OGH vom 24.04.2020, 7Ob51/20f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H***** J*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. J***** O*****, und 2. A***** Versicherungs-AG, *****, beide vertreten durch UGP Ullmann Geiler & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 35.780,88 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom , GZ 5 R 23/19z-68, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Es entspricht ständiger Judikatur, dass der Arzt im Rahmen des Behandlungsvertrags den Patienten über Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen einer Operation zu unterrichten hat (RS0038176). Die ärztliche Aufklärung soll den Patienten in die Lage versetzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (RS0026413). Ist der Eingriff nicht dringlich, muss der Patient auch auf allenfalls bestehende alternative Behandlungsmethoden hingewiesen werden. Dabei sind Vorteile und Nachteile, verschiedene Risken, verschieden starke Intensität des Eingriffs, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und verschiedene Höhe der Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen (RS0026313 [T11]). Die Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl RS0026328; RS0026763 [T2]; RS0026529). Eine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht zeigen die Beklagten in ihrer Revision nicht auf:
1.2. Nach den Feststellungen war primär eine konservative Behandlung ([weitere] Physiotherapie und Infiltrationen) üblich, wobei die Möglichkeit bestand, dass der Kläger bereits ab der ersten Infiltration schmerzfrei hätte sein können. Dabei lag das mit einer Infiltration bestehende Risiko einer Nervenschädigung unter dem allgemeinen Operationsrisiko. Wenn das Berufungsgericht bei dieser Sachlage eine Aufklärung des Klägers über die konservativen Behandlungsmöglichkeiten verlangte, dann hält sich diese rechtliche Beurteilung im Rahmen der zuvor dargestellten Judikaturgrundsätze und stellt keine Überspannung der ärztlichen Aufklärungspflicht dar. Das Berufungsgericht verlangte vom Erstbeklagten keine „hellseherischen Fähigkeiten“, sondern lediglich die Darstellung möglicher und üblicher alternativer Behandlungsmethoden und ihrer möglichen Wirkungen. Sofern die Beklagten unterstellen, für den Kläger hätten in Wahrheit keine Behandlungsalternativen bestanden, gehen sie nicht von den erstgerichtlichen Feststellungen aus.
2. Der Kläger hat sich betreffend die Haftung der Zweitbeklagten auf § 52d Abs 6 ÄrzteG gestützt und aus dem Titel des Schadenersatzes auch den Rückersatz der Operationskosten begehrt. Diesen Anspruchsteil haben die Beklagten lediglich mit der Behauptung bestritten, dass der Erstbeklagte den Kläger ohnehin „kunstgerecht“ behandelt habe. Der von den Beklagten erstmals im Berufungsverfahren vertretene Standpunkt, mit dem Begehren nach den „frustrierten“ Operationskosten werde (qualitativ) kein Schadenersatzanspruch geltend gemacht, widerspricht höchstgerichtlicher Rechtsprechung (vgl 1 Ob 219/12f; 6 Ob 558/91).
3. Die Beklagten machen insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist daher die Revision nicht zulässig und zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00051.20F.0424.000 |
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Fundstelle(n):
DAAAD-62400