtigt.
1.1. Die Antragstellerin macht unter dem Revisionsrekursgrund der „Nichtigkeit“ inhaltlich geltend, dass die Beschlüsse des Erstgerichts und des Rekursgerichts iSd § 57 Z 1 AußStrG qualifiziert mangelhaft begründet seien.
1.2. Die Regelung des § 57 Z 1 AußStrG entspricht im Wesentlichen § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, weshalb die in Lehre und Judikatur entwickelten Kriterien zum Vorliegen dieses Nichtigkeitstatbestands heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0121710). Demnach macht eine mangelhafte Begründung eine Entscheidung nur dann nichtig, wenn die Entscheidung gar nicht oder so mangelhaft begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RS0042133 [T10]).
1.3. Die qualifiziert mangelhafte Begründung eines Beschlusses iSd § 57 Z 1 AußStrG zählt zu den in § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG genannten Mängeln (3 Ob 73/12z); diese können nach nunmehr ständiger Rechtsprechung auch dann in einem Revisionsrekurs geltend gemacht werden, wenn sie vom Rekursgericht verneint wurden (RS0121265). Der im Rekurs behauptete Begründungsmangel des Erstgerichts kann allerdings nicht mehr aufgegriffen werden, wenn das Rekursgericht die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinn ihrer Überprüfbarkeit ausreichend ergänzte (5 Ob 192/18y; 1 Ob 129/18d mwN; RS0121710 [T10]).
1.4. Der Rekursentscheidung haftet kein Begründungsmangel iSd § 57 Z 1 AußStrG an, sie ist ausführlich und überprüfbar begründet. Deshalb ist auch ein allfälliger Begründungsmangel des erstgerichtlichen Beschlusses jedenfalls geheilt. Die von der Antragstellerin geltend gemachte (im AußStrG nicht als solche bezeichnete) Nichtigkeit liegt daher nicht vor.
2.1. Nach § 3 Abs 1 GBG ist jeder Grundbuchskörper als Ganzes zu behandeln. Ein Vorkaufsrecht kann daher nur auf dem ganzen Grundbuchskörper (und nicht nur auf demjenigen Teil, auf den sich die Ausübung dieses Rechts bezieht) einverleibt werden (RS0060181; RS0060186 [T1]). Es ist also aus materieller Sicht möglich, ein Vorkaufsrecht nur für eines von mehreren Grundstücken einer Liegenschaft oder für einen bloßen Grundstücksteil zu vereinbaren. Die Belastung ist aber dennoch auf dem ganzen Grundbuchskörper einzuverleiben (6 Ob 238/08f; RS0060186 [T2, T 3]; RS0118470 [T3]).
2.2. Dieser Grundsatz der einheitlichen Behandlung eines Grundbuchskörpers ist durch das Institut des Miteigentums abgeschwächt. Gewisse Belastungen sind auch nur auf einem ideellen Anteil eines Miteigentümers möglich. Die Zulässigkeit der Belastung eines ideellen Liegenschaftsanteils ergibt sich dabei entweder direkt oder mittelbar aus dem Gesetz. Die Zulässigkeit der Einverleibung eines Vor- und Wiederkaufsrechts (nur) auf einem Miteigentumsanteil gründet sich darauf, dass ein ideeller Anteil Gegenstand des Rechtsverkehrs ist und selbstständig veräußert werden kann (Rassi in Kodek, Grundbuchsrecht2§ 3 GBG Rz 40, 43).
2.3. Das hier der Vorkaufsberechtigten von einzelnen Miteigentümern eingeräumte Vorkaufsrecht bezieht sich seinem Wortlaut nach auf das Mietobjekt, das offenbar keinem der zum Zeitpunkt der Vermietung in diesem Mischhaus bestehenden Wohnungseigentumsobjekte entspricht und daher zu den im schlichten Miteigentum aller Mit- und Wohnungseigentümer stehenden Teilen der Liegenschaft gehört. Gegenstand des Vorkaufsrechts ist also nicht der jeweilige gesamte Miteigentumsanteil der dieses Vorkaufsrecht einräumenden Miteigentümer, sondern deren jeweilige Anteile an dem Mietgegenstand.
2.4. Die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts (bloß) für die mit einem Miteigentumsanteil verbundenen Anteile an ganz bestimmten Liegenschaftsteilen ist materiell-rechtlich nicht grundsätzlich als unzulässig anzusehen, besteht doch insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum in Ansehung der Sonderrechtsfähigkeit kein prinzipieller Unterschied zu Grundstücken und bloßen Grundstücksteilen. Ähnlich wie bei der Abschreibung einzelner Bestandteile (Grundstücke oder Grundstücksteile) eines Grundbuchskörpers kann durch die Begründung von Wohnungseigentum an bestimmten Liegenschaftsteilen, die ein wohnungseigentumstaugliches Objekt bilden, ein unterschiedliches (selbständiges) rechtliches Schicksal ermöglicht werden (vgl 6 Ob 238/08f; 5 Ob 87/06i).
2.5. Die Frage der Konsequenzen für das nur auf bestimmte Liegenschaftsteile bezogene Vorkaufsrecht bei Veräußerung des gesamten Miteigentumsanteils ist analog der Rechtsprechung zu den Konsequenzen für das Vorkaufsrecht bei Veräußerung der gesamten Liegenschaft zu beantworten. Ist nur ein Teil der Liegenschaft und damit auch nur ein Teil des Miteigentumsanteils mit einem Vorkaufsrecht belastet und wird der gesamte Miteigentumsanteil veräußert, ist der Vorkaufsfall grundsätzlich auf den belasteten Liegenschaftsteil beschränkt. Der Vorkaufsberechtigte hat nur Anspruch auf Anbietung des mit dem Vorkaufsrecht belasteten Liegenschaftsteils. Lediglich dem Verpflichteten kommt – jedenfalls wenn anzunehmen ist, dass der mit dem Vorkaufsrecht belastete Teil in untrennbarem Zusammenhang mit dem Verkauf der unbelasteten Restanteil steht – das Gestaltungsrecht zu, das Vorkaufsrecht auf den gesamten Miteigentumsanteil zu erweitern und diesen dem Vorkaufsberechtigten mit der Rechtsfolge anzubieten, dass er sie bei sonstigem Verlust des Vorkaufsrechts einlösen muss (vgl 2 Ob 40/09k; 5 Ob 274/07s; 2 Ob 201/99v; RS0020347). Ein solcher untrennbarer Zusammenhang zwischen dem mit dem Vorkaufsrecht belasteten Teil und dem unbelasteten Restanteil ist anzunehmen, wenn – wie die Antragstellerin argumentiert – insbesondere mangels Begründbarkeit von Wohnungseigentum die Schaffung einer rechtlichen Selbständigkeit nicht möglich ist.
3.1. Ein einverleibtes Vorkaufsrecht bildet grundsätzlich ein Eintragungshindernis: Das Grundbuchsgericht darf die Einverleibung des Eigentumsrechts an einer Liegenschaft, bei der ein Vorkaufsrecht einverleibt ist, nur bewilligen, wenn a) kein Vorkaufsfall vorliegt oder b) der Vorkaufsberechtigte zustimmt oder c) der urkundliche Nachweis erbracht wird, dass die Liegenschaft dem Vorkaufsberechtigten zum Kauf angeboten wurde und er von seinem Recht nicht Gebrauch machte (5 Ob 7/16i mwN; RS0021839 [T5]).
3.2. Bleiben daher – wie hier – Zweifel, ob der Vorkaufsfall eingetreten ist, wirkt das verbücherte Vorkaufsrecht wie ein vom Grundbuchsgericht amtswegig zu beachtendes Veräußerungsverbot, das ohne zureichenden urkundlichen Nachweis der Zustimmung des Vorkaufsberechtigten oder der Nichtannahme eines gehörigen Einlösungsangebots der Einverleibung eines Eigentumsübergangs entgegensteht, weil derartige Zweifelsfragen nicht im Grundbuchsverfahren gelöst werden können (RS0020201; vgl auch RS0020157).
3.3. Die Abweisung des Gesuchs der Antragstellerin auf Einverleibung ihres Eigentumsrechts erfolgte demnach zu Recht. Dem Revisionsrekurs musste daher ein Erfolg versagt bleiben.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00028.19G.0425.000 |
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